Entscheidungsdatum: 27.01.2010
Der Kläger, das Land Baden-Württemberg, verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland die Erstattung von Kosten, die beim Betrieb der Landessammelstelle für radioaktive Abfälle angefallen sind.
Baden-Württemberg betreibt seine Landessammelstelle für die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle (§ 9a Abs. 3 Satz 1 AtG) in Karlsruhe. Die Funktion der Landessammelstelle wird von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) in Karlsruhe wahrgenommen. Die haushalts- und gebührenrechtliche Abwicklung obliegt der LUBW, während die Aufgaben der Entgegennahme der radioaktiven Abfälle, des Konditionierens, des Zwischenlagerns sowie des späteren Transports zum Endlager vom Forschungszentrum Karlsruhe erfüllt werden.
1994 erteilte das Umwelt- und Verkehrsministerium Baden-Württemberg dem Forschungszentrum den Auftrag, die in einem Sonderlager auf dem Gelände des Forschungszentrums zwischengelagerten radioaktiven Abfälle zu konditionieren. Für die Konditionierung stellte das Forschungszentrum dem Land in zwei Teilrechnungen vom 26. Februar 1996 über 417 300 DM sowie vom 16. Dezember 1996 über 1 391 000 DM Gesamtkosten in Höhe von 1 808 300 DM in Rechnung.
Die Beklagte fordert die Bundesländer seit den 70er Jahren jährlich schriftlich auf, die im abgelaufenen Jahr im Rahmen der atomrechtlichen Auftragsverwaltung angefallenen Ausgaben geltend zu machen. Zu diesem Zweck versendet der Bund nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Anforderungsvordruck. In diesem Vordruck sind unter Nr. 4.1 die Kosten für "Ganzkörpermessgeräte....", unter Nr. 4.2 "Zweckausgaben im Zusammenhang mit der Überwachung grenznaher ausländischer Kernanlagen" und unter Nr.4.3 "Sonstige Zweckausgaben" aufzuführen. Der Kläger hat in die Vordrucke für die Haushaltsjahre 1996 bis 1998 unter Ziffer 4.3 "Sonstige Zweckausgaben" jeweils "entfällt" eingetragen.
Mitte Dezember 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung des in den Jahren 1979 bis 1999 beim Betrieb der Landessammelstelle entstandenen Defizits in Höhe von 3 578 300 DM. Anfang Oktober 2001 kündigte die Beklagte dem Kläger an, dass der Erstattungsantrag nach dem kurzfristig zu erwartenden Abschluss der in den Länderausschüssen durchzuführenden Arbeiten zum Thema Zweckausgabenerstattung nach Art. 104a Abs. 2 GG beschieden werden solle. Im Dezember 2001 forderte die Beklagte den Kläger vorbehaltlich der noch zu prüfenden Frage, ob die Geltendmachung der Ansprüche zulässig sei, auf, eine detaillierte Aufstellung der kalkulierten und angefallenen Aufwendungen/Einnahmen vorzulegen und mitzuteilen, mit welchen Maßnahmen einer Gebührenunterdeckung entgegengewirkt worden sei. Mit Schreiben vom 1. Juli 2002 berief die Beklagte sich sodann ausdrücklich darauf, dass der Anspruch verwirkt sei, weil der Kläger auf die jährliche Abfrage zur Geltendmachung von Zweckausgaben jeweils Fehlanzeige gemeldet habe.
Der Kläger änderte und spezifizierte die zur Erstattung angeforderten Kosten mit Schreiben vom 31. Oktober 2003 auf 871 906,05 €. Zur Begründung verwies er auf eine Aufstellung der Landesanstalt für Umweltschutz vom 20. Juli 1994. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2004 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung endgültig mit der Begründung ab, dass der Anspruch wegen Verwirkung bzw. wegen eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium untergegangen sei.
Der Kläger reichte daraufhin Anfang April 2005 beim Bundesverfassungsgericht Bund-Länder-Klage ein. Die vom Bundesverfassungsgericht nach den Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24. Juli 2008 in den Parallelverfahren der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern (BVerwG 7 A 2.07 und 7 A 3.07) angeregte außergerichtliche Streitbeilegung ist nicht zustande gekommen.
Am 26. März 2009 hat der Kläger Klage beim Bundesverwaltungsgericht erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:
Bei den zur Erstattung angeforderten Kosten handele es sich um Zweckausgaben im Sinne von Art. 104a Abs. 2 GG. Der Erstattungsanspruch sei in voller Höhe begründet. Die Kostenaufstellung der Landesanstalt für Umweltschutz vom 20. Juli 1994, die teilweise noch nicht angefallene und daher geschätzte Kosten für Verpackung, Transport und Endlagerung der Abfälle ausweise, sei inzwischen überholt. Nach neueren Recherchen müsse die Summe der Ausgaben gegenüber dem Stand von 1994 aktualisiert und modifiziert werden. Der Gesamtbetrag der Zweckausgaben belaufe sich nunmehr auf 937 139,86 €. Von einer Änderung des Klageantrags werde gleichwohl abgesehen, weil man sich über den Restbetrag nach Ergehen eines stattgebenden Urteils außergerichtlich einigen könne.
Dass die Kosten nicht vollständig durch Gebühren hätten gedeckt werden können, habe der Bund zu verantworten. Aufgrund der jahrelangen Ungewissheit über den Zeitpunkt und die Voraussetzungen der Endlagerung, hätten die Kosten für die Lagerung und Konditionierung nicht mit hinreichender Sicherheit und Genauigkeit vorhergesehen und kalkuliert werden können. Eine rückwirkende Gebührenerhebung wäre praktisch undurchführbar und verfassungsrechtlich bedenklich gewesen. Der Bund habe die Schwierigkeiten bei der Zwischenlagerung gekannt, eine drohende Unterdeckung aber weder durch eine Gebührenverordnung noch durch Weisungen zu verhindern versucht.
Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Es sei bereits fraglich, ob diese Rechtsfigur auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche überhaupt anwendbar sei. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Verwirkung nicht vor. Es fehle schon am erforderlichen Zeitmoment. Im Zeitraum zwischen der Entstehung der Kosten 1994/1995 und ihrer Geltendmachung im Dezember 2000 sei zwischen dem Bund und den Ländern in einer Arbeitsgruppe über die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs verhandelt worden. Eine Orientierung des Zeitmoments am haushaltsrechtlichen Jährlichkeitsprinzip sei un-zulässig. Die Beklagte habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger keine Erstattungsansprüche mehr geltend machen werde. Als Anknüpfungspunkt für einen Vertrauenstatbestand komme allein die "Fehlanzeige" auf den Vordrucken in Betracht. Diese sei aber schon durch ein Schreiben des Landesministers vom 17. Juni 1997 und Hinweise von Vertretern des Landes Baden-Württemberg in den einschlägigen Bund-Länder-Gremien in den Jahren 1997 und 1998 auf die noch beabsichtigte Geltendmachung von Erstattungsansprüchen entwertet worden. Die Fehlanzeigen könnten auch nicht deshalb als qualifiziertes Unterlassen gewertet werden, weil der Grundsatz der Bundestreue die Länder zur Rücksichtnahme auf das Finanzgefüge des Bundes verpflichte. Der Bund könne den Ländern nicht außerhalb von Art. 85 GG ein Anmeldeverfahren mit Präklusionswirkung vorgeben. Den Einwand, die Praxis des jährlichen Anmeldeverfahrens habe sich seit den 80er Jahren eingespielt, könne die Beklagte auch ihm gegenüber nicht erheben. Die Konditionierungsbedingungen seien unklar und der Vordruck zu unbestimmt gewesen, zumal die Landessammelstellen darin nicht einmal ausdrücklich erwähnt worden seien.
Der Kläger hat, nachdem er die Klage mit Zustimmung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 75 369,54 € zurückgenommen hat, zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 796 536,51 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch sei verwirkt. Der Kläger habe seinen Anspruch spätestens Anfang 1997 beziffern und geltend machen können. Das Verfahren sei ihm aus den Jahren 1970 bis 1980, in denen er Zweckausgaben für die Landessammelstelle geltend gemacht und auch erstattet bekommen habe, vertraut. Stattdessen habe der Kläger auf die jährlichen Abfragen mit Fehlanzeigen reagiert und so den Eindruck erweckt, dass für die betreffenden Zeiträume nicht mehr mit Forderungen zu rechnen sei. Bei der Abgabe von Fehlanzeigen im Rahmen eines jährlichen Abfrageverfahrens werde der Anspruch regelmäßig verwirkt, das Zeitmerkmal spiele insoweit keine Rolle. Eine verlässliche und planbare Haushaltswirtschaft erfordere eine zeitnahe Anmeldung. Der Grundsatz der Bundestreue verpflichte die Länder zur zeitnahen Geltendmachung der Ansprüche in dem üblichen Anmeldeverfahren. Der Bund unterwerfe die Länder damit keinem verbindlichen Anmeldeverfahren mit Präklusionswirkung, sondern erwarte lediglich in einem gemeinsam konzipierten und jahrzehntelang konsensual geübten Abfrageverfahren eine zeitadäquate Antwort zu Sachverhaltsfragen. Die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit des Vordrucks werde schon dadurch belegt, dass der Kläger ihn ausgefüllt und zurückgesandt habe. Auf die jahrelangen Diskussionen über die Zweckausgabenerstattung in verschiedenen Ausschüssen und Arbeitsgruppen komme es insoweit nicht an. Die Verhandlungen in den Arbeitskreisen seien nicht einzel-fallbezogen gewesen, sondern hätten abstrakte Themen zum Gegenstand gehabt. Für das Vorliegen einer Verwirkung sei aber auf ein enges, individualisiertes Betrachtungsspektrum abzustellen.
Die nachträgliche Haushaltsbelastung sei für den Bund nicht vorhersehbar gewesen. Mangels rechtzeitiger Anmeldung des Anspruchs habe er auch von seinen Aufsichtsmöglichkeiten keinen Gebrauch machen können. Die verspätete Geltendmachung bedeute einen unzumutbaren Nachteil, weil die Haushaltsplanungen und die Haushaltsbeweglichkeit des Bundes dadurch durchkreuzt würden.
Wenn man eine Verwirkung verneine, sei der Anspruch jedenfalls deshalb unbegründet, weil der Kläger eine vollständige Kostendeckung durch eine angemessene Gebühren- bzw. Entgeltregelung hätte sicherstellen können. Die Gebühr hätte dynamisch mit der Möglichkeit zur Nacherhebung ausgestaltet werden können. Dies habe spätestens Anfang der 90er Jahre nahe gelegen. Für den Bund als Aufsichtsbehörde habe schon mangels Kenntnis von der Unterdeckung kein Anlass zum Einschreiten bestanden. Dies hätte eine zeitnahe Information durch den Kläger vorausgesetzt. Auch die Erfahrungen mit den Abrechnungen anderer Bundesländer hätten keinen Anlass dafür geboten, allgemein von einer Kostenunterdeckung auszugehen.
Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen worden ist, war das Verfahren einzustellen (§ 91 Abs. 3 VwGO). Im Übrigen ist die Klage zulässig (1) und begründet (2).
1. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass der geltend gemachte, aus Art. 104a Abs. 2 GG abgeleitete Klageanspruch nicht im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen dem Bund und einem Land, sondern in einem engeren Rechtsverhältnis wurzelt, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt wird (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2). Vorliegend gilt nichts anderes. Die Beteiligten streiten nicht über den Rechtsgrund, sondern über die Höhe und die Begründetheit von Einwendungen.
2. Gegenstand der Erstattungsforderung des Klägers sind ausschließlich Zweckausgaben im Sinne von Art. 104a Abs. 2 GG. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Zweckausgaben solche, die durch die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe anfallen. Personalkosten unterfallen den Zweckausgaben, wenn sie der entsprechenden Sachaufgabe zurechenbar sind (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - a.a.O. Rn. 11). Nach der mit Schriftsatz vom 11. November 2009 zur Akte gereichten aktualisierten Aufstellung der LUBW vom 21. September 2009 hat der Kläger den Gebühreneinnahmen in Höhe von 717 255,10 DM Ausgaben für Mietzahlungen an das KFK/FZK für die Sonderlagerung radioaktiver Abfälle in einem eigens errichteten Sonderlager in Höhe von 315 000 DM (Pos. 2a), Darlehenszinsen (für die vom Bund mittels verzinslichem Darlehen vorfinanzierte Errichtung des Sonderlagers) in Höhe von 119 140 DM (Pos. 2b), Nebenkosten für das Forschungszentrum für den Zeitraum von 1983 bis 1994 in Höhe von 160 291,35 DM (Kosten für Strahlenschutzmaßnahmen, Wartung der Lüftungsanlage, Strom für Lüftungsmotor, Beleuchtung und Heizung, für innerbetrieblichen Transport und Objektschutzmaßnahmen; Pos. 2c) sowie Konditionierungskosten für die Sonderabfälle aus dem Sonderlager aus den Jahren 1994 und 1995 in Höhe von 1 808 300 DM (Pos. 2d) gegenübergestellt. Hierbei handelt es sich durchweg um Kosten, die durch die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe angefallen und - soweit es um Personalkosten geht - ihr zurechenbar sind.
Soweit die Beklagte erstmalig in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, die in der Aufstellung der LUBW vom 21. September 2009 unter Pos. 3a und 3b aufgeführten Endlagerkosten für 1996 und 1997 konditionierte Abfälle in Höhe von 71 000 DM und Endlagervorausleistungskosten für die Zeit von 1984 bis 1989 in Höhe von 76 410 DM stellten keine erstattungsfähigen Zweckausgaben im Sinne von Art. 104a Abs. 2 GG dar, muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch um den auf diese beiden Positionen entfallenden Teilbetrag von 147 410 DM (= 75 369,54 €) reduziert. Die den Gebühreneinnahmen gegenübergestellten Ausgaben setzen sich demnach nur noch aus Kostenpositionen zusammen, die im Sinne der Rechtsprechung des Senats als Zweckausgaben zu qualifizieren sind.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ist auch der Höhe nach begründet. Ausweislich der Kostenaufstellung des LUBW vom 21. September 2009 stehen den Gebühreneinnahmen im Zeitraum 1982 bis 1993 in Höhe von 717 255,10 DM (= 366 726,71 €) abzüglich der Endlagerkosten in Höhe von 147 410 DM (= 75 369,54 €) tatsächlich verausgabte Kosten in Höhe von 2 402 731,35 DM (= 1 228 497,03 €) gegenüber. Diese Ausgaben sind sämtlich durch Unterlagen belegt. Sie werden von der Beklagten auch nicht bestritten. Der sich aus der Differenz zwischen den Gebühreneinnahmen und den Zweckausgaben ergebende Betrag der erstattungsfähigen Zweckausgaben in Höhe von 861 770,32 € ist zwar niedriger als der ursprünglich eingeklagte Erstattungsbetrag von 871 906,95 €, liegt aber jedenfalls höher als die zuletzt beantragte Summe.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch nicht entgegenhalten, der Kläger habe es versäumt, kostendeckende Gebühren zu erheben. Der Senat hat bereits entschieden, dass den Gründen, aus denen Aufwendungen der Länder für die Errichtung und den Betrieb der Landessammelstellen ungedeckt blieben, nicht weiter nachgegangen werden muss. Im Rahmen der Auftragsverwaltung verfügen die Länder nur über eine beschränkte Sachkompetenz, weil sich die Bundesaufsicht sowohl auf die Gesetzmäßigkeit als auch auf die Zweckmäßigkeit der Gesetzesausführung erstreckt (Art. 85 Abs. 4 Satz 1 GG) und die Landesbehörde den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörde unterliegt (Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG). Den Ländern verbleibt allein die Wahrnehmungskompetenz für den Gesetzesvollzug, die ihrerseits durch die Weisungskompetenz des Bundes beschränkt ist. Für die Benutzung einer Landessammelstelle haben die Länder zwar Kosten zu erheben (§ 21a Abs. 1 AtG). Kommen sie dieser Pflicht nicht hinreichend nach, begründet das aber keine Befugnis des Bundes, die Erstattung der Zweckausgaben entsprechend zu verringern. Das folgt daraus, dass der Bund die Kostenkontrolle und die notwendige Kostenerhebung im Aufsichtsweg sicherstellen kann. Bleibt der Bund trotz seines Weisungsrechts untätig, kann er dieses Versäumnis nicht auf der Stufe des Aufwendungsersatzes nach Art. 104a Abs. 2 GG nachholen und Ansprüche des Landes wegen angeblich unzureichender Kostenerhebung nachträglich kürzen (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 15).
Daran hält der Senat auch vorliegend fest. Abgesehen davon, dass der Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit einer nachträglichen Gebührenerhebung gewichtigen rechtlichen Bedenken begegnet (Einmaligkeit der Abnahmegebühr, Äquivalenzprinzip, Vertrauensschutz), verschließt sich die Beklagte auch weiterhin der Erkenntnis, dass es zuvörderst ihr oblag, die Kostenkontrolle und die Erhebung der notwendigen Kosten im Aufsichtswege sicherzustellen. Dazu bedurfte es weder entsprechender Informationen der Länder noch kann die Beklagte sich darauf zurückziehen, dass sie mangels eigener Zuständigkeit in diesem Bereich nicht über eigene Erfahrungen bei der Kalkulation der Kosten für die Einlagerung verfügte. Wenn - wie die Beklagte vorträgt - es spätestens Anfang der 90er Jahre nahe gelegen hätte, eine flexible Gebührenregelung mit Nachforderungsmöglichkeit einzuführen, weil die Verzögerungen bei der Errichtung eines Endlagers seinerzeit auch für den Kläger offensichtlich gewesen seien, übersieht sie, dass sich ihr spätestens zu diesem Zeitpunkt dann auch ein Einschreiten als Aufsichtsbehörde hätte aufdrängen müssen.
Ob die umfassende Ausgabenverantwortung des Bundes dann eine Einschränkung erfährt, wenn Belastungen des Bundes auf einer nicht ordnungsgemäßen Verwaltung des Landes beruhen, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Das Bestehen eines entsprechenden, aus Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GG herzuleitenden Haftungsanspruchs ist schon zweifelhaft, wenn der Bund im Vorfeld von seinem Weisungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat den Haftungsanspruch überdies auf schwerwiegende Verletzungen von Hauptpflichten, also auf den Kernbereich der zugewiesenen Pflichten beschränkt und eine Einstandspflicht für fahr-lässiges Handeln ausgeschlossen (Urteile vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45 <57 f.> = Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 11 und vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - a.a.O. Rn. 16). Nach diesem Maßstab scheidet eine Inanspruchnahme des Klägers aus. Der Kläger macht plausible Gründe dafür geltend, dass es trotz Gebührenerhebung zu einer Kostenunterdeckung kommen musste. Ursächlich war nach seinem Vorbringen namentlich die jahrelange Verzögerung der vom Bund bereitzustellenden Endlagerung, die zu bei der Gebührenkalkulation noch nicht vorhersehbaren Kosten geführt habe. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ist auch nicht verwirkt. Andere Gründe als die Verwirkung sind nach der Rechtsprechung des Senats mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung von vornherein ungeeignet, den Anspruch des Klägers zu Fall zu bringen. Das gilt namentlich für die von der Beklagten angeführten Praktikabilitätserwägungen (Jährlichkeit des Haushalts, Planbarkeit der Finanzwirtschaft) und für die sinngemäß geltend gemachte Präklusion (Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - a.a.O. Rn. 20).
Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Urteil vom 17. März 2008 - BVerwG 6 C 22.07 - Buchholz 120 Recht der Abgeordneten Nr. 9 Rn. 41). Allein die Tatsache, dass sich der Berechtigte verspätet auf sein Recht beruft, führt noch nicht zur Verwirkung. Hinzukommen muss, dass der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst durch dieses Umstandsmoment wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerfG, Entscheidung vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308>; BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 2 B 152.97 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 59).
Daran gemessen liegt keine Verwirkung vor. Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch zwar später als möglich geltend gemacht, denn er hätte die aus den Gebühreneinnahmen nicht mehr zu bestreitenden, ihm 1996 in Rechnung gestellten Konditionierungskosten schon 1997 zur Erstattung anfordern können, hat seine Ansprüche aber erstmalig mit Schreiben vom 12. Dezember 2000 angemeldet. Entgegen der Darstellung des Klägers ist insoweit auch nicht nachvollziehbar, warum eine jährliche Saldierung der Gebühreneinnahmen und Zweckausgaben nicht möglich sein soll.
Bei der nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmenden Beurteilung des Verhaltens des Klägers einerseits und der Gesamtumstände andererseits durfte die Beklagte aber gleichwohl nicht darauf vertrauen, dass der Kläger einen ihm zustehenden Aufwendungsersatzanspruch nicht mehr geltend machen wird. Für ein solches Vertrauen fehlt es schon an der Grundlage.
Bereits im Ansatz verfehlt ist die Auffassung der Beklagten, bei der Abgabe von Fehlanzeigen im Rahmen eines jährlichen Erstattungsverfahrens werde der Anspruch regelmäßig auch ohne Zeitmoment verwirkt. Für diese Auffassung, die der Sache nach nicht auf eine Verwirkung, sondern auf einen Rechtsverzicht zielt, fehlt es an jeglicher Grundlage. Der Bund kann das Erlöschen verfassungsrechtlich verankerter Erstattungsansprüche der Länder nicht durch die Ausgestaltung des Erstattungsverfahrens als Anmeldeverfahren mit Präklusionswirkung bewirken.
Ein Vertrauenstatbestand lässt sich auch nicht damit begründen, dass - wie die Beklagte vorträgt - die Praxis des jährlichen Anmeldeverfahrens sich seit den 80er Jahren eingespielt und bewährt habe, der Kläger das Erstattungsverfahren gekannt und daran teilgenommen habe und es zudem üblich und Praxis anderer Bundesländer gewesen sei, unter Verwendung des Vordrucks auch noch nicht bezifferte oder sogar erst zukünftig anfallende Erstattungsforderungen anzumelden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch der Kläger im vorliegenden Verfahren für sich in Anspruch nehmen kann, dass der Vordruck mangels ausdrücklicher Erwähnung der Landessammelstellen zu unbestimmt gewesen sei und der Eintragung "entfällt" bzw. "keine" unter Ziffer 4.3 hinsichtlich der Zweckausgabenerstattung für Landessammelstellen schon deshalb von vornherein kein Erklärungswert zukommt. Dafür mag immerhin sprechen, dass der Vordruck nach dem Inhalt eines behördeninternen Berichts über die mündliche Verhandlung vom 30. August 2007 vor dem Verwaltungsgericht Köln in den Verfahren der Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, der in den von der Beklagten übermittelten Verwaltungsakten abgeheftet ist, nach der Darstellung des Prozessvertreters des Bundes auf die Regelfälle der Zweckausgabenerstattung nach Art. 104a Abs. 2 GG ausgerichtet war, in denen die Länder keine Refinanzierungsmöglichkeiten hatten. Dies traf aber auf die Landessammelstellen seit Einfügung des § 21a AtG ab Anfang der 80er Jahre nicht mehr zu.
Ungeachtet dessen durfte die Beklagte schon ab Mitte der 90er Jahre aufgrund einer Reihe objektiver Begleitumstände nicht davon ausgehen, dass die Eintragung "entfällt" bzw. "keine" in Ziffer 4.3 des Vordrucks "sonstige Zweckausgaben" bedeutet, dass der Kläger für die betreffenden Jahre keine Ansprüche auf Zweckausgabenerstattung mehr geltend machen würde. Dabei ist entgegen der Auffassung der Beklagte im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht ein "enges Betrachtungsspektrum" maßgeblich, sondern sind alle Gesichtspunkte einzubeziehen, die im Kontext mit dem Verhalten des Anspruchsberechtigten stehen.
Ausweislich einer Beschlussvorlage für den Fachausschuss Brennstoffkreislauf für eine Sitzung am 10./11. Oktober 2001 wurden vom Bund und den Ländern seit Mitte der 90er Jahre im Zusammenhang mit der Erstattung von Zweckausgaben für Landessammelstellen verschiedene rechtliche und fachliche Fragen diskutiert. Zu den umstrittenen Fragen gehörten u.a. die Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Zweckausgaben und die Erstattung von Betriebskostendefiziten bzw. die Gebührenerhebung (vgl. Anlage 8 zum Protokoll der 24. Sitzung der Arbeitsgruppe "Landessammelstellen" am 19./20. Mai 1998 in Lubmin). Schon im Sommer 1995 war wegen der ungeklärten Rechtslage ein Tagesordnungspunkt "Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben bei Errichtung und Betrieb von Landessammelstellen nach Art. 104a Abs. 2, Abs. 5 GG" Gegenstand der Beratungen der Sitzung des Fachausschusses Recht des Länderausschusses für Atomkernenergie gewesen. Das kann auch der Beklagten nicht verborgen geblieben sein, da der Länderausschuss unter der Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit getagt und die Beklagte selbst Vorschläge zur sachlichen Verständigung und zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und den Ländern unterbreitet hat (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 7 A 2.07 - a.a.O. Rn. 24). Nach der von der Beklagten nicht bestrittenen Darstellung des Klägers (vgl. Schreiben vom 27. September 2004, Anlage 19 zur Klageschrift) haben der Bund und die Länder in der zweiten Hälfte der 90er Jahre eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Grundsätze erarbeiten sollte, nach denen Zweckausgabenerstattungsansprüche angemeldet und abgewickelt werden. Überdies hat der zuständige Landesminister des Klägers in seiner Stellungnahme vom 17. Juni 1997 zu einem ersten Berichtsentwurf der Arbeitsgruppe "Zweckausgaben im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung" auf Defizite bei den Landessammelstellen hingewiesen und ausdrücklich auch die Auffassung vertreten, dass es - soweit trotz der nach § 21a AtG zulässigen Gebührenerhebung eine kostendeckende Gebührenerhebung nicht möglich (war) ist - selbstverständlich bei dem Grunde nach entstandenen und erstattungsfähigen Zweckausgaben bleibe (S. 4). Diese Stellungnahme datiert im Übrigen früher als das Schreiben vom 22. August 1997, mit dem der Kläger der Beklagten den Vordruck "Zweckausgabenerstattung" für das Haushaltsjahr 1996 übersandt hat. Wie sich aus einem Schreiben der Beklagten vom 4. Oktober 2001 an den Kläger ergibt, dauerten die Diskussionen in den Länderausschüssen über die grundsätzlichen rechtlichen Fragen der Zweckausgabenerstattung jedenfalls bis September/ Oktober 2001 an. Bestätigt wird dies auch durch die als Anlage 17 zur Klageschrift eingereichte Tagesordnung vom 20. Mai 2003 für die Sitzung des Länderausschusses für Atomenergie am 3./4. Juli 2003. Der Bezugzeile zu TOP 9 "Zweckausgaben im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung (Art. 104 Abs. 2 GG)" kann entnommen werden, dass dieser Tagesordnungspunkt im Zeitraum von Juni 1995 bis zur Ausschusssitzung im Juli 2003 in regelmäßigen Abständen und insgesamt 30mal Tagesordnungspunkt in den Sitzungen der verschiedenen Ausschüsse war. Der Umfang der Zweckausgabenerstattung für die Landesammelstellen war mithin seit Mitte der 90er Jahre bis Ende 2001 streitig. Vor diesem Hintergrund jahrelanger Diskussionen und Verhandlungen konnte sich bei der Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen dahin bilden, der Kläger werde zurückliegende Ersatzansprüche nicht mehr geltend machen. Insbesondere konnte die Beklagte in Anbetracht der jahrelangen Auseinandersetzungen entgegen ihrem Vorbringen nicht ernstlich davon ausgehen, dass die Länder die Kosten für die Landessammelstellen vollständig aus Gebühren bestreiten können und aus diesem Grunde keine sonstigen Zweckausgaben geltend machen. Dies gilt vorliegend umso mehr als die Beklagte von dem Sonderlager des Klägers Kenntnis hatte und die Errichtung vorfinanziert hat.
Unerheblich ist, dass Gegenstand der Verhandlungen und Diskussionen nicht konkrete Forderungen einzelner Länder, insbesondere des Klägers, sondern davon losgelöste Fragen der abstrakten Erstattungsfähigkeit von Ausgaben für Landessammelstellen waren. Solange nicht einmal abstrakt geklärt war, welche Ausgaben unter welchen Voraussetzungen als Zweckausgaben erstattet werden können, war die Erstattung konkret angeforderter Kosten nicht zu erwarten. Zurückhaltung bei der Anmeldung solcher Kosten vor Abschluss der Verhandlungen signalisierte der Beklagten daher noch nicht, dass Kosten nicht angefallen waren. Ist die Erstattung bestimmter Kosten schon dem Grunde nach streitig, kann die Eintragung "entfällt" bzw. "keine" in einem Vordruck gerade nicht eindeutig so verstanden werden, dass sie sich auf die streitige Kostenposition bezieht. Die Beklagte hat den Kläger noch im Oktober 2001 selbst darauf hingewiesen, über die Erstattung der Kosten werde erst nach Abschluss der in den Länderausschüssen durchzuführenden Arbeiten zum Thema Zweckausgabenerstattung nach Art. 104a Abs. 2 GG entschieden. Vertrauen darauf, dass keine Erstattungsansprüche mehr geltend gemacht werden, konnte die Beklagte daher erst nach Abschluss der Verhandlungen über die Zweckausgabenerstattung begründen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger seinen Erstattungsanspruch aber schon angemeldet.
Die Prozesszinsen belaufen sich gemäß §§ 291, 288 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung - wie beantragt - auf 4 v.H. Diese Vorschriften sind auf die öffentlich-rechtliche Leistungsklage entsprechend anzuwenden (Urteil vom 28. Juni 1995 - BVerwG 11 C 22.94 - BVerwGE 99, 53 = Buchholz 310 § 90 VwGO Nr. 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Regelung in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO kann auch dann angewandt werden, wenn der Kläger die Klage wegen eines geringfügigen Teils zurücknimmt, im Übrigen aber obsiegt. Die Klagerücknahme ist ein Fall freiwilligen Unterliegens. Nur zu einem geringen Teil unterlegen ist der Kläger im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO auch dann, wenn er seine Klage nur zu einem geringen Teil zurücknimmt. So liegen die Dinge auch hier. Der Kläger hat seine ursprünglich auf Zahlung von 871 906,05 € gerichtete Klage hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 75 369,54 € zurückgenommen. Dieser Betrag macht weniger als 1/10 sowohl der ursprünglichen als auch der zuletzt beantragten Klagesumme aus und ist daher in jedem Fall als geringfügig zu qualifizieren.