Entscheidungsdatum: 01.08.2011
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
I
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine Rechtsverordnung des Landratsamts über die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes zum Schutz des Grundwassers im Einzugsbereich der Wassergewinnungsanlage einer Gemeinde. Er machte geltend, dass die Wasserversorgung der Gemeinde durch eine schonendere und deshalb vorzugswürdige Alternative gesichert werden könne; denn die Nachbarstadt habe angeboten, über ihren Eigenbetrieb Wasserversorgung die Gemeinde mit ausreichend Wasser zu versorgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Festsetzung des Wasserschutzgebietes sei rechtmäßig. Gegen die Schutzwürdigkeit sowie die Schutzbedürftigkeit des im Einzugsgebiet der Brunnenanlage vorhandenen Wasservorkommens bestünden keine Bedenken. Das Grundwasser sei auch schutzfähig. Die rechtlich geschützten Interessen der Eigentümer der im Schutzgebiet belegenen Grundstücke würden nicht übermäßig beschränkt. Eine für die Betroffenen weniger belastende Alternativlösung, die auch für die betroffene Gemeinde zumutbar gewesen wäre, bestehe nicht. Die Annahme des Angebots der Nachbarstadt, die Gemeinde mit Trinkwasser zu versorgen, stelle keine vorzugswürdige Alternative zur Trinkwasserversorgung über den gemeindeeigenen Brunnen dar. Zum einen seien die Wasserentnahmemengen aus dem städtischen Brunnen rechtlich nicht gesichert. Denn hierfür lägen wasserrechtliche Genehmigungen nicht vor, so dass nicht verbindlich feststehe, welche Wassermengen in zulässiger Weise auf Dauer gefördert werden könnten. Die Wasserentnahme im derzeitigen Umfang werde nur geduldet, so dass deren Größenordnung lediglich abschätzbar sei. Zum anderen verfüge die Stadt auch nicht über ein ausreichendes Wasserdargebot, um die Trinkwasserversorgung beider Kommunen dauerhaft zu gewährleisten. Insbesondere komme es entscheidend darauf an, welche Wassermenge gefördert werden könne, ohne andere Schutzgüter, insbesondere die Umwelt, zu beeinträchtigen. Schließlich habe das Landratsamt einer Trinkwasserversorgung der Gemeinde durch die Stadt auch deshalb nicht den Vorzug geben müssen, weil die Gemeinde über zwei Brunnen verfüge, die einwandfrei arbeiteten und qualitativ hochwertiges Trinkwasser lieferten. Denn eine bestehende Anlage der öffentlichen Wasserversorgung könne im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nur dann grundsätzlich infrage gestellt werden, wenn das Festhalten an der vorhandenen Brunnenanlage aus Sicht einer - auch wirtschaftlich - sinnvoll handelnden Gemeinde nicht in Betracht zu ziehen sei. Das sei hier nicht der Fall.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers zu 1.
II
Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag im Rahmen der Prüfung der Schutzfähigkeit des Grundwasservorkommens mit drei selbstständig tragenden Erwägungen abgewiesen. Bei einer solchen Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 9. März 1982 - BVerwG 7 B 40.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 209, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt, indem er die Abweisung des Antrags damit begründet hat, dass die Wasserversorgung durch die Nachbarstadt mangels rechtlicher Sicherung der erforderlichen Wasserentnahmemengen keine vorzugswürdige Alternative sei. Eine dem rechtlichen Gehör zuwiderlaufende unzulässige Überraschungsentscheidung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit welcher die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten (vgl. etwa Urteil vom 27. Januar 2011 - BVerwG 7 C 3.10 - NVwZ 2011, 696 = juris Rn. 11, Beschluss vom 17. März 2011 - BVerwG 7 B 61.10 - ZNER 2011, 348 = juris Rn. 30, jeweils m.w.N.). Das Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Bewertung des Prozessstoffs hinweisen, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung. Die besonderen Umstände eines konkreten Falles können indes eine andere Beurteilung gebieten. Für eine solche Ausnahmesituation ist hier aber nichts ersichtlich.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift ist in der mündlichen Verhandlung die Tatsache angesprochen worden, dass für die Brunnen der Nachbarstadt die erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigungen (noch) nicht vorliegen und die Wasserentnahmemengen (derzeit) lediglich geduldet werden. Dieser Umstand mag zwar zunächst vor dem Hintergrund des Streits um den tatsächlichen Umfang des in die Überlegungen einzustellenden Wasserdargebots ins Verfahren eingeführt worden sein. Der Schritt, aus diesen Unsicherheiten bei der Bemessung des Wasserdargebots die vom Verwaltungsgerichtshof gezogenen rechtlichen Forderungen zu ziehen, liegt jedenfalls nicht fern. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 7. Dezember 2009 - 3 S 170/07 - von der Schutzwürdigkeit und Schutzfähigkeit der Wasservorkommen ausgegangen ist, die für die vorhandenen städtischen Wasserversorgungsanlagen benötigt werden. Denn deren Bestand als solcher wird nicht als ungesichert angesehen, sondern lediglich die Wasserentnahmemengen insbesondere in ihrer „freien Spitze“, die nicht für die Eigenversorgung der Stadt benötigt werden, sondern gegebenenfalls zur Gewährleistung der Wasserversorgung benachbarter Gemeinden herangezogen werden könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.