Entscheidungsdatum: 15.05.2012
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. November 2011 - 4 Sa 72/11 - wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
I. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG zuzulassen, wenn ein Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt. Nach § 547 Nr. 1 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Dieser Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stellt einen absoluten Revisionsgrund dar mit der Folge, dass die Kausalität der Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird. In einem solchen Fall ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).
2. Die Voraussetzungen eines absoluten Revisionsgrundes sind nicht erfüllt. Das Berufungsgericht war bei der anzufechtenden Entscheidung vorschriftsmäßig besetzt iSd. § 547 Nr. 1 ZPO. Es hat in der von § 35 Abs. 2 ArbGG vorgeschriebenen Besetzung mit einem Vorsitzenden und je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber mündlich verhandelt und entschieden. Die Bestellung des ehrenamtlichen Richters R zum Mitglied des Magistrats der Stadt B und dessen Ernennung zum Beamten auf Zeit hat zwar möglicherweise zur Folge, dass er die Voraussetzungen zur Berufung als ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer nicht mehr erfüllt und daher nach § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auf entsprechenden Antrag von seinem Amt entbunden werden müsste. Da Herr R aber im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung von den Amtspflichten weder entbunden noch eine Anordnung nach § 21 Abs. 5 Satz 5 ArbGG getroffen war, verstößt seine Mitwirkung daran nicht gegen die Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts.
a) Fällt eine Voraussetzung für die Berufung eines ehrenamtlichen Richters beim Landesarbeitsgericht nachträglich fort, so ist dieser nach § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auf Antrag der nach § 20 Abs. 1 ArbGG zuständigen Stelle oder auf eigenen Antrag von seinem Amt zu entbinden. Nach § 21 Abs. 5 Satz 2 ArbGG entscheidet die vom Präsidium für jedes Geschäftsjahr im Voraus bestimmte Kammer des Landesarbeitsgerichts über die Entbindung. Eine Entscheidung von Amts wegen ist nicht zulässig. Die zuständige Kammer kann lediglich gemäß § 21 Abs. 5 Satz 5 ArbGG anordnen, dass der ehrenamtliche Richter nach Einleitung des Amtsentbindungs- oder Amtsenthebungsverfahrens bis zu der Entscheidung über die Entbindung vom Amt nicht heranzuziehen ist. Diese Anordnung setzt keinen besonderen Antrag voraus. Sie kann vom Gericht von Amts wegen getroffen werden (GMP/Prütting 7. Aufl. § 21 Rn. 34).
Durch die Verfahrensregelung über die Amtsentbindung macht das Gesetz deutlich, dass ein ehrenamtlicher Richter bis zu einer nach § 21 Abs. 5 ArbGG ergangenen Entscheidung im Amt bleibt und deshalb wirksam an Entscheidungen mitwirken kann (GMP/Prütting § 21 Rn. 30). Aus § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 ArbGG ergibt sich, dass das Revisionsgericht nicht prüft, ob bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter Verfahrensmängel unterlaufen sind oder Umstände vorgelegen haben, die die Berufung eines ehrenamtlichen Richters von seinem Amt ausschließen. Ist der ehrenamtliche Richter formell berufen, so kommt es nicht darauf an, ob er hätte berufen werden dürfen. Es kann ebenso wenig vom Revisionsgericht geprüft werden, ob der ehrenamtliche Richter ua. nach § 21 Abs. 5 ArbGG von seinem Amt hätte entbunden werden müssen. Verliert ein ehrenamtlicher Richter die Eigenschaft als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer und wirkt er gleichwohl an einer Entscheidung des Arbeitsgerichts oder des Landesarbeitsgerichts mit, kann dies nicht mit einem Rechtsmittel gerügt werden, solange er nicht von seinem Amt entbunden ist (vgl. GMP/Germelmann § 65 Rn. 12 und GMP/Müller-Glöge § 73 Rn. 35).
b) Danach liegt der absolute Revisionsgrund der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob - wofür vieles spricht - die Voraussetzungen für die Berufung des Herrn R zum ehrenamtlichen Richter durch einen Wechsel in das Beamtenverhältnis gem. § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 1, § 5 Abs. 2 ArbGG entfallen sind. Dann jedenfalls war er zum Zeitpunkt der anzufechtenden Entscheidung am 15. November 2011 weder von seinem Amt nach § 37 Abs. 2, § 21 Abs. 5 Satz 1 ArbGG entbunden noch eine Entscheidung nach § 21 Abs. 5 Satz 5 ArbGG getroffen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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