Entscheidungsdatum: 14.02.2013
Maßnahmen des Arbeitsschutzes, welche der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG unterliegen, dienen der Verhütung von Gesundheitsgefahren, die einen Bezug zur Tätigkeit der Beschäftigten in der Dienststelle haben; der Anerkennung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren steht nicht entgegen, dass diese Gefahren auch durch die persönliche Konstitution oder Situation der Beschäftigten beeinflusst werden können.
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung oder sind nicht entscheidungserheblich.
a) Die Beteiligte will zunächst geklärt wissen, ob vom Tatbestandsmerkmal "Maßnahmen zur Verhütung sonstiger Gesundheitsschädigungen" in § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG nur solche Maßnahmen erfasst werden, die Gesundheitsschädigungen verhüten sollen, die unmittelbar durch die Arbeitsbedingungen im Betrieb und die dienstliche Tätigkeit verursacht werden und die in der Verantwortung des Arbeitgebers liegen. Diese Frage ist anhand gesetzlicher Bestimmungen und vorliegender Senatsrechtsprechung eindeutig im Sinne des Oberverwaltungsgerichts zu beantworten, sodass es ihrer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.
Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG bezieht sich auf Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen. Nach ständiger Senatsrechtsprechung muss die vorgesehene Maßnahme darauf abzielen, das Risiko von Gesundheitsschädigungen oder Unfällen innerhalb der Dienststelle zu mindern oder einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Der Mitbestimmungstatbestand erfasst Arbeitsschutzmaßnahmen, die nach gesetzlicher Vorschrift oder aus freiem Entschluss des Dienststellenleiters ergriffen werden sollen, um die Beschäftigten allgemein zu schützen oder vor konkreten Gefahren zu bewahren, welche die Tätigkeit auf bestimmten Arbeitsplätzen mit sich bringt (vgl. Beschlüsse vom 17. Februar 1986 - BVerwG 6 P 21.84 - BVerwGE 74, 28 <30> = Buchholz 238.31 § 79 BaWüPersVG Nr. 6 S. 27 f., vom 25. August 1986 - BVerwG 6 P 16.84 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 46 S. 53, vom 18. Mai 1994 - BVerwG 6 P 27.92 - Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 16 S. 4, vom 8. Januar 2001 - BVerwG 6 P 6.00 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 102 S. 23 und vom 13. September 2012 - BVerwG 6 PB 10.12 - juris Rn. 5).
Der zitierten Senatsrechtsprechung ist zu entnehmen, dass Gegenstand der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind. Darunter fallen nach § 2 Abs. 1 ArbSchG Maßnahmen zur Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Die Gesundheitsgefahren, denen vorgebeugt werden soll, müssen daher einen Bezug zur Tätigkeit des Beschäftigten in der Dienststelle haben. Im Sinne eines effizienten vorbeugenden Gesundheitsschutzes reicht ein kausaler Bezug zur Arbeitswelt aus. Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren sind Vorgänge, die in nachvollziehbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz oder der Tätigkeit über das allgemeine Lebensrisiko hinaus die Gesundheit beeinflussen können. Der Anerkennung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren steht nicht entgegen, dass diese Gefahren auch durch Ereignisse aus der Umwelt oder durch die persönliche Konstitution oder Situation der Beschäftigten ebenso beeinflusst werden können (vgl. Kohte, in: Kollmer/Klindt, Arbeitsschutzgesetz, 2. Aufl. 2011, § 2 Rn. 19 ff.; ferner Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 75 Rn. 206; Ilbertz/Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, 12. Aufl. 2012, § 75 Rn. 155). Das vorbezeichnete weite Verständnis der arbeitsbedingten Gesundheitsgefahr dem Begriff der sonstigen Gesundheitsschädigung in § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG zugrunde zu legen, kommt der effizienten Durchsetzung vorbeugenden Gesundheitsschutzes im Arbeitsleben zugute. Dazu kann der Personalrat durch Einbringung seines Sachverstandes einen wichtigen Beitrag leisten, wenn er bei entsprechenden von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahmen im Wege der Mitbestimmung beteiligt wird. Der Bezug zum Arbeitsleben im beschriebenen Sinne ist daher maßgeblich dafür, ob eine von der Dienststelle beabsichtigte Maßnahme eine solche zur Verhütung einer Gesundheitsschädigung ist. Soweit die von der Beteiligten angeführten Merkmale der unmittelbaren Verursachung und der Verantwortung des Arbeitgebers überhaupt über diese Anforderung hinausgehen sollten, findet ein solches Verständnis in den genannten gesetzlichen Bestimmungen und der zitierten Senatsrechtsprechung keine Grundlage.
b) Die Beteiligte will ferner geklärt wissen, ob das Tatbestandsmerkmal "Maßnahmen zur Verhütung sonstiger Gesundheitsschädigungen" in § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG dahin auszulegen ist, dass die zu verhindernde Gesundheitsschädigung in ihrer Auswirkung einem Dienst- oder Arbeitsunfall vergleichbar sein muss.
aa) Auch diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren, weil sie eindeutig zu verneinen ist. Zwar wird in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, unter Gesundheitsschädigungen könnten nur solche Eingriffe in die Gesundheit verstanden werden, die ihrer Schwere nach den Dienst- und Arbeitsunfällen gleichzuachten seien (vgl. Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 Rn. 174e; Fischer/Göeres/Gronimus, in: GKÖD, Band V, K § 75 Rn. 101; Kaiser, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 75 Rn. 433). In der zitierten Senatsrechtsprechung findet sich eine derartige Aussage jedoch nicht. Sie ist nicht geeignet, das Verständnis von einer mitbestimmungsrelevanten sonstigen Gesundheitsschädigung zu präzisieren. Nach den gesetzlichen Definitionen des Dienstunfalls in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG und des Arbeitsunfalls in § 8 Abs. 1 SGB VII ist die Schwere des durch das plötzliche Ereignis verursachten Gesundheitsschadens nicht selbst Definitionsmerkmal (so zutreffend Altvater, a.a.O. § 75 Rn. 205). Die systematische Gleichsetzung von Dienst- und Arbeitsunfällen einerseits und sonstigen Gesundheitsschädigungen andererseits in § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG besagt lediglich, dass auch für die zweite Tatbestandsvariante der Zusammenhang mit dem Arbeitsleben gegeben sein muss.
bb) Abgesehen davon ist die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich. Der angefochtene Beschluss hängt davon nicht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich - durchaus im Einklang mit der oben zitierten Kommentarliteratur - angenommen, dass die Präventionsmaßnahmen der Beteiligten auf die Beseitigung von Gesundheitsschädigungen zielen, die nach ihrer Bedeutung für den einzelnen Beschäftigten und die Dienststelle mit den im Tatbestand von § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG vorab genannten Dienst- und Arbeitsunfällen vergleichbar sind. Dabei hat es darauf hingewiesen, dass die im Angebotskatalog der Beteiligten angesprochenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen und Erschöpfungszustände nach den allgemeinen Erkenntnissen der Arbeitsmedizin als Zivilisationskrankheiten zu den häufigsten Ursachen für Krankenfehltage sowie für Dienst- und Arbeitsunfähigkeit gehören (BA S. 9 f.). Damit wird zugleich deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht der Aussage in der Senatsrechtsprechung Rechnung getragen hat, wonach von der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG nicht jede Maßnahme erfasst wird, die objektiv oder auch nur subjektiv Einfluss auf das Wohlbefinden der Beschäftigten haben kann (vgl. Beschlüsse vom 17. Februar 1986 a.a.O. S. 30 bzw. S. 28 und vom 25. August 1986 a.a.O. S. 53).
2. Der Divergenzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bleibt ebenfalls der Erfolg versagt. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von der zitierten Senatsrechtsprechung ab.
Auch das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass mitbestimmungsrelevante Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen einen Bezug zur Arbeit in der Dienststelle haben müssen. Dabei hat es genügen lassen, dass die fragliche Maßnahme dazu dient, Gesundheitsschädigungen vorzubeugen, die durch die Tätigkeit am Arbeitsplatz verursacht werden oder verursacht werden können (BA S. 9). Diese Aussagen stehen nicht im Widerspruch zur zitierten Senatsrechtsprechung, sondern sind im Gegenteil bereits in ihr angelegt, wie oben ausgeführt wurde.
An dem Grundsatz, dass zwischen den Arbeitsbedingungen und -belastungen einerseits und den Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen andererseits ein Zusammenhang bestehen muss, hat das Oberverwaltungsgericht bei der Beurteilung der hier in Rede stehenden Präventionsmaßnahme der Beteiligten festgehalten. So hat es die gesundheitssportlichen Aktivitäten und die Rückenschule, die von der Beteiligten angeboten werden, in den Zusammenhang gestellt mit dem Bewegungsmangel und der Zwangshaltung bei sitzender und stehender Tätigkeit und den damit verbundenen Gefahren für den Stütz- und Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System. Die weiter angebotenen Entspannungstechniken hat es den Gefahren für die körperliche und seelische Gesundheit in Form von Fehlhaltungen und Erschöpfungszuständen zugeordnet, die es durch den Reformdruck in der öffentlichen Verwaltung ausgelöst sieht. Den Zusammenhang zur Arbeit hat es ebenfalls beim Angebot des Stimmtrainings als wesentliches Arbeitsinstrument im beruflichen Alltag als erfüllt betrachtet. Insgesamt hat das Oberverwaltungsgericht die streitige Maßnahme als der Bekämpfung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren geltend gewertet; es hat sich daran nicht deswegen gehindert gesehen, weil die Maßnahme in geringem Umfang auch Projekte ohne nennenswerten Arbeitsbezug enthält (BA S. 10 f.). Dies lässt keinen Widerspruch zu Aussagen in der zitierten Senatsrechtsprechung erkennen.
Entsprechendes gilt schließlich, soweit das Oberverwaltungsgericht den Zusammenhang mit dem Arbeitsleben nicht dadurch ausgeschlossen hat, dass die beschriebenen Gesundheitsgefahren teilweise aus individuellen Verhalten und persönlichen Einstellungen resultieren. Seiner weiteren Überlegung, dass sich die Dienststelle den Gesundheitsschutz auch insoweit für die Zwecke einer Steigerung der Qualität und Effizienz der Arbeit zunutze macht (BA S. 11), dient nur als zusätzliche Rechtfertigung dafür, Maßnahmen in die Mitbestimmung beim Gesundheitsschutz einzubeziehen, die auf Gesundheitsgefahren reagieren, die typischerweise ihre Grundlage sowohl im Arbeitsleben als auch in privaten Lebensumständen finden können. Der erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsleben wird damit nicht aufgegeben.