Entscheidungsdatum: 23.09.2010
Die Angabe zur Religionszugehörigkeit im Anmeldeschein kann nur dann als Beleg für die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft herangezogen werden, wenn diese Religionsgemeinschaft eindeutig bezeichnet ist.
Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft der Kläger in der beklagten jüdischen Gemeinde.
Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach § 2 Satz 1 ihrer Satzung sind Mitglieder der jüdischen Gemeinde alle Personen jüdischen Glaubens, die in F. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und nicht binnen einer Frist von drei Monaten nach ihrem Zuzug nach F. gegenüber dem Gemeindevorstand schriftlich erklären, dass sie nicht Mitglieder der Gemeinde sein wollen. Nach § 3 der Satzung endet die Mitgliedschaft unter anderem durch Wegzug oder Austritt aus der jüdischen Gemeinde nach den Bestimmungen des staatlichen Rechts.
Die Kläger sind französische Staatsangehörige jüdischen Glaubens. Am 8. November 2002 verlegten sie ihren Hauptwohnsitz von N., wo sie Mitglied einer jüdischen Gemeinde waren, nach F. Im Anmeldeschein der Stadt F. gaben sie am 11. November 2002 unter der Rubrik Religion "mosaisch" an.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2003 begrüßte die Beklagte die Kläger als neue Gemeindemitglieder, übersandte ihnen die Satzung und forderte sie auf, die dem Schreiben beigefügten Anmeldeformulare zusammen mit entsprechenden Nachweisen der Zugehörigkeit zum Judentum ausgefüllt zurückzusenden. Die Kläger widersprachen mit Schreiben vom 11. Juni 2003 ihrer Mitgliedschaft und beantragten hilfsweise die Wiedereinsetzung in die versäumte Erklärungsfrist. Durch Erklärung gegenüber dem Amtsgericht F. vom 29. Oktober 2003 traten sie mit Wirkung zum 31. Oktober 2003 vorsorglich aus der Beklagten aus.
Die Klage der Kläger auf Feststellung, dass sie vom 11. November 2002 bis zum 31. Oktober 2003 nicht Mitglieder der Beklagten gewesen seien, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.
Mit Urteil vom 19. Mai 2009 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Bei sachdienlichem Verständnis werde mit der Klage die Feststellung begehrt, eine Mitgliedschaft der Kläger in der Beklagten, deren diese sich für die Zeit vom 8. November 2002 bis zum 31. Oktober 2003 berühme, könne staatlicherseits nicht anerkannt werden und ziehe deshalb keine Rechtsfolgen im staatlichen Bereich nach sich. In dieser Auslegung sei die Feststellungsklage zulässig, aber nicht begründet. Nach der Satzung der Beklagten seien die Kläger mit ihrem Zuzug nach F. deren Mitglieder geworden. Diese innerkirchliche Rechtsfolge müsse auch staatlicherseits anerkannt werden. Eine nach innerkirchlichem Recht - wie hier - allein durch Abstammung und Wohnsitznahme im Gemeindegebiet begründete Mitgliedschaft könne zwar wegen der Garantie der negativen Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG nicht als Grundlage für staatskirchenrechtliche Anknüpfungen dienen. Sie sei aber staatlicher Anerkennung fähig, wenn sich der Wille, der Religionsgemeinschaft anzugehören, in einem positiven Bekenntnis zu dem genannten - hier jüdischen - Glauben manifestiere. Eines formalisierten Eintrittsakts oder einer förmlichen Beitrittserklärung nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts bedürfe es nicht. Das erforderliche Bekenntnis ergebe sich im Fall der Kläger zunächst aus der Erklärung gegenüber dem Einwohnermeldeamt. Ob diese allgemein genüge, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Denn hinzu komme, dass die Kläger sich bereits vor ihrem Zuzug nach F. zum jüdischen Glauben bekannt hätten. Dies ergebe sich unter anderem aus ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde an ihrem Wohnort in Frankreich, aus ihrer Eheschließung dort nach jüdischem Ritus und der Angabe gegenüber der Beklagten, sie hielten ihre Mitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde des bisherigen Wohnorts aufrecht. Die Klägerin sei zudem während eines früheren Aufenthalts in F. Mitglied der Beklagten gewesen, ohne vor ihrem Wegzug nach Frankreich von der Möglichkeit des Austritts Gebrauch gemacht zu haben. Den Klägern habe die Existenz der Beklagten und auch die Bedeutung der Erklärung der mosaischen Religionszugehörigkeit bewusst sein müssen. In der Gesamtschau ergebe sich damit ein hinreichendes Bekenntnis zum jüdischen Glauben. Dagegen könne nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Angabe "mosaisch" im Meldebogen sei ein Bekenntnis zum progressiven oder liberalen Judentum, nicht aber zu der orthodox geprägten Beklagten. Ein solcher Vorbehalt sei unbeachtlich. Nach dem objektiven Empfängerhorizont könne das darin liegende Bekenntnis zum Judentum nur als Bekenntnis zu der Beklagten als einziger jüdischer Gemeinde in F. verstanden werden. Im Übrigen sei der Satzung der Beklagten kein Bekenntnis zur Orthodoxie als einzig akzeptierter oder vertretener Form des jüdischen Glaubens zu entnehmen. Schließlich könnten die Kläger nicht mit Erfolg einwenden, die Beklagte verstoße in ihrem Fall gegen ihre eigene Verwaltungspraxis, weil sie in anderen Fällen die dreimonatige Frist für die Erklärung, ihr nicht angehören zu wollen, nicht mit dem Zuzug nach F., sondern mit dem Zugang eines Begrüßungsschreibens habe beginnen lassen. Zum einen habe die Beklagte schlüssig dargelegt, dass die abweichende Verwaltungspraxis bereits Ende 2001 aufgegeben worden sei. Zum anderen widerspreche die Verwaltungspraxis jedenfalls der Satzung, und eine unzulässige Gleichbehandlung könnten die Kläger nicht verlangen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren in der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs weiter. Zur Begründung tragen sie vor: Die Satzung der Beklagten, die den Erwerb der Mitgliedschaft an die Abstammung anknüpfe, könne bei Anwendung der staatlichen Gesetze nicht anerkannt werden. Die Satzung könne auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung um das Erfordernis eines positiven Bekenntnisses zu der bei der Beklagten praktizierten jüdischen Glaubensrichtung ergänzt werden, denn darauf habe die Beklagte bewusst verzichtet. Jedenfalls fehle es bei einer verfassungskonformen Auslegung des Begriffs des "Kirchenangehörigen" an einer nach außen hin erkennbaren und zurechenbaren Willensäußerung, der Religionsgemeinschaft zuzugehören. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Frage, ob die Angabe gegenüber der Meldebehörde als Bekenntnis genüge, zunächst offen gelassen, sich in der Sache aber gleichwohl darauf gestützt. Mit der Angabe, die Religionszugehörigkeit sei "mosaisch", hätten sie sich allgemein zum "israelitischen" Glauben, nicht aber gerade zur Beklagten bekannt, denn nach der Konfession als einer bestimmten Richtung des jüdischen Glaubens oder nach der Religionsgemeinschaft als einer bestimmten Vereinigung sei nicht gefragt worden. Es verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, dass die in der Satzung bestimmte Frist, in der neu Hinzugezogene erklären könnten, der Beklagten nicht anzugehören, unabhängig von der Kenntnis und einer Belehrung der Betroffenen zu laufen beginne, obwohl die Satzung niemals veröffentlicht worden sei. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, die Beklagte biete auch Angehörigen des liberalen Judentums Raum.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das Berufungsurteil ebenfalls für zutreffend. Er trägt vor: Der Erwerb der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft setze eine ausdrückliche Beitrittserklärung nicht voraus. Vielmehr reiche schlüssiges Verhalten im staatlichen Rechtsbereich aus. Die freiwillige Konfessionsangabe bei der meldebehördlichen Erfassung lasse auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft schließen. Diese Erklärung erlaube der Religionsgemeinschaft, eine Organisation nach dem Parochialprinzip zu verwirklichen. Als Wissenserklärung sei eine solche Angabe nicht anfechtbar. Eine hiernach automatische Mitgliedschaft zuziehender ausländischer Bekenntnisverwandter sei nach der Beziehung der Religionsgemeinschaften zueinander zu beurteilen. Hier verblieben die Kläger im Verbund bekenntnisgleicher Religionsgemeinschaften, denn zwischen liberalem und orthodoxem Judentum als Strömungen innerhalb der jüdischen Religionsgemeinschaft herrsche Bekenntnisgemeinschaft.
Die Revision der Kläger ist zulässig. Insbesondere genügt sie hinsichtlich der erhobenen Sachrügen mit der Bezugnahme auf das Beschwerdevorbringen dem Begründungserfordernis des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 9 C 37.88 - BVerwGE 80, 321 <322 f.>).
Die Revision ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft nur dann im staatlichen Recht anerkannt werden kann, wenn sie vom Willen des Betroffenen getragen ist (1.). Die daraus folgenden Anforderungen an eine Willensbekundung des Betroffenen hat er jedoch unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verkannt (2.). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erweist sich auch nicht aus anderen Gründen auf der Grundlage der vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) (3.). Gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO kann der Senat abschließend eine Entscheidung zu Gunsten der Kläger treffen (4.)
1. a) Knüpft die staatliche Rechtsordnung - wie hier etwa § 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Lande Hessen - Kirchensteuergesetz - an die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft Rechtsfolgen, so richtet sich die Frage der Mitgliedschaft nach dem innerkirchlichen (religionsgemeinschaftlichen) Recht. Das gebietet das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV; deren eigene Angelegenheiten erstrecken sich auch auf das Mitgliedschaftsrecht (vgl. etwa Kästner, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 140 Rn. 299, 310 f., m.w.N.). Im Interesse der Religionsgemeinschaft soll damit zum einen verhindert werden, dass ihr jemand aufgedrängt wird, den sie selbst nicht als ihr zugehörig erachtet; zum anderen soll sich kein Mitglied den aus der Mitgliedschaft folgenden Pflichten entziehen können. Das Selbstbestimmungsrecht findet allerdings seine Grenzen in den allgemeinen Gesetzen, so dass insoweit die religionsgemeinschaftlichen Regelungen nicht vorbehaltlos angewendet werden können. Vielmehr fordern die grundrechtlichen Gewährleistungen der negativen Bekenntnisfreiheit und der negativen Vereinigungsfreiheit im religiösen Bereich sowie das objektive Prinzip der staatlichen Neutralität die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft; eine Vereinnahmung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen kann durch das staatliche Recht nicht anerkannt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 - BVerfGE 30, 415 <423>; Urteil vom 14. Dezember 1965 - 1 BvR 413, 416/60 - BVerfGE 19, 206 <216>; BFH, Urteil vom 3. August 2005 - I R 85/03 - BFHE 210, 573 <574>).
b) Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft durch die satzungsrechtlichen Bestimmungen der Beklagten nicht gewahrt. Mit der "Zugehörigkeit zur jüdischen Religion" nimmt die Satzung nach den in Übereinstimmung mit den Einlassungen der Beklagten getroffenen Feststellungen - entsprechend der jüdischen Tradition - auf die Abstammung von einer jüdischen Mutter Bezug (vgl. hierzu auch BFH, Urteil vom 6. Oktober 1993 - I R 28/93 - BFHE 172, 570 <572>); eine - willensgetragene - Konversion steht hier nicht in Rede.
Dieses Verständnis der Satzung ist mit Bundesrecht vereinbar. Es steht mit den genannten verfassungsrechtlichen Maßstäben in Einklang. Das Selbstbestimmungsrecht der Beklagten wird nur im erforderlichen Maß beschränkt; denn die Anforderungen an die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft werden nicht verkannt.
Die Begründung der Mitgliedschaft durch Abstammung findet in der Zurechnung des Elternwillens bei der Kindstaufe (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 - BVerfGE 30, 415 <424>) keine Parallele (so aber etwa Kapischke, ZevKR 50, 112 <113 f.>). Der Hinweis, dass die Zuordnung zum Judentum voraussetze, dass die Mutter sich - willentlich - gerade nicht vom Judentum gelöst habe, führt nicht weiter. Denn das bloße Unterlassen einer auf die eigene Person bezogenen Abkehr vom Glauben ist mit der ausdrücklich für den Täufling als einem Dritten abgegebenen Taufbitte nicht gleichzusetzen.
Die Satzungsregelung, wonach die Mitgliedschaft durch eine Erklärung binnen drei Monaten ausgeschlagen werden kann, macht diese ebenso wenig zu einer vom Willen des Betroffenen getragenen. Zwar ist das "votum negativum" nicht als eine besondere Art des Austritts einzuordnen, der an einer gegebenenfalls zuvor begründeten (Zwangs-)Mitgliedschaft für die Vergangenheit nichts zu ändern vermag und deshalb den Anforderungen an die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft nicht genügt (a.A. noch BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1965 - BVerwG 7 C 16.62 - BVerwGE 21, 330 <333 f.>). Vielmehr ist die Mitgliedschaft auflösend bedingt. Aber auch ungeachtet des Umstands, dass einem Schweigen nur ein Erklärungswert zugemessen werden könnte, wenn der Betreffende sich des möglichen Erklärungsgehalts bewusst ist, fehlt es jedenfalls im vorliegenden Fall an der unabdingbaren positiven Erklärung. Denn die Satzungsbestimmung knüpft die Drei-Monats-Frist nicht an die Bekanntgabe gegenüber dem Zuziehenden an.
c) Entspricht die religionsgemeinschaftliche Regelung über die Begründung der Mitgliedschaft den Anforderungen an die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft nicht, so kann sie als solche die Inanspruchnahme des Betroffenen als eines Angehörigen der Religionsgemeinschaft mit Wirkung für das staatliche Recht nicht rechtfertigen. Daraus folgt aber nicht, dass das an die insoweit unzulängliche Norm anknüpfende staatliche Recht von vornherein nicht angewendet werden kann.
Der insbesondere grundrechtlich begründete Vorbehalt für die Beachtlichkeit des religionsgemeinschaftlichen Rechts ist - jedenfalls auch - eine Ausprägung des grundrechtlichen Schutzpflichtgedankens. Es geht hier zwar nicht um die unmittelbare Einwirkung der Religionsgemeinschaft als eines außerhalb der staatlichen Organisation stehenden Dritten auf grundrechtliche Schutzgüter, der die staatlichen Organe entgegentreten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Aber auch dann, wenn der Staat die Belange der Religionsgemeinschaft mittels hoheitlicher Befugnisse stärkt, ist er in gleicher Weise gehalten, entgegenstehenden Rechtspositionen Rechnung zu tragen. Seinen Schutzpflichten kann der Staat dabei durch den Erlass genereller Regelungen nachkommen. Zur Wahrung der negativen Religionsfreiheit hat er das etwa durch den Erlass von Gesetzen über den Kirchenaustritt getan (vgl. Mückl, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 4 Rn. 134; Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2004, S. 113).
Die Handlungsmöglichkeiten beschränken sich aber nicht auf die abstrakt-generelle Ebene durch die Ausgestaltung der gesetzlichen Bestimmungen bzw. deren Nichtanwendung, falls sie in ihrer allgemeinen Fassung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen. Vielmehr kann der Schutz je nach der spezifischen Art der abzuwehrenden Grundrechtsverletzung auch im Rahmen einer einzelfallbezogenen Betrachtungsweise gewährt werden. Denn alle staatlichen Organe sind - in den ihnen von der Rechtsordnung und insbesondere vom Gesetzesvorbehalt gesetzten Grenzen - gehalten, den grundgesetzlich geforderten Schutz zu gewährleisten. Ein solches einzelfallbezogenes Vorgehen ist hier geboten. Denn das Vorliegen eines Eingriffs in die negative Bekenntnisfreiheit richtet sich danach, ob der Betroffene in dem für die Rechtmäßigkeit der nach staatlichem Recht zu beurteilenden Maßnahme entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf freiwilliger Basis Mitglied der Religionsgemeinschaft war.
Das vermag die Mitgliedschaftsregelung der Beklagten aber bereits deswegen nicht abschließend zu beantworten, weil sie neben der Wohnsitzbegründung nur die Abstammung in den Blick nimmt, nachfolgende Ereignisse demgegenüber aber ausblendet. Allein die Orientierung an der normativen Ausgestaltung der religionsgemeinschaftlichen Mitgliedschaftsregelung geht jedoch über den Schutzzweck hinaus und verfehlt demnach die Zielrichtung der staatlichen Schutzpflicht, wenn ungeachtet der Norm im konkreten Einzelfall eine freiwillige Mitgliedschaft bejaht werden kann (vgl. auch Magen, a.a.O. S. 114). Vor diesem Hintergrund ist die Prüfung geboten, ob eine Willensbekundung festgestellt werden kann, die den Schluss auf eine solche vom Willen des Betroffenen getragenen Zuordnung erlaubt (so im Ergebnis auch BFH, Urteil vom 24. März 1999 - I R 124/97 - BFHE 188, 245 <249>).
2. a) Diese Willensbekundung muss sich auf die Mitgliedschaft in der konkreten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft beziehen. Allein die Zuordnung zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis im Sinne von Glaubenslehren und Glaubensinhalten als solches kann es demgegenüber nicht ankommen. Das Bekenntnis bestimmt zwar die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 - BVerfGE 30, 415 <423>); der Übergang vom vor- bzw. außerrechtlichen Bekenntnis zur rechtlich relevanten Eingliederung in die Religionsgemeinschaft muss aber wegen des Rechts auf negative Vereinigungsfreiheit im religiösen Bereich vom Willen getragen sein. Diese grundsätzliche Unterscheidung schließt aber nicht aus, dass nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes Verhalten zugleich mit dem Bekenntnis auf die Mitgliedschaft in der durch dieses geprägten Religionsgemeinschaft gerichtet ist.
b) Den Charakter einer Beitrittserklärung muss die Willensbekundung nicht haben (so auch BFH, Urteile vom 6. Oktober 1993 - I R 28/93 - BFHE 172, 570 <573> und vom 28. Januar 2004 - I R 63/02 - KirchE 45, 76 <78>). Zum einen drängte dies den Religionsgemeinschaften, die sich gerade nicht vereinsrechtlich organisiert haben, eine ihrem Selbstverständnis unangemessene Rechtsform auf. Zum anderen läge einem solchen Erfordernis die verfehlte Vorstellung zugrunde, dass die Willensbekundung die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft erst begründet. Um zwei getrennte Mitgliedschaften - eine im kirchenrechtlichen und eine im staatskirchenrechtlichen Sinn - geht es aber nicht, sondern nur darum, ob die einheitliche, nach Maßgabe des religionsgemeinschaftlichen Rechts begründete Mitgliedschaft anerkannt werden kann (vgl. etwa Muckel, JZ 2009, 174 <177 f.>). Die erforderliche Willensbekundung kann sich demnach aus den verschiedensten Äußerungen und Handlungen ergeben, sofern diese nur dem Erfordernis nach eindeutigen und nachprüfbaren Tatbeständen als Grundlage der Rechts- und Pflichtenstellung des Betroffenen genügt (siehe BVerfG, Beschluss vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 - BVerfGE 30, 415 <426>).
c) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es verfehlt den rechtlichen Bezugspunkt der erforderlichen Willensbekundung. Der Verwaltungsgerichtshof führt zwar auch aus, dass das in der Angabe gegenüber der Meldebehörde liegende Bekenntnis zum Judentum nur als Bekenntnis zur Beklagten verstanden werden könne. Auf eine so begründete Zugehörigkeit zur Beklagten als rechtlich verfasster Religionsgemeinschaft stellt der Verwaltungsgerichtshof letztlich aber nicht ab. Bei seiner die Entscheidung tragenden "Gesamtschau" aller Umstände zieht er nämlich Willensbekundungen der Kläger heran, aus denen sich nur ihre - unstreitige - Zuwendung und Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben ergeben sollen. Damit stellt der Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf Art. 4 GG zu geringe Anforderungen an den gebotenen "Bekenntnisakt".
3. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht wegen der Angabe der Kläger gegenüber der Meldebehörde im Ergebnis als richtig. Auch bei der Klägerin bildet dies - abgesehen von der nachfolgend unter 4. erörterten Fragestellung - den einzigen möglichen Ansatzpunkt für eine willensgetragene Mitgliedschaft in der Beklagten. Denn eine frühere Mitgliedschaft ist jedenfalls mit ihrem ehebedingten Umzug nach Frankreich beendet worden (§ 3 Buchst. a der Satzung der Beklagten). Eine Willensbekundung, der Beklagten anzugehören, kann aus der Angabe im Anmeldeschein nicht entnommen werden.
a) Auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Nr. 11 MRRG, § 3 Abs. 1 Nr. 11 des Hessischen Meldegesetzes - HMG - wird bei der Anmeldung einer neuen Wohnung nach der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft gefragt. Die geforderte Angabe hat demnach vor diesem rechtlichen Hintergrund den für die Willensbekundung gebotenen Bezugspunkt. Ob sie entsprechend ihrer gesetzlichen Zielrichtung verwertbar ist, hängt indessen wesentlich davon ab, ob die vom Gesetz beabsichtigte Fragestellung dem Betroffenen gegenüber hinreichend verdeutlicht wird und wie angesichts dessen die Antwort ausfällt.
So ist für den Verständnishorizont des Zuziehenden und nachfolgend den Erklärungswert seiner Angabe von Bedeutung, ob im Anmeldeformular - sowie gegebenenfalls in weiteren Erläuterungen und Ausfüllhinweisen - nach der "Religion", nach der "Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft" oder nach der "öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft" gefragt wird und ob alle oder jedenfalls die zahlenmäßig bedeutsamen korporierten - und insbesondere kirchensteuerberechtigten - Religionsgemeinschaften aufgeführt werden und der Zuziehende bei seinen Angaben eine diesen jeweils eindeutig zuzuordnende Bezeichnung verwendet.
b) Hiernach lässt sich allein dem Eintrag der Kläger im Anmeldeschein der Wille, der Beklagten zuzugehören, nicht entnehmen.
Der Senat ist dabei nicht an die Auslegung und Bewertung der Angabe der Kläger durch den Verwaltungsgerichtshof gebunden. Die Bindung nach § 137 Abs. 2 VwGO bezieht sich lediglich auf die der Auslegung zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen; die darauf aufbauende Frage nach dem zutreffenden Verständnis ist hingegen maßgeblich von rechtlichen Vorgaben geprägt, so dass deren Beantwortung dem Senat obliegt (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 165 f., 169 m.w.N.).
Die Kläger haben im Anmeldeschein in der Rubrik "Religion" "mosaisch" angegeben. Daraus lässt sich nicht mit der rechtlich gebotenen Eindeutigkeit und Klarheit entnehmen, dass die Kläger gerade der Beklagten angehören wollen. Dabei kann dahinstehen, ob die Kläger in zusätzlichen Erläuterungen darauf hingewiesen worden sind, dass ungeachtet der Verwendung des weiten Begriffs "Religion" nicht eine allgemeine Auskunft zu Glaubensüberzeugungen verlangt war, sondern die am neuen Wohnort gegebene Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen - und folglich kirchensteuerberechtigten - Religionsgemeinschaft erklärt werden sollte (siehe etwa die derzeit geltenden Ausfüllhinweise, Erlass des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport vom 21. Februar 2006, abgedruckt bei Lüttmann, Melderecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Teil II: Hessen, E 1). Denn jedenfalls fehlt der Angabe "mosaisch" der eindeutige Bezug auf die Beklagte. Die Kläger haben sich damit nicht der in der hessischen Verwaltungspraxis üblichen Kürzel bedient, mit denen die in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten jüdischen Gemeinden bezeichnet werden und zweifelsfrei zu identifizieren sind (IS: Jüdische Gemeinde Frankfurt a.M.; IL: Kultussteuerberechtigte jüdische Gemeinden im Landesverband Hessen; vgl. Lüttmann, a.a.O., F 4). Nach ihrer Auffassung wird die Beklagte von der von ihr verwendeten Bezeichnung schon deshalb nicht erfasst, weil der Begriff "mosaisch" jedenfalls im Französischen eine bestimmte, nämlich die liberale, Richtung des Judentums umschreibe, der die Beklagte nicht zuzurechnen sei. Ob diese begriffliche Unterscheidung zutrifft, bedarf keiner Klärung. Denn auch wenn "mosaisch" als Synonym für "jüdisch" zu verstehen sein sollte, lässt der Hinweis auf eine "mosaische" Religionszugehörigkeit angesichts der allgemeinkundigen und dem Senat aus anderen Verfahren bekannten (vgl. Urteil vom 28. Februar 2002 - BVerwG 7 C 7.01 - BVerwGE 116, 86 <90>) Tendenz zur Pluralisierung und Rekonfessionalisierung des Judentums (vgl. Weber, LKV 2006, 9 <10>) die Zuordnung zur konkreten jüdischen Gemeinde nicht zu. Der jüdische Glaube kann in verschiedenen Strömungen und in unterschiedlichen Organisationen gelebt werden; bei deren Auswahl ist der Gläubige frei. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Beklagte sich nach ihrem Selbstverständnis als sogenannte Einheitsgemeinde begreift und alle Strömungen des Judentums unter einem Dach vereinigen will. Denn der Gläubige muss sich diesem Alleinvertretungsanspruch angesichts der ihm zukommenden negativen Bekenntnisfreiheit nicht unterordnen.
4. Eine vom Willen getragene Mitgliedschaft kann sich im Falle des Umzugs aus der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft am bisherigen Wohnort ergeben. Die Voraussetzungen für eine solche Fortsetzung der Mitgliedschaft liegen hier aber nicht vor. Das kann der Senat selbst feststellen und deswegen nach § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO eine abschließende Entscheidung zu Gunsten der Kläger treffen.
a) Hat sich der Betroffene bereits vor seinem Zuzug an seinem bisherigen Wohnort einer Religionsgemeinschaft angeschlossen, so kann sich nach einem Umzug die Mitgliedschaft nur dann in der nunmehr örtlich zuständigen Gemeinschaft fortsetzen, wenn auch diese Mitgliedschaft auf einer freiwilligen Grundlage beruhte.
b) Dieser Grundsatz der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in einer rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft wird bei korporierten Religionsgemeinschaften durch das Parochialrecht nicht überlagert.
Nach dem Parochialrecht, das als ungeschriebene Befugnis nach dem Herkommen mit dem Körperschaftsstatus verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 11.96 - BVerwGE 105, 117 <119>), kann eine Religionsgemeinschaft bestimmen, dass alle Angehörigen des jeweiligen Bekenntnisses ipso iure als Mitglieder der örtlich zuständigen Gemeinde in Anspruch genommen werden. Das Parochialrecht als Ausdruck des überkommenen religionsrechtlichen Territorialprinzips ist zwar als öffentlich-rechtliche Befugnis ausgestaltet. Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, in welchem Umfang und insbesondere gegenüber welchen Personen hoheitliche Befugnisse verliehen werden (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <388>). Beim Parochialrecht betrifft dies angesichts der negativen Bekenntnisfreiheit allein die Mitglieder der korporierten Religionsgemeinschaft (vgl. Magen, a.a.O., S. 94; BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <371>), die sich so in Ausübung ihrer Organisationsgewalt in bestimmter Weise örtlich strukturiert und rechtlich selbstständige Untergliederungen bildet (vgl. hierzu Beschluss vom 8. Januar 2009 - BVerwG 7 B 42.08 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 77). Unmittelbar hat das Parochialrecht demnach (nur dann) seine Bedeutung, wenn die als öffentlich-rechtliche Körperschaft konstituierte Religionsgemeinschaft, der der Betroffene kraft einer Willensentscheidung angehört, in rechtlich selbstständige Einheiten untergliedert ist. Dies ist etwa der Fall bei den Diözesen der römisch-katholischen Kirche und den einzelnen Pfarrgemeinden oder den evangelischen Landeskirchen und den einzelnen Kirchengemeinden.
Soweit es dagegen um die (Neu-)Begründung der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft geht, zu der der Betroffene bislang nach Maßgabe des staatlichen Rechts in keiner mitgliedschaftlichen Beziehung stand, ist ein auf dem Parochialrecht basierendes Organisationsprinzip zwar nicht völlig unbeachtlich. Es ist aber nicht als Hoheitsrecht der Religionsgemeinschaft des Zuzugsortes von Bedeutung, sondern kann nur mittelbar - nämlich als Teil der am früheren Wohnort auf freiwilliger Basis eingegangenen Rechtspflichten - herangezogen werden. Hat der Betroffene willentlich die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft begründet, die nach ihrem Selbstverständnis und religionsgemeinschaftlichen Recht Teil eines umfassenderen Verbands ist, der nach den Grundsätzen des Parochialrechts gegliedert ist, so nimmt er auch den automatischen Wechsel der Mitgliedschaft bereits vorweg in seinen Willen auf. Dies gilt etwa für die römisch-katholische Kirche, die sich als einheitliche Weltkirche unter päpstlicher Oberhoheit begreift (siehe etwa v. Campenhausen, HdbStKirchR, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 773 f.), sowie für die unter dem Dach der EKD zusammengeschlossenen evangelischen Landeskirchen (§ 8 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft). Auch ohne eine solche Einordnung in einen höherstufigen Verband kann sich eine Rechtspflicht zur Eingliederung in eine andere Religionsgemeinschaft aus Vereinbarungen der Religionsgemeinschaften ergeben, die auf der Ebene der Gleichordnung abgeschlossen werden; denn auch diese bestimmen den Rechtsstatus des betroffenen Mitglieds. Fehlen solche vertraglichen Vereinbarungen, ist entsprechendes Gewohnheitsrecht nicht ausgeschlossen.
c) Hiernach sind die Voraussetzungen für eine allein an die Mitgliedschaft in der jüdischen Gemeinde in Frankreich anknüpfende Mitgliedschaft der Kläger in der Beklagten nicht gegeben. Das kann der Senat selbst feststellen.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass entsprechende "Übernahmevereinbarungen" zwischen ihr und anderen jüdischen Gemeinden nicht geschlossen worden seien. Sie hat betont, dass es einen Automatismus im Übergang der Mitgliedschaft nach dem Selbstverständnis der jüdischen Gemeinden nicht gebe und nicht geben könne; denn die Gemeinden seien jeweils eigenständig.
Der Senat ist - nicht zuletzt im Interesse der Prozessökonomie - nicht gehindert, diese von den Klägern nicht in Zweifel gezogenen Einlassungen der Beklagten zu ihrer eigenen Rechtspraxis und ihrem Rechtsverständnis im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl. Neumann, a.a.O., § 137 Rn. 148).