Entscheidungsdatum: 11.05.2010
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes für den Ausbau der ICE-Strecke Nürnberg-Ebensfeld im Abschnitt Erlangen (Bau-km G 16,840/km 16,525 bis km 32,402). Die Ausbau- /Neubaustrecke Nürnberg-Ebensfeld-Erfurt ist Bestandteil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit - Schiene Nr. 8 - Ausbau- /Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt-Leipzig/Halle-Berlin. Sie umfasst den Ausbau der bestehenden Strecke Nürnberg-Ebensfeld um zwei zusätzliche Gleise und den Neubau einer zweigleisigen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt einschließlich zweier Verbindungskurven bei Niederfüllbach und Dörfles-Esbach zur Anbindung von Coburg.
Die Antragstellerin ist ein mittelständisches Handels- und Herstellungsunternehmen mit Firmensitz im Zentrum der Stadt E. Sie ist vor allem im Bereich der Immobilienverwaltung und Projektentwicklung sowie als Investor tätig, u.a. organisiert, finanziert und baut sie gewerbliche Objekte oder entwickelt neue Standorte. An ihrem Firmensitz in der R.straße in E. befinden sich die Logistik einschließlich Lagerkapazitäten, ein Handel mit Treibstoffen, eine Auto-Waschanlage und eine Tankstelle.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Flurstücke ..., ..., ..., ... und ..., Gemarkung E., in unmittelbarer Nähe ihres Firmensitzes. Teilflächen dieses westlich an die Bahnstrecke Nürnberg-Bamberg angrenzenden Areals in einem Umfang von 10 771 qm sollen nach dem streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss über einen Zeitraum von fünf Jahren als Baustelleneinrichtungsflächen, Baustellenerschließungsstraße, Arbeitsraum und Flächen für vorübergehende Materiallagerung in Anspruch genommen werden. Die beanspruchten Flächen sollen vor allem für die Zwischenlagerung und Beprobung von Aushubmaterial genutzt werden.
Nach Auffassung der Antragstellerin stellt dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihren Geschäftsbetrieb dar. Auf den festgesetzten Flächen befänden sich zentrale "Schaltstellen" ihres Geschäftsbetriebes, so z.B. die Zufahrt zu einem Teil ihres Betriebsgeländes und Abstellflächen für vier LKW (Logistik). Zudem werde die Erschließung der südlich gelegenen Teilflächen ihres Betriebsgeländes und des Stückgutlagers blockiert. Auch die durch den rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 315 R.-Süd zugelassene weitere bauliche Entwicklung der derzeit noch unbebauten Teilflächen zu einem Einzelhandels- und Gewerbestandort im Zentrum von E. werde über Jahre hinweg lahmgelegt. Sie könne der Beigeladenen andere Teile ihres Firmengeländes zur Verfügung stellen, die gleichermaßen geeignet seien, aber in geringerem Umfang in ihre Rechte eingriffen. Die insoweit erforderliche Alternativenprüfung habe nicht stattgefunden bzw. sei ermessensfehlerhaft erfolgt.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache. Die auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage wird nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand des Senats verstößt der Planfeststellungsbeschluss nicht gegen Rechtsvorschriften, deren Verletzung die Antragstellerin mit der Folge einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens geltend machen könnte. Insbesondere lassen die allein auf die Fehlerhaftigkeit der planerischen Abwägung zielenden Einwendungen der Antragstellerin nicht erkennen, dass der Planfeststellungsbehörde ein erheblicher Abwägungsmangel zu Lasten der Antragstellerin unterlaufen sein könnte (§ 18e Abs. 6 AEG). Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der im Gesetz (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG, § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG) vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses abzusehen.
Die sinngemäß erhobene Rüge der Antragstellerin, die Planfeststellungsbehörde habe zu ihren Ungunsten das Abwägungsgebot in entscheidungserheblicher Weise verletzt, greift unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin form- und fristgerecht erhobenen Einwendungen nicht durch.
1. Mit ihrem Vorbringen, die über einen Zeitraum von fünf Jahren für Baustelleneinrichtungen in Anspruch genommenen Flächen seien für ihren Betrieb existenziell, weil sich dort zentrale "Schaltstellen" wie etwa die LKW-Abstellflächen befänden und die Zufahrt zum Stückgutlager sowie zum restlichen Betriebsgelände blockiert werde, ist die Antragstellerin präkludiert.
Gemäß § 18a Nr. 7 Satz 1 AEG sind Einwendungen gegen den Plan, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen. Hierauf ist in der Bekanntmachung der 2. Planänderung entsprechend § 18a Nr. 7 Satz 2 und 3 AEG ordnungsgemäß hingewiesen worden. Der Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das der Planfeststellung nachfolgende gerichtliche Verfahren (Urteil vom 16. August 1995 - BVerwG 11 A 2.95 - Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1 S. 2).
Die Antragstellerin hat innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, die am 8. Mai 2008 ablief, nicht geltend gemacht, dass die in Anspruch genommenen Teilflächen ihrer Grundstücke für ihren Geschäftsbetrieb am Standort R.straße existentiell sind. Weder in dem Einwendungsschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. Mai 2008 noch in dem darin in Bezug genommenen Schreiben vom 31. Oktober 2006 aus dem 1. Planänderungsverfahren findet sich ein entsprechendes Vorbringen oder auch nur ein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin die betroffenen Flächen betrieblich nutzt und ihr durch die Inanspruchnahme der Flächen der Zugang zu Betriebseinrichtungen abgeschnitten wird.
Davon abgesehen mangelt es dem Vorbringen der Antragstellerin zur existentiellen Bedeutung der Flächen für ihren Geschäftsbetrieb überdies an der erforderlichen Substanz. Die Antragstellerin hat schon nicht substantiiert dargelegt, welche Betriebsflächen als Parkplatz für die vier LKW dienen, wo sich das Stückgutlager befindet und inwieweit der Zugang zu diesen Einrichtungen durch die Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses blockiert wird. Zudem fehlt es an Ausführungen dazu, warum sie zur Fortführung ihres Betriebes auf die streitgegenständlichen Flächen zwingend angewiesen ist. Nach der von der Antragstellerin nicht bestrittenen Darstellung der Beigeladenen erfolgt die Zufahrt zum Betriebsgelände der Antragstellerin nicht über die streitgegenständliche Flächen, sondern über die R.straße. Im Übrigen bleibt der Zugang zu der nicht in Anspruch genommenen Restfläche der Antragstellerin über die inzwischen als Eigentümerweg öffentlich gewidmete S.straße erhalten.
2. Nicht präkludiert ist die Antragstellerin entgegen der Auffassung der Beigeladenen mit ihrem Einwand, die weitere Entwicklung und bauliche Nutzung der betroffenen Grundstücksflächen werde durch den Planfeststellungsbeschluss - unzumutbar - behindert. Diesen Einwand hat die Antragstellerin im 2. Planänderungsverfahren mit Schreiben vom 6. Mai 2008 ausdrücklich erhoben und ergänzend auf ihr Einwendungsschreiben im 1. Planänderungsverfahren vom 31. Oktober 2006 verwiesen.
Das Schreiben vom 6. Mai 2008 genügt den Anforderungen, die an die hinreichende Substantiierung von Einwendungen zu stellen sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Einwendung "sachliches Gegenvorbringen" enthält und erkennen lässt, in welcher Weise bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen (Beschluss vom 12. Februar 1996 - BVerwG 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 109 = NVwZ 1997, 171, 172). Aus dem Einwendungsschreiben der Antragstellerin vom 6. Mai 2008 und dem darin in Bezug genommenen Schreiben aus dem 1. Planänderungsverfahren vom 31. Oktober 2006 geht eindeutig hervor, dass sie sich gegen die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke als Baustelleneinrichtungsfläche wendet und aus ihrer Sicht alle Lösungen vorzuziehen sind, bei denen die Grundstücke nicht oder weniger beeinträchtigt werden. In einem solchen Fall ist es Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, mögliche Alternativen zu prüfen (Beschluss vom 16. Oktober 2001 - BVerwG 4 VR 20.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 165 = DVBl 2002, 275). Diesen Anforderungen ist die Beklagte im Planänderungsverfahren hinreichend gerecht geworden.
Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, ihre Grundstücke uneingeschränkt nutzen und verwerten zu können, und dem Interesse der Beigeladenen an der Bereitstellung von Baustelleneinrichtungsflächen, die in unmittelbarer Nähe zur Baustelle entlang der Gleise liegen und gut an das öffentliche Straßennetz angebunden sind, ist die Planfeststellungsbehörde zu dem Ergebnis gelangt, dass ein vollständiger Verzicht auf die Flächen nicht in Betracht kommt, weil sie für die Durchführung des Vorhabens notwendig seien und Alternativen mit besserer Eignung in direkter Nachbarschaft zum Baufeld nicht zur Verfügung stünden. Dass diese Würdigung fehlerhaft ist und gleich gut geeignete Alternativflächen anderer Eigentümer zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme für die jeweiligen Eigentümer/Nutzer weniger belastend wäre, behauptet selbst die Antragstellerin nicht. Sie wendet sich inzwischen nicht mehr dagegen, dass ihre Grundstücke überhaupt in Anspruch genommen werden, sondern beanstandet lediglich die Auswahl der konkreten Fläche durch die Planfeststellungsbehörde (vgl. S. 6 der Antragsbegründung).
Auch die Auswahl der im Planfeststellungsbeschluss als Baustelleneinrichtungsfläche festgesetzten Teilfläche auf den Grundstücken der Antragstellerin ist aber nach Aktenlage nicht abwägungsfehlerhaft erfolgt. Wie sich aus dem Akteninhalt und dem unstreitigen Verfahrensablauf ergibt, war die Beigeladene von Anfang an bemüht, dem Interesse der Antragstellerin an einer baulichen Ausnutzung bzw. wirtschaftlichen Verwertung ihrer Grundstücke soweit wie möglich Rechnung zu tragen. So ist zwischen der 1. und der 2. Planänderung der Umfang der Flächeninanspruchnahme durch einen veränderten Bauablauf und die dadurch möglich gewordene Verlegung eines Teils der Baustelleneinrichtung auf eine andere Fläche von zunächst 3 ha auf 2 ha reduziert worden. Überdies ist die Beigeladene den jeweiligen Vorschlägen bzw. Wünschen der Antragstellerin, bestimmte Flächen von der Inanspruchnahme auszunehmen bzw. bestimmte Flächen für die Inanspruchnahme vorzusehen, gefolgt (vgl. dazu das als Anlage 3 zur Antragserwiderung der Antragsgegnerin eingereichte Schreiben der Antragstellerin vom 23. Oktober 2007 nebst Antwortschreiben der Beigeladenen vom 26. Oktober 2007 sowie das als Anlage 1 zur Antragserwiderung der Beigeladenen vorgelegte Schreiben der Beigeladenen vom 22. Juni 2006). Von der 2. Planänderung bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ist der Flächenumfang nochmals um die Hälfte auf nunmehr 1 ha reduziert worden, weil aufgrund einer weiteren Änderung im Bauablauf der Streckenabschnitt von der P.Straße bis E.-Bahnhof nicht wie ursprünglich geplant in einem Zug, sondern in zwei Bauabschnitten gebaut wird. Der Frage, warum eine als Ergebnis des Erörterungstermins am 8. Oktober 2008 angestrebte bilaterale Einigung zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen darüber, auf welchem Grundstücksteil die zuletzt ins Auge gefasste reduzierte Fläche liegen sollte, nicht erzielt worden ist, muss vorliegend nicht weiter nachgegangen werden. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass die Planfeststellungsbehörde einen von ihr im Nachgang zum Erörterungstermin unterbreiteten Vorschlag verworfen und im Ergebnis eine Fläche festgesetzt hat, die sie gerade freigehalten wissen wollte. Zudem bewegt sich die im Planfeststellungsbeschluss festgesetzte Fläche im Rahmen eines von der Antragstellerin mit dem Einwendungsschreiben vom 31. Oktober 2006 eingereichten Alternativvorschlags, der ursprünglich sogar eine deutlich größere Fläche umfasste. Vor diesem Hintergrund kann davon, dass das Interesse der Antragstellerin an einer baulichen Entwicklung bzw. wirtschaftlichen Verwertung ihrer Grundstücke bei der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, keine Rede sein. Die Antragstellerin hat nicht einmal in der Begründung ihres Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage konkrete Flächen benannt, die als Baustelleneinrichtungsflächen gleichermaßen geeignet wären und deren Inanspruchnahme für sie weniger belastend wäre.
Nach alledem überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit und der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses und zeitnahen Aufnahme der Bauarbeiten das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, das im Wesentlichen darin besteht, ihre Flächen alsbald baulich nutzen bzw. wirtschaftlich verwerten zu können. Dies gilt umso mehr, als die Flächeninanspruchnahme nur vorübergehend ist und der Antragstellerin keine irreversiblen Nachteile drohen. Den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin wird zudem durch die Entschädigungsregelung in § 19 Abs. 2 AEG Rechnung getragen.