Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 15.07.2010


BVerwG 15.07.2010 - 8 B 4/10

Wirkung und Reichweite des Rehabilitierungsbescheids


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
15.07.2010
Aktenzeichen:
8 B 4/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Magdeburg, 10. November 2009, Az: 5 A 306/08, Urteilnachgehend BVerfG, 4. Juli 2013, Az: 1 BvR 2436/10, Kammerbeschluss ohne Begründung
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Hat - wie hier - das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser tragenden Begründungen des Verwaltungsgerichts mindestens ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird, der die Zulassung rechtfertigt (vgl. Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15). Diese Voraussetzung wird von der Beschwerde der Klägerin nicht erfüllt. Jedenfalls liegt zur zweiten Begründungsalternative kein durchgreifender Zulassungsgrund vor.

3

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung zum einen darauf gestützt, dass die Rechtsfolgenverweisung des § 1 Abs. 7 VermG nur bei einer nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung der vermögensentziehenden Maßnahme eingreife und die isolierte Entscheidung über die Rehabilitierung als solche nicht ausreiche. Zum anderen könne die Klage keinen Erfolg haben, weil die Beigeladene nicht an dem Rehabilitierungsverfahren beteiligt war und deshalb die Rehabilitierungsentscheidung ihr gegenüber keine Bindungswirkung entfalte.

4

Der von der Beschwerde hinsichtlich der zweiten Begründung geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage:

Mit welchen Einwendungen kann sich der Verfügungsberechtigte in dem dem Rehabilitierungsverfahren nachfolgenden Restitutionsverfahren verteidigen, wenn er aus Rechtsgründen nicht am Rehabilitierungsverfahren beteiligt werden konnte?

5

Die Beantwortung dieser Frage bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die grundsätzlich bestehende Bindung an die Feststellungen eines Rehabilitierungsbescheides nicht zu Lasten eines Verfügungsberechtigten wirkt, der am Rehabilitierungsverfahren nicht beteiligt war. Für den Verfügungsberechtigten ist der Rehabilitierungsbescheid der Rechtsgrund, aus dem ihm sein Eigentum an dem Vermögenswert entzogen und auf den Berechtigten übertragen wird. Den Entzug seines Eigentums als Rechtsfolge der Rehabilitierung muss er nur auf einer rechtmäßigen Grundlage hinnehmen. Er muss die Möglichkeit haben, eine Fehlerhaftigkeit des Rehabilitierungsbescheides gerichtlich geltend zu machen (vgl. Urteile vom 24. Juni 2004 - BVerwG 7 C 21.03 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 14 und vom 19. Mai 2005 - BVerwG 7 C 18.04 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 15).

6

Diese zunächst zu verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungen ergangene Rechtsprechung gilt auch für den Fall einer strafrechtlichen Rehabilitierung (vgl. Urteil vom 6. August 2008 - BVerwG 8 C 2.08 - Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 19 Rn. 23). Damit ist im Restitutionsverfahren in vollem Umfang die Berechtigung zu überprüfen.

7

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, welche Einwendungen der Verfügungsberechtigte in dem Restitutionsverfahren vorbringen kann, beantwortet sich damit von selbst: Da die Rehabilitierungsentscheidung gegenstandslos ist und im Restitutionsverfahren in vollem Umfang die Berechtigung überprüft wird, kann die beigeladene Verfügungsberechtigte alle dies in Frage stellenden Einwendungen vorbringen. Nur so ist ihr wirkungsvoller Rechtsschutz gesichert.

8

Die darüber hinaus von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Rechtsfrage,

liegt es in der Kompetenz eines Verwaltungsgerichts, die Entscheidung des Rehabilitierungsgerichts im Verfahren auf strafrechtliche Rehabilitierung daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes erfüllt sind,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Da die Rehabilitierungsentscheidung gegenstandslos ist, hat das Verwaltungsgericht nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vorliegen, sondern ob die Voraussetzungen einer vermögensrechtlichen Berechtigung gegeben sind.

9

Da hinsichtlich der selbstständig tragenden zweiten Begründung des angefochtenen Urteils ein Revisionszulassungsgrund nicht vorliegt, kommt es auf die von der Beschwerde hinsichtlich der ersten Begründung des Verwaltungsgerichts (keine Anwendung des § 1 Abs. 7 VermG, wenn die Vermögensentziehung nur für rechtsstaatswidrig erklärt, nicht aber förmlich aufgehoben ist) geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht mehr an.

10

Von einer weiteren Begründung der Beschwerde sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).