Entscheidungsdatum: 17.05.2011
Der Präsident eines Gerichts ist aufgrund seines gewohnheitsrechtlich anerkannten Hausrechts befugt, zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs (verhältnismäßige) Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen.
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vom beklagten Präsidenten des Landgerichts im Dezember 1997 anlässlich einer Strafverhandlung erlassenen Hausverfügung sowie der auf der Grundlage dieser Hausverfügung durchgeführten Einlasskontrollen und seiner Verweisung aus dem Dienstgebäude des Amtsgerichts Frankfurt/Oder. Der Kläger war seinerzeit als Rechtsreferendar der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt/Oder zur Ausbildung zugewiesen und wollte das Gerichtsgebäude im Rahmen der Ausbildung sowie zur Teilnahme an öffentlichen Sitzungen betreten.
Das Verwaltungsgericht - an das das Oberlandesgericht die Streitsache verwiesen hatte - stellte mit Urteil vom 23. November 2007 fest, dass die Klage wegen Nichtbetreibens des Verfahrens nach § 91 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zurückgenommen gelte. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Feststellung der (fiktiven) Rücknahme aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Hausverfügung gerichtete Klage sei mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses bereits unzulässig, weil es an der vom Kläger allein geltend gemachten Wiederholungsgefahr fehle. Abgesehen davon sei die Klage auch unbegründet. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hausverfügung. Soweit der Kläger sich gegen die Einzelmaßnahmen der Polizeibediensteten am Verhandlungstag wende (Ausweiskontrolle, Anordnung der Durchsuchung und Verweigerung des Zutritts zum Gebäude), fehle es ebenfalls am Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein schutzwürdiges Rehabilitations- oder ideelles Interesse könne nur bejaht werden, wenn abträgliche Nachwirkungen fortbestünden oder die Art des Eingriffs es erfordere, dem Betroffenen eine Art Genugtuung für eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu verschaffen. Eine solche Fallgestaltung liege hier nicht vor.
Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos.
Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1) noch wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2) oder eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen, soweit überhaupt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt, jedenfalls nicht vor.
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Eingangs der Beschwerdebegründung wird zwar als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfen, ob das Hausrecht des Gerichtspräsidenten die Befugnis umfasst, Ordnungsmaßnahmen zu treffen und eine geeignete Rechtsgrundlage für etwaige Eingriffe in die Rechte der Betroffenen darstellt. Es fehlt aber an tragfähigen Ausführungen dazu, warum diese Frage der grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Allein der Umstand, dass eine Rechtsfrage eine unabsehbare Vielzahl von Verfahren betrifft und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung. Inhaltlich erschöpft sich die Beschwerdebegründung insoweit im Wesentlichen darin, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts unter grundsätzlicher Verkennung des Unterschieds zwischen einer Nichtzulassungsbeschwerde und einer Revisionsbegründung nach Art einer Revisionsbegründung als fehlerhaft anzugreifen.
Abgesehen davon ist die vorgenannte Frage, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, im Sinne des vom Oberverwaltungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunktes zu beantworten. Der Präsident eines Gerichts ist aufgrund seines gewohnheitsrechtlich anerkannten Hausrechts befugt, zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs (verhältnismäßige) Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen. Das Hausrecht stellt insoweit die Grundlage für Eingriffe in die Rechte der von den Ordnungsmaßnahmen betroffenen Personen dar. Grenzen für die Ausübung des Hausrechts ergeben sich - auch dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 GVG) und den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden nach § 176 GVG (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Februar 2007 - 1 BvR 218/07 - NJW-RR 2007, 1053 ff. = juris Rn. 14). Zu weitergehenden Ausführungen gibt das Beschwerdevorbringen keinen Anlass. Dies gilt umso mehr, als die aufgeworfene Rechtsfrage sich in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich nur dann stellen würde, wenn man den Klageantrag zu 1 entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für zulässig hielte.
2. Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht sei von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - (BVerfGE 65, 1 ff.) abgewichen, greift nicht durch. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts (oder eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte) widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - = Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9, NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde entnimmt dem zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung den Rechtssatz, dass Grundrechtsbeschränkungen nach Art. 2 Abs. 1 GG einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage bedürfen, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (Rn. 151). Sie übersieht aber, dass dieser Rechtssatz sich nach dem Kontext, in dem er steht, offensichtlich auf Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bezieht, während es vorliegend um Eingriffe in die allgemeine, durch den Widmungszweck des Gerichtsgebäudes von vornherein beschränkte allgemeine Handlungsfreiheit geht.
3. Die geltend gemachten Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) und die Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO), sind nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger will sie darin erblicken, dass das Oberverwaltungsgericht
- die Klageanträge nicht differenziert zur Kenntnis genommen und erwogen habe (S. 4 und 13 der Beschwerdebegründung),
- sich mit seinem Vorbringen zur Herleitung sowie zu Inhalt und Umfang des Hausrechts nicht auseinander gesetzt habe (S. 7 der Beschwerdebegründung),
- die vermeintliche Zuständigkeit des Landgerichtspräsidenten zur Anordnung der in der Hausverfügung genannten Maßnahmen aus der wirtschaftlichen Einheit der Grundstücke hergeleitet habe (S. 10 der Beschwerdebegründung),
- sich mit seinem Vorbringen zu der aus dem Gesetzesvorbehalt folgenden Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung und zur Zuständigkeit des Spruchkörpervorsitzenden nach § 169 GVG nicht auseinander gesetzt habe (S. 11 der Beschwerdebegründung),
- sich, obwohl entscheidungsunerheblich, mit dem Anlass für die Hausverfügung befasst habe (S. 11 der Beschwerdebegründung),
- Tatsachenbehauptungen eines Beteiligten durch eigene Mutmaßungen ersetzt habe (S. 12 und 14 der Beschwerdebegründung),
- eine Wiederholungsgefahr und die diskriminierende Wirkung der Zugangskontrollen verneint habe (S. 13/14 der Beschwerdebegründung),
- seinen Vortrag, insbesondere zum Feststellungsinteresse, als unzureichend erachtet habe, ohne hierauf zuvor ausdrücklich hinzuweisen (S. 6, 12 und 13 der Beschwerdebegründung) sowie
- Beweiserhebungen nicht vorgenommen, sondern sein Urteil auf Mutmaßungen gestützt habe (S. 11 und 12 der Beschwerdebegründung).
Hinsichtlich der gerügten Gehörsverstöße verkennt die Beschwerde schon im Ansatz, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs das Gericht nur verpflichtet, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfG, Urteile vom 22. November 1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293 <295> und vom 8. Oktober 1985 - 1 BvR 33/83 - BVerfGE 70, 288 <293>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat, so dass nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>). Solche Anhaltspunkte werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt. Der Sache nach wendet sich der Kläger vielmehr durchgängig dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anders gewürdigt hat, als er es für richtig hält.
Der Kläger missversteht insoweit auch den Inhalt der richterlichen Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO). Die Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.> = Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 11). Ein hiergegen verstoßendes Verhalten des Gerichts läge aber nur vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Überraschungsentscheidung hat die Beschwerde nicht dargetan. Ansonsten besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Grundsatz keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren. Ein Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (Beschluss vom 29. Januar 2010 - BVerwG 5 B 21.09 - juris Rn. 18 m.w.N.). Namentlich ist es nicht Inhalt der Hinweispflicht des § 86 Abs. 3 VwGO, einen anwaltlich vertretenen Kläger in allen möglichen oder denkbaren materiellen Richtungen zu beraten (Beschluss vom 14. Februar 1984 - BVerwG 3 B 111.81 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 34).
Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt hat und sich dem Oberverwaltungsgericht aus seiner materiellrechtlichen Sicht eine Beweisaufnahme nicht aufdrängen musste, sind auch die von der Beschwerde gerügten Verstöße gegen die Aufklärungspflicht nicht gegeben.
Der vom Kläger sinngemäß gerügte Verfahrensmangel einer Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1 schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil das Oberverwaltungsgericht die Klage insoweit auch als unbegründet abgewiesen hat. Im Übrigen stellt eine Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann einen Verfahrensfehler dar, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht, die Vorinstanz etwa die dort verwendeten Begriffe verkannt hat (Beschluss vom 13. August 2009 - BVerwG 7 B 30.09 - juris Rn. 14). Dies legt die Beschwerde nicht dar. Sie wendet sich nur gegen die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Würdigung der Einzelfallumstände, gegen die nichts zu erinnern ist.
Soweit der Kläger schließlich mehrfach rügt, die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts sei willkürlich, verstoße gegen Denkgesetze und beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. S. 5, 9,10 der Beschwerdebegründung), werden damit keine Verfahrensfehler dargelegt, sondern Fehler geltend gemacht, die die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betreffen und nur unter den - hier wie o.a. nicht vorliegenden Voraussetzungen - des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO zur Zulassung der Revision führen können. Abgesehen davon liegt Willkür erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder ihr Inhalt in krasser Weise missdeutet wird. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich - wie hier - mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jeder Grundlage entbehrt (Beschluss vom 21. Februar 2003 - BVerwG 9 B 64.02 - juris Rn. 6).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).