Entscheidungsdatum: 31.05.2016
I
Die Klägerin, ein Finanzdienstleistungsinstitut, wendet sich gegen die Heranziehung zur Sonderzahlung an die beklagte Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) für das Jahr 2010 in Höhe von 447 684 €. Hintergrund dafür ist der Umstand, dass die Beklagte nach Feststellung eines Entschädigungsfalles (Insolvenz der P. K. GmbH) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den betroffenen Gläubigern Entschädigungen in Höhe von insgesamt etwa 260 Mio. € geleistet und der Bund der Beklagten zur Finanzierung dieser Zahlungen Darlehen gewährt hatte. Widerspruch und Klage gegen den Sonderzahlungsbescheid blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 14. Juli 2015 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
II
Die auf alle Zulassungsgründe gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerdebegründung lässt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erkennen.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
a) Allein der Umstand, dass der Rechtsstreit - wie von der Beschwerde angegeben - in Absprache mit der Beklagten und der Widerspruchsbehörde (BaFin) als Musterverfahren für zahlreiche andere Widerspruchsverfahren zur Sonderzahlung 2010 geführt wird, verleiht diesem keine grundsätzliche Bedeutung im oben genannten Sinne.
b) Auch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
"ob die streitige Sonderzahlungserhebung der Beklagten wegen des P.-Falles eine statthafte Erhebung von Sonderabgaben zu Finanzierungszwecken darstellt und insoweit verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
aa) Sie lässt sich schon nicht verallgemeinernd beantworten, weil sie sich ausdrücklich auf einen bestimmten Einzelfall bezieht.
bb) Die Frage ist außerdem nicht hinreichend konkret formuliert. An die Zulässigkeit von Sonderabgaben zu Finanzierungszwecken werden verschiedene verfassungsrechtliche Anforderungen gestellt, wie etwa eine Homogenität der zur Zahlung verpflichteten Gruppe, deren spezifische Sachnähe zu der zu finanzierenden Aufgabe oder die Vereinbarkeit der Sonderabgabe mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und dem Gleichheitssatz; diese Anforderungen weisen wiederum verschiedene Teilaspekte auf, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung und das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts zur Erhebung von Beiträgen nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz zeigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348; BVerwG, Urteil vom 21. April 2004 - 6 C 20.03 - BVerwGE 120, 311). Der von der Beschwerde bezeichneten Frage kann nicht entnommen werden, unter welchem spezifischen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt die Zulässigkeit der Sonderabgabe in einem Revisionsverfahren geklärt werden soll. Das Gericht ist nicht gehalten zu untersuchen, ob anhand der Beschwerdebegründung eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts herausgearbeitet werden kann.
Etwas anderes mag dann gelten, wenn sich eine solche Frage nach der Beschwerdebegründung ohne Weiteres aufdrängt. Das ist nicht der Fall. Selbst wenn zugunsten der Beschwerde unterstellt wird, dass sich ihre Annahme, die verlangten Sonderzahlungen seien aufgrund der aus Anlass der P.-Insolvenz insgesamt zu erwartenden Höhe unverhältnismäßig, (auch) auf die ausdrücklich bezeichnete Frage bezieht, bleibt die Grundsatzrüge ohne Erfolg. Die Beschwerde setzt sich nicht ansatzweise mit den eingehenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts auseinander, wonach die den Mitgliedsinstituten der EdW infolge der P.-Insolvenz entstehenden Belastungen verhältnismäßig sind, weil das Gesetz Schutzmechanismen wie zum Beispiel Belastungsobergrenzen vorsieht oder weil Zahlungen des Insolvenzverwalters an die Gläubiger zu erwarten sind. Sie zeigt außerdem nicht auf, dass die vorliegende Rechtssache Gelegenheit zur Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Verbot unzumutbarer bzw. erdrosselnder Abgaben geben könnte (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348 <382 f.> und BVerwG, Urteil vom 21. April 2004 - 6 C 20.03 - BVerwGE 120, 311 <334 ff.>). Darüber hinaus ist die Annahme der Beschwerde, auf die Mitgliedsinstitute kämen infolge der P.-Insolvenz Belastungen in Höhe von etwa 200 Mio. € zu, nicht durch eine Feststellung des Oberverwaltungsgerichts gedeckt. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass sich die endgültige Gesamtbelastung der Mitgliedsinstitute zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2011 aufgrund der noch andauernden Entschädigung der Anleger der P. K.GmbH noch nicht habe absehen lassen.
c) Die weiteren, losgelöst von der ausdrücklich formulierten Grundsatzfrage stehenden Ausführungen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Sonderzahlung (Schriftsatz vom 16. September 2015 S. 7 ff.) können der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
aa) Sie genügen nicht dem Darlegungsgebot des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zur Vereinbarkeit der Sonderzahlung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Sonderabgabe wird insoweit nur im Stil einer - von der Beschwerde auch ausdrücklich so bezeichneten - Revisionsbegründung angegriffen, ohne dass zu den jeweiligen Einwänden bestimmte fallübergreifende Fragen formuliert werden und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in Auseinandersetzung mit der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung dargelegt wird.
bb) Unabhängig davon lassen sich den umfangreichen Ausführungen auch in der Sache keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entnehmen.
Wenn die Beschwerde darauf verweist, dass die Ausfallhaftung auch Mitgliedsinstitute der EdW treffe, bei denen selbst kein Entschädigungsfall auftreten könne, übersieht sie, dass der Gesetzgeber die Finanzierungsverantwortung nicht an die konkrete Geschäftstätigkeit knüpfen musste, sondern im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis auf das nach der Zulassung mögliche Geschäftsfeld abstellen durfte (BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348<379 f.>; BVerwG, Urteil vom 21. April 2004 - 6 C 20.03 - BVerwGE 120, 311 <332 f.>).
Die Beschwerde meint, gemeinschaftsrechtliche Vorgaben könnten die Segmentierung der Entschädigungseinrichtungen nicht rechtfertigen. Insoweit besteht kein Klärungsbedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu angenommen, dass die Bildung unterschiedlicher Entschädigungseinrichtungen für Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen nicht gemeinschaftsrechtlich vorgegeben sei, sondern lediglich einer "gemeinschaftsrechtlichen Vorstrukturierung" in Gestalt verschiedener Richtlinien zur Anlegerentschädigung einerseits und zur Einlagensicherung andererseits entspreche (BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348 <367 f.>; a.A. noch BVerwG, Urteil vom 21. April 2004 - 6 C 20.03 - BVerwGE 120, 311 <319 f.>). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die Segmentierung nicht als gemeinschaftsrechtlich zwingend vorgegeben angesehen, sondern aus anderen Gründen für sachgerecht gehalten. Dazu zählen beispielsweise eine unterschiedliche historische Entwicklung der Sicherungssysteme bei Einlagenkreditinstituten und Wertpapierhandelsunternehmen sowie der Vorteil einer Anknüpfung an erprobte organisatorische Strukturen bereits vorhandener Einrichtungen (BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348 <374 ff.>).
Nach Auffassung der Beschwerde ist es verfassungsrechtlich geboten, dass Sonderzahlungen aus Anlass eines konkreten Entschädigungsfalles nicht nur von den Mitgliedern derjenigen Entschädigungseinrichtung erhoben werden, der das insolvente Institut angehört, sondern von den Mitgliedern aller Entschädigungseinrichtungen. Demgegenüber sei die nach verschiedenen Einrichtungen differenzierte Erhebung der Jahresbeiträge nicht zu beanstanden. Die Beschwerde legt nicht nachvollziehbar dar, weshalb die gruppenbezogene Finanzierungsverantwortung für die Stabilisierung des Finanzmarktes verschiedene Gruppen betreffen sollte je nachdem, ob die Finanzierung einer Entschädigungseinrichtung ex ante durch Bildung eines Fonds mittels jährlichen Beiträgen oder ex post aus Anlass von Entschädigungsfällen durch Erhebung von Sonderzahlungen erfolgt. Sie setzt sich überdies nicht mit der Erwägung des Oberverwaltungsgerichts auseinander, wonach es mit Blick auf eine vom Bundesverfassungsgericht angenommene etwaige Pflicht des Gesetzgebers, die Kostenbelastung der Institute zu beobachten und mittel- und langfristig auftretende gravierende Niveauunterschiede zwischen den Einlagenkreditinstituten und den Wertpapierhandelsunternehmen zu vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348 <377 ff.>), auf einen Vergleich der - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht absehbaren - endgültigen Gesamtbelastung bestehend aus Jahresbeiträgen und Sonderzahlungen ankommt (UA S. 12 f.). Auch soweit die Beschwerde annimmt, maßgeblich sei allein, ob die konkrete Sonderzahlung 2010 mit der Verfassung vereinbar sei, da es auf eine ggf. erst später feststellbare Gesamtbelastung nicht ankomme, fehlt es an der gebotenen Auseinandersetzung mit der soeben genannten Erwägung des Gerichts und außerdem an der Darlegung, welche Relevanz gerade einzelne Sonderzahlungen aus Anlass eines Entschädigungsfalles für die Beurteilung einer insgesamt fairen und verhältnismäßig gleichen Kostenbelastung zwischen den Institutsgruppen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348 <377>) haben können.
Die Beschwerde nimmt ferner an, entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts seien die Jahresbeiträge für die EdW für das Jahr 2010 aus dem Grunde erheblich erhöht worden, um auch die Sonderzahlungen erheblich steigern zu können. Es fehlt bereits an der Darlegung der verfassungsrechtlichen Relevanz dieser Behauptung. Außerdem belegt die von der Beschwerde angeführte Begründung des Bundesministeriums der Finanzen für die Erhöhung der Jahresbeiträge allenfalls, dass die Jahresbeiträge auch mit Blick auf den Entschädigungsfall P. angehoben wurden, nicht jedoch, dass diese Anhebung als Grundlage für eine letztlich bezweckte Erhöhung der Sonderzahlungen dienen sollte. Dagegen spricht im Übrigen, dass ausweislich dieser Begründung des Ministeriums die Finanzierung der Entschädigungseinrichtung von der "ex-post"-Finanzierung durch Sonderzahlungen stärker auf die jährliche "ex-ante"-Finanzierung verlagert werden soll.
Im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist schließlich die Annahme der Beschwerde, es bestehe bereits eine gravierende Belastungsungleichheit, weil einer bis zu siebenfachen Erhöhung der Beitragssätze für die Mitgliedsinstitute der EdW lediglich eine Verdoppelung der Beitragssätze für die Mitglieder der anderen Entschädigungseinrichtungen gegenübergestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat keine dahin gehenden Feststellungen getroffen. Davon abgesehen genügt für einen Belastungsvergleich nicht die Angabe der Relation einmaliger Beitragserhöhungen. Erforderlich wäre vielmehr die Angabe der Beitragshöhe in den jeweiligen Entschädigungseinrichtungen nach der Anhebung.
2. Die Divergenzrügen genügen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz widersprochen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass Sonderzahlungen materiell-rechtlich keine Selbständigkeit gegenüber Jahresbeiträgen zukommt. Es ist vielmehr im Gegenteil ausdrücklich und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei seiner verfassungsrechtlichen Prüfung von einer solchen Selbständigkeit ausgegangen (UA S. 9 f.). Soweit die Beschwerde weiter rügt, die Segmentierung der Entschädigungseinrichtungen könne für Sonderzahlungen nicht gelten, bringt sie lediglich ihre abweichende Rechtsauffassung zum Ausdruck.
Es trifft nicht zu, dass das Oberverwaltungsgericht im Unterschied zum Bundesverfassungsgericht den Rechtssatz aufgestellt hat, es bestehe keine Pflicht des Gesetzgebers, eine insgesamt faire und verhältnismäßig gleiche Verteilung der Kostenbelastung für Vorsorgemaßnahmen zur Erhaltung des Vertrauens in den Finanzmarkt zu gewährleisten. Das Gericht hat vielmehr - alternativ - eine solche verfassungsrechtliche Pflicht unterstellt (UA S. 12). Weshalb den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu der auf das Jahr 2010 bezogenen Erhöhung der Jahresbeiträge der Sache nach ein solcher Rechtssatz sollte entnommen werden können, erschließt sich nicht.
3. Auch die Gehörsrügen können nicht durchdringen.
Die Beschwerde macht geltend, die Klägerin habe in der Vorinstanz vorgetragen, dass die P. K. GmbH keine der Entschädigungspflicht der Beklagten unterliegenden Wertpapiergeschäfte getätigt habe. Das Oberverwaltungsgericht habe dieses Vorbringen übergangen bzw. sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt. Diese Rüge geht schon deshalb fehl, weil das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung tragend auch auf die Annahme gestützt hat, aufgrund einer entsprechenden bestandskräftigen Feststellung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht müsse vom Vorliegen eines Entschädigungsfalles ausgegangen werden (UA S. 8).
Die weiteren Gehörsrügen (Schriftsatz vom 16. September 2015 S. 5 f., 13) erschöpfen sich in einer Kritik der Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts. Damit wird der Schutzbereich des rechtlichen Gehörs verfehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.