Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 22.11.2013


BVerwG 22.11.2013 - 7 B 16/13

Abwehrmaßnahmen eines Grundstückseigentümers vor Vernässung und Schadstoffeintrag nach Installation eines Sickerbeckens, Substantiierungspflicht


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
22.11.2013
Aktenzeichen:
7 B 16/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 11. Januar 2013, Az: 22 B 12.2367, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der beklagte kommunale Abwasserbetrieb hat im Zuge der Ausweisung eines neuen Baugebiets auf der Grundlage einer von der ebenfalls beklagten Gemeinde erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis ein Sickerbecken zur Versickerung von Niederschlagswasser angelegt. Bei der Ausführung wurde eine Auflage zur Mindestüberdeckung des Grundwasserleiters nicht eingehalten. Der Kläger, Eigentümer eines benachbarten Wohngrundstücks, forderte deswegen Maßnahmen zum Schutz seines Grundstücks vor Vernässung und Schadstoffeintrag. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe weder einen Abwehranspruch gegen den kommunalen Entsorgungsbetrieb noch einen Anspruch auf Einschreiten seitens der Wasserbehörde. Eine abzuwehrende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers durch Schadstoffeintrag über den Grundwasserstrom oder durch Vernässung infolge Hochwassers oder eines Anstiegs des Grundwasserstands könne auch vor der in die Wege geleiteten Umgestaltung des Sickerbeckens nicht angenommen werden.

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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen des allein geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht.

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1. Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert ausgeführt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht insbesondere durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrags oder zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines sogenannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2013 - BVerwG 7 B 46.12 - juris Rn. 4 m.w.N.).

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2. Auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläuterten fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass ungeachtet neuer Erkenntnisse zur Grundwassersituation und trotz des (noch) geringen Abstands der Sohle des Sickerbeckens zum Grundwasserspiegel eine Gefahrenlage für das Grundstück des Klägers, die umgehende Abwehrmaßnahmen erforderte, nicht zu erkennen sei. Die Situation werde sich durch die nach Abschluss eines Tekturverfahrens bevorstehende Aufhöhung der Muldensohle noch verbessern. Diese fachliche Einschätzung, für deren Richtigkeit letztlich auch das Ausbleiben von Schadensereignissen nach Inbetriebnahme des Sickerbeckens spreche, habe der Kläger nicht zu erschüttern vermocht, so dass dem vorsorglich gestellten Beweisantrag nicht habe nachgegangen werden müssen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach darauf abgestellt, dass das in der mündlichen Verhandlung unterbreitete Beweisangebot des Klägers unsubstantiiert sei. Dieser Einwand rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachverhaltsaufklärung abzusehen (stRspr, Beschluss vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266). Der Kläger zeigt nicht auf, dass dieser Ablehnungsgrund hier nicht trägt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Substantiierungsanforderungen, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten, nicht überspannt.

6

Die gebotene Substantiierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Vielmehr verlangt das Substantiierungsgebot, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird (Beschluss vom 2. November 2007 - BVerwG 7 BN 3.07 - juris Rn. 5). Der Beteiligte darf sich insoweit zwar insbesondere dann mit einer Vermutung begnügen, wenn die zu beweisenden Tatsachen nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fallen (Beschluss vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 = juris Rn. 13). Auch setzt ein Antrag auf Sachverständigenbeweis nicht voraus, dass einzelne konkrete Tatsachen in das Wissen der auskunftgebenden Stellen gestellt werden, da der Sachverständige sein Gutachten über das Beweisthema gegebenenfalls aufgrund eigener Tatsachenermittlungen zu erstatten hat (Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60). Wenn die Gegenseite der vorgetragenen Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegengetreten ist, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Der Beteiligte muss sich damit auseinandersetzen und greifbare Anhaltspunkte benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten "ins Blaue hinein" aufrechterhaltenen Behauptung braucht das Gericht nicht nachzugehen (Beschluss vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14 = juris Rn. 11).

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3. Der Kläger zeigt nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof hiernach sein Vorbringen zum Anlass für eine weitere Sachaufklärung nehmen musste.

8

Soweit der Kläger rügt, die Äußerungen der Beklagten und des Wasserwirtschaftsamts seien in einer Gesamtschau "völlig widersprüchlich", könnten folglich nicht als nachvollziehbar und schlüssig qualifiziert werden und die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht stützen, fehlt es an der näheren substantiierten Auseinandersetzung mit dem Vortrag, den der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

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Von vornherein unbeachtlich sind die Einwände des Klägers, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seinen Erwägungen zu Unrecht auch auf bevorstehende Änderungen des Sickerbeckens im Anschluss an das noch nicht abgeschlossene Tekturverfahren abgestellt und bei der Frage der Aussagekraft gutachterlicher Stellungnahmen zur Frage der Gefahr einer Vernässung verkannt habe, dass es bei der Größe des Einzugsgebiets des Sickerbeckens nur auf den Inhalt der wasserrechtlichen Erlaubnis ankomme. Denn für den Umfang der Aufklärungspflicht ist allein die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblich (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 59).

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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof den erforderlichen konkreten Bezug der Stellungnahme der Gutachter Dr. H. und T. vom 24. Mai 2006 zur klärungsbedürftigen Sachfrage der Gefahr einer Vernässung nicht gesehen hat. Denn die Gutachter führen insoweit aus, dass die zu erwartende zeitlich begrenzte lokale Grundwasseraufhöhung, die am Wohnhaus des Klägers "im Bereich mehrerer Zentimeter bis maximal 1 bis 2 Dezimeter" liege, in ihrer Reichweite u.a. von der Größe der an das Sickerbecken angeschlossenen Flächen abhänge; diese seien nicht bekannt (S. 7 f.). Die Aussagen zur maximalen Grundwasseraufhöhung am Wohnhaus des Klägers bewegen sich demnach insbesondere vor dem Hintergrund der Erläuterungen des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung im Bereich bloßer Spekulation, die eine Beweiserhebung nicht rechtfertigen kann.

11

Schließlich ist auch nicht dargetan, dass angesichts der schriftlichen Stellungnahmen des Gutachters B. eine Beweiserhebung wegen der Frage eines erhöhten Schadstoffeintrags geboten war. Das vom Kläger angeführte Gutachten vom 29. Dezember 2006 stellt als Beweissicherungsuntersuchung insbesondere den hydro-chemischen Ist-Zustand des Grundwassers dar, der durch deutliche anthropogene Beeinflussungen gekennzeichnet sei. Abschließend stellt die Untersuchung fest, dass durch die geringe Schutzwirkung des Bodens unterhalb der Versickerungsanlage weitere Veränderungen nicht auszuschließen seien (S. 7 f.). Diese allgemein gehaltenen Ausführungen machten aber eine Auseinandersetzung sowohl mit den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen, wonach auch bei hohen Grundwasserständen von einer Direkteinleitung in den Grundwasserleiter nicht gesprochen werden könne, als auch mit den vom Verwaltungsgerichtshof erwähnten Verbesserungen der Filterwirkung durch die anstehende Erhöhung der Muldensohle nicht entbehrlich. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil der Gutachter B. in seiner Stellungnahme vom 20. Juni 2007 - insoweit in Übereinstimmung mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Schreiben des Wasserwirtschaftsamts vom 10. Mai 2007 - selbst davon ausgeht, dass die zu erwartende Schadstofffracht wegen privaten und öffentlichen Flächen "unwahrscheinlich", d.h. voraussichtlich gering sein wird (S. 3).

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.