Entscheidungsdatum: 20.05.2010
I.
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Einsicht in von der Beklagten geführte Akten. Nachdem diese die beantragte Aktenvorlage abgelehnt hatte, haben Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, ein entsprechender Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz (LIFG); er werde weder durch Vorschriften der Insolvenzordnung noch des Bürgerlichen Gesetzbuchs verdrängt (§ 4 Abs. 2 LIFG), ihm stünden auch nicht § 9 Abs. 1 Nr. 2 LIFG (- nachteilige Auswirkungen auf ein anhängiges Gerichtsverfahren -) oder § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG (- Schaden für die wirtschaftlichen Interessen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts -) entgegen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Soweit die Beschwerde die Fragen aufwirft,
ob der Antrag eines Insolvenzverwalters auf Auskunftserteilung über möglicherweise anfechtbare Rechtshandlungen gegenüber einem Sozialversicherungsträger nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 LIFG analog auch dann abzulehnen ist, wenn es ... um nachteilige Auswirkungen auf erst bevorstehende - statt "anhängige" - Gerichtsverfahren geht,
und
ob der entsprechende Antrag eines Insolvenzverwalters nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 LIFG wegen eines Schadens der wirtschaftlichen Interessen des Sozialversicherungsträgers auch abzulehnen ist, wenn es nicht um die Preisgabe von wettbewerbsrelevanten Daten in Bezug auf andere Krankenkassen geht, sondern um den erleichterten Entzug der vereinnahmten Beiträge zu Lasten der Sozialversicherung,
scheitert die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daran, dass sich das angefochtene Urteil zur Beantwortung dieser Fragen allein auf irrevisibles Landesrecht stützt. Irrevisible Fragen des Landesrechts sind aber in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Ohne Erfolg verweist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Danach sind zwar Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmen, revisibel. Abgesehen davon, dass schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten der Wortlaut des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz nicht mit den zitierten Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes übereinstimmt, sind die Informationsfreiheitsgesetze jedoch keine Verwaltungsverfahrensgesetze im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (Beschluss vom 1. November 2007 - BVerwG 7 B 37.07 - Buchholz 451.90 Sonstiges Europ. Recht Nr. 210 Rn. 6).
Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 6 LIFG auch nicht durch bundesrechtliche Normen gebunden gesehen (vgl. hierzu Urteil vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <342>), so dass sich auch nicht unter diesem Gesichtspunkt Fragen des revisiblen Rechts stellen.
2. Die weitere Frage,
ob Grundsätze und Regelungen der Zivilprozessordnung und der Insolvenzordnung den Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Auskunftserteilung über anfechtbare Rechtshandlungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern gemäß § 4 Abs. 2 LIFG ausschließen,
ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig.
Soweit sich das angefochtene Urteil mit § 4 Abs. 2 LIFG befasst, hat es - wie dargelegt - die Auslegung irrevisiblen Landesrechts zum Gegenstand. Revisionsgerichtlicher Überprüfung könnte allenfalls die Frage offen stehen, ob die Zivilprozessordnung oder die Insolvenzordnung als Bundesrecht den Auskunftsanspruch des Klägers im Sinne von § 4 Abs. 2 LIFG ausschließen. Nach den irrevisiblen Vorgaben des § 4 Abs. 2 LIFG in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht verdrängen die dort genannten "besonderen Rechtsvorschriften" den Informationsfreiheitsanspruch nur dann, wenn sie denselben sachlichen Regelungsgegenstand - nämlich Zugang zu amtlichen Informationen - haben und diesen identischen Sachverhalt abschließend regeln (vgl. Berufungsurteil S. 7).
Auf der Grundlage dieser den Senat bindenden Auslegung des § 4 Abs. 2 LIFG lässt sich die aufgeworfene Frage ohne Weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils beantworten. §§ 20, 97, 101 InsO sagen zur Auskunftspflicht der Insolvenzgläubiger gegenüber dem Insolvenzverwalter nichts aus; sie regeln jedenfalls in diesem Verhältnis den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ersichtlich nicht. Dass ein eventueller aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteter eingeschränkter Informationsanspruch den speziellen und im Einzelnen detailliert geregelten Anspruch auf Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen nicht verdrängt, ergibt sich - wie das Oberverwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat - schon aus dem unspezifischen Regelungsgehalt des § 242 BGB im Vergleich zu der speziellen gesetzlichen Abwägung der Interessen in den Informationsfreiheitsgesetzen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass ein eventueller, aus Treu und Glauben resultierender Informationsanspruch als abschließende Regelung zu verstehen sein sollte und damit weitergehende sich aus den ausdifferenzierten Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes ergebende Ansprüche ausschließen sollte. Im Übrigen besteht - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Informationsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 LIFG "unabhängig davon, aus welchem Interesse der Kläger diesen geltend macht" (Berufungsurteil S. 6). Das Oberverwaltungsgericht verweist insoweit zu Recht darauf, dass gemäß § 4 Abs. 1 LIFG auch jede natürliche Person einen Auskunftsanspruch hat, der Kläger also die streitige Information als Privatperson ohne Weiteres beanspruchen kann.