Entscheidungsdatum: 10.10.2017
I
Der Kläger wendet sich als Eigentümer einer Hofstelle gegen eine der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur erhöhten Entnahme von Grundwasser für den Betrieb ihrer Papier- und Kartonfabrik.
Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Bewilligung verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach der vom Beklagten ordnungsgemäß durchgeführten Vorprüfung habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurft. Der Kläger könne sich nur auf einen Verstoß gegen drittschützende Vorschriften berufen. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung lägen vor und es stünden keine Versagungsgründe entgegen. Die vom Kläger wegen der erhöhten Grundwasserentnahme befürchteten schädlichen Gewässerveränderungen seien nicht zu erwarten.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Klägers.
II
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in einem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2015 - 4 BN 29.14 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.
Die Frage,
ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Prüfung eines vom Kläger geltend gemachten Verstoßes gegen die Bewirtschaftungsziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) auf eigene Rechte des Klägers eine nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-243/15, Rn. 44) unzulässige Rechtsschutzverkürzung ist, da es nach den Ausführungen des EuGH für die gerichtliche Überprüfungsverpflichtung nicht darauf ankommt, ob die europarechtliche Vorschrift dem Schutz des Einzelnen oder dem Schutz der Umwelt dient,
lässt sich anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ohne Weiteres beantworten und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision.
Der Kläger kann als privater Grundstückseigentümer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Aufhebung der angefochtenen wasserrechtlichen Bewilligung - unbeschadet der in § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG geregelten Ausnahme - nur verlangen, soweit er dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Im Einklang hiermit hat das Oberverwaltungsgericht den vom Kläger geltend gemachten Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nach der Wasserrahmenrichtlinie in Form der Beeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung und einer möglichen Veränderung der Süß-/Salzwassergrenze sowie wegen unzulässigen natur- oder landschaftsschutzrechtlichen Eingriffs mangels nachweisbarer nachteiliger Auswirkungen der bewilligten Grundwasserentnahme auf die Rechte des Klägers als für den Erfolg der Klage unbeachtlich angesehen (UA S. 47 f.). Das steht nicht in Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben.
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist anerkannt, dass ein Mitgliedstaat, wenn er nach den Bestimmungen der Richtlinien 2011/92 und 2010/75 die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen Einzelner gegen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien fallen, von Voraussetzungen wie dem Erfordernis einer Verletzung von subjektiven Rechten abhängig machen kann, auch vorschreiben darf, dass die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung durch das zuständige Gericht die Verletzung eines subjektiven Rechts auf Seiten des Klägers voraussetzt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683] - Rn. 32 ff.). Aus der von der Beschwerde angeführten Entscheidung vom 8. November 2016 (C-243/15) [ECLI:EU:C:2016:838] ergibt sich nichts anderes. Denn sie bezieht sich allein auf die sowohl durch Art. 9 Abs. 2 des Aarhus-Übereinkommens (AK) als auch unionsrechtlich zwingend vorgegebene umfassende Rügebefugnis von Umweltvereinigungen (siehe Rn. 59 ff.)
2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Mit der geltend gemachten Aufklärungsrüge dringt der Kläger nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es - ungeachtet der in diesem Zusammenhang vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge - ein weiteres Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat.
Die Entscheidung darüber, ob ein - weiteres - Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann fehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines weiteren Gutachtens oder eines Obergutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter das Gutachten, auf das die behördliche Entscheidung gestützt ist, für unzutreffend hält und die Zweifel durch den Hinweis auf abweichende Gutachten fallbezogen konkretisiert sind. Vielmehr muss das Tatsachengericht zu der Überzeugung gelangen, dass die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit eines vorliegenden Gutachtens nicht gegeben sind. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Gutachten offen erkennbare Mängel enthält, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche aufweist, Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht oder es um besonders schwierige Fachfragen geht, die ein spezielles Fachwissen erfordern, das bei dem bisherigen Gutachter nicht vorhanden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 = juris Rn. 17, Beschlüsse vom 12. Oktober 2010 - 6 B 26.10 - Buchholz 448.0 § 8a WPflG Nr. 73 Rn. 5 und vom 15. Juli 2015 - 7 B 23.14 - juris Rn. 13).
Derartige Mängel des bei Erlass der angefochtenen Bewilligung und vom Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung - durch Verweis auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 42) - zugrunde gelegten hydrogeologischen Gutachtens von Dr. S. vom 15. April 2011 mit Ergänzungen (VG, UA S. 12 ff.) und den hierzu ergangenen Einschätzungen fachkundiger Dienststellen sind von der Beschwerde nicht dargelegt. Die Beschwerde stellt darauf ab, dass - entgegen den vorgenannten Gutachten und Stellungnahmen - nach der von ihr vorgelegten fachgutachterlichen Stellungnahme der UAB-Umweltprozesse und HMS vom 13. Januar 2015 kein kausaler Zusammenhang zwischen den aufgetretenen Bodenabsackungen und der dort praktizierten Drainagetätigkeit besteht. Die Mangelhaftigkeit der fachgutachterlichen Einschätzung, der das Oberverwaltungsgericht gefolgt ist, wird allein dadurch aber nicht dargelegt und deren Verwertbarkeit für die richterliche Überzeugungsbildung nicht erschüttert. Denn das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass die vom Kläger vorgelegte fachgutachterliche Stellungnahme ihrerseits mangelhaft ist, weil sie auf verschiedenen unzutreffenden Prämissen beruhe (UA S. 44). Hiergegen bringt der Kläger nichts vor.
Mit seinem Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die von ihm vorgelegten Gutachten nicht ausreichend gewürdigt und sich mit fachgutachterlichen Stellungnahmen nicht auseinandergesetzt, macht er eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatz geltend.
Ungeachtet dessen, dass sich das Oberverwaltungsgericht mit den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen auseinandergesetzt hat (UA S. 44 ff.), sind (angebliche) Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts, die dem Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO genügen müssen, regelmäßig dem sachlichen Recht zuzuordnen. Verfahrensrechtliche Bedeutung hat der Überzeugungsgrundsatz allerdings insoweit, als er Vorgaben enthält, die die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts als Vorgang steuern. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Hierzu gehören insbesondere die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, der Inhalt der vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Rahmen einer Beweiserhebung getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Bei der Würdigung des so umschriebenen Sach- und Streitstandes darf das Gericht nicht einzelne nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse ausblenden. Es darf demnach nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgehen, sondern muss die ihm vorliegenden Tatsachen umfassend würdigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4, vom 17. Mai 2011 - 8 B 88.10 - juris Rn. 6, vom 28. März 2012 - 8 B 76.11 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 76 Rn. 8 und vom 11. Juni 2014 - 5 B 19.14 - juris Rn. 23 f., jeweils m.w.N.). Eine Erweiterung dieser Tatsachengrundlage, wie vom Kläger gefordert, gebietet der Überzeugungsgrundsatz indessen nicht. In dieser Hinsicht werden die Anforderungen an das gerichtliche Verfahren allein von der Sachaufklärungspflicht bestimmt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2014 - 7 B 12.14 - juris Rn. 5).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.