Entscheidungsdatum: 29.11.2010
Es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Vereinbarkeit von § 14 Abs. 2 WaStrG mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines in unmittelbarer Nähe der Unterems gelegenen Anwesens. Die Beklagte plant den bereichsweisen Ausbau dieser Bundeswasserstraße, um die Überführung großer Werftschiffe ab Papenburg zu optimieren. Das im April 2007 eingeleitete Planfeststellungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Auf Antrag der Beigeladenen ordnete die Wasser- und Schifffahrtsdirektion als vorgezogene Teilmaßnahme nach § 14 Abs. 2 WaStrG den Umbau einer Brücke sowie die Verlegung und Ausweitung der Fahrrinne im Bereich dieser und einer anderen Brücke an. Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers, der weitere Schäden an seinem Anwesen durch nach seiner Ansicht auf die gesamten Ausbaumaßnahmen zurückzuführende Bodenversackungen befürchtet, hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen und hierzu ausgeführt: Die genehmigten Teilmaßnahmen verletzten die Rechte des Klägers nicht. Sie hätten ausweislich der vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen keine nachweisbaren nachteiligen Wirkungen auf das Grundstück. Auch hätten sie keine wesentlichen Veränderungen des Wasserstands oder der Strömungsverhältnisse zur Folge. Da ein Eingriff in die Rechte des Klägers nicht vorliege, sei unerheblich, ob die Maßnahmen wieder rückgängig gemacht werden könnten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob § 14 Abs. 2 WaStrG mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens um feststellen, dass der Senat sich von der Verfassungswidrigkeit der Norm als Voraussetzung für die vom Kläger erstrebte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht wird überzeugen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2008 - 2 BvL 4/05 - BVerfGE 121, 108 <117>; siehe auch Beschluss vom 17. Januar 2003 - BVerwG 5 B 261.02 - Buchholz 436.61 § 62 SchwbG Nr. 1). Vielmehr bestehen auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens angesichts der vorliegenden Rechtsprechung schon keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 14 Abs. 2 WaStrG.
Die Verfassungsnorm des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den Rechtsweg, wenn jemand behauptet, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Sie gewährleistet indes nicht selbst den sachlichen Bestand oder Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt mithin subjektive Rechte voraus und begründet sie nicht (vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. September 2010 - 2 BvR 2349/08 - juris Rn. 34 m.w.N.). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert dabei nicht nur das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes, d.h. eine tatsächlich wirksame und möglichst lückenlose gerichtliche Kontrolle. Hieraus ergibt sich das Gebot, dass insbesondere irreparable Folgen hoheitlicher belastender Maßnahmen durch die Schaffung vollendeter Tatsachen so weit wie möglich vermieden werden. Dies ist vor allem, aber nicht nur bei der Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes (siehe hierzu zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Oktober 2010 - 2 BvR 1710/10 - juris Rn. 17 m.w.N.), sondern auch bei der Stufung von Verwaltungsverfahren und deren gerichtlicher Kontrolle von Bedeutung (vgl. dazu etwa Schenke, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 749 ff.; Ibler, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 290 ff.; siehe auch Stüer/Hermanns, DÖV 1999, 58 <59 f.>).
Hiernach begegnet die Vorschrift des § 14 Abs. 2 WaStrG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WaStrG kann nach Einleitung des Planfeststellungsverfahrens eine vorläufige Anordnung, in der Teilmaßnahmen zum Neubau oder Ausbau einer Bundeswasserstraße festgesetzt werden, dann erlassen werden, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit den alsbaldigen Beginn der Arbeiten erfordern und die nach § 74 Abs. 2 VwVfG und nach § 14b Nr. 6 WaStrG zu berücksichtigenden Interessen gewahrt werden. Diese Entscheidung, in die demnach nachteilige Wirkungen auf Rechte anderer eingestellt werden müssen, erfordert in gleicher Weise wie die Planfeststellung, auf die sie bezogen ist (§ 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG), eine planerische Abwägung (vgl. Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 14 Rn. 55). Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich der vorläufigen Anordnung insoweit beschränkt, als sie nach § 14 Abs. 2 Satz 4 WaStrG nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Wasserstandes oder der Strömungsverhältnisse berechtigt. Aus § 14 Abs. 2 Satz 7 WaStrG folgt, dass die zuzulassenden Teilmaßnahmen so beschaffen sein müssen, dass sie wieder rückgängig gemacht werden können (vgl. Friesecke a.a.O. § 14 Rn. 62). Der von einer vorläufigen Anordnung in seinen Rechten Betroffene kann diese gerichtlich - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - überprüfen lassen. Soweit diese Kontrolle nicht als allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle ausgestaltet, sondern auf die Verletzung eigener Belange beschränkt ist, folgt dies bei einem Betroffenen, dessen Grundstück nicht unmittelbar und somit mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung in Anspruch genommen wird und insoweit nur mittelbar betroffen ist, aus dem in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG normierten Schutz subjektiver Rechte (vgl. nur Urteile vom 18. März 1983 - BVerwG 4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74 <76 f.> = Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nr. 31 und vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 <99> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 25) .
Eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie ist auch nicht deswegen gegeben, weil das Gesetz eine günstige Prognose hinsichtlich des Gesamtvorhabens als Voraussetzung der vorläufigen Anordnung nicht verlangt (vgl. Friesecke a.a.O. § 14 Rn. 63). Denn der Betroffene kann Rechtsverletzungen, die erst durch die Verwirklichung des Gesamtvorhabens zu besorgen sind, im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des abschließenden Planfeststellungsbeschlusses geltend machen. Diese Rechtsschutzmöglichkeit wird nicht etwa dann entwertet, wenn Teilmaßnahmen - entgegen der gesetzlichen Bestimmung des § 14 Abs. 2 Satz 7 WaStrG - im Falle eines Obsiegens nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Denn gegen die Auswirkungen dieser Teilmaßnahmen kann sich der Betroffene wie ausgeführt - allerdings in den durch das Erfordernis der subjektiven Rechtsverletzung gezogenen Grenzen - zuvor gerichtlich zur Wehr setzen.