Entscheidungsdatum: 12.07.2018
Der Rechtsvorgänger des Klägers war Inhaber eines Verlages nebst Druckerei in Z. 1941 wurde ihm die weitere Tätigkeit als Zeitungsverleger untersagt. Zwischen 1946 und 1948 wurde er enteignet. Auf den Restitutionsantrag des Klägers hin teilte der Beklagte 1995 mit, es liege ein Fall der besatzungshoheitlichen Enteignung vor. Der Restitutionsantrag werde daher als Ausgleichsleistungsantrag behandelt. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers erklärte, er sei mit der Wertung des Antrags als Antrag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG einverstanden. Der auf Restitution gerichtete Antrag auf der Grundlage des Vermögensgesetzes werde aufrechterhalten. Zur Klärung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 VermG sei ein Rehabilitierungsantrag in der Russischen Föderation anhängig. Mit Bescheid vom 10. Juli 2009 stellte die Landesdirektion fest, dass dem Kläger Ausgleichsleistungsansprüche wegen des Entzugs des Verlages nebst Druckerei zustehen. Der Kläger hat gegen den Bescheid Klage erhoben, weil er meint, ihm stünden vorrangig vermögensrechtliche Ansprüche zu. Sie bestünden entweder nach § 1 Abs. 6 VermG, weil das Unternehmen seines Rechtsvorgängers schon im Jahr 1941 enteignet worden sei, oder aber jedenfalls, weil die Enteignung des Unternehmens in den Jahren 1946 bis 1948 gegen den Willen der Besatzungsmacht geschehen sei. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt. Mit Bescheid vom 15. September 2010 hat das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen den Antrag des Klägers auf Rückübertragung des Betriebsvermögens des Unternehmens hinsichtlich der geltend gemachten Enteignung im Jahr 1941 abgelehnt und weiter festgestellt, dass Ansprüche auf Entschädigung für das Unternehmen insoweit nicht bestehen. Die Klage gegen den Bescheid vom 15. September 2010 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. Februar 2014 - VG 4 K 585.13 - abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2015 - 8 B 38.14 - zurückgewiesen. Mit Urteil vom 22. März 2017 hat das Verwaltungsgericht sodann die Klage gegen den Bescheid vom 10. Juli 2009 abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger habe 1995 auf den Erlass eines vermögensrechtlichen Bescheides wegen der Entziehung des Unternehmens in den Jahren 1946 bis 1948 verzichtet. Jedenfalls sei in dem streitgegenständlichen Bescheid inzident über solche vermögensrechtlichen Ansprüche entschieden worden.
Die alleine auf den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Verfahrensrüge des Klägers kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich lediglich auf einen der beiden selbstständig tragenden Gründe für die Abweisung der Klage bezieht. Das Verwaltungsgericht hat seine Klageabweisung vorrangig darauf gestützt, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers auf eine Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche wegen einer Entziehung des streitgegenständlichen Unternehmens im Zeitraum von 1946 bis 1948 verzichtet habe. Insoweit hat der Kläger keine Revisionsrügen vorgebracht. Er hat lediglich die zweite tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts angegriffen, das Unternehmen sei tatsächlich besatzungshoheitlich enteignet worden. Auf Angriffe gegen die erste tragende Begründung des Verwaltungsgerichts konnte der Kläger auch nicht, wie er meint, deswegen verzichten, weil eine Identität der Streitgegenstände in den Verfahren nach dem Vermögensgesetz und dem Ausgleichsleistungsgesetz nicht besteht. Auf diese Frage kommt es vorliegend nicht an, sondern nur darauf, auf welche Erwägungen das Verwaltungsgericht sein Urteil tatsächlich selbstständig tragend gestützt hat und ob jede dieser selbstständig tragenden Erwägungen mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffen wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 9. März 1982 - 7 B 40.82 - [in Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 209 nicht abgedruckt] - juris, vom 11. April 2003 - 7 B 141.02 - NJW 2003, 2255 <2256> und vom 8. August 2008 - 9 B 31.08 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 33).
Darüber hinaus hat der Kläger hinsichtlich der zweiten tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts, eine besatzungshoheitliche Enteignung liege vor, keine Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe bei der Prüfung des Vorliegens einer besatzungshoheitlichen Enteignung entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht beachtet, dass die von ihm unterstellte Umtragung eines Unternehmens von der sächsischen Liste A in die sächsische Liste C nur im allgemeinen nicht die Annahme eines konkreten Enteignungsverbots rechtfertigt. Es hätte prüfen müssen, ob im vorliegenden Fall Besonderheiten gegeben seien, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten. Weil das Verwaltungsgericht diese Prüfung nicht vorgenommen habe, habe es den von dem Kläger mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2016 (Anlage 30 und 31) und mit Schriftsatz vom 21. März 2017 vorgebrachten weiteren Tatsachenvortrag und die übersandten Beweismittel nicht berücksichtigt. Hätte das Verwaltungsgericht die genannten Umstände berücksichtigt, wäre es möglicherweise zu dem Ergebnis gekommen, dass keine besatzungshoheitliche Enteignung oder gar keine Enteignung vorgelegen hätten.
Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht beachtet, wendet er sich gegen die Anwendung des materiellen Rechts durch das Verwaltungsgericht und bezeichnet damit keinen Verfahrensfehler. Diese Rüge des Klägers kann der Beschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen, wenn man sie als Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) versteht. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes divergenzfähiges Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Soweit der Kläger weiter kritisiert, das Verwaltungsgericht habe die von ihm mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2016 und vom 21. März 2017 benannten Tatsachen und Beweismittel, die für eine Einstufung des streitgegenständlichen Unternehmens als "sowjetischer Betrieb" sprechen würden, nicht verwertet, hat er ebenfalls keinen Verfahrensfehler bezeichnet. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt haben könnte. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist aber nicht verpflichtet, sich ausdrücklich mit sämtlichen Tatsachen und Rechtsansichten auseinanderzusetzen. Nur wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei zu einer Frage, die nach seiner eigenen Einschätzung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies darauf schließen, dass es dieses Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2014 - 8 PKH 2.13 (8 B 70.13) - juris Rn. 12). Der Kläger legt weder dar, dass die von ihm mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 übersandten Anlagen 30 und 31 und der zugehörige Vortrag auf Seite 15 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2016 sowie sein weiterer Vortrag auf Seiten 3 f. und 7 f. des Schriftsatzes vom 21. März 2017 für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich waren, noch dass sie, ersteres unterstellt, derart zentraler Bestandteil seiner Argumentation gewesen sind, dass das Verwaltungsgericht darauf in seinen Entscheidungsgründen hätte zwingend eingehen müssen, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu verletzen.
Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2008 - 8 B 17.08 - juris Rn. 12) die Ansicht vertreten, ein Enteignungsverbot gemäß Ziffer 3 des SMAD-Befehls Nr. 64 könne erst angenommen werden, wenn das Unternehmen in einer von der Besatzungsmacht bestätigten Freigabeliste sequestrierter Unternehmen verzeichnet gewesen sei. Von seinem Rechtsstandpunkt aus kam es daher auf die von dem Kläger genannten Anlagen und den weiteren Vortrag in dem Schriftsatz vom 21. März 2017 nicht an. Darüber hinaus hat der Kläger aber auch nicht dargelegt, weshalb gerade die von ihm übersandten Anlagen 30 und 31 und der auf Seite 3 f. und Seite 7 f. seines Schriftsatzes vom 21. März 2017 enthaltene Vortrag derart im Zentrum seiner Argumentation stehen, dass das Verwaltungsgericht darauf hätte eingehen müssen.
Einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hat der Kläger mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht hätte das Vorliegen von Besonderheiten des Betriebes hinsichtlich eines Enteignungsverbotes prüfen müssen, nicht hinreichend bezeichnet. Insoweit fehlt es an einer Darlegung, inwieweit der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat oder warum sich eine solche dem Gericht hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2007 - 9 B 1.07 - juris Rn. 2 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.