Entscheidungsdatum: 30.03.2017
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung eines Teils des ehemaligen Betriebsgrundstücks der C.F. F. AG i.L. (Altflurstücke ..., ... und ... der Gemarkung R. ohne das abgetrennte Flurstück ...) an die Liquidationsgesellschaft. Seit 1948 war die später in die Klägerin umgewandelte H. & v. Z. AG B. Mehrheitsaktionärin der C.F. F. AG. Diese betrieb in R. ein Dampfsäge- und Hobelwerk und ein Holzhandelsgeschäft, dem 1948/49 eine Tischlerei angeschlossen wurde. Mit Bescheid vom 21. September 1951 stellte das Ministerium des Innern des Landes Sachsen fest, das Unternehmen der C.F. F. AG sei in Volkseigentum übergegangen. Mit Rechtsträgernachweis vom 10. Januar 1952 wurde die VVB S. werke III in E. zum Rechtsträger der Flurstücke ..., ... und ... sowie des gesamten Produktionsbetriebes mit sämtlichen in Sachsen gelegenen Vermögenswerten bestellt. Im Juli 1952 wurden vom Flurstück ... die Flurstücke ... (später: ...) und ... (später: ...) abgetrennt. Mit Rechtsträgernachweisen vom 21. Juli 1952 wurden die Flurstücke ..., ... und ... dem Rat der Stadt R. und das Flurstück ..., auf dem sich die Tischlerei befand, dem Landkreis G. - Abt. Örtliche Industrie - zugeordnet. Die späteren Rechtsträger dieses Flurstücks führten dort die Möbelfabrikation bis 1991 fort. 1995 wurde das Flurstück mit Zustimmung der Klägerin veräußert. Das Restflurstück ... (später: ...) blieb bis Juni 1952 in der Rechtsträgerschaft der VVB S. werke III; es ging dann auf den VEB H. werk R. und nach dessen Stilllegung 1955 auf den VEB Kommunale Wohnungsverwaltung R. über.
Die Klägerin meldete 1990 vermögensrechtliche Ansprüche am früheren Unternehmen C.F. F. AG in R. an. Die Landesdirektion Sachsen stellte mit Bescheid vom 28. September 2012 die Berechtigung der C.F. F. AG i.L. bezüglich des früheren Unternehmens fest (Ziffer 1) und lehnte die Rückübertragung des Unternehmens und der Altflurstücke ..., ... und ... ab (Ziffer 2). Sie erkannte der C.F. F. AG i.L. einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Flurstücks ... (Ziffer 3) sowie einen Entschädigungsanspruch bezüglich des Unternehmens einschließlich des früheren Betriebsgrundstücks zu (Ziffer 4). Mit ihrer Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides macht die Klägerin einen Anspruch auf Rückübertragung der verfahrensgegenständlichen Flurstücke an die C.F. F. i.L. geltend. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die dagegen eingelegte Beschwerde der Klägerin, die sich allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) beruft, hat keinen Erfolg.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen:
"1. Kommt es - soweit das entzogene Unternehmen nach der Schädigung in zwei bzw. mehrere Betriebsteile aufgespalten, jeweils unterschiedlichen Recht[s]trägern zugeordnet und von diesen weiterbetrieben wurde - bei der Frage nach § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG, welche Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Stilllegung des enteigneten Unternehmens zu dessen Vermögen gehörten, auf den Zeitpunkt der Stilllegung jedes einzelnen weitergeführten Betriebsteiles gesondert oder auf den Zeitpunkt der Stilllegung des am längsten weitergeführten Betriebsteiles an?
2. Erfordert die Anwendung von § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG auf die Vermögensgegenstände von zwei oder mehreren Betriebsteilen, die durch Spaltung des entzogenen Unternehmens nach der Schädigung entstanden sind und jeweils unterschiedlichen Recht[s]trägern zugeordnet und von diesen weiterbetrieben wurden, dass die Entstehung der zwei oder mehr Betriebsteile bzw. die Zuordnung von Betriebsteilen auf zwei oder mehrere verschiedene Rechtsträger unmittelbar im Anschluss an die Enteignung des entzogenen Unternehmens erfolgte?"
und die für den Fall des Bejahens der Frage 2 formulierten weiteren Fragen a) und b) wären im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil die Fragen 1 und 2 von Tatsachen ausgehen, die das angegriffene Urteil nicht festgestellt hat. Nach dessen tatsächlichen Feststellungen, die das Revisionsgericht mangels wirksamer Verfahrensrügen binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), wurde das Unternehmen der C.F. F. AG nach der Enteignung nicht gespalten. Mit Rechtsträgernachweis vom 10. Januar 1952 wurde es insgesamt - einschließlich der Tischlerei - der VVB S. werke III als Rechtsträger zugeordnet. Mit der späteren Teilung des Flurstücks ... und der Zuordnung des abgetrennten Flurstücks ... zum Landkreis G. - Abt. Örtliche Industrie - ging nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ebenfalls keine Spaltung des Unternehmens einher. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, bei dem Säge- und Hobelwerk einerseits und der Tischlerei andererseits habe es sich um unselbständige Betriebsteile des enteigneten Unternehmens gehandelt, aus dessen Betriebsvermögen die Flurstücke ..., ... und ... sowie das Säge- und Hobelwerk ausgeschieden seien und das - nur - auf dem Flurstück ... (...) bis 1991 als Möbelfabrik fortgeführt worden sei. Ob das Verwaltungsgericht damit die vermögensrechtlichen Begriffe des Unternehmens, der Unternehmensspaltung und des "Wegschwimmens" von Gegenständen des Betriebsvermögens zutreffend auf die festgestellten Tatsachen angewendet hat, ist keine rechtsgrundsätzliche Frage, sondern eine Frage der Subsumtion im Einzelfall. Die ihr zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anforderungen an eine Unternehmenskontinuität, eine Unternehmensspaltung und das davon abzugrenzende "Wegschwimmen" von Gegenständen des Betriebsvermögens werden in den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nicht angesprochen. Diese unterstellen vielmehr, dass eine - vom Verwaltungsgericht ausdrücklich verneinte - Unternehmensspaltung vorlag.
Unabhängig davon rechtfertigen die gestellten Fragen nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung beantworten lassen. Der Anspruch auf Rückgabe von Unternehmensresten gemäß § 6 Abs. 6a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) setzt voraus, dass die Rückgabe des Unternehmens gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VermG wegen dessen dauerhafter Stilllegung ausgeschlossen ist, die zurückverlangten Vermögensgegenstände des ehemaligen Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Schädigung im Eigentum des Unternehmens standen und dort auch noch im Zeitpunkt der Stilllegung vorhanden waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994 - 7 C 15.93 - Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 6 S. 11 <12 f.>). Außerdem muss das Unternehmen im Zeitpunkt der Stilllegung dem Unternehmen im Zeitpunkt der Schädigung vergleichbar gewesen sein (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VermG). Der Zeitpunkt der Stilllegung ist derjenige, in dem das Unternehmen als organisatorische Einheit endgültig aufgehört hat zu bestehen oder - anders gewendet - als Zusammenfassung vermögenswerter Gegenstände zerschlagen worden ist (BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 8 C 6.00 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 42 S. 36 - juris Rn. 26). Solange das enteignete Unternehmen als organisatorische Einheit - sei es auch in reduziertem Umfang oder verändert - fortgeführt wird, kann von seiner endgültigen Stilllegung nicht die Rede sein. Auf die Person des Inhabers des Unternehmens kommt es für dessen Fortbestand grundsätzlich nicht an (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 - 7 C 12.97 - Buchholz 428 § 6 Nr. 27 S. 61 - juris Rn. 11; Beschlüsse vom 5. Januar 1996 - 7 B 454.95 - ZIP 1996, 437 f. und vom 12. Dezember 2007 - 8 B 64.07 - juris Rn. 3).
Betraf die Enteignung des Unternehmensträgers mehrere von ihm gehaltene Unternehmen im vermögensrechtlichen Sinne (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 2007 - 8 C 26.05 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 66 Rn. 30), können Ansprüche auf Unternehmens- oder Unternehmensresterestitution bezüglich jedes einzelnen von der Enteignung betroffenen Unternehmens bestehen. Für die Anwendung des § 6 Abs. 6a VermG kommt es dann jeweils auf die Stilllegung des einzelnen von der Schädigung (mit-)betroffenen Unternehmens an. Bestand das enteignete Unternehmen im Schädigungszeitpunkt aus mehreren selbständigen Betriebsteilen, muss geprüft werden, ob diese Unternehmen im vermögensrechtlichen Sinne darstellten (dazu vgl. BVerwG, Urteile vom 20. November 1997 - 7 C 40.96 - Buchholz § 2 VermG Nr. 35 S. 50 f. - juris Rn. 20 ff. und vom 7. März 2007 - 8 C 26.05 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 66 Rn. 30). Nur dann können sie selbst Gegenstand eines Anspruchs auf Unternehmensrückgabe nach § 6 VermG sein, und kann es für Ansprüche auf Rückgabe ihrer Reste (§ 6 Abs. 6a VermG) auf ihre eigene Stilllegung ankommen. Wurde ein Unternehmen durch die Schädigung so gespalten, dass ein Teil der zum Betriebsvermögen gehörenden Gegenstände nicht dem neuen Unternehmensträger zugewiesen, sondern zugunsten eines anderen Rechtsträgers enteignet wurde, und stellt dieser Teil ein Unternehmen im vermögensrechtlichen Sinne dar, können Ansprüche gemäß § 6 Abs. 1 oder 6a VermG sowohl bezüglich des abgespaltenen Unternehmens als auch bezüglich des dem neuen Unternehmensträger zugewiesenen (Rest-)Unternehmens bestehen. In diesem Fall liegt, wie bei der Enteignung zweier Unternehmen desselben Inhabers, eine doppelte Unternehmensschädigung vor, die Restitutionsansprüche bezüglich jedes betroffenen Unternehmens auslöst (BVerwG, Beschluss vom 28. März 2012 - 8 B 76.11 - juris, LS 2 und Rn. 12).
Davon zu unterscheiden sind Fälle wie der hier vom Verwaltungsgericht festgestellte Fall der Enteignung eines einzelnen Unternehmens mit unselbständigen Betriebsteilen, das bei der Schädigung insgesamt einem neuen Rechtsträger zugewiesen wurde. Auch wenn später einzelne Betriebsteile dieses enteigneten Unternehmens ausgegliedert und verselbständigt werden, bleibt Gegenstand der Schädigung allein das enteignete Unternehmen, und kommt es für die Ansprüche nach § 6 Abs. 6a VermG allein auf dessen Stilllegung an. Nach der Schädigung und vor der Stilllegung aus seinem Betriebsvermögen ausgeschiedene ("weggeschwommene") Vermögensgegenstände können - mit Ausnahme der Fälle des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG - weder nach § 6 Abs. 6a VermG noch im Wege der Einzelrestitution zurückverlangt werden (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1997 - 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92 <94 ff.>; Beschluss vom 28. März 2012 - 8 B 76.11 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 76 und juris Rn. 11 f.). Das gilt auch, wenn diese Vermögensgegenstände einen unselbständigen Betriebsteil des enteigneten Unternehmens bildeten und vom neuen Rechtsträger in ein anderes Unternehmen eingegliedert oder zum eigenen Unternehmen verselbständigt wurden. Für die Anwendung des § 6 Abs. 6a VermG kann es jeweils nicht auf die Stilllegung eines aus dem "weggeschwommenen" Betriebsteil geschaffenen Unternehmens, sondern nur auf die Stilllegung des verbliebenen enteigneten Unternehmens ankommen. Das gilt unabhängig davon, ob dieses Unternehmen früher oder später stillgelegt wurde als das aus dem "weggeschwommenen" unselbständigen Betriebsteil entstandene Unternehmen.
Auf den in Frage 2 der Klägerin angesprochenen zeitlichen Abstand zwischen der Schädigung und dem "Wegschwimmen" eines Teils des Betriebsvermögens kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist, dass die Ausgliederung nicht durch die schädigende Maßnahme selbst, sondern erst später vorgenommen wurde. Dies erklärt sich aus dem vermögensrechtlichen Grundsatz, dass das geschädigte Unternehmen nur in dem Zustand zurückverlangt werden kann, in dem es sich im Zeitpunkt der Rückgabe befindet ("wie es steht und liegt"; vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1997 - 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92 <94 f.>). Der Berechtigte muss deshalb auf nach der Schädigung "weggeschwommene" Vermögensgegenstände verzichten.
Wird ein aus unselbständigen Betriebsteilen bestehendes Unternehmen enteignet, zunächst einem einzigen Rechtsträger zugeordnet und erst später vollständig zergliedert und auf verschiedene neue Rechtsträger aufgeteilt, liegt eine Fortführung des enteigneten Unternehmens durch einen der neuen Rechtsträger unter "Wegschwimmen" der übrigen Betriebsteile vor, solange der ursprüngliche organisatorisch-wirtschaftliche Unternehmenszusammenhang in einem der Teile fortbesteht. Andernfalls handelt es sich um eine Stilllegung des Unternehmens durch dessen endgültige Zerschlagung.
Ob die Vorinstanz die vorstehenden Grundsätze zutreffend angewendet hat und insbesondere zu Recht davon ausgegangen ist, nicht das Tischlereiflurstück, sondern das Hobel- und Sägewerksflurstück sei aus dem enteigneten Unternehmen "weggeschwommen" (UA S. 11 f.), ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall, die nicht Gegenstand der Grundsatzrüge sein kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.