Entscheidungsdatum: 25.02.2010
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 100 25 135
hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke und der Richter Guth, Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Ganzenmüller
beschlossen:
Das Patent 100 25 135 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
I.
Gegen das Patent 100 25 135, dessen Erteilung am 12. Februar 2004 veröffentlicht wurde, ist am 12. Mai 2004 durch zwei Einsprechende Einspruch erhoben worden.
Die Einsprüche stützen sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit des Patentgegenstandes, wozu die Einsprechenden folgende Druckschriften anführen (Übernahme der Nummerierung von der Einsprechenden II, wobei die hier als D2 aufgeführte DE 72 17 615 U von der Einsprechenden I als Entgegenhaltung (1) bezeichnet ist):
(D1) DE 73 01 644 U,
(D2) DE 72 17 615 U,
(D3) DE 32 27 385 A1,
(D4) DE 84 04 996 U,
(D5) DE 87 12 476 U1.
Außerdem macht die Einsprechende I in ihrem Einspruchsschriftsatz eine Offenkundige Vorbenutzung in Form eines Rauchabzugs mit der Bezeichnung „ fumivent Kompakt-RWG-System“ geltend und legt hierzu die Kopie eines gleichnamigen Prospekts der Firma Eternit sowie eine Zeichnung Nr. 168 10 287 B vor, welche mit geringfügigen Änderungen den angeblich vorbenutzten Rauchabzug darstelle.
Auch die Einsprechende II bezieht sich neben dem druckschriftlich aufgezeigten Stand der Technik schriftsätzlich auf eine Offenkundige Vorbenutzung (Firmenprospekt „JET-Optimal Anschlusstechnik“), welche jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen wurde.
Die Einsprechende I und die - wie angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Einsprechende II stellen den Antrag,
das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.
Sie führt aus, dass der Gegenstand des Patents gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegenstand des angegriffenen Patents ist nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 ein
Aufsetzkranz für eine Lichtkuppel oder dergleichen, umfassend einen aus Kunststoff, insbesondere PVC, bestehenden aus Winkelleisten (10) hergestellten Rahmen, wobei durch jeweils einen Schenkel (10a) der Winkelleisten (10) an der Unterseite des Rahmens ein in einer Ebene liegender, umlaufender Verbindungsflansch zum Anschluss bestehender Dachbahnen gebildet ist, und die jeweils vom Verbindungsflansch sich nach oben erstreckenden Schenkel (10b) der Winkelleisten (10) die Seitenwandungen des Aufsetzkranzes bilden,
gekennzeichnet durch
ein Sicherheitsgerüst, das im Brandfall thermisch wesentlich höher belastbar ist als der aus Kunststoff bestehende Rahmen, welches Metallprofilstäbe (13) aufweist, die innerhalb der aufrechtstehenden Schenkel (10b) der Winkelleisten (10) angeordnet und miteinander verbunden sind.
Zum Wortlaut der hierauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 wird auf die Patentschrift verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. - Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. - Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f - Ventilsteuerung).
2. Die form- und fristgerecht erhobenen Einsprüche sind substantiiert auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gemäß § 21 (1) Ziffer 1 PatG gegründet und daher zulässig. Sie sind jedoch nicht erfolgreich, da der Gegenstand des angegriffenen Patents patentfähig ist.
3. Als hier zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Bauingenieur (FH) mit einschlägiger Erfahrung in der Konstruktion von Dachentlüftungssystemen an, der sich hinsichtlich zu beachtender Brandschutzmaßnahmen ggf. bei einem Brandschutz-Experten informiert.
4. Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat sich als entscheidend für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentgegenstandes die Frage herauskristallisiert, wie der angegriffene Patentanspruch 1 hinsichtlich der von der beanspruchten technischen Lehre gelösten objektiven Aufgabe auszulegen ist.
Nach dem Gesamtverständnis der Streitpatentschrift ist diese darin zu sehen, einen Aufsetzkranz für eine Lichtkuppel o. dgl. so auszubilden, dass er im Brandfall gegenüber der auftretenden thermischen Belastung möglichst lange und zuverlässig stabil bleibt, d. h. seine grundsätzliche Gestalt insbesondere hinsichtlich eines freien Durchtrittsquerschnitts für die Rauchgase beibehält. Bei den üblicherweise aus Kunststoffen bestehenden Aufbauten solcher Aufsetzkränze ist diese geforderte Hitzestabilität i. d. R. nicht gegeben; vielmehr beginnen diese Materialien bereits bei relativ niedrigen Temperaturen zu erweichen, so dass die vorschriftsgemäß offenzuhaltenden Abzugsquerschnitte durch die wegschmelzenden Rahmenbestandteile selbst und/oder die nicht mehr ausreichend gestützten Deckelelemente mehr oder weniger verlegt zu werden drohen. Mit anderen Worten soll der Aufsetzkranz, welcher seinerseits die öffenbare Lichtkuppel oder eine sonstige bewegliche Abdeckung trägt, bei thermischer Belastung selbsttragende Eigenschaften aufweisen.
Mit dieser Intention sind folglich die diesbezüglich entscheidenden Merkmale des Kennzeichens des angegriffenen Patentanspruchs 1 zu interpretieren, nämlich ein aus miteinander verbundenen Metallprofilstäben bestehendes Sicherheitsgerüst , welches innerhalb der die aufrechtstehenden Wände bildenden Schenkel des Aufsetzkranzes angeordnet ist. Ein solches Metallgerüst bildet für die Lichtkuppel o. dgl. eine auch noch im Brandfall selbsttragende Stütze, welche thermisch wesentlich höher belastbar ist als der aus Kunststoff bestehende Rahmen , wie es in dem entsprechenden funktionalen Merkmal des Patentanspruchs 1 heißt.
Entscheidende Bedeutung kommt unter dieser Prämisse der Frage zu, welche räumlich-körperlichen Eigenschaften dem Begriff „Gerüst“ an sich bzw. der speziellen Bezeichnung „Sicherheitsgerüst“ im Sinne des angegriffenen Patents im Verständnis des Fachmanns zukommen. Nach Auffassung des Senats weist ein Gerüst unabdingbar einen dreidimensionalen Aufbau auf, wobei die räumliche Erstreckung in der dritten Dimension (vorliegend der Höhe) gegenüber den Längen- und Breitenmaßen nicht vernachlässigbar klein ist, es sich also durch seine vertikale Erhebung wesentlich von einem bloß zweidimensionalen Rahmen abhebt. Gestützt wird diese Auslegung durch die Streitpatentschrift selbst, wo eingangs des Abschnitts [0009] der grundsätzliche Aufbau des dort auch als „Stützkonstruktion“ bezeichneten Sicherheitsgerüsts mit auch in vertikaler Richtung miteinander verbundener Metallstäbe beschrieben ist.
Entscheidungserheblich für die Beurteilung der Neuheit und des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit beim Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 ist demnach die Frage, ob durch den aufgezeigten Stand der Technik ein einschlägiger Aufsetzkranz mit einem wie oben definierten Sicherheitsgerüst in seinem Wandungsaufbau bekannt geworden bzw. dem Fachmann nahegelegt ist.
5.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.
Bei der vorstehend getroffenen Auslegung des Anspruchswortlauts zeigt keine der angeführten Entgegenhaltungen einen Aufsetzkranz mit einem Sicherheitsgerüst im Sinne der patentierten Lehre. Zwar sind aus den Druckschriften DE 73 01 644 U (D1) und DE 72 17 615 U (D2) Aufsetzkränze bekannt, deren seitliche Kunststoffwandungen wie beim Patentgegenstand in Kammern unterteilt sind, welche ihrerseits fakultativ mit Versteifungsprofilen aus Metall ausgefüllt sein können (s. dort jeweils Pos. 2 in der einzigen Zeichnung und zugehörige Figurenbeschreibung). Selbst wenn diese Profilstäbe jeweils „über Eck“ miteinander verbunden sein sollten, worauf die Druckschriften jedoch keinerlei Hinweis geben, bildeten sie damit allenfalls einen (oder mehrere in parallelen Ebenen angeordnete) Rahmen. Dieser Stand der Technik offenbart demnach allenfalls Aufsetzkränze mit in ihren kammerartig unterteilten Hohlwandungen aufgenommenen Versteifungsrahmen. Selbst beim Einbau mehrerer solcher Rahmen fehlt hierbei jedoch jegliche Verbindung der Einzelrahmen untereinander zu einem dreidimensionalen Gerüst.
Bei dem übrigen druckschriftlichen Stand der Technik sind in die Wandungen des Aufsetzkranzes gar keine Metallprofile eingesetzt.
Unbeschadet des Nachweises der zu den geltend gemachten Vorbenutzungen behaupteten Umstände offenbaren deren Gegenstände, soweit aus den vorgelegten Unterlagen erkenntlich bzw. durch die Einsprechenden vorgetragen, nicht mehr als die oben in Betracht gezogenen Druckschriften D1 und D2. Auch dort bilden die eingesetzten Metallprofile allenfalls umlaufende Rahmen zur Stabilisierung des Wandaufbaus und kein Sicherheitsgerüst im Sinne der patentierten Lehre.
Gerade diesem Unterschied kommt auch hinsichtlich der Funktion des Rahmens bei thermischer Belastung die entscheidende Bedeutung zu. Der an sich zwar gegenüber der Kunststoffwandung thermisch wesentlich höher belastbare Metallrahmen würde nämlich beim Erweichen des Kunststoffs aufgrund seines Eigengewichtes nach unten absinken und ggf. sogar aus der Konstruktion herausfallen. Jedenfalls könnte er im Brandfall gerade nicht eine den übrigen Aufbau der Lichtkuppel stützende Funktion eines Sicherheitsgerüsts erfüllen.
5.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie vorstehend im Lichte der eingangs getroffenen Auslegung der Lehre des Streitpatents zur Neuheit ausgeführt, weist keiner der druckschriftlich oder durch Vorbenutzung bekannt gewordenen Aufsetzkränze ein aus Metallprofilstäben bestehendes Sicherheitsgerüst auf, bei welchem gemäß dem Kennzeichen des Patentanspruchs 1 innerhalb der aufrechtstehenden Schenkel der die Seitenwände bildenden Winkelleisten Metallprofilstäbe angeordnet und miteinander verbunden sind. Es konnte daher auch von keiner der angeführten Entgegenhaltungen für sich oder in einer denkbaren Kombination untereinander eine Anregung zu einer solchen Konstruktion ausgehen.
Der Patentanspruch 1 ist somit bestandsfähig.
6. Mit dem sie tragenden Hauptanspruch haben auch die auf zweckmäßige Ausgestaltungen dessen Gegenstandes gerichteten Unteransprüche 2 bis 13 Bestand.