Entscheidungsdatum: 15.06.2012
Authentifizierungssystem
Zu den formalen Anforderungen an einen sich für die (einzige) Geltendmachung des Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG auf einen druckschriftlichen Stand der Technik stützenden Einspruch (Anschluss an BGH GRUR 2009, 1089 Leistungshalbleiterbauelement; Abgrenzung zu BPatG [23. Senat] GRUR 2009, 285 und BPatG [20. Senat] 20 W (pat) 390/05 Messeinrichtung und Verfahren zur berührungslosen Positionsermittlung).
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 195 23 009
…
…
hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Univ. Höppler und die Richter Schwarz, Dipl-Phys. Dipl.-Wirt.-Phys.Maile, und Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Schwengelbeck
beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. November 2005 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Einspruch an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Das Patent 195 23 009 mit der Bezeichnung
Authentifizierungssystem
ist am 19. September 1997 erteilt worden. Die Erteilung wurde am 12. März 1998 veröffentlicht.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
„Verfahren zur Prüfung der Nutzungsberechtigung für Zugangskontrolleinrichtungen, insbesondere Schließeinrichtungen für Fahrzeuge, bei dem zwischen einer dauerenergieversorgten zugangsseitigen Steuereinrichtung (A) und einer benutzerseitigen Schlüsseleinrichtung (B) nach einem geheimen Schlüssel (K) codierte Benutzercodeinformationen bidirektional ausgetauscht werden, mit folgenden Merkmalen:
a) in der Steuereinrichtung (A) wird eine Zufallszahlenfolge Rnd erzeugt;
b) die Zufallszahlenfolge Rnd wird zur Schlüsseleinrichtung (B) übertragen;
c) die Zufallszahlenfolge wird in der Steuereinrichtung (A) mittels einer ersten Verschlüsselungsfunktion f codiert;
d) die mittels der ersten Verschlüsselungsfunktion f codierte Information Ca wird zur Schlüsseleinrichtung (B) übertragen;
gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
e) die mittels der ersten Verschlüsselungsfunktion f codierte Information Ca wird in der Schlüsseleinrichtung (B) mittels einer ersten inversen Verschlüsselungsfunktion f’ entschlüsselt;
f) die mittels der ersten inversen Verschlüsselungsfunktion f’ entschlüsselte Information Z wird in der Schlüsseleinheit (B) mit der Zufallszahlenfolge Rnd verglichen;
g) im Falle einer festgestellten Übereinstimmung der mittels der ersten inversen Verschlüsselungsfunktion f’ entschlüsselten Information Z mit der Zufallszahlenfolge Rnd wird in der Schlüsseleinheit (B) die Zufallszahlenfolge Rnd mit einer zweiten Verschlüsselungsfunktion g verschlüsselt;
h) die mit der zweiten Verschlüsselungsfunktion g verschlüsselte Information Cb wird zur Steuereinrichtung (A) übertragen;
i) die mit der zweiten Verschlüsselungsfunktion g verschlüsselte Information Cb wird in der Steuereinrichtung (A) mittels einer zweiten inversen Verschlüsselungsfunktion g’ entschlüsselt;
j) die mittels der zweiten inversen Verschlüsselungsfunktion g’ entschlüsselte Information X wird in der Steuereinrichtung (A) mit der Zufallszahlenfolge Rnd verglichen;
bei einer Übereinstimmung der mittels der zweiten inversen Verschlüsselungsfunktion g’ entschlüsselten Information X mit der Zufallszahlenfolge Rnd erfolgt eine Freigabe der Zugangskontrolleinrichtung.“
Gegen die Erteilung hat die Rechtsvorgängerin der jetzigen Einsprechenden, die Fa. S… AG aus M…, mit am 10. Juni 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Einspruch erhoben mit dem Antrag, das Patent nach § 21 PatG zu widerrufen.
Im Einspruchsschriftsatz hat sie dies damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents durch die der Einspruchsschrift beigefügte Veröffentlichung
D1 Cryptographic Identification Methods for Smart Cards in the Process of Standardization, IEEE Communications Magazine, Vol. 29, No. 6, June 1991, Seiten 42 bis 48
neuheitsschädlich vorweggenommen sei und ausgehend von dem der Einspruchsschrift ebenfalls beigefügten internationalen Standard
D2 ISO/IEC 9798 "Information technology - Security techniques - Entity authentication mechanisms-" Teil 1 veröffentlicht 01.09.1991, Teil 2 veröffentlicht 15.12.1994 und Teil 3 veröffentlicht 1993
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Wörtlich wird die fehlende Neuheit wie folgt begründet:
„Begründung:
Das Dokument D1) zeigt auf Seite 43 in Figur 2, oberer Teil ein kryptographisches Identifikationsverfahren zwischen einer Karte und einem Terminal, das die Authentizität der Karte aufzeigen soll. Demgemäß sendet das Terminal eine Zufallszahl an die Karte, wo diese mittels einer Geheimzahl verschlüsselt wird. Die verschlüsselte Zufallszahl wird an das Terminal zurückgesendet, dort entschlüsselt und mit der gesendeten Zufallszahl verglichen. Bei Übereinstimmung hat sich die Karte als authentisch erwiesen.
Gemäß Seite 43 des Dokuments D1) Spalte 2, 2. Absatz findet ein umgekehrtes Authentifikationsverfahren statt, wenn auch die Karte die Sicherheit haben muß, daß das Terminal echt ist. In diesem Fall würde entsprechend die Verschlüsselung im Terminal stattfinden und die Entschlüsselung in der Karte. Da die Reihenfolge der Authentifikation beliebig ist und vom jeweiligen Anwendungsfall abhängt, muß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents als durch das Dokument D1) neuheitsschädlich vorweggenommen betrachtet werden, da durch die dortige gegenseitige Authentifikation sämtliche Merkmale dieses Gegenstandes beschrieben sind.“
Zur behaupteten mangelnden erfinderischen Tätigkeit wird wörtlich ausgeführt:
„Sollte die Prüfungsabteilung in der Beliebigkeit der Reihenfolge der Authentifikationen keine für den Fachmann sich aus dem jeweiligen Anwendungsfall von selbst ergebende Maßnahme sehen, die er bei der Durchsicht des Dokuments ohne weiteres mitliest, so mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zumindest an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit, da eine solche Maßnahme zum handwerklichen Können des Fachmanns zu rechnen ist.
Auch das Dokument D2) beschreibt auf Seite 4 des Teils 2 im Abschnitt 5.2.2 eine gegenseitige Authentifikation zwischen zwei Einrichtungen. Dort sendet eine erste Einrichtung eine Zufallszahl an die zweite Einrichtung. Diese wird in der zweiten Einrichtung verschlüsselt und das Verschlüsselungsergebnis an die erste Einrichtung zurückgesandt. Die empfangene verschlüsselte Zufallszahl wird in der ersten Einrichtung entschlüsselt und mit der gesendeten Zufallszahl verglichen. Anschließend wird die Zufallszahl in der ersten Einrichtung verschlüsselt und an die zweite Einrichtung gesendet, um dort entschlüsselt und mit der zuvor empfangenen Zufallszahl verglichen zu werden. Bei positiven Vergleichsergebnissen haben sich die beiden Einrichtungen gegenseitig authentifiziert.
Ausgehend von dem internationalen Standard ISO/IEC 9798 konnte der Fachmann also ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gelangen, da er auch hier lediglich die Reihenfolge der gegenseitigen Authentifikation vertauschen mußte.
Der Anspruch 2 des Streitpatents beschreibt lediglich Vorrichtungsmerkmale, wie sie sich für den Fachmann bei einer Realisierung der bekannten Authentifizierungsverfahren von selbst ergeben.
Auch die Merkmale der kennzeichnenden Teile der Unteransprüche 3 bis 5 beschreiben lediglich dem Fachmann geläufige Maßnahmen bei Authentifikationssystemen.“
Auf den Einspruch hat die Patentinhaberin mit Anwaltsschriftsatz vom 10. November 1998 umfänglich erwidert und sich hierbei im Einzelnen mit den von der Rechtsvorgängerin der Einsprechenden als Beleg für die behauptete fehlende Patentfähigkeit eingereichten beiden Dokumenten inhaltlich auseinander gesetzt und ausgeführt, dass diese ihrer Ansicht nach das Streitpatent weder neuheitsschädlich vorwegnähmen noch die erforderliche Erfindungshöhe in Frage stellten.
Bis Ende 2000 haben hiernach beide Beteiligte weitere umfangreiche Stellungnahmen zu den Fragen der Neuheit und Erfindungshöhe des Streitpatents eingereicht.
Mit (erstem) Zwischenbescheid vom 11. Juli 2005 wies die Patentabteilung 1.53 des Deutschen Patent- und Markenamtes darauf hin, dass ihrer Ansicht nach der Einspruch unzulässig sein könnte, weil die Einsprechende bei ihrer gesamten Betrachtung wesentliche Teile der patentierten Lehre unberücksichtigt und unkommentiert gelassen habe, insbesondere
- dass eine Zufallszahlenfolge, die von einer Steuereinrichtung A erzeugt und mit einer ersten Verschlüsselungsfunktion f verschlüsselt wird, sowohl in unverschlüsselter, als auch in der verschlüsselten Form zu einer Schlüsseleinrichtung B übertragen und dort nach der Entschlüsselung mittels der inversen Funktion f’ einem Vergleich unterzogen wird (wesentlicher Inhalt der Merkmale a) bis f)), und
- dass nur im Falle einer festgestellten Übereinstimmung der mittels der ersten inversen Verschlüsselungsfunktion f´ entschlüsselten Information Z mit der Zufallszahlenfolge Rnd die gleiche Zufallszahlenfolge Rnd in der Schlüsseleinheit B mit einer zweiten Verschlüsselungsfunktion g zur Rückübertragung an die Steuereinrichtung A verschlüsselt wird (wesentlicher Inhalt der Merkmale g) und h)).
Diesen Ausführungen hat sich die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 31. August 2005 angeschlossen, während die Einsprechende ihnen mit Schriftsatz vom 29. September 2005 unter Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs „Streichgarn" (GRUR 1987, 513), „Tetraploide Kamille" (GRUR 1993, 651) und „Sortiergerät" (GRUR 1972, 592) sowie den Entscheidungen des Bundespatentgerichts BPatGE 9,185 und GRUR 2004, 231 („Leiterplattenbeschichtung") entgegengetreten ist.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. November 2005 hat die Patentabteilung 1.53 zugleich den Einspruch als unzulässig verworfen und das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Dies wird damit begründet, dass der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist nicht ausreichend substantiiert worden und damit unzulässig sei. Wie bereits im Zwischenbescheid ausgeführt worden sei, habe sich die Einsprechende mit wesentlichen Kernbereichen der patentierten Lehre nicht auseinander gesetzt. Wenn die Einsprechende der patentgemäßen Lösung die Neuheit oder zumindest die erfinderische Tätigkeit habe absprechen wollen, so hätte sie sich mit der Gesamtlehre des Patentanspruchs 1 auseinander setzen müssen. Die Einsprechende hätte den Inhalt der jeweiligen Druckschrift mit dem wesentlichen Gegenstand des Streitpatents vergleichen müssen, indem sie sämtliche erfindungswesentlichen Merkmale anspricht und im Zusammenhang mit dem Stand der Technik vergleicht, um daraus Tatsachen herzuleiten, aus denen sich einer der Widerrufsgründe des § 21 PatG ergibt. Gegebenenfalls hätten nicht durch den Stand der Technik abgedeckte oder ins Auge fallende wesentliche Merkmale im Einzelnen bezeichnet und ihr Naheliegen begründet werden müssen.
Dies habe die Einsprechende aber nicht getan. Die Einspruchsbegründung führe auch nicht „zwangsläufig" dazu, dass sich der Patentinhaberin oder dem Patentamt „aufdränge" oder gar „ins Auge" fallen müsse, dass nur im Falle einer festgestellten Übereinstimmung der mittels der ersten inversen Verschlüsselungsfunktion f´ entschlüsselten Information Z mit der Zufallszahlenfolge Rnd die gleiche Zufallszahlenfolge Rnd in der Schlüsseleinheit B mit einer zweiten Verschlüsselungsfunktion g zur Rückübertragung an die Steuereinrichtung A verschlüsselt werde (wesentlicher Inhalt der Merkmale g) und h)). Um dieses als allgemeines Fachwissen festzustellen, hätte die Patentabteilung eigene Recherchen anstellen müssen. Dies sei jedoch eine Aufgabe der Einsprechenden, nicht des Patentamts. Die Ausführungen der Einsprechenden in ihrem Schriftsatz vom 29. September 2005, dass bei einer mittels eines Protokolls vorgegebenen Reihenfolge eines Verfahrens dieses jeweils nur Schritt für Schritt durchgeführt werde und im Falle einer Protokollabweichung das Verfahren vorzeitig beendet werde, gingen zwar in diese Richtung, seien aber nicht zu berücksichtigen, da diese Argumentation nicht innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht worden sei. Die Einspruchsbegründung erfülle daher nicht das Erfordernis der Angabe der Tatsachen im Einzelnen, da sie sich nicht mit der Erfindung befasse, wie sie patentiert ist. Vielmehr lege sie ihrer Argumentation allein eine Teillehre des Patents zugrunde, ohne dabei die konkreten Merkmale dieser Teillehre genau mit dem Kern der patentierten Lehre zu vergleichen. Irgendwelche weiteren konkreten Angaben, die für die Patentierungserfordernisse der alle wesentlichen Merkmale einschließenden Lehre des Patents von Bedeutung sein könnten, enthalte die Einspruchsbegründung nicht. Eine Einspruchsbegründung, die sich nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung, nicht aber mit der wesentlichen patentierten Lehre befasse, sei aber ebenso formal unvollständig wie eine Einspruchsbegründung, die sich nicht an der patentierten Erfindung orientiert, sondern an einer nicht unter Schutz gestellten Lehre. Daher müsse der Einspruch wegen nicht ausreichender Substantiierung als unzulässig verworfen werden.
Gegen diesen, den jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten am 12. Dezember 2005 zugestellten, Beschluss richtet sich die am 11. Januar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde der Einsprechenden vom 10. Januar 2006. Beide Beteiligte streiten im wesentlichen darum, ob der Einspruch nach den gesetzlichen Bestimmungen zulässig war.
Die Einsprechende beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. November 2005 aufzuheben und das Patent 195 23 009 zu widerrufen.
hilfsweise
die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
hilfsweise:
die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.
II.
A.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Sache unter Aufhebung des gegenteiligen Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. November 2005 an dieses nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG zur erneuten Entscheidung über den Einspruch an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuweisen ist. Denn von einer - vom Patentamt bislang nicht durchgeführten - Sachprüfung des Einspruchs kann nicht abgesehen werden, weil der Einspruch entgegen der Ansicht des Patentamts nicht unzulässig war. Damit war eine Verwerfung des Einspruchs als unzulässig ausgeschlossen. Soweit die Entscheidung der Patentabteilung im Tenor des Beschlusses über die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig hinaus auch die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang ausgesprochen hat, handelt es sich allerdings um einen überflüssigen ungerechtfertigten Ausspruch, denn nach allgemeiner und richtiger Meinung kommt bei Unzulässigkeit des Einspruchs nur dessen Verwerfung, nicht aber die Aufrechterhaltung des Streitpatents in Betracht, weil Letzteres nach der Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG zwingend eine Sachprüfung des Einspruchs vorsieht, die im Falle seiner Unzulässigkeit aber gerade nicht erfolgen darf; in einem solchen Fall kann vielmehr nur der unzulässige Einspruch verworfen werden (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl., § 61 Rn. 23; Busse/Schwendy, PatG, 6. Aufl., § 61 Rn. 6).
1.
Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 bis 5 PatG muss ein Einsprechender innerhalb der Einspruchsfrist von 3 Monaten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 PatG) seinen Einspruch schriftlich erklären und begründen. Die Begründungspflicht wird in § 59 Abs. 1 Satz 3 und 4 PatG dahingehend präzisiert, dass zum einen der Widerrufsgrund nach § 21 PatG anzugeben ist und zum anderen „die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, […] im Einzelnen anzugeben [sind]“. Diesen gesetzlichen Vorgaben genügte die Einspruchsschrift der Rechtsvorgängerin der jetzigen Einsprechenden.
a)
In der hier zu beurteilenden Einspruchsschrift ist entsprechend der Anforderung des § 59 Abs. 1 Satz 3 PatG der Widerrufsgrund hinreichend konkret benannt worden. Zwar wird der Widerspruch des Streitpatents nur unter pauschaler Bezugnahme auf § 21 PatG beantragt, aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt sich aber zweifelsfrei, dass der beantragte Widerruf allein auf eine fehlende Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG gestützt wird, wobei ausdrücklich die Neuheit der patentierten Erfindung (§§ 1, 3 PatG) als auch das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1, 4 PatG) in Abrede gestellt wird. Damit ist den formalen Anforderungen des § 59 Abs. 1 Satz 3 PatG - was im Übrigen auch die Patentabteilung nicht in Frage gestellt hat - Genüge getan.
b)
Entgegen der Ansicht der Patentabteilung erfüllt die Einspruchsschrift allerdings auch die formalen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG.
aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Einspruchsbegründung dieser formellen gesetzlichen Anforderung, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (BGH, GRUR 1993, 651 [653] Tetraploide Kamille). Der Vortrag muss erkennen lassen, dass ein bestimmter Tatbestand behauptet werden soll, der auf seine Richtigkeit nachgeprüft werden kann (BGH, GRUR 1997, 740 Tabakdose). Da der Einspruch nur auf die Behauptung gestützt werden kann, einer der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe liege vor, muss die überprüfbare Tatsachenangabe sich außerdem auf den geltend gemachten Widerrufsgrund beziehen (BGHZ 100, 243 [246] = GRUR 1987, 513 Streichgarn). Ob die Tatsachen den Widerruf auch tatsächlich rechtfertigen, ist alsdann keine Frage der an die Einspruchsschrift zu stellenden förmlichen Anforderungen mehr, sondern eine solche der Begründetheit. Auf diese Anforderungen hat der Bundesgerichtshof auch in neueren Entscheidungen immer wieder abgestellt (vgl. BGH GRUR 2009, 1089, 1099 [Rz. 12] - Leistungshalbleiterbauelement).
bb)
Bei der Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist dabei im Ausgangspunkt zu beachten, dass § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG lediglich verlangt, dass der Einsprechende die „Tatsachen“, welche den Einspruch rechtfertigen, „im Einzelnen“ angibt, also lediglich die Tatsachen, welche Grundlage für die Beurteilung sein können, ob der geltend gemachten Widerrufsgrund vorliegt. Unter Tatsachen werden im Allgemeinen aber nur die der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Geschehnisse oder Zustände verstanden, aus denen das objektive Recht Rechtswirkungen herleitet (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 286 Rn. 9). Von diesen einem Beweis zugänglichen Tatsachen, auf die sich die Pflicht des Einsprechenden nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG allein erstreckt, sind alle sonstigen Ausführungen zu trennen, welche die rechtliche Schlussfolgerung aus diesen Tatsachen auf eine bestehende oder fehlende Patentfähigkeit des Streitpatents betreffen; solche Ausführungen sind zwar in der Einspruchsschrift möglich und meist auch üblich, werden aber vom Gesetz als formelle Voraussetzung für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht gefordert.
Erst im Rahmen dieser rechtlichen, aus den allein vorzutragenden Tatsachen zu ziehenden Schlussfolgerungen, deren Vortrag von § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG nicht gefordert wird, ist aber eine eingehende Prüfung des Gegenstandes des Streitpatents sowie der jeweiligen Gegenstände des vom Einsprechenden genannten Standes der Technik vorzunehmen. Folgerichtig und zwingend ist daher die Ermittlung dessen, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs des Streitpatents im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch kein Tatsachenvortrag - auf den sich § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG allein bezieht -, sondern Rechterkenntnis und demgemäß richterliche Aufgabe (vgl. BGH GRUR 2007, 859, 860 [Rz. 14] m. w. N. - Informationsübermittlungsverfahren I) bzw. im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt eine solche der Patentabteilung. Diese Rechtserkenntnis wird zwar, wie jede Auslegung, auf tatsächlicher Grundlage getroffen, zu der neben den objektiven technischen Gegebenheiten auch ein bestimmtes Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen sowie Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und methodische Herangehensweise dieser Fachleute gehören, die das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (vgl. BGH, a. a. O. m. w. N. - Informationsübermittlungsverfahren I). Das ändert freilich nichts daran, dass die Ermittlung dessen, was sich aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs des Streitpatents im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als unter Schutz gestellte technische Lehre ergibt, wobei sie sich auf die im Patentanspruch geschützte technische Lehre in ihrer Gesamtheit beziehen muss und sich nicht auf einen Teil, wie etwa die kennzeichnenden Merkmale eines zweiteiligen Patentanspruchs, beschränken darf (vgl. BGH, a. a. O. - Informationsübermittlungsverfahren I), und die entsprechende Auslegung des vom Einsprechenden genannten Standes der Technik nicht (mehr) die Feststellung der in § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG allein als formelle Voraussetzung für die Zulässigkeit des Einspruchs geforderten Tatsachen, sondern als (Rechts-) Auslegung ausschließlich die rechtliche Bewertung der Patentfähigkeit des Streitpatents betrifft, deren Angabe von § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG gerade nicht verlangt wird.
Ob solche Ausführungen, welche nicht (mehr) die zugrunde zu legenden Tatsachen, sondern (nur) die bloße Auslegung des Patentanspruchs des Streitpatents und des genannten Standes der Technik betreffen, in der Einspruchsschrift gemacht werden, ist, da § 59 Abs. 1 PatG hierzu keine Pflicht vorsieht, dem Einsprechenden damit freigestellt. Sieht er hiervon ab, läuft er zwar Gefahr, dass das Patentamt seiner Ansicht zur fehlenden Patentfähigkeit nicht folgt, weil es seine Argumentation nicht kennt und damit möglicherweise wesentliche Gedankengänge, die ihn aufgrund des der Beurteilung der Patentfähigkeit zugrundeliegenden Tatsachenmaterials zum Schluss brachten, dass das Streitpatent nicht patentfähig sei, nicht vollzieht. Das bloße Fehlen einer über die Angabe der Tatsachen hinausgehenden, allein die Beurteilung der Patentfähigkeit betreffenden Argumentation lässt aber die Zulässigkeit des Einspruchs nach § 59 Abs. 1 PatG unberührt.
cc)
Gegen die Notwendigkeit zu von Teilen der Rechtsprechung geforderten Ausführungen, die über die bloße Tatsachenangabe hinausgehen und sich auch argumentativ mit den einzelnen Merkmalen der angegriffenen Lehre beschäftigen, spricht auch folgende Überlegung: Wegen der grundsätzlichen Trennung von Zulässigkeit und Begründetheit des Einspruchs kann - was auch von den vorgenannten Teilen der Rechtsprechung nicht in Abrede gestellt wird - für die Beurteilung nicht verlangt werden, dass solche Argumente in der Sache zutreffen müssen. Damit bleibt es aber dem Einsprechenden, sofern von ihm verlangt wird, nicht nur Tatsachen anzugeben, sondern sich hierbei auch mit der angegriffenen Lehre im Einzelnen auseinander zu setzen und hierbei entweder ganz oder zumindest im wesentlichen auf deren Einzelmerkmale einzugehen, jederzeit möglich, gegen deren von ihm bezweifelte Neuheit oder erfinderische Tätigkeit auch Argumente vorzutragen, die ersichtlich nichts mit dem angegriffenen Gegenstand des Streitpatents oder dem von ihm benannten Stand der Technik zu tun haben. Er könnte also m.a.W. auch einfach mit erkennbar „aus der Luft gegriffenen“ und „ins Blaue hinein“ behaupteten angeblichen „Gegenargumenten“, die sich nicht oder kaum aus dem von ihm benannten und scheinbar argumentativ „abgehandelten“ Stand der Technik „herauslesen“ lassen, die Neuheit oder erfinderische Tätigkeit des Streitpatents bestreiten. Denkbar wäre es auch, in Form einer tabellarischen Tabelle irgendwelche Merkmale im Patentanspruch des Streitpatents, die, da eine zutreffende Merkmalsgliederung nicht Zulässigkeitsvoraussetzung sein kann, nicht zwingend den „Kern“ der Erfindung in der Sache zutreffend erfassen müssen, zu behaupten und diesen unter Angabe angeblicher Fundstellen im zitierten Stand der Technik (die ebenfalls nicht zutreffen müssen) gegenüberzustellen. Ein solcher, den von einem Teil der Rechtsprechung geforderten strengen formalen Anforderungen aber bereits genügender Vortrag würde trotzdem die Patentabteilung bzw. das Gericht dazu zwingen, sich selbstständig mit dem angegebenen Stand der Technik im Einzelnen auseinanderzusetzen, da erst dann erkennbar wird, dass es sich bei der Einspruchsbegründung in Wirklichkeit nur um eine „Scheinargumentation“ handelt. Ein solcher Einspruch wäre zwar ersichtlich unschlüssig und unbegründet, würde aber den von den vorgenannten Teilen der Rechtsprechung aufgestellten hohen Hürden für die Zulässigkeit eines Einspruchs trotzdem entsprechen, so dass er trotz seiner „Scheinbegründung“ nicht verworfen werden kann, sondern in der Sache zu prüfen wäre, obwohl er diese Sachprüfung ebenso wenig unterstützt wie ein nur den Stand der Technik benennender, sich aber jeglicher Argumentation enthaltener Einspruch. Dies verdeutlicht, dass die von den genannten Teilen der Rechtsprechung aufgestellte Forderung, dass der Einspruch nicht nur den möglichen Stand der Technik bezeichnen darf, sondern sich zumindest mit den „wesentlichen“ Merkmalen der angegriffenen Erfindung argumentativ auseinandersetzen müsse, letztlich auf eine bloße Förmlichkeit hinausläuft und wenig zur Abgrenzung eines unzulässigen Einspruchs einerseits von einem zwar zulässigen, aber mangels Schlüssigkeit unbegründeten Einspruch beitragen kann.
dd)
Ausgehend hiervon bedarf es, damit der Einspruch zulässig ist, in der Einspruchsschrift also lediglich der Angaben dieser tatsächlichen Grundlagen, die es dem Patentinhaber und dem Patentamt ermöglichen, die vorgenannte Schlussfolgerung aufgrund einer - nicht mehr zum Tatsachenvortrag gehörenden, sondern vom fachmännischen Verständnis des Patentamts abhängenden - Prüfung des Schutzumfangs des Streitpatents und des jeweiligen Gegenstandes des vom Einsprechenden genannten Standes der Technik zu ziehen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Durchführung einer solchen (fachmännischen) Prüfung vom Umfang der angegebenen Tatsachengrundlage grundsätzlich unabhängig ist; denn auch dann, wenn nur wenige Tatsachen genannt sind, lässt sich die vorgenannte Prüfung selbst auf der Grundlage weniger vorgebrachter Tatsachen jederzeit durchführen. Hierzu dürften gerade auch die Mitglieder der Patentabteilungen des Patentamts, bei denen es sich ja um ausgewiesene Fachleute handelt, ohne große Mühe in der Lage sein, ohne dass ihnen die einzelnen Prüfungsschritte in einer Einspruchschrift aufgezeigt werden müssten. Bei geringer Tatsachengrundlage wird die Prüfung freilich in aller Regel mit dem (zwangsläufigen) Ergebnis enden müssen, dass die genannten Tatsachen einen Widerruf des Streitpatents nicht rechtfertigen können; in den Fällen zu geringen Tatsachenvortrages ist der Einspruch mit anderen Worten damit zwar zulässig, aber in aller Regel mangels Schlüssigkeit unbegründet.
In solchen Fällen führt die Zulässigkeit des Einspruchs auch nicht dazu, dass das Patentamt im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 59 Abs. 4 i. V. m. § 46 PatG) gehalten wäre, die vom Einsprechende genannte schmale Tatsachengrundlage durch eigene Ermittlungen zu verbreitern. Denn in erster Linie hat das Patentamt im Einspruchsverfahren die Einspruchsgründe zu prüfen, die von den Beteiligten gemäß § 59 PatG ordnungsgemäß vorgebracht und begründet worden sind (vgl. BGH GRUR 1995, 333, 337 - Aluminium-Trihydroxid). Zwar schließt dies weder die Einbeziehung weiterer Widerrufsgründe aus noch ist das Patentamt an die zur Rechtfertigung des Einspruchs geltend gemachten Gründe und Tatsachen gebunden oder in seiner Prüfung, ob das Patent aufrechtzuerhalten ist, auf diese Gründe beschränkt. Zu einer solchen Erweiterung des Umfangs der Prüfung des Streitpatents auf seine Schutzfähigkeit ist das Patentamt aber von Amts wegen nur aufgrund pflichtgemäßen Ermessens berechtigt (vgl. BGH, a. a. O. - Aluminium-Trihydroxid). Ein solches ist aber nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Einsprechende zur Rechtfertigung seines Einspruchs nur wenige Tatsachen genannt hat; vielmehr kommt eine solche Erweiterung des Prüfungsumfangs aufgrund pflichtgemäßen Ermessens nur in Betracht, wenn erkennbar - d. h. ohne Durchführung gezielter eigener weiterer Ermittlungen des Patentamts, z. B. aufgrund des schon im Prüfungsverfahren herangezogenen Standes der Technik - weitere Umstände vorliegen, die eine solche Erweiterung offensichtlich nahelegen.
ee)
Den vorstehenden Ausführungen steht die von der Patentinhaberin genannte Entscheidung BGH GRUR 1988, 364 - Epoxidations-Verfahren nicht entgegen. Denn in dieser Entscheidung war der ausdrücklich nur auf „Abänderung des Hauptanspruchs“ gerichtete Einspruch zum einen schon deshalb als unzulässig erachtet worden, weil ein Widerrufsgrund nicht ausdrücklich benannt worden war, und zum anderen selbst dann, wenn man die Widerrufsgründe fehlender Offenbarung sowie mangelnder Patentfähigkeit unterstellen würde, irgendwelche Tatsachen, die einen Widerruf aus diesen Gründen rechtfertigen könnten, nicht einmal ansatzweise angegeben worden waren. Die Patentinhaberin kann sich für ihre Auffassung, § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG erfordere eine Auslegung des Patentanspruchs des Streitpatents nach einzelnen Merkmalen und konkrete Angaben dazu, inwiefern diese im von der Einsprechenden bezeichneten Standes der Technik verwirklicht oder nahegelegt sein sollen, auch nicht auf die Ausführungen in dieser Entscheidung berufen, dass eine Einspruchsbegründung, die sich nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung, nicht aber mit der gesamten patentierten Lehre befasse, ebenso formal unvollständig sei wie eine Einspruchsbegründung, die sich nicht an der patentierten Erfindung orientiere, sondern an einer nicht unter Schutz gestellten Erfindung (vgl. BGH, a. a. O., S. 366 - Epoxidations-Verfahren). Diese Ausführungen beziehen sich nämlich auf die Besonderheit des entschiedenen Falls, in dem der Einspruch ausdrücklich nur darauf beschränkt war, dass der Hauptanspruch „abzuändern“ sei, weil in einem Teilaspekt der Lehre des Streitpatents der (nicht näher bezeichnete) Stand der Technik nicht hinreichend berücksichtigt sei. Damit sollen die vorgenannten Ausführungen nur zum Ausdruck bringen, dass der ausdrücklich nur auf eine Teillehre eines Patentanspruchs beschränkte Einspruch gegen ein Streitpatent - der von dem mit dem Einspruch begehrten, nach § 21 Abs. 2 Satz 1 PatG möglichen Teilwiderruf abzugrenzen ist - nicht zulässig sei; keinesfalls sollten hiermit aber formale Anforderungen an die Angabe der Tatsachen nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG bei einem unbeschränkten, also das Streitpatent ausdrücklich insgesamt angreifenden Einspruch aufgestellt werden, denenzufolge sich dieser mit den einzelnen Merkmalen des angegriffenen Patentanspruchs argumentativ auseinandersetzen müsse. Dies wäre nämlich mit der oben genannten Differenzierung des Bundesgerichtshofs zwischen den der Beurteilung der Patentfähigkeit zugrunde zu legenden Tatsachen, auf welche sich § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG nach seinem ausdrücklichen Wortlaut allein bezieht, auf der einen Seite und der darüber hinaus gehenden Prüfung der Patentfähigkeit als bloßer Rechtsauslegung auf der anderen Seite logisch nicht zu vereinbaren.
ff)
Für eine solche Trennung zwischen der Angabe von Tatsachen auf der einen Seite und der zur Rechtsauslegung zählenden Beurteilung der Patentfähigkeit auf der anderen Seite, mithin zwischen der Zulässigkeit und der (zur Begründetheit gehörenden) Schlüssigkeit des Einspruchs auf der anderen Seite sprechen im Übrigen auch durchaus praktische Erwägungen. Das Gesetz sieht nämlich ausdrücklich vor, dass „jeder“ Einspruch einlegen kann, wobei er sich nicht anwaltlich vertreten lassen muss. Die Beurteilung der Frage, welchen Gegenstand das Streitpatent betrifft und ob dieser, zumindest bei bezweifelter Patentfähigkeit nach den §§ 1 bis 5 PatG, von einem gegebenen Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen ist oder jedenfalls nahegelegt war, erfordert aber nicht nur umfangreiches fachmännisches, sondern auch patentrechtliches Wissen und Können, das insbesondere bei klein- und mittelständischen Unternehmen, die von einem Streitpatent betroffen sein können und damit als mögliche Einsprechende in Betracht kommen, nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann. Würden aber die nach den obigen Ausführungen an sich zur Schlüssigkeit und damit nicht (mehr) zur Zulässigkeit zu zählenden Angaben als formale Hürde für einen Einspruch gefordert, wären diese Unternehmen, die im Allgemeinen anders als Großunternehmen nicht einmal über eine mit patentrechtlichen Fragen befasste Abteilung oder auch nur über einen hierin geschulten Mitarbeiter verfügen, in aller Regel nicht (mehr) ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe in der Lage, ihr (möglicherweise in der Sache berechtigtes) Anliegen formal wirksam im Einspruchsverfahren zu verfolgen. Damit würde aber das gesetzgeberische Ziel de facto unterlaufen, die Möglichkeit des Einspruchs auch solchen, über keine patentrechtlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügenden Einsprechenden in einem kostengünstigen (und damit auch unter Verzicht auf die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durchführbaren) Verfahren zu eröffnen, das wesentlich durch die Pflicht des Patentamtes zu Amtsermittlungen geprägt ist.
gg)
Die vorstehenden Grundsätze stehen auch nicht im Gegensatz zu den Interessen des Patentinhabers. Vielmehr dürfte dieser in aller Regel sogar eher an einer die Aufrechterhaltung seines Patents aussprechenden Sachentscheidung, die mit der Unschlüssigkeit des Einspruchs begründet wird, als an der Beurteilung desselben Vorbringens des Einsprechenden als unzulässig und damit der Verwerfung des Einspruchs interessiert sein, weil die Verletzungsgerichte im Fall einer geltend gemachten Verletzung eines Patents einstweiligen Rechtsschutz nur gewähren, wenn gewichtige Gründe gegen den Rechtsbestand des Streitpatents nicht gegeben sind (vgl. OLG Düsseldorf, Mitt 2011, 193 - Harnkatheterset; OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 97 - Rechtsbeständigkeit eines Patents). Hiervon kann aber nach der Rechtsprechung der Instanzgerichte in aller Regel ausgegangen werden, wenn das Streitpatent ein mit einer (beschränkten oder unbeschränkten) Aufrechterhaltung des Streitpatents nach einer Sachprüfung entschiedenes Einspruchsverfahren überstanden hat (wobei die Streitfrage, ob dies zwingende Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Verfügung sein muss [so OLG Düsseldorf, a. a. O. - Harnkatheterset] oder nicht [so OLG Braunschweig, a. a. O. - Rechtsbeständigkeit eines Patents], hier dahinstehen kann), während ein nur aus formellen Gründen (nämlich wegen Unzulässigkeit des Einspruchs) mit einer bloßen Verfahrensentscheidung ohne Sachprüfung beendetes Einspruchsverfahren in aller Regel hierfür nicht ausreichen dürfte.
hh)
In welchem Umfang somit nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG Tatsachen anzugeben sind, hängt dabei vom geltend gemachten Widerrufsgrund ab. Je weniger die Kenntnis einzelner Tatsachen beim Patentinhaber und beim Patentamt vorausgesetzt werden kann, um so höher sind die Anforderungen an die substantiierte Darlegung der Tatsachen. Da die Frage, welche Merkmale für den Patentanspruch des Streitpatents erfüllt sein müssen, und die Prüfung, ob diese Merkmale durch den druckschriftlichen Stand der Technik erfüllt sind, nicht die Feststellung von Tatsachen betreffen, sondern zur nicht unter § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG fallenden Prüfung des Streitpatents auf seine Patentfähigkeit gehören, mithin keine Frage der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern seiner Schlüssigkeit und somit Begründetheit sind, ist es dabei allerdings nicht erforderlich, dass die Einspruchsschrift zu jedem einzelnen Merkmal des Patentanspruchs des Streitpatents eventuelle Textstellen oder Zeichnungen in den benannten Entgegenhaltungen ausdrücklich angibt (ähnlich bereits BPatG GRUR 2004, 231, 232 - Leiterplattenbeschichtung); vielmehr kann die konkrete Angabe eines bei der Prüfung der Patentfähigkeit heranzuziehenden Standes der Technik, insbesondere die Benennung oder Vorlage von den Stand der Technik wiedergebenden Druckschriften, im Allgemeinen für sich bereits ausreichen (vgl. BGH, GRUR 2009, 1098, 1099 - Leistungshalbleiterbauelement). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Mitglieder des Patentamts im Rahmen der Amtsermittlungspflicht wegen der bei ihnen aufgrund ihrer gesetzlichen Stellung und Aufgaben vorauszusetzenden sachverständigen Kenntnisse (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz PatG) in der Lage sind, solche Schlussfolgerungen selbständig aus diesem vom Einsprechenden genannten druckschriftlichen Stand der Technik zu ziehen.
Ausgehend hiervon können die Anforderungen etwa beim behaupteten Widerrufsgrund der offenkundigen Vorbenutzung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 PatG), bei dem sowohl der vorbenutzte Gegenstand so eingehend beschrieben werden müssen, dass festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er den patentgemäßen Gegenstand vorwegnimmt oder nahelegt, als auch die Umstände und die Art und Weise seiner Benutzung in der Öffentlichkeit anzugeben sind (vgl. BGH GRUR 1997, 740 - Tabakdose), andere sein als diejenigen beim behaupteten Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit infolge eines druckschriftlichen Standes der Technik, bei dem die Vorlage oder bestimmte Bezeichnung der entgegengehaltenen Druckschrift bereits genügen kann (vgl. BGH, a. a. O. - Leistungshalbleiterbauelement). Ob dieser in neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betonte Unterschied zwischen Zulässigkeit des Einspruchs auf der einen Seite und seiner Schlüssigkeit bzw. Begründetheit auf der anderen Seite in älteren Entscheidungen, auch wenn diese im Grundsatz hiervon ausgehen, im Einzelfall immer stets logisch konsistent durchgehalten wurde (zweifelhaft etwa bei BGH BlPMZ 1988, 289 - Messdatenregistrierung), kann angesichts der Eindeutigkeit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die im Übrigen auf solche Entscheidungen nicht mehr Bezug nimmt, dahinstehen.
Das Erfordernis, die Tatsachen „im Einzelnen“ anzugeben, hängt damit entscheidend nicht nur vom geltend gemachten Widerrufsgrund, sondern vor allem von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. So kann es bei behaupteter fehlender Neuheit genügen, auf einen druckschriftlichen Stand der Technik hinzuweisen, da das Patentamt und der Patentinhaber bereits hieraus in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob der dort beschriebene Gegenstand demjenigen des Streitpatents entspricht; hierfür kann die bloße Vorlage oder Nennung der druckschriftlichen Entgegenhaltungen ausreichen (vgl. BGH, a. a. O. - Leistungshalbleiterbauelement). Soll der druckschriftliche Stand der Technik hingegen nur als Beleg einzelner Merkmale des angegriffenen Patentanspruchs dienen, kann es demgegenüber unter Umständen im Einzelfall erforderlich sein, die konkrete Belegstelle zu zitieren, soweit das für die Beurteilung der Patentfähigkeit entscheidende einzelne Merkmal für einen Fachmann nicht bereits aufgrund einfacher Lektüre der entgegengehaltenen Druckschrift erkennbar ist. Im letzteren Fall kann allerdings wohl in der Regel davon ausgegangen werden, dass es im Rahmen des fachmännischen Könnens und Wissens der Mitglieder des Patentamts liegt, bereits aufgrund einer eigenen Lektüre der genannten Entgegenhaltung zu erkennen, welche ausschlaggebenden Merkmale - zumal wenn sich diese erst aus einer Auslegung des jeweiligen Gegenstandes der einzelnen Entgegenhaltung ergeben, die nach den vorstehenden Ausführungen ohnehin nicht zur gesetzlichen Obliegenheit des Einsprechenden gehört - des Patentanspruchs des Streitpatents den bezeichneten Entgegenhaltungen entnommen werden können. Schließlich bedarf es, soweit die erfinderische Tätigkeit beim Streitpatent in Abrede gestellt wird, näherer tatsächlicher Angaben zum Wissen und Können des Fachmanns, soweit es für die Beurteilung der Erfindungshöhe auf Kenntnisse ankommt, die über den bereits im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik hinausgehen; ohne solche Angaben wird das Patentamt die Frage der Erfindungshöhe allein anhand dieser Druckschriften beurteilen können, was zwar, sofern sie vom Einsprechenden genannt wurden oder bereits Gegenstand des Prüfungsverfahrens waren, dem Einspruch nicht die Zulässigkeit nimmt, aber häufig zur Unschlüssigkeit des auf eine fehlende Erfindungshöhe gestützten Einspruchs führt, weil sich aus ihnen erfahrungsgemäß im Allgemeinen nicht zwingend herleiten lässt, welche Veranlassung der Fachmann für die Heranziehung dieses Standes der Technik haben sollte, um zu der im Streitpatent dargelegten Erfindung zu gelangen.
ii)
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze erachtet der Senat die Angaben, welche die Einsprechende in der Einspruchsschrift gemacht hat, in formeller Hinsicht für ausreichend, so dass der Einspruch als zulässig anzusehen ist. Denn bereits durch die Vorlage der beiden Druckschriften D1 und D2 hat die Rechtsvorgängerin der Einsprechenden ausreichende Tatsachen angegeben, auf deren Grundlage ein Fachmann die Frage, ob hierdurch die im Streitpatent beschriebene und beanspruchte Erfindung bereits vorweggenommen wurde oder nahegelegt ist, ohne eigene weitere Ermittlungen, d. h. aufgrund einer bloßen Lektüre dieser Druckschriften, ohne Weiteres beurteilen kann. Dass dies der Fall ist, wird bereits dadurch belegt, dass die Patentinhaberin zu keinem Zeitpunkt zu verstehen gegeben hat, zu einer solchen Beurteilung der Patentfähigkeit ihrer Erfindung anhand der genannten beiden Druckschriften nicht in der Lage zu sein, sondern sich in mehreren Schriftsätzen ausführlich und intensiv mit dem in diesen dargestellten Stand der Technik auseinander gesetzt und dargelegt hat, warum aus ihrer Sicht dieser der Patentfähigkeit ihrer Erfindung nicht entgegensteht.
Ungeachtet des Umstandes, dass bereits die Vorlage der beiden Druckschriften im vorliegenden Fall für eine Zulässigkeit des Einspruchs ausreicht, hat sich die Rechtsvorgängerin der Einsprechenden aber auch in ihrer Einspruchsschrift hinreichend mit diesen Druckschriften argumentativ auseinander gesetzt. Ob ihre Argumente dabei ausreichen, die von ihr bestrittene Patentfähigkeit des Streitpatents ernsthaft in Abrede zu stellen, ist dann aber keine Frage der Zulässigkeit des Einspruchs mehr, sondern betrifft allein seine Schlüssigkeit und Begründetheit.
2.
Der Senat hat davon abgesehen, die Frage, ob das Streitpatent wegen des von der Einsprechenden genannten druckschriftlichen Standes der Technik nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist, selbst zu beurteilen und zu entscheiden, ob das Streitpatent aus diesem Grund aufrechterhalten werden kann oder zu widerrufen ist. Denn mit den Argumenten der Einsprechenden hat sich das Patentamt - aus seiner Sicht allerdings folgerichtig - bislang nicht weiter auseinander gesetzt. Darüber hinaus ist der Senat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht befugt, der dem Patentamt vorbehaltenen Frage, ob nach pflichtgemäßem Ermessen auch andere Widerrufsgründe erkennbar vorliegen können, nachzugehen (vgl. BGH, a. a. O. - Aluminium-Trihydroxid). Aus diesem Grund war der die Zulässigkeit des Einspruchs verneinende Beschluss des Patentamts nur aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG zur erneuten Entscheidung über den Einspruch an das Patentamt zurückzuverweisen. Dieses hat daher nunmehr zu beurteilen, ob das Streitpatent aufgrund des von der Einsprechenden genannten druckschriftlichen Standes der Technik, auf den es seine Prüfung zunächst zu beschränken hat, bestandsfähig sein kann oder ob der Einspruch auf der Grundlage dieser Tatsachen mangels Schlüssigkeit unbegründet ist, so dass das Streitpatent aus diesem Grund aufrechtzuerhalten ist. Im Rahmen dieser Prüfung ist es dabei seinem pflichtgemässen Ermessen überlassen zu beurteilen, ob es auf der Grundlage der bislang im Verfahren befindlichen Tatsachen Veranlassung hat, hierbei auch andere als die geltend gemachten Widerrufsgründe zu prüfen oder einen weiteren Stand der Technik bei seiner Prüfung der Patentfähigkeit des Streitpatents heranzuziehen.
B.
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
C.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen. Zwar ist die Frage, welche Anforderungen an die Zulässigkeit des Einspruchs zu stellen sind, nach Ansicht des Senats durch die zitierte neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits geklärt. Im Hinblick darauf, dass ein Teil der technischen Senate aber nach wie vor strengere Anforderungen an die Begründung des Einspruchs stellen (vgl. etwa BPatG [23. Senat] Mitt 2009, 285; BPatG [20. Senat], Beschluss vom 18. April 2011, 20 W (pat) 390/05, abrufbar unter www.juris.de - Messeinrichtung und Verfahren zur berührungslosen Positionsermittlung) und hierbei insbesondere Ausführungen verlangen, die nach Ansicht des Senats nicht den Tat-sachenvortrag, sondern die Begründetheit des Einspruchs betreffen, erachtet der Senat aber zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ablehnung des auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gerichteten Hilfsantrags der Patentinhaberin für nicht zwingend.