Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 09.08.2011


BVerwG 09.08.2011 - 7 C 10/11

Abwasserabgabe; Bewertung der Schädlichkeit des Abwassers; Fischeigiftigkeit


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
09.08.2011
Aktenzeichen:
7 C 10/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. Februar 2011, Az: 9 A 2633/09, Urteilvorgehend VG Köln, 6. Oktober 2009, Az: 14 K 3679/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ein festgesetzter Wert für die Giftigkeit gegenüber Fischeiern gilt gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Abwasserverordnung (AbwV) nur dann als eingehalten, wenn die Überschreitung dieses Wertes ausschließlich auf dem Gehalt des Abwassers an Sulfat und Chlorid beruht.

Tatbestand

1

Die Klägerin leitet zur Entsorgung des auf dem Betriebsgelände des ... Chemieparks in K. anfallenden Abwassers Schmutzwasser in den Rhein ein. Dem liegt eine wasserrechtliche Erlaubnis aus dem Jahr 1997 in der Fassung eines Änderungsbescheids vom 12. Juli 2005 zugrunde. Danach sind die in der Anlage zum Bescheid festgesetzten Parameter nach den in der jeweils gültigen Anlage zu § 4 der Abwasserverordnung genannten Analyse- und Messverfahren zu bestimmen. Gemäß Nr. 401 dieser Anlage ist die Giftigkeit gegenüber Fischeiern nach der DIN 38415-T6 zu ermitteln. Durch den Änderungsbescheid vom 12. Juli 2005 wurde unter anderem der Überwachungswert für die Giftigkeit gegenüber Fischeiern (GEi) auf den Verdünnungsfaktor 2 festgesetzt.

2

Mit Bescheid vom 14. März 2007 - in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2007 - setzte die Bezirksregierung D. für das Einleiten von Schmutzwasser für das Veranlagungsjahr 2005 eine Abwasserabgabe in Höhe von insgesamt 751 880,19 € fest. Bei der Berechnung der Abgabe für Fischeigiftigkeit wurde dabei eine Überschreitung des Überwachungswertes am 2. August 2005 mit 12,0 zugrunde gelegt.

3

Im Klageverfahren hat sich die Klägerin allein gegen die Ermittlung der Schadeinheiten für den Parameter GEi gewandt. Sie hat vorgetragen, das amtliche Überwachungsergebnis sei wegen Fehlern bei der Analytik und mehrfachen Verstößen gegen die einschlägige DIN-Vorschrift nicht verwertbar. Darüber hinaus habe der Beklagte die sogenannte Salzkorrektur gemäß § 6 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AbwV falsch vorgenommen. Davon ausgehend hat sie die teilweise Aufhebung des Abgabenbescheids begehrt. Das beklagte Land hat geltend gemacht, die sogenannte Salzkorrektur führe nicht dazu, dass der Überwachungswert als eingehalten gelte. Aufgrund der Salzkorrektur ergebe sich ein GEi-Wert von 8, während die amtliche Messung einen Wert für GEi von 12 ergeben habe.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Oktober 2009 abgewiesen.

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Februar 2011 antragsgemäß die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Klägerin für das Veranlagungsjahr 2005 zu einer Abwasserabgabe von mehr als 582 949,30 € herangezogen worden ist.

6

Bezogen auf den Parameter Fischeigiftigkeit fehle es im Veranlagungsjahr 2005 an den Voraussetzungen für eine Veranlagung der Klägerin zur Abwasserabgabe. Die Bewertung dieses Parameters entfalle gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AbwV. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 AbwV in direkter Anwendung nicht vor, soweit ungeachtet der Einwendungen der Klägerin davon ausgegangen werde, dass das Testprotokoll vom 5. August 2005 inhaltlich zutreffend sei. Der maßgebende Wert gelte allerdings gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AbwV als eingehalten. Der sich nach der Salzkorrektur ergebende Wert betrage GEi 8. Das aufgrund der staatlichen Überprüfung festgestellte Ergebnis von GEi 12 überschreite diesen Wert damit nicht um mehr als 100 %.

7

Das folge aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV. Diese Vorschrift bestimme ausdrücklich, dass der festgesetzte Wert für die Fischeigiftigkeit "nach Maßgabe des Absatzes 1" als eingehalten gelte, wenn die Überschreitung dieses Wertes auf dem Gehalt von Sulfat und Chlorid beruhe.

8

Auch Sinn und Zweck der Regelungen in § 6 Abs. 1 und 4 AbwV sprächen für das gefundene Ergebnis. Sinn der durch § 6 Abs. 4 AbwV vorgesehenen Privilegierung sei es, eine allein auf der Belastung mit Sulfat und Chlorid beruhende Überschreitung des in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgesetzten Wertes bezüglich der Fischeigiftigkeit zu vermeiden. Sinn des § 6 Abs. 1 AbwV sei es dagegen sicherzustellen, dass Zufallsergebnisse nicht bewertet würden. Die den Abwassereinleiter begünstigenden Regelungen setzten daher an unterschiedlichen Phänomenen bzw. Zwangsläufigkeiten von Abwasserbehandlungsvorgängen an und verfolgten hieran anknüpfend jeweils unterschiedliche Zielsetzungen. Ihre kumulierte Anwendung erweise sich als interessengerecht. Die dem Abgabepflichtigen nicht zurechenbare Fischeitoxizität von Sulfat und Chlorid in dem von ihm eingeleiteten Abwasser werde rechnerisch eliminiert. Komme es hiernach gleichwohl zu einem einmaligen "Ausreißer", werde der Abgabepflichtige - wie bei jedem anderen Schadstoffparameter auch - geschützt.

9

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des beklagten Landes: Die Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV durch das Berufungsgericht sei rechtlich unzutreffend. Die Formulierung "nach Maßgabe des Absatzes 1" in § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV diene dazu, unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Es werde nicht nochmals ausgeführt, wann eine Einhaltensfiktion greife. Dies ergebe sich vielmehr aus § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV. Eine Einhaltensfiktion sei danach dann zu prüfen, wenn ein festgesetzter Wert nach dem Ergebnis einer Überprüfung im Rahmen der staatlichen Überwachung nicht eingehalten sei. Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung sprächen der Wortlaut, die Gesetzessystematik, die Gesetzeshistorie, der Wille des Gesetzgebers und insbesondere Sinn und Zweck des § 6 Abs. 4 AbwV. Je höher der Anteil von Sulfat und Chlorid sei, desto höher könnte - nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - auch der Anteil der sonstigen fischeischädigenden Substanzen sein. Unter Gewässerschutzaspekten sei dies nicht vertretbar. Das Einleiten von Sulfat und Chlorid sei zwar nicht abgaberelevant, aber dennoch aus der Sicht des Gewässerschutzes nicht erwünscht. Bei der Auslegung des Berufungsgerichts habe kein Einleiter Interesse daran, an einer Reduzierung der Salzbelastung zu arbeiten; denn je höher diese sei, umso mehr andere fischeischädigende Substanzen könne er abgabenneutral "mit entsorgen".

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Die Klägerin tritt der Revision entgegen. Für die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts spreche der Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV. Folgte man dem Beklagten, hätte der Hinweis "nach Maßgabe von" keine eigenständige Bedeutung. Auch Sinn und Zweck von § 6 Abs. 4 AbwV sowie die Gesetzessystematik sprächen für die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts. Diese führe nicht zu den von dem Beklagten befürchteten Folgen. Die Gehalte an Sulfat und Chlorid im Abwasser würden vom Einleiter nicht durch eine gezielte Einsatzmengensteuerung beeinflusst, sondern hingen unmittelbar von den der Einleitung vorangehenden chemischen Produktionsprozessen ab. Auch enthielten die Anhänge der Abwasserverordnung und der Einleitungsbescheid eine Vielzahl von Frachtbegrenzungen für Sulfat und Chlorid. Weitere fischeischädigende Inhaltsstoffe des Abwassers seien bereits über andere Parameter der Abwasserverordnung erfasst, so dass eine abgabenneutrale Einleitung nicht möglich sei.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich in Übereinstimmung mit dem Bundesumweltministerium der Auffassung des beklagten Landes an.

Entscheidungsgründe

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Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die zulässige Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht begründet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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Bewertungsgrundlage für die nach Maßgabe des § 9 AbwAG vom Abwassereinleiter zu entrichtende Abwasserabgabe ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG die Schädlichkeit des Abwassers, die unter Zugrundelegung u.a. von dessen Giftigkeit gegenüber Fischeiern in Schadeinheiten bestimmt wird. Eine Bewertung der Schädlichkeit entfällt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG u.a. dann, wenn der - die Fischeigiftigkeit bewertende - Verdünnungsfaktor GEi nicht mehr als 2 beträgt.

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Unter Verletzung von Bundesrecht nimmt das Oberverwaltungsgericht an, für den Parameter Fischeigiftigkeit (GEi) fehle es an den Voraussetzungen einer Veranlagung der Klägerin zur Abwasserabgabe, weil die Bewertung dieses Parameters gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Abwasserverordnung (AbwV) entfalle.

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a) Zwar geht das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass es bei Erhebung der Abwasserabgabe für die Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 2 AbwAG in Bezug auf die Bewertung der Giftigkeit des Abwassers gegenüber Fischeiern bedeutungslos ist, ob der ermittelte Verdünnungsfaktor nicht mehr als GEi 2 beträgt, oder ob er zwar höher ist, der Wert 2 aber gemäß § 6 AbwV als eingehalten gilt. Allein nach der Abwasserverordnung bestimmt es sich, wann der - die Fischeigiftigkeit bewertende - Verdünnungsfaktor GEi nicht mehr als 2 beträgt. Ergibt sich aus der Abwasserverordnung, dass dieser Wert als eingehalten gilt, kann dies folglich bei der Erhebung der Abwasserabgabe keine andere Bedeutung haben, als wenn der Wert von 2 tatsächlich eingehalten ist. Darüber hinaus stellt § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG Werte, die eingehalten sind, mit Werten, die als eingehalten gelten, ausdrücklich gleich. Damit nicht zu vereinbaren wäre es, in Fällen, in denen ein GEi-Wert von 2 als eingehalten gilt, eine Abwasserabgabe hinsichtlich des Parameters Fischeigiftigkeit zu erheben und lediglich den Abgabesatz gemäß § 9 Abs. 5 AbwAG zu ermäßigen.

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b) Der Verdünnungsfaktor GEi 2 gilt aber nicht gemäß § 6 AbwV als eingehalten.

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Der Wert gilt zum einen nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwV ("4-aus-5-Regelung") als eingehalten; denn der gemessene Wert von 12 überschreitet den Wert von 2 um weit mehr als 100 %. Davon gehen auch das Oberverwaltungsgericht und die Beteiligten aus.

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Der Wert gilt zum anderen auch nicht gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AbwV als eingehalten. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV gilt ein in der wasserrechtlichen Zulassung festgesetzter Wert für die Giftigkeit u.a. gegenüber Fischeiern nach Maßgabe des Absatzes 1 auch als eingehalten, wenn die Überschreitung dieses festgesetzten Wertes auf dem Gehalt an Sulfat und Chlorid beruht. Die darin geregelte und gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 bis 4 AbwV durchzuführende sogenannte Salzkorrektur führt hier zu einem GEi-Wert von 8. Dabei geht das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass zur Bestimmung des salzkorrigierten Wertes der festgesetzte Verdünnungsfaktor und der ausgehend von der Summe der Konzentration von Sulfat und Chlorid im Abwasser gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 bis 4 AbwV zu erreichende Wert bei der in § 6 Abs. 4 Satz 2 AbwV vorgesehenen Erhöhung zu addieren sind. Für eine Multiplikation spricht - entgegen der Auffassung der Klägerin - nichts.

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Entgegen dessen entscheidungstragender Annahme kommt es nicht darauf an, ob der gemessene Wert den sich aus der Salzkorrektur ergebenden Wert um mehr als 100% übersteigt. Diese Auslegung und Anwendung von § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV ist unzutreffend.

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Dem Wortlaut von § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV lässt sich zwar nicht eindeutig entnehmen, wie der Passus "nach Maßgabe des Absatzes 1" auszulegen ist. Eine Anwendung der Vorschrift im Sinne einer kombinierten Einhaltensfiktion, wie sie vom Oberverwaltungsgericht vorgenommen wird, ist danach zwar vertretbar, aber nicht zwingend geboten. Die Auslegung der Vorschrift durch das beklagte Land ist ebenfalls mit dem Wortlaut vereinbar. Sie führt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht dazu, dass dem zitierten Passus überhaupt keine Bedeutung zukommt. Auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich nichts für die hier zu entscheidende Auslegungsfrage entnehmen.

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Aus dem Sinn und Zweck von § 6 Abs. 1 Satz 1 und von § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV sowie der Systematik der Verordnung ergibt sich aber, dass ein festgesetzter GEi-Wert nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AbwV nur dann als eingehalten gilt, wenn seine Überschreitung allein auf dem Gehalt des Abwassers an Sulfat und Chlorid beruht.

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§ 6 Abs. 1 AbwV will sicherstellen, dass Zufallsergebnisse nicht bewertet werden. Die Abwasserverordnung geht davon aus, dass bei Beachtung des Stands der Technik die in der Vorschrift enthaltenen Grenzwerte in der Regel eingehalten werden, seltene Überschreitungen aber nicht ausgeschlossen werden können. Anhand der "4-aus-5-Regelung" wird festgestellt, ob ein gemessener Wert, der den zu beachtenden Wert überschreitet, lediglich ein seltener "Ausreißer" ist, während der zu beachtende Wert in der Regel eingehalten wird (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 8 C 16.96 - BVerwGE 107, 338 <344> = Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 6 zu der wortgleichen Vorgängerregelung in der Rahmen-Abwasser-Verwaltungsvorschrift).

25

Mit dem Parameter Giftigkeit gegenüber Fischeiern wird - wie früher mit dem Parameter Giftigkeit gegenüber Fischen - die Schädlichkeit einer Kombination bestimmter Abwasserinhaltsstoffe für lebende Organismen erfasst. Derartige schädliche Stoffe sind u.a. die Salze Sulfat und Chlorid. Deswegen werden sie bei der Bestimmung des GEi-Wertes mit erfasst. Sinn und Zweck der in § 6 Abs. 4 AbwV normierten Fiktion ist es, eine Überschreitung des in der wasserrechtlichen Erlaubnis festgesetzten Wertes bezüglich der Fischeigiftigkeit nicht allein wegen einer Belastung des Abwassers mit Sulfat und Chlorid anzunehmen, weil es bezogen auf Salze bisher keine technisch-wirtschaftliche Möglichkeit gibt, diese im Rahmen der Abwasserbehandlung gezielt zu vermindern (vgl. Köhler/Meyer, Abwasserabgabengesetz, 2. Aufl. 2006, § 6 Rn. 16). Hinsichtlich der Salzfracht bedarf es dabei keines Schutzes vor "Ausreißern". Denn insoweit kann es keine "Ausreißer" geben. Die Salzkorrektur bildet nämlich immer die tatsächlichen Messergebnisse ab und will auf diese Weise die spezifische Belastung durch Sulfate und Chloride abgabenrechtlich unbeachtlich machen. Bei den Messungen kann es folglich "Ausreißer" nur in Bezug auf andere fischeischädigende Abwasserfrachten geben.

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Wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausführt, setzen die den Abwassereinleiter begünstigenden Regelungen in § 6 Abs. 1 und in § 6 Abs. 4 AbwV also an unterschiedlichen Phänomenen bzw. Zwangsläufigkeiten von Abwasserbehandlungsvorgängen an und verfolgen hieran anknüpfend jeweils unterschiedliche Zielsetzungen. Dies spricht aber - wie die Revision zutreffend darlegt - gerade dafür, die beiden Regelungen gemäß ihrem eigenen Regelungsgehalt getrennt und nicht kombiniert zu prüfen.

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Dafür spricht auch die Systematik der Verordnung. In § 6 AbwV sind drei Einhaltensfiktionen zusammengefasst. Vorangestellt ist in Absatz 1 die allgemeine, für alle Schadstoff-Parameter geltende Einhaltensfiktion. In den Absätzen 3 und 4 befinden sich dann Einhaltensfiktionen für spezielle Parameter, nämlich in Absatz 3 für CSB und in Absatz 4 für Fischeigiftigkeit. Die Absätze 3 und 4 enthalten damit Fiktionen für ganz bestimmte Fallgestaltungen und nur für diese.

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Insbesondere widerspricht die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aber Sinn und Zweck des § 6 Abs. 4 AbwV. Die Verbindung der Privilegierung der Satzfracht in § 6 Abs. 4 AbwV mit der "Ausreißerregelung" in § 6 Abs. 1 AbwV ist sachlich nicht gerechtfertigt; sie führt zu überschießenden Ergebnissen, die dem Anliegen des Gewässerschutzes zuwiderlaufen. Wenn man der Auslegung des Berufungsgerichts folgen würde, dürfte der Anteil der sonstigen fischeischädlichen Substanzen im Abwasser umso höher sein, je mehr Sulfat und Chlorid sich im Abwasser befinden. Der Anteil an Substanzen, die Fischeier schädigen, könnte danach unbegrenzt hoch sein, solange eine entsprechend hohe Salzfracht im Abwasser vorhanden ist. Eine solche Auslegung ist mit den Zielen des Gewässerschutzes (vgl. u.a. §§ 1 und 6 WHG) nicht vereinbar. Die Einleitung von Sulfat und Chlorid in Gewässer ist nicht erwünscht. Sie erhöht die Giftigkeit des Abwassers gegenüber Fischeiern und wird allein aus den oben genannten Gründen gemäß § 6 Abs. 4 AbwV "privilegiert". Damit wäre es nicht vereinbar, wenn umso mehr schädliche sonstige Inhaltsstoffe "mit entsorgt" werden dürften, je mehr Sulfat und Chlorid eingeleitet wird. Überdies würden Abgabepflichtige ohne sachlichen Grund hier weit mehr begünstigt als bei anderen Parametern. Bei allen anderen Schadstoffen gilt ein Wert nicht mehr als eingehalten, wenn der gemessene Wert den festgesetzten Wert um mehr als 100 % übersteigt. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts könnte aber eine weit über 100 % hinausgehende - nicht durch Sulfat und Chlorid verursachte - Überschreitung des festgesetzten Wertes für Fischeigiftigkeit unbeachtlich bleiben.

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Die von § 6 Abs. 1 AbwV bezweckte Unbeachtlichkeit von Zufallsmessergebnissen geht - wie bereits dargelegt - bei der Salzfracht ins Leere. Insoweit bedarf es also keines Schutzes vor "Ausreißern". Bei den Messungen kann es folglich "Ausreißer" nur in Bezug auf andere fischeischädigende Abwasserfrachten geben. Der Einleiter solcher Stoffe würde dann aber in ungerechtfertigter Weise begünstigt, wenn bei der Bemessung der nach der "4-aus-5-Regelung" des § 6 Abs. 1 AbwV tolerierten Abweichung um 100 % nicht vom festgesetzten Überwachungswert, sondern vom salzkorrigierten Wert ausgegangen würde.

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Dass - wie die Klägerin vorträgt - der Gehalt des Abwassers an Sulfat und Chlorid vom Einleiter nicht durch eine gezielte Einsatzmengensteuerung beeinflusst werden kann, kann allenfalls dazu führen, dass - entgegen der Auffassung des Beklagten - durch die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung kein Anreiz geschaffen wird, den Einsatz von Sulfat und Chlorid zu steigern. Soweit die Klägerin geltend macht, die Anhänge der Abwasserverordnung und der Einleitungsbescheid enthielten auch Frachtbegrenzungen im Abwasser für Sulfat und Chlorid und fischeischädigende Inhaltsstoffe des Abwassers seien auch über andere Parameter der Abwasserverordnung erfasst, kann dies allenfalls die negativen Folgen der vom Oberverwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung für den Gewässerschutz verringern. Für das gefundene Auslegungsergebnis ist beides aber ohne Bedeutung.

31

2. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insoweit ist von den Beteiligten nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich.

32

3. Das Bundesverwaltungsgericht kann - mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen - nicht in der Sache selbst entscheiden. Die Klägerin hat auch geltend gemacht, der im Rahmen der staatlichen Überwachung am 2. August 2005 gemessene GEi-Wert von 12 sei wegen Fehlern bei der Analytik und Verstößen gegen die DIN-Vorschrift 38415-T6 nicht verwertbar. Das Oberverwaltungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequenterweise - ausdrücklich offengelassen, ob diese tatsächlichen Einwendungen der Klägerin zutreffen. Es wird dies nun prüfen müssen.