Entscheidungsdatum: 14.08.2013
Der Kläger wendet sich gegen seine Verpflichtung zur Zahlung des Mindestbeitrages an das Sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk für die Zeit Dezember 2005 bis Dezember 2006 in Höhe von 66 € monatlich, den der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2006 festgesetzt hat. Klage und Berufung blieben erfolglos. Mit seiner Beschwerde will der Kläger die Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil erreichen.
1. Die fristgerecht erhobene Beschwerde ist zwar nicht innerhalb der zweimonatigen Frist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden. Dem Kläger ist auf seinen rechtzeitigen Antrag hin gemäß § 60 Abs. 1 und 2 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihn kein Verschulden trifft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 1. August 1996 - 1 BvR 121/95 - NJW 1996, 2857) hat der Nutzer mit der Wahl eines anerkannten und für die Zusendung fristwahrender Schriftsätze an das Gericht eröffneten Übermittlungsmediums (Telefax), der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24 Uhr zu rechnen ist. Bei einer Fristausnutzung bis zuletzt ist allerdings besondere Vorsicht geboten. Scheitert die Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes wenige Minuten vor Ablauf der Frist daran, dass das Empfangsgerät des Gerichts zu dieser Zeit durch eine andere Sendung belegt war, stellt dies ein gewöhnliches und wegen des drohenden Fristablaufs vorhersehbares Ereignis dar, auf das sich der Nutzer einstellen muss und das keine Wiedereinsetzung rechtfertigt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. November 1999 - 2 BvR 565/98 - NJW 2000, 574).
Der Kläger hat mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen, dass er seine Telekommunikation (Internet/Telefon/Fax) über einen Kabelfernsehanbieter organisiert habe, der ein sogenanntes Kabelmodem zur Verfügung stelle, das über die notwendigen Anschlüsse für Telekommunikationsgeräte verfüge und - selbst über einen Stromanschluss betrieben - mit der Kabeldose verbunden sei. Telefon und Internet hätten bislang ohne wahrnehmbare Störungen funktioniert. Die Faxverbindung sei jedoch am 7. März 2013 gegen 23:35 Uhr abgebrochen. Daraufhin habe er mehrfach versucht, das Sächsische Oberverwaltungsgericht manuell neu anzuwählen. Es sei keine Verbindung zustande gekommen. Eine Überprüfung des Kabelmodems habe ergeben, dass dessen Kontrollleuchten ungewöhnlich blinkten. Gegen 2:30 Uhr am 8. März 2013 habe er die Funktion des Internets wieder feststellen können.
Im Wiedereinsetzungsverfahren hat der Kläger eine Bestätigung seines Kabelanbieters vom 22. März 2013 zu seiner Anfrage vom 8. März 2013 eingereicht. Danach war das Modem in dem angefragten Zeitraum (7. März 2013, 23:35 Uhr, bis 8. März 2013, 2:30 Uhr) offline. Die Ursache für diesen Fehler sei wahrscheinlich auf eine Rückkanalstörung zurückzuführen. Mit diesem Vorbringen hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass er seinerseits alles Erforderliche getan hat, um die Frist einzuhalten. Er hat mit der Übermittlung des Begründungsschriftsatzes um 23:30 Uhr noch so rechtzeitig begonnen, dass unter normalen Umständen damit zu rechnen war, dass der 11 Seiten umfassende Schriftsatz bis 24:00 Uhr bei Gericht eingeht. Mit einem Ausfall des Modems musste er nicht rechnen, zumal die Telekommunikation nach seiner glaubhaften Schilderung bislang reibungslos verlaufen war.
2. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
a) Die Rechtssache hat aus den vom Kläger dargelegten Gründen keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie die Klärung einer bislang nicht oder nicht hinlänglich geklärten Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraussetzt, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
aa) Der Kläger hält mit Blick auf Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob bei Berufsanfängern im Anwaltsberuf, die staatliche Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II erhalten, im Wege einer Härtefallregelung berücksichtigt werden muss, dass die Angehörigen dieser Berufsgruppe die Pflichtbeiträge zum berufsständischen Rechtsanwaltsversorgungswerk nicht aus dem ihnen von staatlicher Seite gewährten Existenzminimum erbringen können, andernfalls sie von der Berufsaufnahme abgehalten würden. Das geht an der angefochtenen Entscheidung vorbei. Der Kläger übersieht, dass die Satzung des Beklagten nach der - das Bundesverwaltungsgericht bindenden - Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht durchaus eine Härtefallregelung enthält. Unter welchen Umständen und in welchem Maße sie angewendet wird, betrifft eine Frage des Einzelfalles und ist einer generellen Klärung nicht zugänglich.
Vorauszuschicken ist, dass gegen die Erhebung eines Mindestbeitrags in Höhe von einem Dreizehntel des Regelpflichtbeitrages im Grundsatz keine rechtlichen Bedenken bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Mindestbeitragsregelungen, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Pflichtmitglieder eines Versorgungswerks betreffen, berufsregelnden Charakter (Urteil vom 5. Dezember 2000 - BVerwG 1 C 11.00 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 44). Solche Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG bedürfen je nach ihrer Wirkung unterschiedlich gewichtiger Rechtfertigungsgründe. Eine Regelung über den Mindestbeitrag in Höhe von einem Dreizehntel des Regelpflichtbeitrages ist aber durch gewichtige Allgemeininteressen gerechtfertigt. Die Mitgliedschaft bezweckt die Versorgung der Rechtsanwälte und dient durch deren wirtschaftliche Absicherung der Erhaltung eines leistungsfähigen Anwaltstandes. Die kollektive Versicherung ist wirtschaftlich nur durchführbar, wenn ihr grundsätzlich alle Anwälte angehören. Maßnahmen wie Mindestbeitragsregelungen, die der finanziellen Stabilität des Versorgungsträgers dienen, sind erforderlich, wobei es der Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers unterliegt, den Kreis der Mitglieder so weit und die Befreiungstatbestände so eng zu fassen, dass im Hinblick auf eine angemessene Versorgung eine möglichst leistungsfähige Solidargemeinschaft entsteht (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 1 C 11.89 - BVerwGE 87, 324 <328 f.>). Einer in der Erhebung des Mindestbeitrages im Einzelfall liegenden unzumutbaren Belastung kann durch eine Härtefallregelung ausreichend Rechnung getragen werden. Ist die Höhe des Mindestbeitrags maßvoll, so bedarf es keiner Erwägungen dahin, ob unter den von der Mindestbeitragsregelung Betroffenen nicht nur einzelne durch Härteregelungen zu erfassende Sonderfälle, sondern bestimmte Gruppen typischer Fälle ohne zureichenden Grund wesentlich stärker als andere belastet werden. Denn bei typisierender Betrachtung kann ein derartiger Mindestbeitrag die Berufsausübung generell nicht unangemessen behindern (Urteil vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 C 9.01 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 45).
Die Satzung des Beklagten sieht jedoch eine derartige Härtefallregelung vor. Gemäß der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht regelt § 15 der Satzung allgemein das Verfahren zur Festsetzung der Beiträge. Auf der Grundlage von §§ 11 bis 14 der Satzung ist zunächst zu ermitteln, welchen Beitrag der Pflichtige nach den allgemeinen Satzungsregeln schuldet. Dies kann der Mindestbeitrag in Höhe von einem Dreizehntel des Regelpflichtbeitrages nach § 11 Abs. 3 der Satzung sein. Auch dieser Mindestbeitrag stellt einen Beitrag im Sinne von § 15 der Satzung dar. Sodann ist auf dessen Festsetzung die Regelung des § 15 der Satzung anzuwenden. Gemäß § 15 Abs. 4 der Satzung können die Beiträge auch niedriger als der Mindestbeitrag festgesetzt werden. Dies schließt eine Festsetzung auf Null ein. Damit besteht eine Härtefallregelung, die die Festsetzung niedrigerer Beiträge als den Mindestbeitrag nach § 11 Abs. 3 der Satzung ermöglicht.
Unter welchen Voraussetzungen die Härtefallregelung zur Anwendung kommt, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Verfassungsrecht, insbesondere der aus Art. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums, gebietet jedenfalls nicht generell, den Mindestbeitrag zu einem berufsständischen Versorgungswerk für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II von vornherein auf Null festzusetzen. Der Kläger beruft sich auf diese Vorschriften auch vornehmlich, um seinen Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums zu begründen. Ein solcher Anspruch steht ihm gegenüber dem Beklagten nicht zu.
bb) Auch die weitere Frage, ob Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG gebieten, bei Rechtsanwälten die Gruppe der Berufsanfänger, die ohne Einkünfte sind und Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II erhalten, bei der Bemessung des Mindestbeitrages zu einem berufsständischen Versorgungswerk zumindest nicht schlechter zu stellen sind als diejenigen (angestellten) Rechtsanwälte, die während ihrer bestehenden Mitgliedschaft im Versorgungswerk arbeitslos werden und deren Beiträge zum Versorgungswerk von der Bundesagentur für Arbeit geleistet werden, erfordert nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - verneinend - beantworten lässt.
Gemäß der bindenden Auslegung des Oberverwaltungsgerichts betrifft § 13 Abs. 2 der Satzung des Beklagten nur angestellte Rechtsanwälte, die nach § 6 Abs. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit sind und nach ihrer Zulassung als Rechtsanwalt arbeitslos werden; die Vorschrift bewirkt, dass die Bundesanstalt in diesem Fall statt in die gesetzliche Rentenversicherung in die bestehende Altersversorgung beim Beklagten einzahlt. Den Fall des Klägers, der sich aus der Arbeitslosigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt niedergelassen hat, regelt § 13 Abs. 2 der Satzung damit nicht. Darin kann eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht gesehen werden.
Art. 12 Abs. 1 GG muss allerdings in seinem Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG gesehen werden. Er kann verletzt sein, wenn durch eine Berufsausübungsregelung, die im Ganzen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte Gruppen typischer Fälle ohne zureichenden Grund wesentlich stärker als andere belastet werden (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Oktober 1984 - 1 BvL 18/82 u.a. - BVerfGE 68, 155 <173> und vom 28. November 1997 - 1 BvR 324/93 - NJW-RR 1999, 134). Da die zu vergleichenden Sachverhalte einander nie in allen, sondern stets nur in einigen Merkmalen gleichen, ist es Sache des Gesetz- oder Satzungsgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm nur, dabei Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 - BVerfGE 97, 332 <334>; BVerwG, Beschluss vom 29. Februar 2000 - BVerwG 1 B 82.99 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 41).
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage setzt voraus, dass Rechtsanwälte, wenn sie arbeitslos werden, Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit auf (Weiter-)Zahlung ihrer Beiträge an das beklagte Versorgungswerk haben. Der Kläger beansprucht, mit diesen Rechtsanwälten gleichgestellt zu werden. Dabei sieht er sich als Angehöriger einer Gruppe von arbeitslosen Juristen, die den Beruf des Rechtsanwalts ergreifen, aber hieraus keinerlei Einkünfte erzielen und deshalb Grundsicherung gemäß SGB II erhalten. Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert bereits daran, dass zwischen beiden Gruppen erhebliche Unterschiede bestehen. Bei der erstgenannten Gruppe handelt es sich um angestellte Rechtsanwälte, die bereits seit einiger Zeit Mitglied des Beklagten sind und demzufolge dort bereits gewisse Beitragszeiten zurückgelegt haben. Sie haben mithin regelmäßig eine Versorgungsanwartschaft erworben. Wenn sie arbeitslos werden, haben sie Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Übernahme oder Erstattung ihrer Beiträge, jedoch nur bis zu einer gewissen Höhe (§ 173 SGB III). Die Satzung des Beklagten sieht vor, dass die Beitragspflicht dieser Rechtsanwälte während der Zeit der Arbeitslosigkeit auf diese Höhe begrenzt ist (§ 13 Abs. 2). Dieses Regelwerk betrachtet die Zeit der Arbeitslosigkeit als vorübergehende Unterbrechung der Berufsbiografie. Die gesetzliche Leistung der Bundesagentur für Arbeit dient der Überbrückung dieser vorübergehenden Unterbrechung. Zudem ist die Leistung durch vorherige Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erdient. Damit ist der Fall eines nach Abschluss der Berufsausbildung arbeitslosen Juristen, der dann alsbald den Beruf des Rechtsanwalts ergreift und aus dieser Tätigkeit keine Einkünfte erzielt, nicht vergleichbar. Dieser hat keinerlei Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Er bezieht daher auch kein Arbeitslosengeld und hat auch keinen Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Übernahme oder Erstattung von Beiträgen an ein berufsständisches Versorgungswerk. Er ist nicht angestellter Rechtsanwalt, sondern Selbstständiger. Zudem befindet er sich nicht in der Lage einer vorübergehenden Unterbrechung seiner Berufstätigkeit, sondern ist Berufsanfänger. All dies sind triftige Gründe, die beiden Personengruppen unterschiedlich zu behandeln. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG kann darin schlechterdings nicht gesehen werden.
b) Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt, weil es seine Erwägung, es fehle an der Kausalität der Beitragserhebung für die gerügte Beeinträchtigung existenznotwendigen Bedarfs weder in einem schriftlichen Hinweis noch in der mündlichen Verhandlung offengelegt habe. Es hatte bereits im Beschluss vom 27. August 2007 betreffend die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig auf seine Rechtsauffassung hingewiesen. Im Einzelnen heißt es dazu: "Zwar mag in atypischen Fällen die Belastung mit dem Mindestbeitrag - von hier 66 € - für einen selbstständigen Rechtsanwalt, der wie der Kläger seit Jahren Leistungen nach dem SGB II erhalte, da er bislang keine Einkünfte mit seiner Berufsausbildung erzielte, erheblich sein und letztlich nur der Ausweg der Aufgabe des Berufes als selbstständig tätiger Rechtsanwalt bleiben. Eine solche Aufgabe wäre allerdings bei einem über Jahre hinweg ausbleibenden beruflichen Erfolg ohnehin unvermeidlich und nicht in erster Linie der Belastung durch den Mindestbeitrag geschuldet." Damit wird deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht von einer fehlenden Kausalität der Beitragserhebung für die gerügte Beeinträchtigung des existenznotwendigen Bedarfs ausgegangen ist.