Bundesarbeitsgericht

Entscheidungsdatum: 11.12.2014


BAG 11.12.2014 - 8 AZR 968/13

Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
11.12.2014
Aktenzeichen:
8 AZR 968/13
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend ArbG Gera, 27. September 2012, Az: 4 Ca 289/12, Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 2. Oktober 2013, Az: 6 Sa 397/12, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 2. Oktober 2013 - 6 Sa 397/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen nach zwei Betriebsübergängen infolge eines Widerspruchs des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses im ersten Betriebsübergang ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten, einem bundesweit tätigen Telekommunikationsunternehmen, und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Bei der Beklagten arbeitete er zuletzt im Callcenter G.

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Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers ging am 1. September 2007 von der Beklagten auf die „V GmbH“ (V) über. Darüber war der Kläger durch ein Unterrichtungsschreiben der V vom 26. Juli 2007 informiert worden. Der Kläger hat diesem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht widersprochen und arbeitete nach dem Betriebsübergang für die V.

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Am 1. Dezember 2008 erfolgte ein weiterer Betriebsübergang, von der V auf die T G GmbH (T). Mit Schreiben vom 25. Oktober 2008 wurde der Kläger darüber unterrichtet. Der Kläger hat diesem Übergang seines Arbeitsverhältnisses - jedenfalls zunächst - nicht widersprochen. Er arbeitete forthin für die T; den von der T angebotenen neuen Arbeitsvertrag zu schlechteren Arbeitsbedingungen unterschrieb der Kläger am 30. Dezember 2009.

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Mit Urteil vom 26. Mai 2011 (- 8 AZR 18/10 -) entschied der Senat zu einem wortgleichen Unterrichtungsschreiben der V, ebenfalls vom 26. Juli 2007, aber ein anderes Arbeitsverhältnis betreffend, dass die Unterrichtung fehlerhaft war.

6

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten an die Beklagte vom 16. November 2011 widersprach der Kläger nunmehr dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die V. Dass er auch dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der V auf die T widersprochen hätte, hat er nicht in den Rechtsstreit eingeführt.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, wegen der fehlerhaften Unterrichtung vom 26. Juli 2007 über den ersten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V habe die Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begonnen. Sein Widerspruch vom 16. November 2011 sei rechtzeitig erfolgt.

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Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 1. September 2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

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Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte vor allem damit begründet, das Widerspruchsrecht des Klägers sei verwirkt.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Einen wirksamen Widerspruch gegen den früheren Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die V konnte der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis mittlerweile mit T bestand, nicht mehr einlegen, § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB.

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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Recht zum Widerspruch sei zum Zeitpunkt seiner Ausübung verwirkt gewesen. Nach - wie hier - vier Jahren und drei Monaten sei das Zeitmoment erfüllt. Durch den Abschluss des neuen Arbeitsvertrags mit der T sei auch das Umstandsmoment erfüllt, da damit das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt worden sei. Eine später erklärte Anfechtung des Vertrags sei nicht wirksam. Das Wissen über den Vertragsabschluss sei der Beklagten zuzurechnen.

13

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

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I. Das Widerspruchsrecht bezüglich des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang ist zwar in der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) nicht ausdrücklich geregelt, jedoch in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt (ua. EuGH 16. Dezember 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 30 ff. mwN, Slg. 1992, I - 6577). Der Inhalt jenes Rechts ist unionsrechtlich nicht ausgestaltet; die Rechtsfolgen eines Widerspruchs für das Arbeitsverhältnis richten sich nach nationalem Recht (ua. EuGH 16. Dezember 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 37, aaO). Für die Voraussetzungen des Widerspruchsrechts ergibt sich nichts anderes. Zudem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten schon nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen (EuGH 16. Dezember 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 35, aaO).

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II. Der Widerspruch vom 16. November 2011 gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses am 1. September 2007 erfolgte nicht gemäß § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB gegenüber dem „neuen Inhaber“ (im November 2011 die T) oder „dem bisherigen Arbeitgeber“ (im November 2011 die V), sondern gegenüber der Beklagten als einer früheren Arbeitgeberin. Eine solche Widerspruchsmöglichkeit besteht nach dem Gesetz nicht. Auf die Frage einer Verwirkung kommt es nach allem nicht an.

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1. Nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB ist der Widerspruch gegenüber zwei Personen möglich: gegenüber dem „bisherigen Arbeitgeber“ oder dem „neuen Inhaber“. Ein Widerspruchsrecht gegenüber einem ehemaligen Arbeitgeber ist danach nicht gegeben (vgl. auch BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 -). „Bisheriger“ Arbeitgeber in der Situation, in der sich der Kläger im November 2011 nach zwei Betriebsübergängen befand, wäre im Sinne des Gesetzes die V gewesen. „Bisher/ig“ bedeutet: „bis jetzt“ (Brockhaus-Wahrig Deutsches Wörterbuch S. 703 [1980]); „von einem unbestimmten Zeitpunkt an bis zum heutigen Tag“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. S. 607); „bislang/bis jetzt/bis heute/bis dato/bis zum heutigen Tage/bis zur jetzigen Stunde“ (Knaurs Lexikon der sinnverwandten Wörter S. 116). Bezogen auf einen Betriebsübergang ist der „bisherige Arbeitgeber“ derjenige, der vor dem aktuellen Arbeitgeber den Betrieb innehatte. Seit dem letzten Betriebsübergang ist die T „neue Inhaberin“ iSd. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB, da sie bei diesem zweiten Betriebsübergang den Betrieb erworben hat. Zur Beklagten steht der Kläger im Zeitpunkt der Erklärung seines Widerspruchs nicht mehr in einer, auch nicht in einer durch § 613a Abs. 6 BGB vermittelten arbeitsrechtlichen oder sonstigen vertragsrechtlichen Beziehung. Die Beklagte war bei Zugang des Widerspruchs nicht „bisherige“ Arbeitgeberin, sondern hatte diese Eigenschaft am 1. Dezember 2008 durch den Betriebsübergang von V auf T (an V) verloren. V verlor durch diesen weiteren Betriebsübergang ihren Status als „neue Inhaberin“ und wurde zur „bisherigen Arbeitgeberin“. Die Erklärung im November 2011 gegenüber der Beklagten als einer früheren Arbeitgeberin ging damit ins Leere.

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Auch systematische Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch nur gegenüber dem „bisherigen“ Arbeitgeber oder „dem neuen Inhaber“, den letzten Übergang des Arbeitsverhältnisses betreffend, erklärt werden kann (näher BAG 24. April 2014 - 8 AZR 369/13 - Rn. 19 ff.).

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2. Dies entspricht der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7760 S. 20) für das Widerspruchsrecht. Mit der Würde des Menschen, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 1, 2 und 12 GG) wäre es unvereinbar, wenn ein Arbeitnehmer verpflichtet würde, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat (BAG 22. April 1993 - 2 AZR 50/92 -; ebenso zu der Richtlinie 2001/23/EG: EuGH 16. Dezember 1992 - C-132/91, C-138/91 und C-139/91 - [Katsikas ua.] Rn. 32, Slg. 1992, I-6577; vgl. auch Art. 1 und Art. 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).

19

Ist „das“ Arbeitsverhältnis (es handelt sich im Rahmen des § 613a BGB immer um das eine, nicht um mehrere Arbeitsverhältnisse) zwischenzeitlich vom Ersterwerber (bisheriger Arbeitgeber) auf einen Zweiterwerber (neuer Inhaber) übergegangen und dagegen ein Widerspruch nicht oder nicht erfolgreich erhoben worden, stellt sich die Frage einer Verpflichtung, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der nicht frei gewählt worden ist, nur noch in Bezug auf den Zweiterwerber (neuer Inhaber). Bezogen auf den Widerspruch vom 16. November 2011 gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses am 1. September 2007 von der Beklagten zur V kann es insofern nur auf eine Arbeitspflicht des Klägers für die V ankommen. Eine solche bestand jedoch am 16. November 2011 nicht mehr, da das Arbeitsverhältnis infolge des weiteren Betriebsübergangs seit dem 1. Dezember 2008 mit der T bestand.

20

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Mallmann    

        

    R. Kandler