Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 29.07.2010


BVerwG 29.07.2010 - 7 B 42/10

Entwässerungssatzung; Schadstoffbefrachtung des Abwassers mit Phosphatverbindungen durch Industrieabwasser; Grenzwertfestsetzung für Phosphat durch Gemeinde


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
29.07.2010
Aktenzeichen:
7 B 42/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 23. März 2010, Az: 4 B 06.1885, Urteil

Gründe

I.

1

Die Klägerin, ein Betrieb der Galvanotechnik, wendet sich gegen eine Beschränkung der Einleitung phosphorhaltigen Abwassers in die Kanalisation der beklagten Gemeinde.

2

Die Beklagte betreibt eine öffentliche Entwässerungsanlage. Sie ist Mitglied eines Abwasserverbandes, der das in die Kanalisation der Beklagten eingeleitete Abwasser in seiner Kläranlage behandelt und anschließend in den Main einleitet. Die dem Abwasserverband hierfür erteilte gehobene wasserrechtliche Erlaubnis legt u.a. einen Grenzwert von 2 mg/l für Phosphor gesamt (PGes) für die Einleitung fest. In der Kläranlage wurde im April 2003 eine deutlich erhöhte Zulaufbelastung für Phosphor festgestellt, die trotz versuchter Gegenmaßnahmen eine Überschreitung des in der Erlaubnis festgelegten Grenzwerts zur Folge hatte. Durch Rückverfolgung der verschiedenen Abwasserteilströme im Entwässerungsnetz wurde die Klägerin als Verursacherin der stark erhöhten Werte ermittelt. Mit einem - auf die gemeindliche Entwässerungssatzung gestützten - Bescheid untersagte daraufhin die Beklagte der Klägerin, phosphorhaltiges Abwasser in die Ortskanalisation einzuleiten, soweit ein Wert von 50 mg/l und nach einer Übergangsfrist von 15 mg/l überschritten wird.

3

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils - den Bescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als dort die Einhaltung eines Grenzwerts von weniger als 17 mg/l für Phosphorverbindungen verlangt wird. Im Übrigen hat er die Berufung zurückgewiesen und die Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt der Klägerin auferlegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II.

4

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob sie dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt. Jedenfalls liegt kein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) vor.

5

1. Ob die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung:

6

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist.

7

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,

inwieweit eine Behörde bei der Ermittlung eines Grenzwerts ausschließlich auf theoretische Berechnungen abstellen kann, wenn dieser zugleich umfangreiche Daten zur Verfügung stehen, die die vorgenommene rein theoretische Berechnung ad absurdum führen.

8

Der Verwaltungsgerichtshof ist in diesem Zusammenhang auf den Einzelfall bezogen davon ausgegangen, dass die zu hohe Schadstoffbefrachtung des der Verbandskläranlage zugeführten Abwassers mit Phosphatverbindungen auf die Produktionsabwässer aus dem Betrieb der Klägerin - namentlich auf die dortige hohe Phosphorzulaufbelastung - zurückzuführen ist. Auch unter Berücksichtigung dieser im Einzelfall jeweils unterschiedlich hohen Zuleitung von Schadstoffen, und zwar sowohl hinsichtlich der Abwassermenge wie auch hinsichtlich der schwankenden Schadstoffbelastung, war die Beklagte in Ausübung ihres Organisationsermessens und somit aus Rechtsgründen nicht gehindert, einen einheitlichen Einleitungsgrenzwert für Phosphatverbindungen festzusetzen und zwar auch im Wege einer Rückrechnung vom vorgegebenen maximalen Ablaufwert der Verbandskläranlage. Dass dieser vom Ingenieurbüro J. durchgeführte Rechenvorgang mit dem Ziel der Einhaltung des maximalen Ablaufwertes der Verbandskläranlage von 2 mg/l PGes die Einhaltung eines Einleitungsgrenzwertes von 17 mg/l für mit Phosphatverbindungen belastete Abwasserzuleitungen aus dem Betrieb der Klägerin bedingt, hat die Beschwerde das Rechenergebnis betreffend substantiiert nicht in Frage gestellt.

9

Wenn die Beschwerde für eine Einzelfallbetrachtung der Schadstoffableitungen aus dem klägerischen Betrieb die Berücksichtigung sämtlicher weiterer relevanter Faktoren fordert, übergeht sie ein der Beklagten insoweit zur Seite stehendes Handlungsermessen bei der Ausgestaltung ihrer Überwachungstätigkeit. Diese ist nicht gehalten, im Wege einer mit hohem Kostenaufwand verbundenen, aufwendigen Datenerhebung und einer wissenschaftlich abgesicherten Nachweisführung die der Entwässerungseinrichtung aus dem Betrieb der Klägerin zugeführte Schadfracht exakt zu ermitteln, die zudem stets Schwankungen unterliegen wird. Dies scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte zum sicheren Betrieb und zum Schutz ihrer kommunalen Einrichtung, aber auch zur Vermeidung drohender Abgaben bei Überschreiten des maximalen Schadfrachtwertes im Ablauf der Verbandskläranlage auf einfach handhabbare Konzentrationsgrenzwerte bzw. Einleitungsgrenzwerte (anstatt eines geforderten Frachtgrenzwertes) abstellen konnte, ohne die Klägerin dadurch in ihren Rechten zu verletzen.

10

2. Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das angegriffene Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Dem genügt die Beschwerde nicht.

11

Soweit es um Messungen nach dem Jahr 2003 geht, wird schon nicht eindeutig dargelegt, welche Tatsachen nach Meinung der Beschwerde ermittlungsbedürftig gewesen wären. Zunächst meint die Beschwerde, das Berufungsgericht hätte aufklären müssen, ob die Beklagte - wie von ihr vorgetragen - seit dem Jahr 2003 keine Messungen mehr durchgeführt habe. Andererseits rügt die Beschwerde, in dem Berufungsurteil werde ausgeführt, dass "keine Messergebnisse vorliegen, die über einen längeren Zeitraum rund um die Uhr kontinuierlich erhoben worden sind ...". Unklar bleibt daher, ob es ihr allgemein um Messergebnisse geht oder um Messergebnisse, die über einen längeren Zeitraum rund um die Uhr kontinuierlich erhoben worden sind. Ob bereits darin ein Darlegungsmangel liegt, kann jedoch dahinstehen. Jedenfalls hat die Klägerin - ausweislich der Sitzungsniederschrift - in der mündlichen Verhandlung am 10. März 2010 keinen Beweisantrag gestellt. Dass sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, obwohl sie von der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht beantragt worden war, wird lediglich behauptet aber nicht begründet. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht verletzt. Denn nach seiner materiellen Rechtsauffassung kam es erkennbar nicht darauf an, dass die Beklagte seit 2003 keine Messungen der Schadstoffbefrachtung des in ihrer Entwässerungseinrichtung geführten Abwassers mehr durchgeführt oder dass der Abwasserverband Untermain derartige Messungen bis in das Jahr 2010 vorgenommen hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat die Bildung und Festsetzung eines Grenzwertes von 17 mg/l für die Einleitung von Phosphatverbindungen im Abwasser des Betriebes der Klägerin bereits abstellend auf die Berechnungen im Gutachten des Ingenieurbüros J. für rechtmäßig erachtet, ohne dass es hierfür auf tatsächliche Messergebnisse ankommen würde.

12

Auch soweit die Beschwerde einwendet, das Berufungsgericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen und hierdurch darüber Beweis erheben müssen, welcher Grenzwert für das von der Klägerin eingeleitete Abwasser erforderlich sei, wird nicht dargelegt, wieso sich dem Verwaltungsgerichtshof ausgehend von seiner materiellen Rechtsauffassung trotz des Vorliegens mehrerer Gutachten eine von der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht beantragte Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Hierzu hätte umso mehr Anlass bestanden, als der Verwaltungsgerichtshof sich in der mündlichen Verhandlung und im Urteil ausführlich mit den von der Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros J. und den dagegen von der Klägerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. G. auseinandergesetzt hat.

13

3. Das Berufungsgericht hat die Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang der Klägerin auferlegt, seine Entscheidung insoweit auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO gestützt und dies wie folgt begründet: Die Klägerin habe deutlich gemacht, dass die Differenz zwischen 15 mg/l und 17 mg/l völlig unerheblich sei. Soweit die Beschwerde diese Kostenentscheidung angreift, wird einer der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründe weder ausdrücklich noch sinngemäß dargelegt. Auch zu einer Änderung der Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren besteht kein Anlass. Die Behauptung der Beschwerde, eine Erhöhung des Grenzwertes um 2 mg/l schlage sich unmittelbar auf die finanziellen Aufwendungen der Klägerin zur Einhaltung des Grenzwertes nieder, widerspricht den - insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils.