Bundesarbeitsgericht

Entscheidungsdatum: 14.03.2012


BAG 14.03.2012 - 7 ABR 67/10

Mitbestimmung der Schwerbehindertenvertretung bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags


Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
14.03.2012
Aktenzeichen:
7 ABR 67/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend ArbG Stuttgart, 29. September 2010, Az: 22 BV 294/09, Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 95 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB 9

Tenor

Auf die Sprungrechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29. September 2010 - 22 BV 294/09 - aufgehoben. Die Anträge des Schwerbehindertenvertreters werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten im Sprungrechtsbeschwerdeverfahren hauptsächlich darüber, ob der Schwerbehindertenvertreter gegenüber der Arbeitgeberin einen Anspruch auf Unterlassung des Abschlusses von Aufhebungsverträgen mit schwerbehinderten Menschen hat, wenn er nicht zuvor unterrichtet und angehört worden ist.

2

Die Arbeitgeberin betreibt städtische Krankenhäuser in Form eines Eigenbetriebs. Antragsteller ist der dort gewählte Schwerbehindertenvertreter. Die Arbeitgeberin schloss im Frühjahr 2009 einen Aufhebungsvertrag mit der schwerbehinderten Mitarbeiterin S ab, ohne den Schwerbehindertenvertreter davon vorher unterrichtet und angehört zu haben. Nach einer Beschwerde des Schwerbehindertenvertreters vom 19. Oktober 2009 über die unterbliebene Beteiligung bestritt die Arbeitgeberin eine entsprechende Verpflichtung.

3

In dem daraufhin eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Schwerbehindertenvertreter die Auffassung vertreten, er sei beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu beteiligen. Dieser Anspruch könne nur durch einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gesichert werden. Die Sanktion des § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gehe ins Leere, weil der Aufhebungsvertrag trotz fehlender Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung wirksam sei.

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Der Antragsteller hat beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin zu untersagen, einen Aufhebungsvertrag mit einem im Eigenbetrieb Klinikum S beschäftigten schwerbehinderten Menschen abzuschließen, bevor nicht der Schwerbehindertenvertreter unterrichtet und ihm Gelegenheit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen,

        

2.    

hilfsweise, für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1.,

                 

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihn vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit im Eigenbetrieb Klinikum S beschäftigten schwerbehinderten Menschen zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen,

        

3.    

für den Fall, dass die Arbeitgeberin der Verpflichtung aus Antrag Ziff. 1 nicht nachkomme, ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 25.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen am Geschäftsführer des Eigenbetriebs S, anzudrohen.

5

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verlange keine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung beim Abschluss von Aufhebungsverträgen.

6

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsantrag sowie dem Antrag auf Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft entsprochen und demgemäß über den Hilfsantrag nicht entschieden. Es hat die Sprungrechtsbeschwerde zugelassen, mit der die Arbeitgeberin die Abweisung der Anträge des Schwerbehindertenvertreters begehrt. Dieser beantragt die Zurückweisung der Sprungrechtsbeschwerde.

7

B. Die nach § 96a ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Sprungrechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Abweisung der Anträge des Schwerbehindertenvertreters. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag stattgegeben. Dieser ist unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist. Der als Feststellungsantrag zu verstehende Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

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I. Der Unterlassungsantrag ist unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 12, BAGE 131, 316; 27. Juli 2010 - 1 ABR 74/09 - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 51). Ein Unterlassungsantrag muss deshalb - bereits aus rechtsstaatlichen Gründen - eindeutig erkennen lassen, was vom Schuldner verlangt wird. Soll der Schuldner zur zukünftigen Unterlassung einzelner Handlungen verpflichtet werden, müssen diese so genau bezeichnet sein, dass kein Zweifel besteht, welches Verhalten im Einzelnen betroffen ist. Für den Schuldner muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen oder Äußerungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können (vgl. BAG 17. März 2010 - 7 ABR 95/08 - Rn. 13, BAGE 133, 342).

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2. Diesen Anforderungen genügt der Hauptantrag nicht. Der Arbeitgeberin soll es für alle denkbaren Konstellationen untersagt werden, Aufhebungsverträge mit im Klinikum beschäftigten schwerbehinderten Menschen abzuschließen, ohne dass der Schwerbehindertenvertreter zuvor unterrichtet wurde und er Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Damit ist zwar klar, dass von der Unterlassungsverpflichtung alle künftigen Aufhebungsverträge mit schwerbehinderten Menschen erfasst sein sollen. Unklar und unbestimmt ist aber, wie die Unterrichtung und Anhörung im Einzelnen ausgestaltet sein soll, bei deren Fehlen der begehrte Unterlassungstitel zur Anwendung kommen soll. Es fehlt an jeglicher Präzisierung, in welcher Form und Frist, mit welchem Inhalt und in welchem Umfang die Unterrichtung erfolgen und welche Zeit der Schwerbehindertenvertreter zu einer Stellungnahme haben soll. So bleibt ua. unklar, ob dem Schwerbehindertenvertreter nur der beabsichtigte Vertragsschluss selbst oder darüber hinaus die einzelnen Bedingungen oder sonstigen Umstände des beabsichtigten Aufhebungsvertrags mitzuteilen sind, und ob dies mündlich oder schriftlich geschehen soll. Die Beantwortung dieser Fragen darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Der beantragte Tenor ließe offen, welches rechtmäßige Verhalten der Arbeitgeberin genau abverlangt würde.

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II. Der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag gestellt. Er fällt dem Senat damit nicht zur Entscheidung an (vgl. BAG 9. März 2011 - 7 ABR 137/09 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 63 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 17).

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III. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

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1. Der als Feststellungsantrag zu verstehende Hilfsantrag ist zulässig.

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a) Wie der Schwerbehindertenvertreter in der Anhörung auf den Hinweis des Senats, der auf eine zukünftige Leistung gerichtete Antrag begegne wegen § 259 ZPO Zulässigkeitsbedenken, erklärt hat, soll der Antrag als Feststellungsantrag verstanden werden. Darin liegt keine unzulässige Antragsänderung. Vielmehr ist in dem zuvor auf den Ausspruch einer Verpflichtung gerichteten Antrag der Feststellungsantrag enthalten (vgl. hierzu BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 17 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 61 = EzA BetrVG 2001 § 99 Einstellung Nr. 16).

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b) Wie die Auslegung des Antrags ergibt, ist er auf die Feststellung des Bestehens von zwei Verpflichtungen der Arbeitgeberin gerichtet. Zum einen will der Schwerbehindertenvertreter festgestellt wissen, dass er vor dem Abschluss von Aufhebungsverträgen mit schwerbehinderten Menschen zu unterrichten sei. Darüber hinaus soll festgestellt werden, dass ihm Gelegenheit gegeben werden soll, vor dem Vertragsschluss Stellung zu nehmen.

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c) Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Allerdings fehlt es auch insoweit an einer näheren Bestimmung, wie die Unterrichtung und Anhörung im Einzelnen aussehen soll. An die hinreichende Bestimmtheit eines Feststellungsantrags sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen zu stellen als an diejenige eines Leistungsantrags. Wenn allerdings bereits das Bestehen des (Mitbestimmungs-)Rechts als solches streitig ist und über dessen ggf. zu beachtende Ausgestaltung noch kein Streit besteht, kann dieses zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden, ohne dass die Modifikationen bereits im Einzelnen beschrieben werden müssten (vgl. BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 a aa der Gründe mwN, BAGE 111, 36). Dies ist hier der Fall.

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d) Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Die Verpflichtungen, deren Bestehen festgestellt werden soll, sind Rechtsverhältnisse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Da die Arbeitgeberin die Verpflichtungen bestreitet, hat der Schwerbehindertenvertreter ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.

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2. Der Antrag ist weder insgesamt noch teilweise begründet. Der Schwerbehindertenvertreter hat jedenfalls nicht in allen Fällen einen Anspruch darauf, vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen unterrichtet zu werden. Ein Anspruch, vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags stets angehört zu werden, besteht ebenfalls nicht.

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a) Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Damit normiert die Bestimmung zwei Verpflichtungen des Arbeitgebers, die sich nach Inhalt, Umfang und Zeitpunkt voneinander unterscheiden.

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aa) Zum einen wird vom Arbeitgeber verlangt, die Schwerbehindertenvertretung umfassend zu informieren. Gegenstand der Unterrichtung sind alle Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren. Der weit gefasste Anspruch erstreckt sich nicht nur auf einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern auf alle Angelegenheiten, die sich spezifisch auf schwerbehinderte Menschen auswirken. Die Unterrichtungspflicht besteht allerdings dann nicht, wenn die Angelegenheit die Belange schwerbehinderter Menschen in keiner anderen Weise berührt als nicht schwerbehinderte Beschäftigte (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 ABR 83/09 - Rn. 13, 18, BAGE 135, 207). Inhalt der Verpflichtung ist die Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung. Der Arbeitgeber muss dieser daher die zu der Angelegenheit gehörenden Informationen geben. Dabei muss die Unterrichtung, wie das Gesetz ausdrücklich betont, „umfassend“ sein. Die Unterrichtung hat „unverzüglich“ zu erfolgen. Der Arbeitgeber muss daher die Schwerbehindertenvertretung über eine die schwerbehinderten Menschen berührende Angelegenheit informieren, sobald er davon Kenntnis erlangt und ihm die Unterrichtung ohne schuldhaftes Zögern möglich ist. Dieser Zeitpunkt kann je nach den Umständen vor oder nach dem Abschluss der Angelegenheit liegen.

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bb) Zum anderen hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, vor einer Entscheidung anzuhören. Diese Verpflichtung unterscheidet sich von der Pflicht zur Unterrichtung. Sie geht insofern darüber hinaus, als die Anhörung regelmäßig eine entsprechende Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung voraussetzt, sich darin aber nicht erschöpft, sondern darüber hinaus verlangt, dass dem Schwerbehindertenvertreter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird und der Arbeitgeber eine entsprechende Stellungnahme auch zur Kenntnis nimmt. Die Anhörungspflicht bezieht sich nicht auf sämtliche, die schwerbehinderten Menschen betreffenden Angelegenheiten, sondern nur auf die diesbezüglichen Entscheidungen des Arbeitgebers. Entscheidungen in diesem Sinne sind die einseitigen Willensakte des Arbeitgebers. Das entspricht dem Wortsinn des Begriffs und wird dadurch bestätigt, dass das Gesetz in § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX von der „getroffenen“ Entscheidung spricht. Auch Sinn und Zweck des Anhörungsrechts zielen darauf, der Schwerbehindertenvertretung die Möglichkeit zu geben, an der Willensbildung des Arbeitgebers mitzuwirken. Die Schwerbehindertenvertretung soll Gelegenheit haben, den Arbeitgeber aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche, ggf. nicht bedachte Auswirkungen seiner Entscheidung hinzuweisen (BAG 17. August 2010 - 9 ABR 83/09 - Rn. 17, BAGE 135, 207; Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl. § 95 Rn. 35). Anders als die Unterrichtung hat die Anhörung nicht „unverzüglich“, sondern „vor“ der Entscheidung zu erfolgen. Der Arbeitgeber genügt daher seiner Pflicht zur Anhörung nicht, wenn er die Schwerbehindertenvertretung erst nach der Entscheidung anhört. Dies macht auch § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX deutlich.

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b) Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen ist zwar eine „Angelegenheit“ iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX, aber keine „Entscheidung“ im Sinne dieser Bestimmung.

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aa) Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen ist eine Angelegenheit, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder auch die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berührt. Die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen betrifft unmittelbar dessen rechtliche Stellung und sein Verbleiben im Betrieb. Betroffen sind die schwerbehinderten Menschen aber auch als Gruppe. So wird durch das Ausscheiden eines schwerbehinderten Menschen unmittelbar die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vom Arbeitgeber zu erfüllende Quote berührt. Der Arbeitgeber hat daher die Schwerbehindertenvertretung über den Abschluss eines solchen Aufhebungsvertrags zu unterrichten. Dies hat er unverzüglich zu tun. Der konkrete Zeitpunkt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wird ein Aufhebungsvertrag mit einem schwerbehinderten Menschen ohne eine entsprechende Vorbereitung spontan geschlossen, wird eine Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung regelmäßig erst nachträglich erfolgen können. Insbesondere ist der Arbeitgeber wegen seiner Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung nicht verpflichtet, mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags abzuwarten. Führt der Arbeitgeber dagegen mit dem schwerbehinderten Menschen über einen bestimmten Zeitraum Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags, kann darin möglicherweise bereits eine Angelegenheit iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX liegen, hinsichtlich derer die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten ist. Ob und unter welchen Umständen dies der Fall sein kann, bedarf hier keiner abschließenden Klärung.

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bb) Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen ist keine „Entscheidung“ iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX. Der Vertragsschluss ist kein einseitiger Willensakt des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist daher nach § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen anzuhören. Auch Sinn und Zweck des Anhörungsrechts verlangen in einem solchen Fall die vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht. Der schwerbehinderte Mensch muss nicht vor den möglichen Folgen einer einseitigen Entscheidung des Arbeitgebers durch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung geschützt werden. Vielmehr kann er selbst privatautonom über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags entscheiden. Durch den besonderen Beendigungsschutz nach §§ 85, 92 SGB IX befindet sich der schwerbehinderte Mensch bei der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag sogar in einer rechtlich stärkeren Position als andere Arbeitnehmer. Dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu hören, überschießend wäre, wird insbesondere deutlich in Fallgestaltungen, in denen die Initiative zum Abschluss eines solchen Vertrags von dem Arbeitnehmer ausgeht.

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c) Hiernach ist die Arbeitgeberin weder stets verpflichtet, den Schwerbehindertenvertreter vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen zu unterrichten, noch muss sie die Schwerbehindertenvertretung zuvor anhören. Der Abschluss eines solchen Vertrags ist zwar eine Angelegenheit iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX. Die Arbeitgeberin muss daher den Schwerbehindertenvertreter unverzüglich unterrichten. Der Zeitpunkt der Unterrichtung liegt aber nicht notwendig vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Aufhebungsvertrag ohne zeitlich nennenswerte Vorverhandlungen geschlossen wird, genügt die Arbeitgeberin ihrer Unterrichtungspflicht, wenn sie den Schwerbehindertenvertreter unverzüglich nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags informiert. Eine Verpflichtung, den Schwerbehindertenvertreter vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzuhören, besteht schon deshalb nicht, weil der Abschluss keine Entscheidung iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX ist.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Willms    

        

    G.Metzinger