Entscheidungsdatum: 15.02.2016
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 zu bewilligen, wird abgelehnt.
I
Die beklagte Universität ließ den Kläger zur Diplomprüfung im Studienfach Volkswirtschaftslehre, Ökonometrie, zu. Sie bewertete seine Diplomarbeit mit "nicht ausreichend". Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zu verpflichten, die Diplomarbeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter anderem mit der Begründung abgewiesen, die Bewertungen der Prüfer seien durch den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum gedeckt und würden durch die Einwendungen des Klägers nicht in Frage gestellt. Nachdem die Beklagte eine zweite vom Kläger angefertigte Diplomarbeit mit "sehr gut" bewertet hatte und der Kläger damit insgesamt die Diplomprüfung bestanden hatte, hat er im Berufungsverfahren neben dem weiter verfolgten Verpflichtungsantrag hilfsweise beantragt, festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten über die Bewertung der ersten Diplomarbeit und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid rechtswidrig gewesen sind. Er hat hierzu unter anderem geltend gemacht, sein Interesse an der hilfsweise begehrten Feststellung ergebe sich aus seiner Absicht, wegen der rechtswidrigen Bewertung seiner ersten Arbeit einen Schadensersatzprozess zu führen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers mit allen Anträgen zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse liege nicht vor. Der geplante Schadensersatzprozess sei offensichtlich aussichtslos. Das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden der Beklagten sei nicht gegeben, weil ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht ihr Verhalten als objektiv rechtmäßig gebilligt habe.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger beabsichtigt hiergegen Beschwerde einzulegen, soweit das Oberverwaltungsgericht die Berufung mit der hilfsweise begehrten Feststellung abgewiesen hat. Der Kläger beantragt, ihm für diese beabsichtigte Beschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Notanwalt beizuordnen.
II
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Notanwalt nicht beigeordnet werden. Seine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es ist nichts dafür erkennbar, dass mit der beabsichtigten Beschwerde einer der Gründe erfolgreich geltend gemacht werden könnte, aus denen eine Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO allein zugelassen werden kann.
1. Für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nichts hervorgetreten. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. An diesem Klärungsbedarf fehlt es, wenn sich die Frage unmittelbar aus dem Gesetz und der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt. Die Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage muss zudem einen Ertrag erbringen, der über den Einzelfall hinausweist, also für die einheitliche Auslegung und Anwendung einer Norm oder für die Fortentwicklung des Rechts von Bedeutung ist. Die Frage grundsätzlicher Bedeutung muss sich mithin abstrakt fassen lassen. Sie darf nicht von den konkreten Besonderheiten des Einzelfalles geprägt sein.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, unter welchen abstrakt fassbaren Voraussetzungen eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig ist, wenn der Kläger sein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung aus der Absicht herleiten will, wegen des als rechtswidrig beanstandeten Verhaltens der Behörde einen Schadensersatzprozess zu führen.
Danach fehlt in dieser Fallgestaltung ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, wenn der beabsichtigte Schadensersatzprozess deshalb offensichtlich aussichtslos ist, weil der Behörde das für einen Erfolg des Schadensersatzprozesses erforderliche Verschulden nicht vorgeworfen werden kann. Ein solches Verschulden kann wiederum dann entfallen, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig gebilligt hat (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105>). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass von einem Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet und verlangt werden kann (BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 16; BGH, Urteile vom 6. Februar 1986 - III ZR 109/84 - BGHZ 97, 97 <107> und vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96 - NJW 1998, 751 <752>). Danach fehlt es an der inneren Rechtfertigung für die Anwendung der Kollegialgerichtsregel jedenfalls dann, wenn es sich um grundlegende Maßnahmen oberster Dienststellen handelt, die durch Auswertung allen einschlägigen Materials und erschöpfende Abwägung aller Gesichtspunkte vorbereitet werden (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <106> unter Hinweis auf BGH, Urteile vom 21. Dezember 1961 - III ZR 174/60 - NJW 1962, 793 <794> und vom 28. Juni 1971 - III ZR 111/68 - NJW 1971, 1699 <1701 >). Auch greift die Kollegialgerichtsregel nicht aufgrund gerichtlicher Entscheidungen ein, denen nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt. Dies betrifft insbesondere Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG, Beschluss vom 23. März 1993 - 2 B 28.93 - juris; BGH, Urteil vom 20. Februar 1992 - III ZR 188/90 - BGHZ 117, 240 <250>). Im Übrigen hängt die Anwendung der Kollegialgerichtsregel im Einzelfall nach ihrem Sinn und Zweck davon ab, ob die gerichtliche Entscheidung, die eine behördliche Maßnahme als rechtmäßig gebilligt hat, ihrerseits auf einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung der Sach- und Rechtslage beruht. Daran fehlt es in tatsächlicher Hinsicht, wenn das Kollegialgericht seiner rechtlichen Würdigung einen unzureichend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat. In rechtlicher Hinsicht sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Regel nicht gegeben, wenn das Kollegialgericht bereits in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von einer verfehlten Betrachtungsweise ausgegangen ist oder wesentliche rechtliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat (BVerwG, Urteile vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <106 f.> und vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 16; BGH, Urteile vom 24. Januar 2002 - III ZR 103/01 - NJW 2002, 1265 <1266> und vom 18. November 2004 - III ZR 347/03 - DVBl 2005, 312 <313>).
In dem angestrebten Revisionsverfahren könnten keine weiteren verallgemeinerungsfähigen Aussagen gewonnen werden, sondern nur die Einzelheiten des konkreten Falles auf die bereits hinreichend geklärten Grundsätze angewandt werden. Das rechtfertigt die Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung nicht.
2. Der Kläger könnte eine Zulassung der Revision nicht mit der Begründung erreichen, das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts weiche im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage ab, unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung eines Kollegialgerichts die Annahme eines Verschuldens der Behörde und damit die Erfolgsaussichten eines beabsichtigten Schadensersatzprozesses ausschließt.
a) Eine solche Abweichung liegt nicht deshalb vor, weil das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts nicht angewandt hat, für die Anwendung der Kollegialgerichtsregel fehle es an der inneren Rechtfertigung jedenfalls dann, wenn es sich um grundlegende Maßnahmen oberster Dienststellen handele, die durch Auswertung allen einschlägigen Materials und erschöpfende Abwägung aller Gesichtspunkte vorbereitet würden (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <106>).
Das Oberverwaltungsgericht hatte keinen Anlass, auf diese Grenze einzugehen, welche das Bundesverwaltungsgericht der Anwendbarkeit der Kollegialgerichtsregel gezogen hat. Die hier in Rede stehende Prüfungsentscheidung ist als Einzelfallentscheidung keine grundlegende Maßnahme oberster Dienststellen, auf welche das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung abstellt.
b) Das Oberverwaltungsgericht ist nicht von dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, die Anwendung der Kollegialgerichtsregel hänge im Einzelfall nach ihrem Sinn und Zweck davon ab, ob die gerichtliche Entscheidung, die eine behördliche Maßnahme als rechtmäßig gebilligt habe, ihrerseits auf einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung der Sach- und Rechtslage beruhe (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <106>). Das Oberverwaltungsgericht hat keinen gegenteiligen Rechtssatz aufgestellt, sondern ist der Sache nach von ihm ausgegangen, auch wenn es ihn nicht ausdrücklich angeführt hat. Das Oberverwaltungsgericht prüft, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts offensichtlich fehlerhaft war und verneint dies, weil das Verwaltungsgericht sich in seinem Urteil ausführlich mit den angefochtenen Bewertungen der Prüfer und den hiergegen erhobenen Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt hat.
Ob die Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den angefochtenen Bewertungen der Prüfer inhaltlich zutreffend war und ob die Annahme des Oberverwaltungsgerichts seinerseits zutraf, die Billigung der Prüfungsentscheidung durch das Verwaltungsgericht beruhe auf einer umfassenden und sorgfältigen Prüfung der erhobenen Einwendungen, ist für den Zulassungsgrund einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts unerheblich. Denn eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, wenn ein als solcher nicht in Frage gestellter Rechtssatz im Einzelfall nicht zutreffend angewandt sein sollte.
3. Der Kläger könnte eine Zulassung der Revision nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erreichen. Hierfür sind nur solche Verfahrensfehler erheblich, welche dem Oberverwaltungsgericht unterlaufen sind und auf denen sein Urteil beruht.
Insoweit ist der Vorwurf des Klägers unbegründet, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es ohne rechtzeitigen richterlichen Hinweis ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt des beabsichtigten Schadensersatzprozesses mit Blick auf die Kollegialgerichtsregel und das deshalb fehlende Verschulden der Beklagten verneint habe.
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Beteiligten müssen demgemäß auch Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können. Das Tatsachengericht ist aber nicht verpflichtet, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 8).
Das Oberverwaltungsgericht hat nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es mit Blick auf die Kollegialgerichtsregel ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt des beabsichtigten Schadensersatzprozesses nicht für gegeben hält. Der Kläger hätte deshalb Gelegenheit gehabt, alles das darzulegen, was aus seiner Sicht im konkreten Fall gegen die Anwendung dieser Regel sprach. Ein früherer Hinweis war schon deshalb nicht angezeigt, weil die Anwendung dieser Regel in einer Fallgestaltung wie der hier gegebenen zu den Gesichtspunkten gehört, mit deren Heranziehung ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter auch ohne gerichtlichen Hinweis rechnen muss.
Für andere Verfahrensfehler, die dem Oberverwaltungsgericht unterlaufen sein könnten, ist nichts ersichtlich.