Entscheidungsdatum: 24.05.2012
Ein Arbeitsplatz ist auch dann ausbildungsadäquat, wenn seine Anforderungen außer einer Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf eine kurzfristig erreichbare Zusatzqualifikation (hier: Fahrerlaubnis der Bundeswehr) vorsehen.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Antragstellerin will geklärt wissen, ob ein Arbeitsplatz bereits dann als ausbildungsadäquat anzusehen ist, wenn der Jugendvertreter nur einen Teil der geforderten Tätigkeiten ausüben kann und für die restlichen zunächst noch zu qualifizieren ist. In diesem Zusammenhang wirft die Antragstellerin ferner die Frage nach den Fortbildungskosten sowie nach den Folgen des Nichtbestehens der Fahrerlaubnisprüfung auf. Diese Fragen sind, soweit sie im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sind, eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten, so dass es zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens bedarf.
Nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG ist das nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist dann unzumutbar, wenn der Arbeitgeber dem Jugendvertreter zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung keinen ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatz bereitstellen kann (vgl. Beschlüsse vom 1. November 2005 - BVerwG 6 P 3.05 - BVerwGE 124, 293 <295 f.> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 25 Rn. 90 und vom 19. Januar 2009 - BVerwG 6 P 1.08 - BVerwGE 133, 42 = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 33 Rn. 24). Der Gesichtspunkt der Ausbildungsadäquanz erfordert einen Vergleich zwischen der Ausbildung des Jugendvertreters und den Anforderungen des in den Blick genommenen Arbeitsplatzes. Bei der Berufsausbildung muss es sich nach § 9 Abs. 1 BPersVG um eine solche nach dem Berufsbildungsgesetz oder nach hier nicht einschlägigen Spezialgesetzen handeln. Ausbildungsadäquat ist der Arbeitsplatz daher, wenn auf ihm diejenige Qualifikation gefragt ist, welche der Jugendvertreter in der beruflichen Abschlussprüfung erlangt hat. In diesem Fall ist der Arbeitsplatz vorrangig mit dem Jugendvertreter zu besetzen (vgl. Beschluss vom 1. November 2005 a.a.O. S. 303 bzw. Rn. 33). Daran ändert sich nichts, wenn die Arbeitsplatzvorgaben eine Zusatzqualifikation enthalten, die selbst nicht Gegenstand einer Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz oder einer noch höherwertigen Ausbildung (Fachhochschule, Hochschule) ist und innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums erworben werden kann. So verhält es sich mit der hier in Rede stehenden Fahrerlaubnis der Bundeswehr, welche die Beteiligte zu 1 nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nach ihrer Übernahme in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis alsbald hätte erwerben können. Diese kurzfristig erreichbare Zusatzqualifikation tritt mit Blick auf den Schutzzweck in § 9 BPersVG gegenüber der dreijährigen Berufsausbildung zur Tischlerin zurück, welche die Beteiligte zu 1 bei der Antragstellerin absolviert hatte und welche nach der vom Oberverwaltungsgericht ausgewerteten Tätigkeitsdarstellung für die Besetzung des fraglichen Dienstpostens gefordert war. Diese qualifizierte Berufsausbildung ist es, die den Anwendungsbereich der Schutzvorschrift eröffnet (§ 9 Abs. 1 bis 3 BPersVG) und damit für die Abwägung in § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG prägend ist.
Nach der Senatsrechtsprechung ist der öffentliche Arbeitgeber in der Definition von ihm benötigter Arbeitsplätze frei und unterliegt dabei mit Blick auf den Schutzgedanken in § 9 BPersVG lediglich einer Missbrauchskontrolle (vgl. Beschlüsse vom 1. November 2005 a.a.O. S. 300 ff. bzw. Rn. 30 ff., vom 11. März 2008 - BVerwG 6 PB 16.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 30 Rn. 8 f. und vom 12. Oktober 2009 - BVerwG 6 PB 28.09 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 39 Rn. 4). Der Jugendvertreter kann daher nicht verlangen, dass der öffentliche Arbeitgeber Arbeitsplätze schafft oder fortschreibt, welche auf die von ihm erworbene Qualifikation zugeschnitten sind. Der in § 9 BPersVG angelegte Interessenausgleich wird jedoch einseitig zu Lasten des Jugendvertreters und der Jugendvertretung verlagert, wenn trotz berufsausbildungsbezogener Übereinstimmung von Qualifikation und Anforderungsprofil die Übernahme letztlich an einer kurzfristig zu erwerbenden Zusatzqualifikation scheitert.
Ist daher in einem Fall wie dem vorliegenden mit dem Oberverwaltungsgericht davon auszugehen, dass das gesetzlich begründete Arbeitsverhältnis fortzusetzen ist, so bezieht sich die dadurch erworbene Rechtsposition des Jugendvertreters auf den konkreten Arbeitsplatz und seine Anforderungen. Sie ist daher mit der Verpflichtung verbunden, die Zusatzqualifikation unverzüglich zu erwerben. Ein Verstoß dagegen ist mit dem Risiko arbeitsrechtlicher Konsequenzen verbunden.
Die Kostenfrage ist nicht geeignet, die hier bestätigte Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Der öffentliche Arbeitgeber ist zur Übernahme der Kosten der Zusatzausbildung verpflichtet, wenn er dies in vergleichbaren Fällen (andere Auszubildende, externe Bewerber) ebenfalls zu tun pflegt (§ 8 BPersVG).
2. Die Divergenzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist unstatthaft und daher unzulässig. Nach der durch § 83 Abs. 2 BPersVG gebotenen entsprechenden Anwendung des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG sind - abgesehen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats und des Bundesverwaltungsgerichts - Entscheidungen eines anderen Oberverwaltungsgerichts oder eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts divergenzfähig. Die Antragstellerin stützt sich hier zur Begründung ihrer Divergenzrüge allein auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 7. Juli 2011 - 17 LP 16/08 -. Dabei handelt es sich aber ebenso wie in der vorliegenden Sache um eine Entscheidung des Fachsenats für Bundespersonalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg. Dadurch, dass der zuständige Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts seine eigene Rechtsprechung ändert, wird die Rechtseinheit nicht gefährdet.
3. Ohne Erfolg bleibt schließlich die Gehörsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Der Senat vermag anhand der Darlegungen in der Beschwerdebegründung (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG) nicht zu erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht Vortrag der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Würdigung einbezogen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Ausführung zur Ausbildungsadäquanz des fraglichen Dienstpostens berücksichtigt, dass dieser als Stelle für einen Kraftfahrer ausgewiesen ist und dass nach der Tätigkeitsdarstellung lediglich 41% der Tätigkeiten auf dem Dienstposten auf die Qualifikation als Tischler entfielen (BA S. 8). Dass der vormalige Dienstposteninhaber gelernter Maurer war, war für das Oberverwaltungsgericht unter dem Gesichtspunkt des § 9 BPersVG nicht erheblich, weil es nach seiner Rechtsauffassung darauf ankam, dass nach der Tätigkeitsdarstellung die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf als Tischler mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren gefordert war.