Entscheidungsdatum: 21.02.2018
Die Klägerin macht vermögensrechtliche Ansprüche wegen des Verlustes einer Beteiligung des A. P., der zum Kreis der in der NS-Zeit aus rassischen Gründen Verfolgten gehörte, an der C. AG geltend. A. P. veräußerte seine Beteiligung 1936. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Sitz der C. AG in der J.straße ... in X. und damit im späteren Beitrittsgebiet. Ende 1937 verlegten die verbliebenen Gesellschafter den Sitz in die F.straße ... in Y. und damit aus dem späteren Beitrittsgebiet heraus. Den Antrag der Klägerin, ihr wegen des Verlustes der Beteiligung eine Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zuzuerkennen, lehnte die Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für den Verlust der Beteiligung eine Entschädigung in Höhe von 172 576,19 € zu gewähren, und die Revision nicht zugelassen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Sie führt auf die Frage, ob § 1 Abs. 6 VermG jedenfalls entsprechend auf die im Beitrittsgebiet verfolgungsbedingt verlorene Beteiligung an einem Unternehmen anzuwenden ist, wenn die Belegenheit der Beteiligung sich nach dem Unternehmenssitz bestimmt und dieser bis zum 8. Mai 1945 in den späteren Geltungsbereich der alliierten Rückerstattungsgesetze verlegt wurde.
Diese Frage ist in der Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2004 - 7 C 2.04 - (BVerwGE 122, 286 ff.) folgt lediglich, dass § 1 Abs. 6 VermG auf Fälle entsprechend angewendet werden muss, in denen ein verfolgungsbedingt verlorenes Grundstück aufgrund eines Gebietstausches, der 1988 - nach dem Ablauf der rückerstattungsrechtlichen Anmeldefristen - vollzogen wurde, bei Inkrafttreten des Vermögensgesetzes nicht mehr im Beitrittsgebiet lag. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 2009 - 8 C 12.08 - (BVerwGE 135, 272 ff.) folgt lediglich, dass § 1 Abs. 6 VermG nicht auf Fälle angewendet werden kann, in denen ein Vermögenswert im Geltungsbereich des alliierten oder bundesdeutschen Rückerstattungs- oder Wiedergutmachungsrechts verfolgungsbedingt entzogen und nach der Schädigung in das Beitrittsgebiet verbracht wurde.
Auf die genannte Frage kommt es in beiden Begründungsalternativen des angegriffenen Urteils auch entscheidungserheblich an. Die in der Hilfserwägung des Verwaltungsgerichts erörterte Frage, ob der Berechtigte in Bezug auf den streitgegenständlichen Vermögenswert ein Verfahren nach dem alliierten oder bundesdeutschen Rückerstattungsrecht durchlaufen hat oder hätte durchlaufen können, stellt sich nämlich nur, wenn eine Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG nicht etwa schon deswegen ausgeschlossen ist, weil der streitgegenständliche Vermögenswert sich bereits bei Kriegsende im späteren Geltungsbereich des alliierten Rückerstattungsrechts befand.
Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.