Entscheidungsdatum: 07.03.2016
I
Die Beklagte betreibt bundesweit ein duales System zur flächendeckenden Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen. Die klagende Stadt M. betreibt über einen Eigenbetrieb in ihrem Stadtgebiet Einrichtungen zur Entsorgung von Papier, Pappe und Karton (PPK); sie stellt Sammelbehälter zur Verfügung und organisiert deren Leerung sowie die Verwertung der PPK-Fraktionen. Über die Sammelbehälter werden auch die im System der Beklagten lizenzierten Verkaufsverpackungen erfasst und verwertet. Die Beklagte zahlte der Klägerin hierfür auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen bis einschließlich 2007 eine monatliche Vergütung; für 2008 und die nachfolgenden Zeiträume konnten die Beteiligten keine Einigung erzielen.
Die Klägerin erhob daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht, die im Hauptantrag auf Zahlung von 174 250,24 € nebst Zinsen für die Monate Juli bis September 2008 als angemessenes Entgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 bzw. als Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 gerichtet ist. Hinsichtlich der Ansprüche auf Aufwendungs- und Schadensersatz rügte die Beklagte die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs. Das Verwaltungsgericht erachtete den Verwaltungsrechtsweg ohne Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG insgesamt als zulässig und gab der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 109 017,06 € als Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag statt.
Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 2. November 2015 festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg insgesamt zulässig sei. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Beschwerde der Beklagten.
II
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 17a Abs. 5 GVG hier hinsichtlich der Ansprüche auf Aufwendungs- und Schadensersatz nicht anwendbar ist und es deshalb insoweit zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges berufen war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 7 B 198.93 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268). Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Verwaltungsrechtsweg auch eröffnet ist, soweit die Klägerin Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag begehrt (1). Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist die Beschwerde dagegen unbegründet (2). Eine Abtrennung und Verweisung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag an das Landgericht K. scheidet im derzeitigen Verfahrensstand aus (3).
1. a) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts lässt sich die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für den Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht auf § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG stützen. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten; ihm fällt damit eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz zu. Dies setzt indes voraus, dass Gegenstand des Verfahrens ein einheitlicher Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs ist (BGH, Beschluss vom 27. November 2013 - III ZB 59/13 - BGHZ 199, 159 Rn. 14). Daran fehlt es hier. Der Anspruch auf Mitbenutzung gegen angemessenes Entgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 8 der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung - VerpackV 1998) i.d.F. vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379) und der Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB) stellen keinen einheitlichen Streitgegenstand dar.
Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2014 - 9 B 63.13 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 8 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 27. November 2013 - III ZB 59/13 - BGHZ 199, 159 Rn. 16). Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus; zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Das ist dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn er nach mehreren Anspruchsgrundlagen einer je eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Erfasst werden alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten lassen (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2012 - I ZR 230/11 - BGHZ 194, 314 Rn. 19 und vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11 - NJW 2013, 540 Rn. 14). Bei gleichem Antrag liegt eine Mehrheit von Streitgegenständen dagegen dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11 - BGHZ 194, 314 Rn. 19; Beschluss vom 27. November 2013 - III ZB 59/13 - BGHZ 199, 159 Rn. 17 m.w.N.).
Das ist hier angesichts der funktionellen und strukturellen Unterschiede zwischen den Ansprüchen aus § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 und Geschäftsführung ohne Auftrag der Fall. Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen aus Geschäftsführung ohne Auftrag stellt gegenüber der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 nicht lediglich einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt dar, sondern betrifft einen davon verschiedenen Klagegrund (so auch OLG Köln, Urteil vom 12. Juni 2007 - 24 U 4/06 - juris Rn. 27; BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - III ZR 196/07 - juris Rn. 2). Zudem sind beide Anspruchsgrundlagen auf je verschiedene Rechtsfolgen gerichtet.
Nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 können die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Übernahme oder Mitbenutzung der Einrichtungen, die für die Sammlung und Sortierung von Materialien der im Anhang zur Verpackungsverordnung genannten Art erforderlich sind, gegen ein angemessenes Entgelt verlangen. Die Vorschrift vermittelt dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für den Fall, dass Mitbenutzung und Entgelt nicht einvernehmlich geregelt werden, einen Mitbenutzungs- und Entgeltanspruch gegen den Systembetreiber. Ein hierauf gestütztes Rechtsschutzbegehren hat nicht nur die vergangene und gegenwärtige, sondern auch die zukünftige Ausgestaltung des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses zum Gegenstand. Das gilt sowohl für die Pflicht des Systembetreibers zur Mitbenutzung bestimmter Entsorgungseinrichtungen als auch für die Bestimmung des dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dafür zu leistenden angemessenen Entgelts. Das hat der Senat zu § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV 2008 i.d.F. vom 2. April 2008 mit Urteil vom 26. März 2015 - 7 C 17.12 [ECLI:DE:BVerwG:2015:260315U7C17.12.0] - (BVerwGE 152, 1 Rn. 17, 27) entschieden; für § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 gilt nichts anderes. Auf die in § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 vorgesehene Rechtsfolge ist der in Rede stehende Hauptantrag, mit dem die Klägerin im Wege der Leistungsklage eine Einmalzahlung für die Monate Juli bis September 2008 begehrt, nicht gerichtet; hierauf zielen vielmehr nur die in der Klage- und Berufungsbegründung als Hilfsanträge aufgeführten Feststellungsanträge ab.
Der Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag knüpft demgegenüber gerade daran an, dass die Mitbenutzung bestimmter Einrichtungen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers und das dafür angemessene Entgelt weder konsensual noch durch gerichtliche Entscheidung geregelt worden sind, die Klägerin die bei der Beklagten lizenzierten Verkaufsverpackungen aber gleichwohl miterfasst und entsorgt hat. Das Rechtsschutzbegehren zielt insoweit auf den Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen, die - anders als das angemessene Entgelt - regelmäßig erst nach Abschluss des Geschäfts bestimmbar sind und sich nach anderen Faktoren bemessen.
Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts und der Klägerin lag den oben genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln und des Bundesgerichtshofs keine abweichende Sachverhaltsgestaltung zugrunde. Namentlich ging es nicht nur um die Geltendmachung von Drittkosten, sondern um die Erstattung der Kosten, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für das von ihm bzw. durch die von ihm beauftragten Subunternehmer durchgeführte Sammeln und Entsorgen von Verpackungsabfällen entstanden sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12. Juni 2007 - 24 U 4/06 - juris Rn. 27; BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - III ZR 196/07 - juris Rn. 2). Das Oberlandesgericht hätte daher, wenn es davon ausgegangen wäre, dass der Anspruch auf Mitbenutzung gegen angemessenes Entgelt nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 und der Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag einen einheitlichen Streitgegenstand darstellen, den Anspruch nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 ebenfalls prüfen müssen.
b) Der Verwaltungsrechtsweg ist für den Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag auch nicht deshalb eröffnet, weil es sich insoweit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelte.
Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag kommt es nicht auf die Rechtsnatur der vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen, sondern darauf an, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn selbst ausgeführt worden wäre (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 62/14 - VersR 2016, 209 Rn. 10 f.; Wysk, VwGO, 1. Aufl. 2011, § 40 Rn. 141; kritisch Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 40 Rn. 450).
Daran gemessen ist hier von einer privatrechtlichen Geschäftsführung auszugehen. Mit den Regelungen in der Verpackungsverordnung hat der Verordnungsgeber die Aufgabe, gebrauchte Verkaufsverpackungen zu entsorgen, aus dem Bereich der öffentlichen Abfallentsorgung herausgenommen und auf die beteiligten Hersteller und Vertreiber übertragen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2015 - V ZR 240/14 - MDR 2016, 11 Rn. 17). Die Entsorgungsverpflichtungen der Beklagten beruhen auf privatrechtlichen Vereinbarungen, die sie mit den Herstellern und Vertreibern der Verkaufsverpackungen geschlossen hat, um diese von ihren Rücknahme- und Verwertungspflichten (vgl. § 6 Abs. 1 VerpackV) freizustellen. Ist das Entsorgungsgeschäft der Beklagten mithin privatrechtlicher Natur, trifft dies auch auf die Ausführung der Entsorgungsaufgaben der Beklagten durch die Klägerin zu (vgl. auch VGH München, Beschluss vom 24. August 2006 - 23 C 06.1986 - juris Rn. 4; LG Köln, Urteil vom 20. April 2012 - 7 O 146/11 - juris).
Aus dem Vorbringen der Klägerin, die von ihr übernommene Entsorgung der bei der Beklagten lizenzierten Verkaufsverpackungen beruhe nicht auf Vertrag, sondern auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VerpackV 1998, folgt nichts anderes. Die Vorschrift verpflichtet den Systembetreiber dazu, die in sein System eingebrachten Verpackungen im Einklang mit den übrigen Vorschriften der Verpackungsverordnung zu verwerten. Sie ändert aber nichts daran, dass die Pflichten der Systembetreiber im jeweiligen Einzelfall durch vertragliche Vereinbarungen mit den Herstellern/Vertreibern begründet werden.
2. Für den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen ihre Pflichten aus § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 ist der Verwaltungsrechtsweg schon nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, weil es sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 VwGO, wonach für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, die ordentlichen Gerichte zuständig sind, greift nicht ein. Sie erfasst nur Schadensersatzansprüche des Bürgers gegen den Staat (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 40 Rn. 116; Wysk, VwGO, 1. Aufl. 2011, § 40 Rn. 143 f.).
In der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 26. März 2015 - 7 C 17.12 - BVerwGE 152, 1 Rn. 27) ist geklärt, dass § 6 Abs. 4 Satz 5 VerpackV 2008 eine Pflicht des Systembetreibers zur Mitbenutzung bestimmter Einrichtungen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegen angemessenes Entgelt regelt und das dadurch zwischen Systembetreiber und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger begründete Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur ist. Für die von der Klägerin als verletzt gerügte Mitbenutzungspflicht aus § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV 1998 gilt nichts anderes.
3. Von einer Abtrennung des Anspruchs auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag und Verweisung an das Landgericht K. sieht der Senat ab. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2009 (Bl. 279 GA) klargestellt, dass sie diesen Anspruch für den Fall, dass das Gericht ihn als eigenen Streitgegenstand betrachtet, nach § 88 VwGO als echten Hilfsantrag verstanden wissen will, über dessen Verweisung daher erst bei Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Hauptantrages sowie der weiteren, vorgehenden Hilfsanträge gemäß Klagebegründung vom 17. April 2009 und Berufungsbegründung vom 22. November 2012 zu entscheiden wäre. Dabei handelt es sich um eine zulässige innerprozessuale Bedingung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 Rn. 38).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Das Beschwerdegericht hat über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG eine eigene Kostenentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 2012 - 7 B 5.12 - juris Rn. 7 und vom 12. April 2013 - 9 B 37.12 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 308 Rn. 12).