Entscheidungsdatum: 14.01.2016
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Februar 2015 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 € festgesetzt.
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine nachträgliche Anordnung zur Einhausung einer Kompostierungsanlage. Nach der zugrunde liegenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. Oktober 1995 wird das Verfahren der offenen Mietenkompostierung mit anschließender Nachrotte angewandt. Die bei einer jährlichen Durchsatzleistung von 80 000 t zur Herstellung zu verwendenden Ausgangsstoffe - kommunaler Klärschlamm einerseits und geschredderte Holz- und Grünabfälle andererseits - werden vor dem Kompostierungsprozess im Verhältnis 1 zu 2 gemischt. Gegen den angefochtenen Bescheid wandte die Klägerin u.a. ein, dass eine atypische Sachverhaltskonstellation vorliege. Nachdem das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hatte, verzichtete die Klägerin im Berufungsverfahren auf 50 % der ursprünglich genehmigten Durchsatzleistung und auf die Annahme von Abfällen bestimmter Abfallschlüsselnummern und verpflichtete sich, bei Schlämmen aus der Behandlung von kommunalem Abwasser und bei den biologisch abbaubaren Abfällen ausschließlich geruchsarme Stoffe anzunehmen, so insbesondere "Klärschlamm, aerob oder anaerob behandelt, stabilisiert und entwässert". Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Anordnung sei zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG weiterhin erforderlich. Auch nach Abgabe der Verzichtserklärung liege keine atypische Fallgestaltung vor, die trotz Überschreitung einer Durchsatzleistung von 10 000 t/a bei Würdigung der für die Geruchsemissionen bedeutsamen Umstände eine Abweichung von Nummer 5.4.8.5 Abs. 2 Buchst. c Satz 3 TA Luft rechtfertige.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
Die auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Mit der geltend gemachten Aufklärungsrüge dringt die Klägerin nicht durch.
Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2013 - 7 B 46.12 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei hat das Tatsachengericht grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob es selbst über die für die Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts erforderliche Sachkunde verfügt. Dieses Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Dezember 1979 - 7 B 136.79 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 123 S. 25 und vom 13. Januar 2009 - 9 B 64.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 372 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Die Aufklärungspflicht ist auch dann verletzt, wenn das Gericht sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne darzulegen, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die Entscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Mai 2014 - 7 B 3.14 - juris Rn. 19 und vom 30. Juni 2015 - 3 B 47.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:300615B3B47.14.0] - juris Rn. 33).
Auf diese Grundsätze beruft sich die Klägerin ohne Erfolg. Aus ihrem Beschwerdevorbringen folgt nicht, dass das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer atypischen Situation bei der Bewertung der Einsatzstoffe ein Sachverständigengutachten zu der Frage hätte einholen müssen, ob ein Einsatz anderer Abfälle zu einer weiteren - über die Behandlung des Klärschlamms hinausgehenden - Reduzierung der Geruchsemissionen führt.
Denn für das Oberverwaltungsgericht kam es nicht auf die Geruchsemissionen an, die nach der Beimischung anderer Abfälle entstehen. Das Oberverwaltungsgericht geht vielmehr von einer typisierenden Betrachtungsweise aus und stellt dabei allein darauf ab, ob die verschiedenen Einsatzstoffe jeweils für sich genommen typischerweise keine oder nur unerhebliche Geruchsemissionen verursachen. Aus der materiell-rechtlichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts ist nur das "Geruchspotenzial" der Einsatzstoffe, nicht dasjenige des - aus der Vermengung mit anderen Stoffen, namentlich Holz- und Grünschnittabfällen entstehenden - Abfallgemisches maßgeblich, so dass es hinsichtlich des letzteren auch nicht der von der Beschwerde vermissten weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurfte.
Das Vorbringen der Beschwerde, es fehle in dem Berufungsurteil an einer nachvollziehbaren Darlegung zur Art und Beschaffenheit von in Vergleichsanlagen üblicherweise zum Einsatz kommenden Stoffen, führt ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht die Voraussetzungen einer atypischen Situation zunächst dahingehend umschrieben, dass die Stoffe, die in der Anlage der Klägerin zum Einsatz kommen, im Vergleich zu üblicherweise zum Einsatz kommenden Stoffen besonders geruchsarm sein müssten (UA S. 15). Wie sich aber aus den unmittelbar anschließenden Ausführungen in dem Berufungsurteil (UA S. 16) ergibt, liegt der Entscheidung insoweit die bereits dargestellte typisierende Betrachtungsweise zugrunde. In diesem Rahmen hat das Oberverwaltungsgericht allein die "aerob oder anaerob behandelten, stabilisierten und entwässerten Klärschlämme", die nach der Verzichterklärung vom 22. September 2014 von der der Klägerin erteilten Genehmigung erfasst werden, in den Blick genommen und ist zu der Auffassung gelangt, dass dieser Genehmigungsinhalt nicht den Schluss zulasse, in der Anlage der Klägerin würden nur besonders geruchsarme Einsatzstoffe verwendet. Maßgeblich für das Oberverwaltungsgericht war im Rahmen seiner typisierenden Betrachtungsweise daher nur der Regelungsgehalt der der Klägerin erteilten Genehmigung unter Berücksichtigung der Verzichterklärung. Von diesem materiell-rechtlichen Ausgangspunkt aus bedurfte es keiner näheren Aufklärung der konkreten Geruchsemissionen der in anderen Anlagen verarbeiteten Abfälle.
Ist schon die von der Klägerin vermisste Sachaufklärung nicht erforderlich, kommt es auf das weitere Vorbringen zur vermeintlich fehlenden Sachkunde des Oberverwaltungsgerichts zu Würdigung und Bewertung der betreffenden Sachverhaltselemente nicht an. Im Übrigen ist auch nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass bei der Mietenkompostierung nicht stabilisierter Klärschlamm eingesetzt werden kann oder dies gar üblich ist mit der Folge, dass bereits der Einsatz von stabilisiertem Klärschlamm eine Sondersituation begründen könnte.
Schließlich wendet sich die Klägerin auch hinsichtlich der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu besonderen Maßnahmen zur Vermeidung von Geruchsemissionen letztlich gegen den angewandten materiell-rechtlichen Maßstab. Indem das Oberverwaltungsgericht auf den Stand der Technik verweist, wie er in den einschlägigen DIN-Normen seinen Niederschlag gefunden hat, legt es der Sache nach auch insoweit eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.