Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 29.07.2010


BVerwG 29.07.2010 - 8 B 10/10

Zur fehlerhaften Anwendung abstrakter Rechtssätze des BVerwG; rechtliches Gehör und Gesuch auf Einräumung einer weiteren Schriftsatzfrist


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
29.07.2010
Aktenzeichen:
8 B 10/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend VG Potsdam, 13. November 2008, Az: 1 K 1629/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin hat mit dem Ergebnis Erfolg, dass auf ihre Verfahrensrüge das angegriffene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 6 VwGO).

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1. Die von der Beschwerde erhobene Grundsatzrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Denn die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht ersichtlich.

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Bei der Grundsatzrüge muss der Beschwerdeführer eine bestimmte, von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage des revisiblen Rechts genau bezeichnen sowie substantiiert näher begründen, warum er diese Rechtsfrage für klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren für klärungsfähig hält; ferner muss er dartun, warum ihre Tragweite über den konkreten Einzelfall hinausreicht und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 28. Mai 2010 - BVerwG 8 B 121.09 - juris Rn. 3).

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Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Beschwerdeschrift hinsichtlich der darin als klärungsbedürftig angegebenen Rechtsfragen,

"ob zwischen dem sogenannten Erstgeschädigten, wenn es sich um einen Berechtigten nach § 1 Abs. 6 VermG handelt, und dem sogenannten Zweitgeschädigten ein Wertausgleich in Bezug auf die von dem Zweitgeschädigten an dem betreffenden Vermögensgegenstand gemachten Aufwendungen gemäß Art. 27 der alliierten Berliner Rückerstattungsanordnung stattzufinden hat",

"wem ein solcher Wertausgleichsanspruch formell zusteht, nämlich entweder der Klägerin selbst oder der Stadt Teltow als letztem Verfügungsberechtigten bzw. dem Entschädigungsfonds", sowie

"ob die Verwaltungsbehörde den Wertausgleichsanspruch entsprechend der Alliierten Rückerstattungsanordnung für Berlin dem Grunde und der Höhe nach selbst zu ermitteln und festzustellen hat oder ob der Berechtigte in Bezug auf das Geltendmachen der Höhe nach auf den Zivilrechtsweg verwiesen ist"

nicht gerecht.

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Die Frage, ob zwischen dem Erstgeschädigten, wenn es sich um einen Berechtigten nach § 1 Abs. 6 VermG handelt, und dem Zweitgeschädigten ein Wertausgleich in Bezug auf die von dem Zweitgeschädigten an dem betreffenden Vermögensgegenstand gemachten Aufwendungen gemäß Art. 27 der Anordnung BK/O (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 221) stattzufinden hat, lässt eine Klärungsbedürftigkeit im dargelegten Sinne nicht erkennen. Von den Regelungen dieser alliierten Anordnung sind, wie sich unmittelbar aus § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG ergibt, lediglich deren im II. Abschnitt enthaltenen Regelungen zur Verfolgungsvermutung anwendbar. Die von der Klägerin angeführte Vorschrift des Art. 27 aus dem V. Abschnitt dieser alliierten Anordnung gehört dazu jedoch nicht. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ist angesichts des in § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG normativ begrenzten "Anwendungsbefehls" kein Raum. Eine planwidrige Regelungslücke, die aus verfassungsrechtlichen oder anderen zwingenden Rechtsgründen durch eine analoge Anwendung des Art. 27 der Anordnung BK/O (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 ausgefüllt werden müsste, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hätte die Klägerin auch nach dieser Vorschrift keinen Anspruch auf Wertausgleich, da diese lediglich Ansprüche des Rückerstattungspflichtigen, nicht jedoch des Zweitgeschädigten regelt. Damit erübrigt sich auch die Klärung der zweiten und dritten aufgeworfenen Rechtsfrage. Hinsichtlich der zweiten von der Klägerin bezeichneten Rechtsfrage wird im Übrigen nicht dargetan, worin ihre allgemeine, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

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2. Die Divergenzrüge genügt ebenfalls nicht den prozessrechtlichen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

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Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung der Klägerin divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712 f.). Daran fehlt es hier.

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Die Klägerin hat den von ihr bezeichneten abstrakten Rechtssätzen aus den angeführten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2007 - BVerwG 8 C 9.06 -, wonach das "Einbeziehen der nach § 1 Abs. 6 VermG Berechtigten in das Vermögensgesetz diese Berechtigten nicht besser- oder schlechterstellt als dies nach der alliierten Rückerstattungsverordnung der Fall ist, was im Umkehrschluss auch für die Rückerstattungspflichten gilt", und vom 15. Juni 2000 - BVerwG 7 C 20.99 -, wonach "von der Natur der Sache her die Rückgabe eines Grundstücks unmöglich ist, falls sie zu einem rechtswidrigen Zustand führen würde", keinen nach ihrer Auffassung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift jeweils davon abweichenden abstrakten Rechtssatz im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts entgegengestellt. Hinsichtlich der geltend gemachten Divergenz zum Urteil vom 21. Juni 2007 wird lediglich ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe diese Entscheidung "nicht berücksichtigt". Hinsichtlich der behaupteten Divergenz zum Urteil vom 15. Juni 2008 macht die Klägerin allein geltend, das Verwaltungsgericht habe "auch diese Entscheidung ... nicht angewendet". Das reicht nicht aus, um eine Divergenzrüge hinreichend zu begründen. Die "lediglich" fehlerhafte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatzes ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO keine Abweichung. Maßgebend ist allein, ob die Vorinstanz in der angegriffenen Entscheidung von einem entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts mit einem widersprechenden abstrakten Rechtssatz abgewichen ist.

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3. Mit der Beschwerde wird dagegen zu Recht gerügt, das Verwaltungsgericht habe den von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einräumung einer Erklärungsfrist (um "mit der Klägerin im Hinblick auf die 'Klarstellung' der Vertreter der Beklagten im heutigen Termin zum Geltungsumfang der Entscheidung über den Wertausgleich Rücksprache halten zu können") übergangen und damit jedenfalls ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG; § 108 Abs. 2 VwGO).

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Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet unter anderem, dass die Parteien im Prozess hinreichend Gelegenheit haben müssen, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was aus ihrer Sicht zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist (vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 14. April 1959 - 1 BvR 109/58 - BVerfGE 9, 261 <267> und vom 8. Juni 1993 - 1 BvR 878/90 - BVerfGE 89, 28 <35>). § 108 Abs. 2 VwGO konkretisiert diese verfassungsgerichtliche Gewährleistung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren dahin, dass ein Urteil nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Maßnahmen oder Unterlassungen, die einen Prozessbeteiligten daran hindern, verstoßen gegen diese verfassungsrechtliche Gewährleistung. Da Art. 103 Abs. 1 GG in einem funktionalen Zusammenhang mit der in Art. 19 Abs. 4 GG normierten Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes steht, müssen das einfache Recht und seine Anwendung im Einzelfall von Verfassungs wegen ein Ausmaß an Gehör eröffnen, das sachangemessen ist, um dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72 - BVerfGE 35, 263 <274>, vom 29. Oktober 1975 - 2 BvR 630/73 - BVerfGE 40, 272 <274 f.>, vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220 <224>, vom 2. Dezember 1987 - 1 BvR 1291/85 - BVerfGE 77, 275 <284> und vom 29. November 1989 - 1 BvR 1011/88 - BVerfGE 81, 123 <129>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt dagegen keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise außer Betracht lassen (vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <58> m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1981 - BVerwG 5 C 67.80 - Buchholz 424.01 § 2 FlurbG Nr. 1 und Beschluss vom 8. Februar 1996 - BVerwG 9 B 418.95 - NJW 1996, 1553).

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Sucht ein Beteiligter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allerdings um ein Zuwarten mit der Entscheidung über sein Klagebegehren nach, weil er weiteren Vortrag beabsichtigt, den schon jetzt vorzubringen er sich nicht in der Lage sieht, so gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs jedenfalls, dass das Gericht vorab über dieses Ersuchen entscheidet und dem Beteiligten so Gelegenheit gibt, gegebenenfalls noch darauf zu reagieren, wenn der Antrag abschlägig beschieden wird und er deshalb unmittelbar mit einer Entscheidung in der Sache rechnen muss. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird deshalb regelmäßig verletzt, wenn ein Gericht, bei dem ein Antrag auf Einräumung oder Verlängerung einer Äußerungsfrist gestellt ist, zur Hauptsache entscheidet, ohne zuvor diesen Antrag beschieden zu haben (vgl. dazu u.a. Urteil vom 3. November 1987 - BVerwG 9 C 235.86 - Buchholz 310 § 100 VwGO Nr. 5; Beschlüsse vom 19. Januar 1999 - BVerwG 9 B 378.98 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 37, vom 23. Oktober 2000 - BVerwG 1 B 51.00 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 69, vom 30. Oktober 2000 - BVerwG 9 B 393.00 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 52, vom 10. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 12.04 <1 PKH 2.04> - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 67 und vom 15. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 150.04 <1 PKH 45.04> - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 68).

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Davon durfte das Verwaltungsgericht auch unter den Umständen des vorliegenden Verfahrens nicht abweichen (zu Ausnahmen bei ohne jede Begründung oder wiederholt gleichförmig eingereichten Verlängerungsbegehren vgl. u.a. Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 9 B 535.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 26). Für das erfolgte Übergehen und Nichtbescheiden des Antrages auf Einräumung einer Schriftsatzfrist fehlte es an einer Rechtsgrundlage im geltenden Recht.

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Unabhängig von der Frage, ob das Verwaltungsgericht verpflichtet oder berechtigt war, dem Antrag auf Einräumung einer Schriftsatzfrist stattzugeben, durften die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter jedenfalls erwarten, dass über den gestellten Antrag durch das Gericht entschieden wurde. Aus der Nichtbescheidung ihres (erstmaligen) Antrages bzw. dem diesbezüglichen Schweigen des Gerichts mussten sie auch nicht den Schluss ziehen, dass dem Gesuch nicht stattgegeben würde (vgl. dazu Urteil vom 3. November 1987 - BVerwG 9 C 235.86 - a.a.O. und Beschluss vom 23. Oktober 2000 - BVerwG 1 B 51.00 - a.a.O.). Selbst wenn das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin ablehnend beschieden hätte, hätte diese durch ihren Prozessbevollmächtigten noch kurzfristig jedenfalls zu dem beabsichtigten Verfahren Stellung nehmen können. Durch die - ohne vorherige Bescheidung des Antrages auf Einräumung einer Äußerungsfrist - ergehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst ist der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten diese Möglichkeit zu Unrecht abgeschnitten und damit das rechtliche Gehör verweigert worden.

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Der in dieser Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegende Verfahrensverstoß bezog sich auch auf entscheidungserhebliches Vorbringen. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts kann im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Denn die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung vorgetragen, ihr Antrag auf Einräumung einer Erklärungsfrist habe es ihr ermöglichen sollen, "gegebenenfalls ... den Rechtsstreit insoweit vielleicht in der Hauptsache für erledigt erklären" zu können, des Weiteren zu prüfen, ob sie "ihre Klage, nachdem das Verwaltungsgericht Potsdam sie auf die Aussichtslosigkeit derselben bezüglich des Rückübertragungsanspruches hingewiesen hatte, in dieser Hinsicht noch aufrechterhalten sollte". Wenn das Verwaltungsgericht ihr "antragsgemäß eine Erklärungsfrist gewährt oder wenigstens vor der Urteilsverkündung den betreffenden Antrag abgelehnt hätte", hätte sie "den mit der Klage geltend gemachten Rückübertragungsanspruch wegen Aussichtslosigkeit nicht weiterverfolgt und in Bezug auf den erstrebten Wertausgleich" weitere Rechtsausführungen gemacht. Damit kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin nach erfolgter negativer Bescheidung ihres Antrages auf Einräumung einer Schriftsatzfrist ihr Rechtsschutzbegehren hinsichtlich des geltend gemachten Rückübertragungsanspruches nicht weiterverfolgt und die Klage insoweit zurückgenommen oder für in der Hauptsache erledigt erklärt hätte. Auf dieser Grundlage hätte das Verwaltungsgericht nicht mehr, wie in dem angegriffenen Urteil geschehen, eine Sachentscheidung über den Rückübertragungsanspruch treffen können. Die angegriffene Entscheidung über den vom Verwaltungsgericht angenommenen "sinngemäß gestellten Antrag", den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2007 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Klägerin Wertausgleichsansprüche in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 VermG gegenüber den Beigeladenen zustehen, hätte damit nicht ergehen können.

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Ob die Klägerin mit ihrer Beschwerde sinngemäß zugleich auch einen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Recht auf ein faires Verfahren (vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. April 1988 - 1 BvR 669/87, 1 BvR 686/87, 1 BvR 687/87 - BVerfGE 78, 123 <126> m.w.N.) gerügt hat und ob dieses durch die Nichtbescheidung des Antrages auf Einräumung einer Äußerungsfrist vor Ergehen der Sachentscheidung verletzt worden ist, kann demnach offen bleiben.

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Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob das Verwaltungsgericht auch insoweit einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begangen hat, als es davon ausgegangen ist, die Klägerin habe einen Sachantrag gestellt, obwohl ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. November 2008, gegen deren inhaltliche Richtigkeit von den Prozessbeteiligten keine Einwände erhoben worden sind, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausdrücklich erklärt hatte, "keinen Sachantrag stellen zu wollen". Der Prozessbevollmächtigte hatte sich damit geweigert, neben dem zuvor gestellten Antrag auf Einräumung einer Schriftsatzfrist einen konkreten Sachantrag zur gerichtlichen Entscheidung zu stellen, so dass nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund das Verwaltungsgericht dennoch - entgegen der sich aus § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 165 ZPO ergebenden Beweiskraft der Niederschrift - "sinngemäß" von der Stellung eines solchen Antrages ausgegangen ist.

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Angesichts des oben bereits festgestellten Verfahrensverstoßes im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bedarf es auch keiner näheren Prüfung der Frage, ob das Verwaltungsgericht, indem es von einem "sinngemäßen" Sachantrag der Klägerin ausgegangen ist, obwohl deren Prozessbevollmächtigter ausdrücklich keinen Sachantrag gestellt hatte, gegen die Verfahrensvorschrift des § 88 VwGO verstoßen hat, der es dem Gericht verbietet, über das Klagebegehren hinauszugehen.

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Da sich die angegriffene Entscheidung schon im Hinblick auf das nicht hinreichend geklärte Rechtsschutzziel der Klägerin auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), hat der Senat von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.