Entscheidungsdatum: 21.11.2013
Bei ihrer Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung steht der Genehmigungsbehörde für die Prüfung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, hinsichtlich der Bestandserfassung und Risikobewertung eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, soweit sich zu ökologischen Fragestellungen noch kein allgemein anerkannter Stand der Fachwissenschaft herausgebildet hat.
Die Klägerin beantragte im Jahre 2005 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windfarm bestehend aus 17 Windenergieanlagen auf zum Teil bereits erworbenen Außenbereichsflächen im Gemeindegebiet der Beigeladenen zu 1 (sog. "W."). Nach Ankündigung des Beklagten, den Antrag abzulehnen, ersuchte sie diesen, zunächst 10 der geplanten Anlagen zu genehmigen, die einen Abstand von mehr als 1 000 m zu einem kartierten Schwarzmilanhorst einhalten.
Der Beklagte lehnte den Antrag unter Berufung auf die vorrangigen Belange des Artenschutzes insgesamt ab. Das Vorhaben sei mit dem Schutz des Rot- und des Schwarzmilans sowie von Fledermäusen nicht vereinbar. Im Nahbereich der beantragten Windfarm seien Brutplätze des Rotmilans nachgewiesen worden. Nur ca. 500 m von der östlichsten Anlage entfernt befinde sich ein zuletzt von einem Schwarzmilanpaar genutzter Horst. Der in diesem Betrachtungsraum gegebene regelmäßige Besatz mit Rot- und Schwarzmilanpaaren liege über dem Landesdurchschnitt. Das Vorhabensgebiet sei das einzig verbliebene, großflächig ungestörte Nahrungshabitat für Greifvögel in diesem Raum.
Das Verwaltungsgericht verpflichtete auf die hiergegen erhobene Klage den Beklagten zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die 17 beantragten Windenergieanlagen. Belange des Vogelschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Die Gefahr der Kollision mit Windenergieanlagen sei für Rotmilane verhältnismäßig gering. Im Hinblick auf die Dichte von zwei bis drei Rotmilanbrutpaaren am Vorhabensstandort beeinträchtige der Verlust einzelner erwachsener Rotmilane nicht den Bestand der lokalen oder regionalen Population. Die Populationsreserve nicht brütender Milane sei erheblich.
Nach Einlegung der Berufung durch den Beklagten trat im Dezember 2010 der Regionale Entwicklungsplan für die Planungsregion Halle der Beigeladenen zu 2 in Kraft (REP Halle); das Vorhaben der Klägerin liegt außerhalb der darin festgesetzten Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen. Die Klägerin beantragte daraufhin hilfsweise die Feststellung, dass der angegriffene Versagungsbescheid vor Inkrafttreten des REP Halle rechtswidrig gewesen sei.
Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Beklagten stattgegeben und die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Das Vorhaben der Klägerin widerspreche Zielen der Raumordnung und sei daher bauplanungsrechtlich unzulässig; es liege außerhalb der im Regionalplan für die Windenergienutzung festgesetzten Vorrang- und Eignungsgebiete. Dieser lasse weder formelle noch materielle Mängel erkennen. Das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren sei unbegründet. Dem Vorhaben der Klägerin habe vor Inkrafttreten des Regionalplans bereits der öffentliche Belang des Naturschutzes im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegengestanden. Der Tatbestand des Tötungs- und Verletzungsverbotes gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sei erfüllt, wenn sich das Risiko eines Vogelschlages durch das Vorhaben signifikant erhöhe. Da zur fachgerechten Beurteilung dieser Frage ornithologische Kriterien maßgeblich seien, die zu treffende Entscheidung prognostische Elemente enthalte und überdies naturschutzfachlich allgemein anerkannte standardisierte Maßstäbe und rechenhaft handhabbare Verfahren fehlten, müsse der zuständigen Behörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden. Die insoweit zum Planfeststellungsrecht entwickelten Grundsätze müssten auch für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren gelten, wobei eine solche Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte voraussetze, dass vonseiten der Behörde eine den wissenschaftlichen Maßstäben und den vorhandenen Erkenntnissen entsprechende Sachverhaltsermittlung vorgenommen worden sei.
Hiervon ausgehend sei die behördliche Annahme eines Verstoßes gegen das Tötungsverbot nicht zu beanstanden. Es lägen hinreichende Erkenntnisse dafür vor, dass Rotmilane mit Brutstätten in einer Entfernung bis zu 1 750 m zur nächstgelegenen geplanten Windenergieanlage das Gebiet des Windparks durchqueren müssten, um ein für sie attraktives Nahrungshabitat zu erreichen. Dies führe zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko. Die naturschutzfachliche Vertretbarkeit dieser Einschätzung des Beklagten werde nicht durch die von der Klägerin beigebrachte gutachtliche Prognose infrage gestellt. Insbesondere scheide ein Verstoß gegen das Tötungsverbot nicht deswegen aus, weil der Verlust an Einzelexemplaren durch eine Populationsreserve möglicherweise wieder ausgeglichen werden könne. Im Übrigen sei die Annahme, dass Einzelverluste von Rotmilanen populationsrelevant seien, fachlich vertretbar. Ausnahmen und Befreiungen vom Tötungsverbot kämen nicht infrage.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision ausschließlich gegen die Abweisung ihres Feststellungsbegehrens im Berufungsurteil. Zur Begründung trägt sie vor:
Eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative sei mit einer gebundenen Entscheidung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB und dem in § 86 Abs. 1 VwGO enthaltenen Amtsermittlungsgrundsatz nicht vereinbar. Insbesondere habe der Gesetzgeber der Behörde weder in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG noch in § 35 Abs. 3 BauGB eine Letztentscheidungskompetenz zugewiesen. Ob einem nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Außenbereichsvorhaben öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB entgegenstünden, unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative in Planfeststellungsverfahren könne auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, in dem der Behörde kein Planungsermessen zustehe, nicht übertragen werden. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG räume als reine Verbotsnorm den Behörden ebenfalls keine Einschätzungsprärogative ein. Aufgrund von Sachverhaltsermittlungen lasse sich ohne Weiteres abschätzen, ob das von der zu genehmigenden Windenergieanlage ausgehende Tötungsrisiko unterhalb oder oberhalb eines akzeptablen Risikowertes liege. Einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen und praktikable Maßstäbe lägen bereits vor. Eine Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte verstoße außerdem gegen die Rechtsschutzgarantie, das Rechtsstaatsprinzip und den Gewaltenteilungsgrundsatz und führe zudem zu einer Instrumentalisierung des Artenschutzes, um missliebige Vorhaben zu verhindern. Die Annahme einer Entscheidungsprärogative des Beklagten sei darüber hinaus wegen eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verfahrensfehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsurteil zu ändern und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid vom 7. Dezember 2006 rechtswidrig war, soweit damit die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die beantragten 17 Windkraftanlagen versagt wurde,
hilfsweise,
das Berufungsurteil zu ändern und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid vom 7. Dezember 2006 rechtswidrig war, soweit damit die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die beantragten 10 Windkraftanlagen versagt wurde,
äußerst hilfsweise,
das Berufungsurteil aufzuheben, soweit darin über diese beiden Feststellungsanträge entschieden worden ist, und die Rechtssache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht habe die Untersuchungsmaxime nicht verletzt. Die gerichtliche Verpflichtung, einen Ablehnungsbescheid in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu prüfen, erfahre Ausnahmen für Fälle exekutiver Beurteilungsspielräume. Der Anerkennung einer Einschätzungsprärogative liege die Erwägung zu Grunde, dass es nach dem derzeitigen Stand der Fachwissenschaft weithin an allgemein anerkannten Ermittlungsmethoden und Bewertungsmaßstäben fehle. In diesen Fällen werde der entscheidenden Behörde das Vorrecht eingeräumt, sich im wissenschaftlichen Meinungs- und Methodenstreit für eine unter mehreren vertretbaren Auffassungen zu entscheiden. Eine Einschätzungsprärogative ergebe sich nicht nur aus dem Bundesnaturschutzgesetz, sondern auch aus den einschlägigen unionsrechtlichen Richtlinien.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 2 tritt mit ihren Einlassungen dem Antrag des Beklagten bei. Die Ableitung und Anerkennung der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative resultiere allein aus den jeweiligen fachlichen und prognostischen Elementen der erforderlichen naturschutzrechtlichen Beurteilung. Dies gelte auch für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Fragen des Planungsermessens spielten hierfür ersichtlich keine Rolle.
Die zulässige Revision bleibt mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen ohne Erfolg. Die vom Berufungsgericht bestätigte Ablehnung einer Genehmigung des Vorhabens der Klägerin sowohl in dem primär vorgesehenen als auch in dem hilfsweise reduzierten Umfang stand bereits vor Inkrafttreten des Regionalen Entwicklungsplans mit Bundesrecht in Einklang. Das Vorhaben war gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht genehmigungsfähig, weil ihm das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsgebot gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und damit zugleich Belange des Naturschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstanden.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Genehmigungsbehörde für die Prüfung dieses Verbotstatbestandes eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt werden muss, weil die behördliche Beurteilung sich auf außerrechtliche Fragestellungen richtet, für die weithin allgemein anerkannte fachwissenschaftliche Maßstäbe und standardisierte Erfassungsmethoden fehlen. Wenn und solange die ökologische Wissenschaft sich insoweit nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist, fehlt es den Gerichten an der auf besserer Erkenntnis beruhenden Befugnis, eine naturschutzfachliche Einschätzung der sachverständig beratenen Zulassungsbehörde als "falsch" und "nicht rechtens" zu beanstanden. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Planfeststellungsrecht (grundlegend Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 = Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6 Rn. 64 ff.) und ist durch Urteil vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 C 1.12 - (NVwZ 2013, 1411 Rn. 14 ff.) auch für die Entscheidung über die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung anerkannt worden. Das Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren gibt keinen Anlass, von der letztgenannten Entscheidung, die zu einem gleichgelagerten Sachverhalt ergangen ist, abzuweichen (1). Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass das Berufungsgericht bei der Überprüfung der behördlichen Ablehnungsentscheidung die Voraussetzungen oder Grenzen der dem Beklagten eingeräumten Beurteilungsermächtigung außer Acht gelassen hätte (2). Die mit der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (3).
1. a) Zu Unrecht wendet die Revision gegen die Anerkennung eines behördlichen Beurteilungsspielraums bei der Prüfung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsentscheidung ein, dass es dafür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Zwar gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass die Gerichte die Verwaltungstätigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich vollständig prüfen. Doch kann der Gesetzgeber der Verwaltung für bestimmte Fälle einen Beurteilungsspielraum einräumen und damit anordnen, dass sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen dieses Spielraums zu beschränken habe (Urteil vom 16. Mai 2007 - BVerwG 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27 = Buchholz 418.72 WeinG Nr. 30 Rn. 26 m.w.N). Ob das Gesetz eine solche Beurteilungsermächtigung enthält, ist gegebenenfalls durch Auslegung der jeweiligen Gesetzesbestimmung zu ermitteln. Demgegenüber kann es weder der Verwaltung noch den Gerichten überlassen werden, ohne gesetzliche Grundlage durch die Annahme behördlicher Letztentscheidungsrechte die Grenzen zwischen Gesetzesbindung und grundsätzlich umfassender Rechtskontrolle der Verwaltung zu verschieben. Die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf zudem stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Grundes (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <22>).
Den gesetzlichen Regelungen, die die Beachtung der artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG als Voraussetzung für den Erlass fachplanungsrechtlicher Planfeststellungsbeschlüsse und immissionsschutzrechtlicher Anlagengenehmigungen normieren, ist im Wege der Auslegung eine Einschätzungsprärogative der Zulassungsbehörden zu entnehmen. Ursprünglich waren derartige Zulassungsakte von der Geltung der artenschutzrechtlichen Verbote weitgehend ausgenommen; nach § 43 Abs. 4 BNatSchG 2002 galten die Verbote des § 42 Abs. 1 und 2 BNatSchG 2002 für den Fall, dass die dem Verbotstatbestand unterfallenden Handlungen bei der Ausführung eines nach § 19 BNatSchG 2002 zugelassenen Eingriffs vorgenommen wurden, nur insoweit, als die Schutzgüter der Verbotstatbestände absichtlich beeinträchtigt wurden. Unter dem Eindruck des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Januar 2006 - Rs. C-98/03 - (Slg. 2006, I-53) hob der Gesetzgeber diese Ausnahmeregelung im Zuge der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes durch das Änderungsgesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873) auf mit der Folge, dass nunmehr die Zulassungsbehörden die Beachtung der Verbote bei der Verwirklichung zulassungsbedürftiger Vorhaben uneingeschränkt gewährleisten müssen. Der Gesetzgeber hat dabei für die Prüfung, welche Anforderungen an die Art und den Umfang der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme sowie die Erfassung und Bewertung der vorhabenbedingten Einwirkungen zu stellen sind, keine weiteren gesetzlichen Vorgaben festgelegt und erst recht kein den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 der Habitat-Richtlinie bzw. des § 34 Abs. 1 BNatSchG vergleichbares formalisiertes Verfahren einer artenschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung vorgesehen. An einer untergesetzlichen Maßstabsbildung, wie sie in anderen Bereichen des Umweltrechts mittels Durchführungsverordnungen oder normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften erfolgt ist, fehlt es ebenfalls. Damit verweist das Gesetz die Behörden gezielt auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis als Orientierungshilfe. Vor dem Hintergrund, dass ökologische Fragestellungen noch in weitem Umfang keine eindeutigen, in den einschlägigen Fachkreisen allgemein anerkannten Antworten gefunden haben, kann dies nur als Ermächtigung verstanden werden, die artenschutzrechtliche Prüfung in Würdigung des jeweiligen naturschutzfachlichen Meinungsstandes eigenverantwortlich vorzunehmen. Damit hat der Gesetzgeber den Zulassungsbehörden, soweit anerkannte naturschutzfachliche Maßstäbe fehlen, eine sachlich gerechtfertigte Einschätzungsprärogative eingeräumt, der - mangels vollständig determinierender Handlungs- und Kontrollmaßstäbe - eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle korrespondiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 a.a.O. S. 22 und Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2011 - 1 BvR 1932/08 - NVwZ 2012, 694 Rn. 23).
Dieser Auslegung kann nicht entgegengehalten werden, bei straf- oder bußgeldbewehrten Verboten sei kein Raum für eine behördliche Einschätzungsprärogative, weil eine solche dem besonderen Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG zuwiderlaufe. Die Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG sind zwar gemäß § 69 Abs. 2 BNatSchG bußgeld- und nach Maßgabe von § 71 BNatSchG strafbewehrt. Der vorgenannte Einwand verkennt aber den eingeschränkten Anwendungsbereich der Einschätzungsprärogative. Sie bezieht sich nicht auf die Funktion des § 44 Abs. 1 BNatSchG als Sanktionsnorm für Handlungen, die einen der Verbotstatbestände dieser Norm erfüllen, sondern auf dessen Funktion als Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsvoraussetzung. Die Zulassungsbehörde hat bei der Prüfung der Verbotstatbestände eine vorausschauende Risikoermittlung und -bewertung zu leisten. Dabei werden ihr - wie ausgeführt - Einschätzungen und Beurteilungen auch zu Fragen abverlangt, die in der Fachwissenschaft ungeklärt oder umstritten sind. Nur für diese spezifische Verwaltungsaufgabe ist die Beurteilungsermächtigung eingeräumt, die dementsprechend nicht in § 44 Abs. 1 BNatSchG als solchem, sondern in § 44 Abs. 1 BNatSchG in Verbindung mit den Zulassungsregelungen des Planfeststellungs- und Genehmigungsrecht ihre Grundlage hat.
b) Soweit die Revision die Befürchtung hegt, dass die Zuerkennung einer Einschätzungsprärogative im Bereich des Artenschutzes die Behörden dazu verleite, bereits vorhandene, wissenschaftlich gesicherte Maßstäbe - insbesondere auch anerkannte ökologische Bewertungen und Einschätzungen zum Verhalten des Rotmilans sowie zu den Auswirkungen des Betriebs von Windenergieanlagen auf diese Art - nicht weiter zur Kenntnis zu nehmen oder aus sachfremden Gründen zu übergehen, lässt dies die Voraussetzungen und Grenzen des Beurteilungsspielraums außer Acht.
Ein der Genehmigungsbehörde zugestandener naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum kann sich sowohl auf die Erfassung des Bestandes der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Risiken beziehen, denen diese bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sind. Für eine Einschätzungsprärogative ist aber kein Raum, soweit sich für die Bestandserfassung von Arten, die durch ein immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtiges Vorhaben betroffen sind, eine bestimmte Methode oder für die Risikobewertung ein bestimmter Maßstab durchgesetzt hat und gegenteilige Meinungen nicht mehr als vertretbar angesehen werden können. Die Behörde muss also im Genehmigungsverfahren stets den aktuellen Stand der ökologischen Wissenschaft - gegebenenfalls durch Einholung fachgutachtlicher Stellungnahmen - ermitteln und berücksichtigen. Ob sie diesem Erfordernis genügt, unterliegt in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren der Überprüfung. Die behördliche Einschätzungsprärogative bezieht sich mithin nicht generell auf das Artenschutzrecht als solches, sondern greift nur dort Platz, wo trotz fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterhin ein gegensätzlicher Meinungsstand fortbesteht und es an eindeutigen ökologischen Erkenntnissen fehlt.
Auch im Umfang ihres Einschätzungsvorrangs ist die Behörde überdies nicht von gerichtlicher Kontrolle freigestellt. Der Vorrang führt zwar zu einer Beschränkung gerichtlicher Kontrolldichte. Das Gericht bleibt aber verpflichtet zu überprüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen (Urteil vom 27. Juni 2013 a.a.O. Rn. 16).
2. Ausgehend von den dargestellten Vorgaben für die gerichtliche Überprüfung lässt die angefochtene Entscheidung in artenschutzrechtlicher Hinsicht keine Rechtsfehler erkennen.
Das Berufungsgericht hat die behördliche Bestandsanalyse nicht ungeprüft zugrunde gelegt, sondern die vom Beklagten verwerteten Untersuchungen ebenso wie die von der Klägerin vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen eingehend gewürdigt. Soweit die Gutachter der Klägerin einen früheren Brutplatz des Rotmilans in ca. 520 m Entfernung zur nächstgelegenen Windenergieanlage nach Übernahme durch ein Brutpaar des Schwarzmilans nicht mehr berücksichtigt wissen wollen, ist es dem gefolgt (UA S. 24 f.). Nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführte Nacherhebungen hat es mit Rücksicht auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt außer Betracht gelassen. Das alles lässt keine unzulässige Reduzierung der gerichtlichen Kontrolle zu Lasten der Klägerin erkennen und gibt auch sonst keinen Anlass zu revisionsrechtlichen Beanstandungen.
Bei seiner Würdigung der behördlichen Risikobeurteilung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für Anlagenstandorte in einem Abstand von weniger als 1 000 m zu Rotmilanhorsten generell, für solche in größeren Abständen hingegen nur unter besonderen Umständen - im Standortbereich liegende Nahrungshabitate oder Flugkorridore zu Nahrungshabitaten - ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Rotmilane zu bejahen sei, der in Rede stehende Anlagenstandort liege nach den behördlich veranlassten Ermittlungen in einem solchen Flugkorridor. Die Annahmen zur Relevanz der genannten Abstände für die Risikobeurteilung könnten sich auf fachwissenschaftliche Untersuchungen und in Fachkreisen entwickelte Empfehlungen stützen. Diese Erläuterungen belegen, dass das Gericht die Bewertungen und Einschätzungen der Genehmigungsbehörde nicht unbesehen zugrunde gelegt, sondern eingehend auf ihre Vertretbarkeit hin überprüft hat. Dass die als Quellen herangezogenen Untersuchungen methodische Mängel oder sonstige Ermittlungsfehler aufwiesen, ist weder von der Revision substanziiert geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
3. Die Verfahrensrüge, mit der die Revision Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) geltend macht, ist unbegründet.
Ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt fehlerhaft sein sollte (stRspr; vgl. Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 m.w.N.). Dabei sind Fragen der Beweiswürdigung revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen (Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66) und insoweit mit Sach-, nicht aber mit Verfahrensrügen anzugreifen. Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet; hierfür trägt die Revision nichts vor. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Verfahrensrüge allein gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten stünde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Diese Frage war aber ausschließlich Gegenstand der materiellrechtlichen Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO; da die Beigeladenen keine Anträge gestellt und demgemäß kein Kostenrisiko übernommen haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Soweit die Klägerin beantragt hat, die Beiladung der Beigeladenen zu 2 wegen des damit verbundenen Kostenrisikos aufzuheben, hat sich dieses Begehren nach deren Verzicht auf eine Antragstellung in der mündlichen Verhandlung erledigt.