Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 08.05.2019


BVerwG 08.05.2019 - 8 B 44/18

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
08.05.2019
Aktenzeichen:
8 B 44/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2019:080519B8B44.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 9. Mai 2018, Az: 5 A 998/17, Urteilvorgehend VG Dresden, 3. Februar 2016, Az: 4 K 802/12, Urteil

Gründe

1

Der Kläger betreibt eine Arbeitsstätte für Menschen mit Behinderungen. Er wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten, die ihn verpflichtet, bei Überschreiten einer Lufttemperatur von 26 Grad (und einer Außentemperatur von weniger als 26 Grad) die Arbeiten in den Räumen der Kartonagenabteilung seiner Behindertenwerkstatt zu unterbrechen und diese Arbeitsunterbrechungen zu dokumentieren. Seine dagegen erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers, die eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Der Kläger legt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar. Dazu hätte er eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwerfen müssen, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme. Das leistet die Beschwerdebegründung nicht.

4

Die vom Kläger aufgeworfene Frage,

"Eröffnet § 3a Absatz 1 Satz 3 ArbStättVO ein Ermessen im Hinblick auf die Feststellung, ob die ASR als bekannt gemachte Regel[n] eingehalten wurden oder dürfen die Regeln kein Ermessen eröffnen, denn die ASR beinhaltet in Ziffer 4.2. Absatz 3 Satz 1 der ASR A3.5 eine 'soll' Vorschrift, die aber in dieser ASR kein Regelungselement aufstellt für den Fall, dass 26°C Lufttemperatur überschritten werden, ohne dass die Außentemperatur über 26°C steigt, gleichwohl der Arbeitgeber die ASR anwendet, da er für den Fall der Überschreitung der Außentemperatur von über 26°C nach Maßgabe der ASR Maßnahmen ergriffen hat und für den Fall, dass die Außentemperaturen nicht 26°C überschreiten, aber die Lufttemperatur innen 26°C überschreitet, einen Maßnahmenkatalog zur Reduzierung der Lufttemperatur mit dem TÜV entwickelt hat,"

führt nicht zur Zulassung der Revision. Der Kläger formuliert schon keine zweifelsfrei verständliche und nachvollziehbare Frage, die eine über seinen konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung erkennen ließe. Sollte sie darauf gerichtet sein zu klären, ob § 3a Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV) bei der Beurteilung, ob der Arbeitgeber die Anforderungen an den Sicherheits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten in Übereinstimmung mit den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) eingehalten hat, ein Ermessen einräumt, wäre sie auf der Grundlage des Verordnungstextes offenkundig zu verneinen. Der Wortlaut des § 3a Abs. 1 Satz 3 ArbStättV sieht kein Ermessen vor. Auch im Übrigen lässt § 3a Abs. 1 ArbStättV keinen Zweifel daran, dass die Vorgaben der Verordnung vom Arbeitgeber einzuhalten sind, ohne ein Ermessen zu eröffnen (Satz 1: "Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen ..."; Satz 2: "... hat der Arbeitgeber die Maßnahmen ... zu berücksichtigen"; Satz 4: "Wendet der Arbeitgeber diese Regeln nicht an, so muss er durch andere Maßnahmen ...").

5

Die weitere Frage,

"Gilt § 3a Abs. 1 Satz 4 ArbStättVO alternativ neben § 3a Abs. 1 Satz 3 ArbStättVO bzw. ist dessen Anwendungsbereich neben den Fällen des § 3a Abs. 1 Satz 3 ArbStättVO und damit den in der ASR 3.5 geregelten Sachverhalten eröffnet, so dass ein Wahlrecht des Arbeitgebers bei Lufttemperaturen über 26°C innen und Außentemperaturen nicht über 26°C hinsichtlich der Anwendung der ASR 3.5 besteht",

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich ohne Weiteres anhand der Arbeitsstättenverordnung - bejahend - beantworten. Unabhängig davon ist sie auch höchstrichterlich geklärt. Im Einzelnen:

6

Der Arbeitgeber hat nach § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Dabei hat er insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen (Satz 2). Zu diesen zählen die hier einschlägigen Technischen Regeln für Arbeitsstätten - Raumtemperatur - ASR A3.5. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten dienen zur Ausfüllung der allgemein gehaltenen Verhaltensvorgaben des § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV und der im Anhang zur Arbeitsstättenverordnung verbindlich niedergelegten Anforderungen an die Einrichtung und das Betreiben von Arbeitsstätten (vgl. Anhang zu § 3 Abs. 1 ArbStättV Ziffer 3.5 Raumtemperatur). Sie sind keine Rechtsnormen, haben aber praktische Bedeutung, indem sie als dokumentierte, allgemein anerkannte Regeln bzw. gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse angesehen werden können. Bei ihrer Einhaltung ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung erfüllt. Dem Arbeitgeber ist es aber freigestellt, vom technischen Regelwerk abzuweichen, sofern durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und der gleiche Gesundheitsschutz erreicht werden (vgl. BAG, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 1 ABR 59/15 - BAGE 159, 360 Rn. 25). § 3a Abs. 1 Satz 3 und 4 ArbStättV räumen dem Arbeitgeber mithin ein Wahlrecht ein, entweder die Technischen Regeln für Arbeitsstätten einzuhalten oder durch andere Maßnahmen die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu erreichen.

7

Außerdem wäre die aufgeworfene Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht erheblich. Das Berufungsgericht ist von der alternativen Anwendbarkeit des § 3a Abs. 1 Satz 4 ArbStättV ausgegangen, hat jedoch dessen Tatbestandsvoraussetzungen - insbesondere die Gleichwertigkeit der von der Klägerin vorgesehenen Maßnahmen - aufgrund tatsächlicher Feststellungen verneint, an die der Senat mangels wirksamer Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO auch im Revisionsverfahren gebunden wäre.

8

Gegen das berufungsgerichtliche Verneinen der Gleichwertigkeit der Maßnahmen hat die Klägerin auch keine sonstigen Rügen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO erhoben.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.