Entscheidungsdatum: 22.04.2015
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das deutsche Patent 102 55 926
hat der 6. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Voit, die Richterin Martens, den Richter Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck, die Richterin Dipl.-Phys. Dr. Otten-Dünnweber sowie den Richter Dipl.-Ing. Altvater
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 102 55 926 wird für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 102 55 926 (Streitpatent), dessen Erteilung am 3. August 2006 veröffentlicht wurde. Das Streitpatent, das die Priorität der taiwanesischen Anmeldung 091100350 vom 11. Januar 2002 in Anspruch nimmt, trägt die Bezeichnung: „Verarbeitungssystem zum Herstellen von Indikatoren mit einer Verarbeitungsvorrichtung und einer Ausgabevorrichtung, das die Indikatoren verwendet“. Es umfasst laut der Streitpatentschrift (DE 102 55 926 B4) 14 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Anspruch 1, auf den sich die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbeziehen, hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
„1. Verarbeitungssystem, umfassend:
ein optisches Gerät zum Erfassen eines Bilds aus einer ausgewählten Zone auf einer Oberfläche eines Objekts durch einen Benutzer, wobei das Bild einen grafischen Indikator beinhaltet, der sich aus mehreren gräfischen Mikroeinheiten zusammensetzt und visuell unerheblich und auf der Oberfläche des Objekts befestigt ist;
wobei die Oberfläche des Objekts eine Hauptinformation umfasst, die die grafischen Mikroeinheiten auf der Oberfläche des Objekts überlappt und mit ihnen koexistiert, wobei die grafischen Mikroeinheiten unerheblich sind, wenn der Benutzer die Hauptinformation betrachtet,
und wobei jede grafische Mikroeinheit mit einer ersten sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl im Wesentlichen absorbiert, und die Hauptinformation mit zumindest einer zweiten, sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl kaum absorbiert, und das optische Gerät einen Infrarotstrahl auf die Oberfläche des Objekts aussendet und dann ein Antwortbild von der Oberfläche des Objekts als das Bild empfängt;
ein Verarbeitungsgerät, das mit dem optischen Gerät zum Empfangen des Bilds gekoppelt ist, wobei das Verarbeitungsgerät den grafischen Indikator aus dem Bild abruft und durch Verarbeiten und/oder Umwandeln des grafischen Indikators eine zusätzlich Information erlangt, die dem grafischen Indikator entspricht; und
ein Ausgabegerät, das mit dem Verarbeitungsgerät zum Ausgeben der Zusatzinformation gekoppelt ist.“
Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei gemäß § 22 PatG für nichtig zu erklären, da dessen Gegenstand nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig sei (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und überdies über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus gehe (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Bezüglich der behaupteten fehlenden Patentfähigkeit verweist die Klägerin auf folgende Druckschriften:
K2 US 5 852 434
K3 WO 00 / 73981 A1
K4 US 5 661 506
K5 US 4 604 065
K6 EP 0 626 660 A2
K7 US 4 869 532
K8 US 5 416 312
K9 DYMETMAN, M. und COPPERMAN, M.: Intelligent Paper. In: Proceedings of EP ‘98, 7th International Conference on Electronic Publishing, März/April 1998, Seiten 392 – 406
K9a Deckblatt und Inhaltsverzeichnis des Tagungsbandes der K9
K10 HECHT, D. L.: Printed Embedded Data Graphical User Interfaces. In: Computer, März 2001, Seiten 47 – 55
K11 JP 09 031383 A
K11a Englische Übersetzung der K11
K12 US 5 866 895
K13 US 5 329 107
K14 US 4 627 819
K15 JP 2001-346032
K15a Englische Übersetzung der K15
K16 WO 00/72129 A
K17 EP 0 564 708 A2
K18 EP 0 299 383 A2
Zur Erläuterung des technischen Hintergrunds reicht die Klägerin ein Konvolut mit Figuren A, C, C‘, D, E, F, F‘, G und G‘ ein.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 102 55 926 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Ansprüche 1 bis 13 nach Hauptantrag, eingegangen mit Schriftsatz vom 9. Februar 2015, erhält,
hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Anspruchsfassung eines der Hilfsanträge 1 bis 7, eingegangen mit Schriftsatz vom 9. Februar 2015, erhält.
In der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung lautet Anspruch 1 wie folgt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):
„1. Verarbeitungssystem, umfassend: |
wobei der grafische Indikator und visuell unerheblich und auf der Oberfläche des Objekts befestigt ist; |
wobei der grafische Indikator eine Header-Information (111) und eine Inhaltsin formation (112) beinhaltet, die in einem Layout angeordnet sind, das verschiedenen Indikatorinformationen entspricht, wobei jede Header-Informationen in jedem grafi schen Indikator in der Lage ist, den entsprechenden grafischen Indikator von benach barten grafischen Indikatoren zu unterscheiden und die Ausrichtung des entsprechen den grafischen Indikators zum optischen Gerät anzuzeigen: |
wobei die Oberfläche des Objekts eine Hauptinformation umfasst, die die grafischen Mikroeinheiten auf der Oberfläche des Objekts überlappt und mit ihnen koexistiert, wobei die grafischen Mikroeinheiten unerheblich sind, wenn der Benutzer die Hauptinformation betrachtet, |
und wobei jede grafische Mikroeinheit mit einer ersten sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl im Wesentlichen absorbiert, und die Hauptinformation mit zumindest einer zweiten, sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl kaum absorbiert, und das optische Gerät einen Infrarotstrahl auf die Oberfläche des Objekts aussendet und dann ein Antwortbild von der Oberfläche des Objekts als das Bild empfängt; |
ein Verarbeitungsgerät, das mit dem optischen Gerät zum Empfangen des Bilds gekoppelt ist, wobei das Verarbeitungsgerät den grafischen Indikator aus dem Bild abruft und durch Verarbeiten und/oder Umwandeln des grafischen Indikators eine zusätzliche Information erlangt, die dem grafischen Indikator entspricht, wobei das Verarbeitungsgerät das Layout der grafischen Mikroeinheiten analysiert, um die Indikatorinformation abzurufen und des Weiteren durch Verarbeiten und/oder Umwandeln der grafischen Indikatoren die Zusatzinformation aus der Indikatorinformation zu erlangen; und |
Patentanspruch 1 nach dem 1. Hilfsantrag beruht auf der Fassung nach Hauptantrag und ist dahingehend ergänzt, dass das Verarbeitungssystem zusätzlich „eine Oberfläche (64; 90; 10000) eines Objekts“ umfasst.
Patentanspruch 1 nach dem 2. Hilfsantrag beruht auf der Fassung nach dem 1. Hilfsantrag und fügt dieser am Ende noch folgendes Merkmal hinzu:
„und wobei die grafischen Indikatoren sowie die grafischen Mikroeinheiten in zweidimensionalen Matrixausbildungen angeordnet sind, die für das menschliche Auge homogen aussehen.“
Patentanspruch 1 nach dem 3. Hilfsantrag beruht auf Anspruch 1 nach dem 2. Hilfsantrag ergänzt um die Merkmale der dortigen Ansprüche 3, 4, 5 und 8, welche lauten:
„wobei die erste sichtbare Tinte K-Öltinte ist und die zweite sichtbare Tinte C-, M-, Y-Tinten umfasst;
wobei der grafische Indikator mehrere Statuszonen zum selektiven jeweiligen Speichern der grafischen Mikroeinheiten umfasst, wobei jede der Statuszonen einen Status von zumindest zwei Kandidatenstatus anzeigt;
wobei die Kandidatenstatus einen ersten Status und einen zweiten Status umfassen, wobei im ersten Status die Statuszone eine grafische Mikroeinheit umfasst und im zweiten Status die Statuszone die grafische Mikroeinheit nicht umfasst; und
wobei die Statuszonen in einer zweidimensionalen Matrixausbildung angeordnet sind.“
Patentanspruch 1 nach dem 4. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass er sowie die rückbezogenen Ansprüche als Verwendungsansprüche formuliert sind. Patentanspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag durch Unterstreichung kenntlich gemacht):
„Verwendung eines Verarbeitungssystems zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht, umfassend:
Verwenden eines optischen s Geräts zum Erfassen eines Bilds aus einer ausgewählten Zone auf einer Oberfläche (64; 90; 10000) eines Objekts durch einen Benutzer, wobei das Bild einen grafischen Indikator beinhaltet, der sich aus mehreren grafischen Mikroeinheiten zusammensetzt, die in einem Layout angeordnet sind, wobei das Layout einer Indikatorinformation entspricht;
wobei der grafische Indikator visuell unerheblich und auf der Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts befestigt ist;
wobei der grafische Indikator eine Header-Information (111) und eine Inhaltsinformation (112) beinhaltet, die in einem Layout angeordnet sind, das verschiedenen Indikatorinformationen entspricht, wobei jede Header-Informationen in jedem grafischen Indikator in der Lage ist, den entsprechenden grafischen Indikator von benachbarten grafischen Indikatoren zu unterscheiden und die Ausrichtung des entsprechenden grafischen Indikators zum optischen Gerät anzuzeigen;
wobei die Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts eine Hauptinformation umfasst, die die grafischen Mikroeinheiten auf der Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts überlappt und mit ihnen koexistiert, wobei die grafischen Mikroeinheiten unerheblich sind, wenn der Benutzer die Hauptinformation betrachtet,
und wobei jede grafische Mikroeinheit mit einer ersten sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl im Wesentlichen absorbiert, und die Hauptinformation mit zumindest einer zweiten, sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl kaum absorbiert, und das optische Gerät einen Infrarotstrahl auf die Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts aussendet und dann ein Antwortbild von der Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts als das Bild empfängt;
Verwenden eines Verarbeitungsgeräts, das mit dem optischen Gerät zum Empfangen des Bilds gekoppelt ist, um wobei das Verarbeitungsgerät den grafischen Indikator aus dem Bild abzurufen ruft und durch Verarbeiten und/oder Umwandeln des grafischen Indikators eine zusätzliche Information zu erlangt en, die dem grafischen Indikator entspricht, wobei das Verarbeitungsgerät das Layout der grafischen Mikroeinheiten analysiert, um die Indikatorinformation abzurufen und des Weiteren durch Verarbeiten und/oder Umwandeln der grafischen Indikatoren die Zusatzinformation aus der Indikatorinformation zu erlangen; und
Verwenden eines Ausgabegeräts, das mit dem Verarbeitungsgerät zum Ausgeben der Zusatzinformation gekoppelt ist.“
Patentanspruch 1 nach dem 5. Hilfsantrag beruht auf Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags und weist das zusätzliche Merkmal „Bereitstellen einer Oberfläche (64; 90; 10000) eines Objekts“ auf.
Patentanspruch 1 nach dem 6. Hilfsantrag beruht auf Anspruch 1 des 5. Hilfsantrags und weist am Ende das folgende zusätzliche Merkmal auf:
„und wobei die grafischen Indikatoren sowie die grafischen Mikroeinheiten in zweidimensionalen Matrixausbildungen angeordnet sind, die für das menschliche Auge homogen aussehen.“
Patentanspruch 1 nach dem 7. Hilfsantrag beruht auf Anspruch 1 des 6. Hilfsantrags und ist ergänzt um die Merkmale der dortigen Ansprüche 3, 4, 5 und 8, welche wortidentisch zu den im 3. Hilfsantrag ergänzten Merkmalen sind.
Wegen des Wortlauts der Hilfsanträge im Einzelnen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 9. Februar 2015 Bezug genommen.
Die Beklagte reicht die dem Streitpatent zugrunde liegenden ursprünglichen Anmeldungsunterlagen vom 29. November 2002 als Anlage D2 ein.
Zur Veranschaulichung des Merkmals „visuell unerheblich“ reicht die Beklagte die Anlagen
D3: Beispiel eines Musters gemäß der Lehre des Streitpatents in Form eines Hefts
D4: Folie, die graphische Indikatoren gemäß Streitpatent mit grafischen Indikatoren gemäß Stand der Technik vergleicht, in 20facher Vergrößerung
D5: Folie, die graphische Indikatoren gemäß Streitpatent mit grafischen Indikatoren gemäß Stand der Technik vergleicht, in 30facher Vergrößerung
ein.
Die Beklagte hält den Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach Hauptantrag, zumindest aber nach einem der Hilfsanträge, gegenüber sämtlichen Angriffen der Klägerin für rechtsbeständig.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf das Sitzungsprotokoll sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet. Im Umfang der erteilten Fassung ist das Streitpatent ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 2006 – X ZR 236/02, GRUR 2007, 404 ff., TZ. 15 – Carvedilol II m. w. N.), da die Beklagte diese Fassung nicht mehr verteidigt.
Das Streitpatent kann auch im Übrigen keinen Bestand haben, denn es beruht in keiner der verteidigten Fassungen auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass Patentfähigkeit nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG nicht gegeben ist. Die Fassungen der Hilfsanträge mit Ausnahme des 4. Hilfsantrags sind darüber hinaus nicht zulässig, da sie den Schutzbereich des Patents erweitern (§ 22 Abs. 1, 2. Alternative PatG).
I.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verarbeitungssystem mit einer Verarbeitungsvorrichtung und einer Ausgabevorrichtung, das Indikatoren verwendet, um Zusatzinformation aus den Indikatoren, die auf der Oberfläche eines Objekts befestigt sind, bereitzustellen. Wenn Menschen die Oberfläche eines Objekts wahrnehmen, erfassten sie die Information im Allgemeinen visuell. Die Menge oder die Arten der Informationen, die die Oberfläche des Objekts trage, seien begrenzt. Wenn Information auf dem Objekt in mehreren Dimensionen aufgezeichnet werden könne, könnten die Menschen durch eine elektronische Vorrichtung Zusatzinformationen erlangen (vgl. Streitpatent, Abs. [0001], [0002], [0003], [0005]). Aus dem Stand der Technik seien mit Sicherheitstinten, bzw. mit im Infrarotbereich absorbierender Tinte gedruckte Zusatzinformationen bekannt, wozu das Streitpatent auf die Druckschriften K6, K7 und K8 verweist (vgl. Abs. [0006] – [0008]).
Es sei daher die Aufgabe der Erfindung, ein annehmbares und kostengünstiges System bereitzustellen, um zusätzliche Information zu der Hauptinformation auf der Oberfläche eines Objekts aufzubringen, auszulesen und die Information auszugeben, wobei jedoch keine gegenseitige Beeinträchtigung beim Wahrnehmen der Hauptinformation durch das menschliche Auge und dem Lesen der zusätzlichen Informationen durch optische Vorrichtungen auftrete (vgl. Streitpatent, Abs. [0009]).
Das dem Patent zugrunde liegende technische Problem ist aus dem zu entwickeln, was die Erfindung tatsächlich leistet (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Das vorliegende objektive technische Problem ist somit darin zu sehen, ein Verarbeitungssystem bereitzustellen, das die zusätzlich zu einer Hauptinformation auf einem Objekt angebrachten Zusatzinformationen ausgeben kann, wobei keine gegenseitige Beeinträchtigung beim Wahrnehmen der Hauptinformation durch das menschliche Auge und dem Lesen der zusätzlichen Informationen durch optische Vorrichtungen auftreten soll.
Diese Problem- bzw. Aufgabenstellung richtet sich an einen Fachmann, der als Ingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik oder Informationstechnik oder als Physiker über mehrere Jahre Berufserfahrung auf dem Gebiet der Bildverarbeitung verfügt.
2. Die zur Lösung der Aufgabe nunmehr mit Hauptantrag vom 9. Februar 2015 verteidigte Fassung von Anspruch 1 lautet unter senatsseitiger Hinzufügung einer Gliederung (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 durch Unterstreichung bzw. Streichung hervorgehoben):
V „Verarbeitungssystem, umfassend:
V.1 ein optisches Gerät zum Erfassen eines Bilds
V.1.2 aus einer ausgewählten Zone auf einer Oberfläche eines Objekts durch einen Benutzer,
B wobei das Bild
B.1 einen grafischen Indikator beinhaltet,
B.2 der sich aus mehreren gra äfischen Mikroeinheiten zusammensetzt,
B.2a die in einem Layout angeordnet sind, wobei das Layout einer Indikatorinformation entspricht;
B.3 wobei der grafische Indikator und visuell unerheblich und auf der Oberfläche des Objekts befestigt ist;
B.2b wobei der grafische Indikator eine Header-Information (111) und eine Inhaltsinformation (112) beinhaltet, die in einem Layout angeordnet sind, das verschiedenen Indikatorinformationen entspricht, wobei jede Header-Informationen in jedem grafischen Indikator in der Lage ist, den entsprechenden grafischen Indikator von benachbarten grafischen Indikatoren zu unterscheiden und die Ausrichtung des entsprechenden grafischen Indikators zum optischen Gerät anzuzeigen;
O wobei die Oberfläche des Objekts
O.1 eine Hauptinformation umfasst,
O.2 die die grafischen Mikroeinheiten auf der Oberfläche des Objekts überlappt
O.3 und mit ihnen koexistiert,
B.4 wobei die grafischen Mikroeinheiten unerheblich sind, wenn der Benutzer die Hauptinformation betrachtet,
B.5 und wobei jede grafische Mikroeinheit mit einer ersten sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl im Wesentlichen absorbiert,
B.6 und die Hauptinformation mit zumindest einer zweiten, sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl kaum absorbiert,
V.1.3 und das optische Gerät einen Infrarotstrahl auf die Oberfläche des Objekts aussendet und dann
V.1.4 ein Antwortbild von der Oberfläche des Objekts als das Bild empfängt;
V.2 ein Verarbeitungsgerät, das mit dem optischen Gerät zum Empfangen des Bilds gekoppelt ist,
V.2.1 wobei das Verarbeitungsgerät den grafischen Indikator aus dem Bild abruft
V.2.2 und durch Verarbeiten und/oder Umwandeln des grafischen Indikators
V.2.3 eine zusätzliche Information erlangt, die dem grafischen Indikator entspricht,
V.2.3a wobei das Verarbeitungsgerät das Layout der grafischen Mikroeinheiten analysiert, um die Indikatorinformation abzurufen und des Weiteren durch Verarbeiten und/oder Umwandeln der grafischen Indikatoren die Zusatzinformation aus der Indikatorinformation zu erlangen; und
V.3 ein Ausgabegerät, das mit dem Verarbeitungsgerät zum Ausgeben der Zusatzinformation gekoppelt ist.“
Zum Verständnis der Anspruchsfassung nach Hauptantrag ist unter Heranziehung der Beschreibung und der Figuren des Streitpatents folgendes auszuführen:
Der Patentanspruch 1 betrifft ein Verarbeitungssystem, welches drei Komponenten umfasst (vgl. Fig. 3 und Abs. [0064] des Streitpatents): ein optisches Gerät zum Erfassen eines Bildes (Merkmal V.1), ein Verarbeitungsgerät, das mit dem optischen Gerät gekoppelt ist (Merkmal V.2), und ein Ausgabegerät, das mit dem Verarbeitungsgerät zum Ausgeben einer Zusatzinformation gekoppelt ist (Merkmal V.3). Die Arbeitsweise dieses Verarbeitungssystems ist durch die Verfahrensmerkmale V.1.3, V.1.4, V.2.1, V.2.2, V.2.3 und V.2.3a charakterisiert. Für den Fachmann ist dabei mit den Merkmalen V.1.3 und V.1.4 festgelegt, dass das optische Gerät eine Lichtquelle umfasst, die einen Infrarotstrahl auf die Objektoberfläche aussendet (vgl. Streitpatent, Fig. 6: Kontrolllichtquelle 612, Kontrolllichtstrahl 613), und einen Sensor umfasst, der das von der Oberfläche reflektierte oder gestreute Licht als ein Antwortbild empfängt (vgl. Streitpatent, Fig. 6 mit Beschreibung Abs. [0072] – [0074]: Sensoreinheit 611). Das Verarbeitungsgerät ist dazu eingerichtet, aus dem von dem optischen Gerät empfangenen Antwortbild einen grafischen Indikator abzurufen und durch Verarbeiten und/oder Umwandeln desselben eine zusätzliche Information zu erlangen, welche die vom Ausgabegerät auszugebende Zusatzinformation darstellt (vgl. die Merkmale V.2 bis V.2.3 und V.3). Im Anspruch findet sich hingegen keine Angabe dazu, von welcher Art die auszugebende Zusatzinformation ist; umfasst sind damit beispielsweise eine optische Anzeige oder eine akustische Ausgabe, wie auch eine Ausgabe an ein weiteres Gerät zur Weiterverarbeitung, etwa an eine Datenverarbeitungseinheit.
Merkmal V.1.2 gibt an, dass ein Benutzer auf einer Oberfläche eines Objekts eine Zone auswählt, in der sich das von dem optischen Gerät zu erfassende Bild befindet. Für das Verarbeitungsgerät bedeutet dies lediglich, dass eine auszuwählende Zone der Objektoberfläche in den Erfassungsbereich des Verarbeitungsgeräts gebracht werden kann (vgl. auch Streitpatent, Abs. [0070]). Mit den Merkmalen O bis O.3, B bis B.2b und B.4 bis B.6 weist der Patentanspruch 1 Angaben zu dem von dem beanspruchten Verarbeitungssystem zu untersuchenden Objekt und dem auf dessen Oberfläche zu erfassenden Bild mit dem enthaltenen grafischen Indikator und grafischen Mikroeinheiten auf. Im Patentanspruch enthaltene Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben können den geschützten Gegenstand begrenzen, wenn sie das Vorrichtungselement, auf das sie sich beziehen, als ein solches definieren, das so ausgebildet sein muss, dass es die betreffende Funktion erfüllen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2006, X ZR 105/04, GRUR 2006, 823, Amtlicher Leitsatz – Luftabscheider für Milchsammelanlage m. w. N.). Die das Objekt betreffenden Merkmale O, O.1, O.2 und O.3 beschränken daher das optische Gerät zum Erfassen eines Bilds auf einer Oberfläche eines Objekts (vgl. Merkmale V.1, V.1.4) insofern, als das optische Gerät so eingerichtet sein muss, dass es das Bild mit einem aus mehreren grafischen Mikroeinheiten zusammengesetzten grafischen Indikator auch erfassen kann, wenn die Oberfläche des Objekts eine mit sichtbarer Tinte gedruckte Hauptinformation umfasst, die die grafischen Mikroeinheiten auf der Oberfläche des Objekts überlappt und mit ihnen koexistiert (vgl. die Merkmale B, B.1, B.2, O.1, O.2 und O.3). Die Merkmale B.2, B.5 und B.6 beschränken das Verarbeitungssystem insoweit, als dass es einen grafischen Indikator erfassen können muss, wenn die Mikroeinheiten mit einer Tinte gedruckt sind, die einen Infrarotstrahl im Wesentlichen absorbiert, selbst wenn überlappend eine Hauptinformation mit einer Tinte, die einen Infrarotstrahl kaum absorbiert, gedruckt ist. Entgegen den Ausführungen der Beklagten macht es hingegen für das Verarbeitungssystem keinen Unterschied, ob die Mikroeinheiten mit einer für das menschliche Auge sichtbaren oder unsichtbaren Tinte gedruckt sind (vgl. Merkmal B.5). Dagegen macht es entgegen der Auffassung der Klägerin, die hierzu mit den Figuren F, F‘ und G, G‘ aus dem vorgelegten Konvolut argumentiert hat, für das optische Gerät durchaus einen Unterschied, ob die Hauptinformation mit einer Tinte gedruckt ist, die IR-Strahlen kaum absorbiert – wie in Merkmal B.6 angegeben – oder mit einer Tinte, die IR-Strahlen reflektiert. Denn der Fachmann weiß, dass ein optisches Gerät, das einen Infrarotstrahl auf eine Oberfläche aussendet und ein Antwortbild empfängt, schon allein aufgrund einer grundsätzlich immer gewünschten ausreichenden Empfindlichkeit anders auszubilden ist, wenn es dunkle Mikroeinheiten vor einem helleren Hintergrund auswerten soll, als wenn es helle Mikroeinheiten vor einem solchen Hintergrund auswerten soll. Die das Objekt und das aufgedruckte Bild betreffenden Merkmale legen ferner fest, dass das von Merkmal V.1.4 implizit umfasste optische Lesegerät ein Antwortbild (aus den reflektierten Lichtstrahlen) erlangen kann, aus dem die – dem grafischen Indikator entsprechende – Zusatzinformation ermittelt werden kann; da sich die Hauptinformation und der grafische Indikator in der IR-Absorptionsfähigkeit der verwendeten Tinten unterscheiden, ist für den Fachmann klar, dass der Sensor ein Auswerten der Anteile, die Infrarot absorbieren, zu ermöglichen hat.
Gemäß den Merkmalen B.3 und B.4 sollen die grafischen Mikroeinheiten visuell unerheblich auf der Oberfläche des Objekts befestigt sein und unerheblich sein, wenn der Benutzer die Hauptinformation betrachtet. Das Streitpatent erläutert hierzu, jeder grafische Indikator müsse „winzig“ sein und das menschliche Auge könne einen grafischen Indikator nicht von einem anderen unterscheiden (vgl. Abs. [0050] des Streitpatents). Damit ist für den grafischen Indikator festgelegt, dass er in Relation zu der auf dem Objekt aufgedruckten Hauptinformation eine bei Betrachtung der Hauptinformation zu vernachlässigende Größe und Druckstärke aufweist, so dass er vom menschlichen Auge lediglich als Hintergrundmaterial angesehen wird (vgl. Streitpatent, Abs. [0035]). Das Verarbeitungsgerät ist damit nur insoweit charakterisiert, als dass es in der Lage sein muss, aus grafischen Mikroeinheiten über die in den Merkmalen V.1.3, V.1.4, V.2.1 und V.2.2 definierte Erfassung die Zusatzinformation auch dann noch erlangen zu können, wenn die Mikroeinheiten visuell unerheblich sind. Das Verarbeitungsgerät erlangt die Indikatorinformation aus der Analyse des Layouts der grafischen Mikroeinheiten, d. h. aus der räumlichen Anordnung der Mikroeinheiten auf der Objektoberfläche, woraus durch Verarbeiten oder Umwandeln die auszugebende Zusatzinformation erlangt wird (vgl. Merkmale B.2a, V.2.3a). Zur Ausgestaltung des grafischen Indikators gibt Merkmal B.2b an, dass er zwei verschiedene Informationen beinhaltet: zum einen eine Inhaltsinformation, welche die in Merkmal V.2.3a aufgeführte eigentliche Indikatorinformation darstellt (vgl. Streitpatent, Abs. [0042], vierter Satz); zum anderen eine Header-Information, mit welcher der entsprechende grafische Indikator von benachbarten Indikatoren unterschieden werden kann, welche also eine Art Begrenzung des jeweiligen grafischen Indikators darstellt und welche die Ausrichtung des Indikators zum optischen Gerät anzeigt. Die Angabe, dass der (einzelne) grafische Indikator eine Header-Information enthält, bedeutet für das Verarbeitungssystem und das zur Erlangung der Zusatzinformation von ihm durchgeführte Verfahren, dass das Abrufen eines einzelnen grafischen Indikators genügt, um die Inhaltsinformation auch bei unbekannter Ausrichtung zwischen Indikator und optischem Gerät abrufen zu können.
II.
1. Zur Fassung nach Hauptantrag
1.1 Der von der Klägerin angeführte Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung liegt nicht vor (§ 22 (1) i. V. m. § 21 (1) Nr. 4 PatG).
Der gegenüber dem Streitpatent eingeschränkte Anspruch 1 nach Hauptantrag umfasst Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 2 sowie einen Teil der Merkmale des erteilten Anspruchs 9. Wie von der Beklagten angegeben, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 ursprünglich offenbart durch die Figuren 1A, 9 und 12B, die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 sowie in der ursprünglichen Beschreibung durch Seite 7, Zeilen 6 bis 8, Seite 9, Zeile 7 bis Seite 10, Zeile 2 und Seite 18, Zeile 14 (vgl. Anlage D2). Die Klägerin führt zwar zutreffend aus, dass der erteilte (wie der ursprüngliche) Anspruch 9, welcher Merkmale zum Header aufführt, auf den Anspruch 6, welcher Merkmale zu Statuszonen enthält, die im Anspruch 1 nicht enthalten sind, rückbezogen war. Doch auch wenn in der Beschreibung Header-Informationen nur in Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel der Figur 1B, welche eine zweidimensionale Matrix aus Statuszonen darstellt, explizit angegeben sind (vgl. ursprüngliche Beschreibung, S. 9, Z. 7 bis S. 10, Z. 2), entnimmt der Fachmann der Ursprungsoffenbarung in ihrer Gesamtheit eine allgemeinere Ausgestaltung einer Header-Information, wie in Merkmal B.2b angegeben. Denn wenn in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale, die für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung dienen, dann hat es der Patentinhaber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Hand, sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale zu beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 2011 – X ZR 12/10, Mitt. 2012, 344, Tz. 30; BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 – X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 – Spleißkammer). Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbeispiels der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmalskombination dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2001 – X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, Amtlicher Leitsatz – Drehmomentübertragungseinrichtung). Dies trifft nach Überzeugung des Senats vorliegend nicht zu. Denn für den Fachmann ist unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass die Ausgestaltung des grafischen Indikators mit einer Header-Information und einer Inhaltsinformation die angestrebten Wirkungen auch erzielen kann, ohne dass die Statuszonen in der im Ausführungsbeispiel angegebenen Weise verwirklicht sind.
1.2 Der Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung, den die Nichtigkeitsklägerin in Bezug auf das Merkmal der Header-Information (Merkmal B.2b) anführt, liegt ebenfalls nicht vor (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).
Der Anspruchswortlaut in den Fassungen sämtlicher Anträge schließt es, wie die Klägerin erläutert, nicht aus, dass sich die Header-Information und die Inhaltsinformation überlappen. Unabhängig davon, ob eine Überlappung vorliegt oder nicht, ist der Fachmann bestrebt, Probleme beim Auslesen der Header-Information, welche bei einer willkürlichen Ausgestaltung von Header- und Inhaltsinformation möglicherweise auftreten können, zu lösen, etwa indem das Verarbeitungssystem mehrere nebeneinanderliegende grafische Indikatoren ausliest oder indem für die Ausgestaltung der Inhaltsinformation nur Layouts gewählt werden, welche sich vom Layout der Header-Information unterscheiden. Dabei gehört es zum Fachwissen des zuständigen Fachmanns, dass bei der Kodierung von Information in einem zweidimensionalen Layout je nach angestrebtem Informationsgehalt nicht beliebige, sondern nur unterscheidbare Muster zur Kodierung verwendet werden können. Das Streitpatent gibt dem Fachmann darüber hinaus mit den in den Figuren 1B bis 1F, welche sämtlich als Inhaltsinformation nur Layouts zeigen, die sich von dem Layout der Header-Information unterscheiden, und dem Unteranspruch 10 genügend Informationen an die Hand, so dass er die beanspruchte Lehre mit der Header-Information unter Einsatz seines Fachwissens ohne unzumutbare Schwierigkeiten ausführen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – X ZR 51/06, GRUR 2010, 901, Amtlicher Leitsatz b) – Polymerisierbare Zementmischung).
1.3 Es kann dahinstehen, ob dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere gegenüber einer der Druckschriften K3, K4, K5 oder K16, bereits die Neuheit fehlt. Denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er dem Fachmann durch Druckschrift K3 i. V. m. Druckschrift K12 nahegelegt ist (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 PatG).
Druckschrift K3 sieht ein Objekt (product) vor, das in Verbindung mit einem Erfassungsgerät verwendet werden kann und auf dessen Oberfläche (surface) ein zweidimensionaler Positionscode aufgebracht ist. Bei diesem Objekt handelt es sich beispielsweise um eine Speisekarte, die in mehrere Bereiche aufgeteilt ist, welche mehreren auswählbaren Alternativen entsprechen, etwa verschiedenen Gerichten. Durch Zeigen auf einen ausgewählten Bereich mit einem Erfassungsgerät kann ein Benutzer eine der Alternativen auswählen, indem der in diesem Bereich aufgebrachte Positionscode gelesen und weiterverarbeitet wird (vgl. K3: Abstract und Fig. 2). Zur Verwendung in Verbindung mit einem solchen Objekt ist in Druckschrift K3 ein Verarbeitungssystem (device, pen) vorgesehen, das ein optisches Gerät (optics part) zum Erfassen eines Bildes, ein damit gekoppeltes Verarbeitungsgerät (electronic circuitry part) und ein mit dem Verarbeitungsgerät gekoppeltes Ausgabegerät (display 20) umfasst (vgl. Fig. 6 und 7 mit Beschreibung S. 32, vorle. Abs. – S. 33, fünfter Abs. / Merkmale V, V.1, V.2, V.3). Dabei kann durch einen Benutzer (customer) eine Zone auf der Oberfläche (surface 2) des Objekts (menu, product 71) ausgewählt werden (vgl. S. 4, dr. Abs., S. 36, Z. 2 – 6, Fig. 1, 2 und 7 / Merkmal V.1.2). Auf der Oberfläche des Objekts sind Bestellalternativen (order alternatives), welche die Hauptinformation darstellen, und ein zweidimensionaler Positionscode (position code 4, position coding 103) aufgebracht, welcher dem in Merkmal B des Anspruchs 1 aufgeführten Bild entspricht und einen grafischen Indikator beinhaltet (vgl. Fig. 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung, S. 14, zweiter und dritter Abs. / Merkmale B, B.1, O, O.1). Der Positionscode besteht aus einer Mehrzahl von Symbolen, welche grafische Mikroeinheiten darstellen und welche in einem zweidimensionalen Layout angeordnet sind, dem als Indikatorinformation die Position in kodierter Form zugeordnet ist (vgl. Fig. 1 und 2: symbols 6a, 6b, dots; S. 13, Z. 35 – S. 14, Z. 13 und S. 14, Z. 37 – S. 15, Z. 5 / Merkmale B.2, B.2a). Die grafischen Mikroeinheiten sind auf der Oberfläche des Objekts so angebracht, dass sie den Bereich (Fig. 1: fields 3), der die Hauptinformation umfasst, vollständig überlappen und mit dieser koexistieren (vgl. S. 9, Z. 13 – 20, S. 13, Z. 23 – 26, S. 37, Z. 4 – 6 sowie die Ansprüche 3 und 4 / Merkmale O.2, O.3). Der Positionscode kann mit einer gewöhnlichen, demgemäß sichtbaren karbonbasierten Tinte gedruckt sein, die Infrarotlicht im Wesentlichen absorbiert, während für die überlagerte Hauptinformation eine andere Tinte, die nicht karbonbasiert ist und die das Auslesen nicht beeinträchtigen soll und damit Infrarotlicht nicht absorbiert, verwendet wird; da die die Hauptinformation darstellenden Bestellalternativen vom Benutzer gelesen werden sollen, ist für deren Druck zwangsläufig eine für den Benutzer sichtbare Tinte zu verwenden (vgl. Fig. 1 und S. 32, zw. Abs. / Merkmale B.5, B.6).
Druckschrift K3 gibt dem Fachmann auch den Hinweis, die grafischen Mikroeinheiten unaufdringlich auszugestalten, so dass sie das Erscheinungsbild des Objektes nicht stören (vgl. S. 14, Z. 27 – 30), was sich auf den Betrachter bezieht, der die Hauptinformation in Form der Bestellalternativen erfassen will. Für das in der Figur 2 dargestellte Ausführungsbeispiel, bei dem sich die Hauptinformation und die grafischen Mikroeinheiten überlappen, bedeutet dies nichts anderes, als dass der grafische Indikator visuell unerheblich auf der Oberfläche des Objekts (bspw. auf der Speisekarte) befestigt ist und die Mikroeinheiten bei Betrachtung der Hauptinformation durch den Benutzer unerheblich sind (Merkmale B.3, B.4). Auch die Angaben, dass in Abhängigkeit von der Größe der Mikroeinheiten (symbols) das Muster nur noch als Grauschattierung wahrgenommen wird und die Kodierung für das menschliche Auge nicht sichtbar ist (vgl. S. 23, Z. 27 – 36), sind als visuelle Unerheblichkeit im Sinne der Anspruchsformulierung zu verstehen. Zur Funktionsweise des Verarbeitungssystem erläutert Druckschrift K3, dass das optische Gerät, das eine lichtemittierende Diode (diode 13) umfasst, einen Lichtstrahl aussendet und mit einem lichtsensitiven Sensor (light-sensitive area sensor 14) ein zweidimensionales Antwortbild empfängt, aus dem das Verarbeitungsgerät den einen grafischen Indikator darstellenden Positionscode abruft (vgl. S. 32, vorle. Abs. – S. 33, dritter und vierter Abs. / Merkmal V.1.4, V.2.1). Dass für das Ermitteln eines Positionscodes auf der Oberfläche des Objekts, der sich von der Hauptinformation in der IR-Absorptionsfähigkeit unterscheidet, die lichtemittierende Diode auch Infrarot-Anteile umfassen muss und dementsprechend durch das optische Gerät ebenfalls ein Infrarotstrahl auf die Oberfläche des Objekts ausgestrahlt wird, liest der Fachmann dabei mit (Merkmal V.1.3). Das Verarbeitungsgerät weist zudem Mittel zur Aufbereitung (processing means 16) auf, welche in dem aufgenommenen Antwortbild eine Positionsbestimmung anhand des Positionscodes vornehmen, was bedeutet, dass das Layout der Mikroeinheiten darstellenden Symbole analysiert wird, um die eine Indikatorinformation darstellende zugehörige Positionsinformation zu erlangen, was den Schritt des Verarbeitens des grafischen Indikators umfasst (vgl. S. 33, vierter Abs. und S. 14, letzter Abs. bis S. 15, erster Abs. / Merkmal V.2.2). Die schließlich an einem Display (display 20) ausgegebene Anzeige der aufgenommenen Bestellung stellt dabei die Zusatzinformation dar, welche durch Verarbeiten des grafischen Indikators erlangt wird (vgl. S. 33, fünfter Abs. / Merkmale V.2.3, V.2.3a).
Druckschrift K3 offenbart somit ein Verarbeitungssystem, dem mit Ausnahme von Merkmal B.2b alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag entnehmbar sind.
Die Klägerin hat ausgeführt, jedes Punktmuster, das in X-/Y-Richtung ausgerichtet sei, erfülle das Merkmal B.2b, das von der Klägerin als Merkmal Y bezeichnet wird, und Druckschrift K3 offenbare in ihrem ersten Ausführungsbeispiel (Example I, S. 15 ff, inbes. S. 20, Z. 20 ff.) Header-Informationen, da für die Decodierung die Trennung des jeweiligen Indikators von den benachbarten Indikatoren bekannt sein müsse. Die Beklagte hat geltend gemacht, Druckschrift K3 stelle darauf ab, dass die Ausrichtung in X-/Y-Richtung bekannt sei, eine Unterscheidbarkeit der beiden Raumrichtungen sei nicht gegeben. Bei den in der Figur 3 der Druckschrift K3 gezeigten, überlappenden Punktmustern sei es technisch unmöglich, benachbarte Positionskoordinaten zu unterscheiden und für einen Header sei kein Platz in diesen Punktmustern. Der Beklagten ist insoweit zuzustimmen, als dass die in Druckschrift K3 gezeigten Punktmuster keinen Header enthalten und keine Header-Information, aus der die Ausrichtung des Kodierungsmusters relativ zum optischen Lesegerät angezeigt werden kann. In den Beispielen der Druckschrift K3 ist, wie die Beklagte vorgetragen hat, von einer vorgegebenen Ausrichtung von Lesegerät und Objekt auszugehen (vgl. S. 15, Z. 19 – 27, Table I, S. 17, Z. 23 – 27 u. S. 17, Z. 33 – S. 18, Z. 2, S. 20,Z. 16 – 27). Wenn das Druckschrift K3 entnehmbare Verarbeitungssystem aber für andere bzw. allgemeinere Anwendungen eingesetzt werden soll (vgl. auch K3: S. 37, Z. 23 – 25 und S. 38, Z. 10 f), so werden in dem Fall, dass die Ausrichtung von Lesegerät und Objekt nicht korrekt ist, unzutreffende Positionsinformationen ermittelt werden, da bei einer Verdrehung das System aus dem erläuterten Punktmuster (vgl. bspw. S. 20, Z. 23 – 27) eine andere Bitfolge ausliest. Wenn der Fachmann die in Druckschrift K3 offenbarte Lehre auch für Anwendungen, bei denen die X- und die Y-Richtung nicht eindeutig vorgegeben sind, implementieren möchte, so hat er daher Veranlassung, im Stand der Technik nach Möglichkeiten zu suchen, auch bei beliebiger Ausleserichtung und Ausrichtung korrekte Positionskoordinaten zu erhalten.
Für einen optisch auszulesenden Code erläutert Druckschrift K12, wie ein zweidimensionales Punktmuster auszugestalten ist, damit die Ausrichtung zwischen den Bildpixeln einer als Sensor fungierenden CCD-Kamera und dem auf einem auszulesenden Objekt angebrachten Datencode korrekt erkannt werden kann (vgl. K12: Abstract, Fig. 1 – 3 und Sp. 5, Z. 17 – 21). Dabei wird der aus Punkten bestehende Datencode (data code 10) in einem festzulegenden Abstand mit einem Rastercode (pattern code 12) versehen (Fig. 1 und Sp. 5, zw. Abs.). Der Rastercode, der aus Markierungspunkten (markers 16) und Rasterpunkten (pattern dots 14) besteht (vgl. Sp. 5, Z. 52 – 60), stellt in dem zweidimensionalen Code (dot code) eine Header-Information dar, während der Datencode die eigentliche Inhaltsinformation beinhaltet. In dem aufgenommenen Bild werden zunächst anhand der Markierungspunkte die Rasterpunkte erfasst, aus denen ein Bezugspunkt ermittelt wird, welcher die Ausrichtung zwischen dem einen grafischen Indikator darstellenden Datencode und dem optischen Gerät (image pickup device) anzeigt (vgl. Sp. 5, Z. 12 – 21 und Z. 61 – 65). Mithilfe der Markierungspunkte können dabei die Grenzen zwischen verschiedenen Blöcken von Datencodes extrahiert werden (vgl. Sp. 6, Z. 38 – 40), was nichts anderes bedeutet, als dass der Rastercode als Header-Information auch in der Lage ist, den Datencode von benachbarten Datencodes – also von benachbarten grafischen Indikatoren – zu unterscheiden (Merkmal B.2b). Bei den in Druckschrift K12 offenbarten zweidimensionalen Datencodes handelt es sich ebenso wie bei den in Druckschrift K3 erläuterten Positionscodes um Muster mit Punkten kleiner Größe (vgl. K12: Sp. 5, Z. 11 – 14, K3: S. 8, Z. 19), und beide Punktmuster sollen durch optische Geräte ausgelesen werden.
Für den Fachmann, der ausgehend von dem aus Druckschrift K3 bekannten Verarbeitungssystem nach einer geeigneten Codierung der grafischen Informationen für den allgemeinen Anwendungsfall sucht, der keine vorgegebene Leserichtung voraussetzt, ist es daher naheliegend, auf die aus Druckschrift K12 bekannte Ausgestaltung der Punktmuster mit einer Header-Information und einer Inhaltsinformation zurückzugreifen (Fig. 1 – 3 und zugehöriger Text in Sp. 5). Hierbei sind diese Muster in einem Layout angeordnet, das verschiedenen Indikatoren darstellenden Informationen entspricht, wobei die durch die Rasterpunkte realisierte Header-Information sowohl der Unterscheidung von den benachbarten Indikatoren wie der Anzeige der Ausrichtung des Indikators zum optischen Gerät dient (Merkmal B.2b).
Es trifft zwar zu, dass die in Druckschrift K12 erläuterten Markierungspunkte (marker 16) nicht die Funktionen wie die Header-Informationen gemäß der Merkmalsgruppe B.2b gewährleisten, wie die Beklagte ausführt. Allerdings sind als Header-Information im Sinne des Merkmals B.2b in Druckschrift K12 nicht isoliert die Markierungspunkte anzusehen, sondern der Rastercode (pattern code 12), welcher neben diesen Markierungspunkten noch Rasterpunkte (pattern dots 14) aufweist (vgl. Fig. 3); zusammengenommen erfüllen diese die in Merkmal B.2b angegebenen Funktionen der Unterscheidungsmöglichkeit zu benachbarten Indikatoren und der Anzeige der Ausrichtung zum Lesegerät. Da der Rastercode einem zweidimensionalen Punktmuster, welches eine Inhaltsinformation beinhaltet, ohne weiteres hinzugefügt werden kann, ohne an dem die Inhaltsinformation darstellenden Code etwas ändern zu müssen, lässt sich auch der aus Druckschrift K3 bekannte zweidimensionale Positionscode – entgegen der Auffassung der Beklagten – mit einem solchen Rastercode ergänzen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist dem Fachmann somit durch das in Druckschrift K3 offenbarte Verarbeitungssystem i. V. m. der aus Druckschrift K12 bekannten Kodierung von zweidimensionalen Codes nahegelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. In den Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 kann das Streitpatent keinen Bestand haben.
2.1 Die Gegenstände des jeweiligen Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 gehen nicht über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer am Anmeldetag eingereichten Fassung hinaus. Die zusätzlich zum Hauptantrag aufgenommenen Merkmale finden ihre Offenbarung in den Figuren 1A bis 1F, 5, 6 und 8 bis 12 und auf Seite 7, Zeile 5 f., Seite 9, Zeilen 1 bis 5, Seite 14, zweiter Absatz der Ursprungsanmeldung sowie in den ursprünglichen Ansprüchen 5, 6, 11, 24 und 29. Zu den weiteren Merkmalen ist auf die Ausführungen zum Hauptantrag in Abschnitt II.1.1 zu verweisen.
2.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist wegen einer Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der Fassung des erteilten Patents nicht zulässig (§ 22 Abs. 1 PatG).
Eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents liegt vor bei Aufnahme eines zusätzlichen Merkmals, welches ursprünglich offenbart ist, auf das sich die erteilten Ansprüche jedoch nicht beziehen, wenn dadurch der Gegenstand des Patents gegenüber dem des erteilten Patents zu einem Aliud, d. h. zu einem anderen Gegenstand wird (vgl. Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 22 Rdn 15, 16; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 22 Rdn. 25, 27). Ein Gegenstand, der durch das erteilte Patent zwar offenbart, von ihm aber nicht geschützt ist, kann nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Patentnichtigkeitsverfahren nicht nachträglich in das Patent einbezogen und unter Schutz gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2004 – X ZR 149/01, BPatGE 47, 302, Amtlicher Leitsatz – Elektronisches Modul; BGH, Urteil vom 1. April 2014, X ZR 31/11, GRUR 2014, 650 - 654, Tz. 20 – Reifendemontiermaschine).
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag darin, dass das Verarbeitungssystem zusätzlich
O.0* „eine Oberfläche (64; 90; 10000) eines Objekts“
umfassen soll.
Der Anspruch 1 des Streitpatents war auf ein Verarbeitungssystem gerichtet, für das als gegenständliche Merkmale ein optisches Gerät zum Erfassen eines Bilds (vgl. Merkmal V.1), ein Verarbeitungsgerät (vgl. Merkmal V.2) und ein Ausgabegerät (vgl. Merkmal V.3) benannt waren und das mit den weiteren Merkmalen V.1.2, V.1.3, V.1.4, V.2.1, V.2.2, V.2.3 und V.2.3a die Arbeitsweise des Systems benennt. In den Merkmalen B, B.1, B.2, B.3, B.4, B.5 und B.6 finden sich Angaben zu dem zu erfassenden Bild, und in den Merkmalen O, O.1, O.2 und O.3 Angaben zu der auf der Oberfläche eines Objekts angeordneten Hauptinformation. Diese O- und B-Merkmale charakterisieren das im erteilten Anspruch 1 beanspruchte Verarbeitungssystem nur insoweit, als dass es geeignet sein muss, ein Bild erfassen zu können, das auf einer Oberfläche eines Objekts aufgebracht ist und bei dem das Objekt und das Bild die in den O- und B-Merkmalen angegebenen Eigenschaften haben (vgl. die Ausführungen zum Verständnis der Anspruchsfassung in Abschnitt I. 2.). Die Oberfläche des Objekts ist zwar von dem Verarbeitungssystem zu verarbeiten. Sie bzw. das Objekt selbst sind aber nicht Bestandteil des Verarbeitungssystems, wie es im erteilten Anspruch 1 definiert war. Dies verdeutlicht auch Figur 3 des Streitpatents, in der das elektronische System gemäß der Erfindung dargestellt ist: das dargestellte elektronische System beinhaltet allein ein optisches Gerät 311, ein Verarbeitungsgerät 312 und ein Ausgabegerät 313. Die weiteren Figuren 4 bis 12B – auf welche die Beklagte verweist – zeigen zwar auch das zu verarbeitende Objekt. Während Figur 3 gemäß zugehöriger Beschreibung das elektronische System zeigt, stellen diese weiteren Figuren dagegen die Arbeitsweise bzw. die Anwendung des elektronischen Systems dar (vgl. Streitpatent, Fig. 3 bis 12B mit zughöriger Beschreibung). Durch die dargestellte Verwendung wird das Objekt nach Überzeugung des Senats aber nicht Teil des Gegenstands, wie er durch den Patentanspruch 1 der erteilten Fassung unter Schutz gestellt worden ist. Auch die erteilten Unteransprüche 2 bis 14 geben keinen Hinweis darauf, dass das zu verarbeitende Objekt vom beanspruchten Verarbeitungssystem mitumfasst wäre. Der erteilte Patentanspruch 1 schützt somit ein Verarbeitungssystem als solches; der Gegenstand, für den die Beklagte mit der geänderten Fassung nach Hilfsantrag 1 Schutz begehrt, ist hingegen ein anderes System, nämlich ein Verarbeitungssystem zusammen mit der Oberfläche des Objekts. Mit der Aufnahme des Merkmals O.0* stellt das mit der verteidigten Fassung nach Hilfsantrag 1 beanspruchte Verarbeitungssystem somit ein Aliud zum erteilten Gegenstand dar.
2.3 Auch der jeweilige Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 und 3 enthält das Merkmal O.0* und ist somit auf ein Verarbeitungssystem gerichtet, das auch eine Oberfläche eines Objekts umfassen soll. Die weiteren in den jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 und 3 aufgenommenen Merkmale, welche die grafischen Indikatoren betreffen und Angaben zu den zu verwendenden Tinten machen, führen hinsichtlich der Frage der Veränderung des Schutzbereichs zu keiner anderen Bewertung. Daher stellen auch die mit den verteidigten Fassungen nach Hilfsantrag 2 und 3 beanspruchten Gegenstände gegenüber dem erteilten Gegenstand ein Aliud dar. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 und der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 sind wegen einer Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der Fassung des erteilten Patents daher ebenfalls nicht zulässig.
2.4 Darüber hinaus beruht der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1, 2 und 3 gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift K3 i. V. m. Druckschrift K12 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst das Verarbeitungssystem als zusätzliche Komponente „eine Oberfläche eines Objekts“ (Merkmal O.0*). Druckschrift K3 erläutert, wie zum Hauptantrag ausgeführt, ein Verarbeitungssystem mit einem optischen Gerät (optics part), einem Verarbeitungsgerät (electronic circuit part) und einem Ausgabegerät (display 20); offenbart ist auch das Objekt (sheet 1, menu, product 71) und eine Oberfläche des Objekts (surface 2), welches von dem Verarbeitungssystem zur Erlangung einer Zusatzinformation verarbeitet wird (vgl. K3, Anspruch 16, Fig. 1, 2, 6 und 7 / Merkmal O.0*). Dies steht auch in Einklang mit Druckschrift K12, die als das Objekt, auf dessen Oberfläche der zweidimensionale Positionscode aufzubringen ist, ein Aufzeichnungsmedium offenbart (information recording medium, vgl. Sp. 1, Z. 7 – 18). Auch das hinzugefügte Merkmal O.0* bezüglich der Oberfläche eines Objektes kann damit keine erfinderische Tätigkeit begründen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist dem Fachmann somit ebenso wie der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag durch das in Druckschrift K3 offenbarte Verarbeitungssystem i. V. m. der aus Druckschrift K12 bekannten Kodierung von zweidimensionalen Codes nahegelegt.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 durch das angefügte Merkmal
B.2c „und wobei die grafischen Indikatoren sowie die grafischen Mikroeinheiten in zweidimensionalen Matrixausbildungen angeordnet sind, die für das menschliche Auge homogen aussehen.“
Zu den gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unveränderten Merkmalen V bis B.2b und O bis V.3 sei auf die vorstehenden Ausführungen zum Hilfsantrag 1 verwiesen, die für die Merkmale in Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 in gleicher Weise gelten.
Die Angabe, dass eine Anordnung für das menschliche Auge homogen aussieht, schränkt das beanspruchte Verarbeitungssystem nicht weiter ein, da bereits mit den gegenüber dem Hauptantrag unveränderten Merkmalen B.3 und B.5 des Anspruchs 1 angegeben ist, dass dieses geeignet sein muss, einen grafischen Indikator erfassen zu können, der visuell unerheblich auf der Oberfläche befestigt ist. Die Beklagte hat ausgeführt, der Fachmann wisse, dass eine Anordnung, die für das menschliche Auge homogen aussehen soll, allein durch eine homogene Verteilung der grafischen Mikroeinheiten und der grafischen Indikatoren zu erreichen sei und nicht durch eine Grauschattierung. Dieser Auffassung kann der Senat nicht beitreten. Denn zur Verteilung der grafischen Mikroeinheiten oder der grafischen Indikatoren macht Anspruch 1 nur die Angabe, dass sie in einem Layout angeordnet sind; ebenso umfasst von der Anspruchsformulierung ist daher eine Ausgestaltung, bei der die visuelle Unerheblichkeit bspw. (auch) durch eine geeignet gewählte Graustufe erreicht wird. Die in Druckschrift K3 offenbarten grafischen Indikatoren und Mikroeinheiten sind so angeordnet, dass sie für das menschliche Auge nur als eine Grauschattierung wahrgenommen werden und damit homogen aussehen (vgl. K3: S. 14, 27 – 32 und S. 23, Z. 25 – 29), wobei eine zweidimensionale Matrixausbildung (two-dimensional position code 4) gewählt wird (vgl. K3, Abstract und Fig. 2 / Merkmal B.2c). Auch der in Druckschrift K12 offenbarte grafische Indikator mit Mikroeinheiten ist in zweidimensionaler Matrixausbildung angeordnet (vgl. Fig. 3, Sp. 5, Z. 43: matrix to form a two-dimensional code) und wird bei der angegebenen Punktgröße, welche nahe der Auflösungsgrenze einer CCD-Kamera liegen soll (vgl. Sp. 5, Z. 11 – 14), für das menschliche Auge homogen aussehen (Merkmal B.2c). Somit ist auch das in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 hinzugenommene Merkmal B.2c nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 durch das Anfügen der Merkmale:
B.5a „wobei die erste sichtbare Tinte K-Öltinte ist
B.6a und die zweite sichtbare Tinte C-, M-, Y-Tinten umfasst;
B.2d wobei der grafische Indikator mehrere Statuszonen zum selektiven jeweiligen Speichern der grafischen Mikroeinheiten umfasst, wobei jede der Statuszonen einen Status von zumindest zwei Kandidatenstatus anzeigt;
B.2e wobei die Kandidatenstatus einen ersten Status und einen zweiten Status umfassen, wobei im ersten Status die Statuszone eine grafische Mikroeinheit umfasst und im zweiten Status die Statuszone die grafische Mikroeinheit nicht umfasst; und
B.2f wobei die Statuszonen in einer zweidimensionalen Matrixausbildung angeordnet sind.“
Zu den gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unveränderten Merkmalen V bis B.2c und O bis V.3 sei auf die vorstehenden Ausführungen zum Hilfsantrag 2 verwiesen, die für die entsprechenden Merkmale in Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 in gleicher Weise gelten.
Für das in Druckschrift K3 offenbarte Verarbeitungssystem ist angegeben (vgl. K3, S. 32, zw. Abs.), dass der Code mithilfe von schwarzen karbon-basierten Standard-Drucktinten gedruckt werden kann, was nichts anderes bedeutet, als dass die grafischen Mikroeinheiten mit einer (ersten) sichtbaren Öltinte gemäß Merkmal B.5a gedruckt werden. Für die die grafischen Mikroeinheiten überlappende Information, d. h. für die Hauptinformation, ist vorgesehen, andere (zweite) Tinten, einschließlich schwarzer, nicht karbonbasierter Tinten zu verwenden. Dem Fachmann ist klar, dass die anderen Tinten, die einen Infrarotstrahl kaum absorbieren sollen, sogenannte C-, M-, Y-Tinten umfassen, so dass der Fachmann Druckschrift K3 auch Merkmal B.6a entnimmt. Der in Druckschrift K3 erläuterte grafische Indikator umfasst zudem mehrere Statuszonen zum jeweiligen Speichern der grafischen Mikroeinheiten, welche in der binären Ausführungsvariante jeweils einen Status von zwei Kandidatenstatus anzeigen und welche in einer zweidimensionalen Matrixanordnung angeordnet sind (vgl. S. 14, Z. 19 f.: the position codes … is made up of symbols of a first and second type, Abstract: two-dimensional position code / Merkmal B.2d, B.2f). Der Beklagten ist zuzustimmen, dass Druckschrift K3 nicht zwischen Statuszonen mit und ohne grafischen Mikroeinheiten unterscheidet. Die in K3 implementierten Kandidatenstatus weisen in der als erstes Beispiel erläuterten Ausführungsform vielmehr als ersten Status Punkte mit einem größeren Durchmesser und als zweiten Status Punkte mit einem kleineren Durchmesser auf (vgl. S. 14, Z. 19 - 24: dots of two different sizes). Einen Hinweis auf eine alternative Ausgestaltung entsprechend Merkmal B.2e mit einem Kandidatenstatus, für den im ersten Status die Statuszone eine grafische Mikroeinheit umfasst und im zweiten Status die Statuszone die grafische Mikroeinheit nicht umfasst, erhält der Fachmann aus Druckschrift K12 (vgl. K12: Fig. 3 und Sp. 5, Z. 46: black and white dots respectively representing „1“ and „0“ / Merkmal B.2e), die er bereits im Hinblick auf eine geeignete Codierung von Header-Informationen hinzuziehen würde (vgl. Ausführungen zum Hauptantrag, Merkmal B.2b). Ein Verarbeitungssystem mit den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist dem Fachmann daher ausgehend von dem in Druckschrift K3 offenbarten Verarbeitungssystem i. V. m. der aus Druckschrift K12 bekannten Kodierung von zweidimensionalen Codes nahegelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 beruht somit ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Auch die jeweiligen Ansprüche 1 nach Hilfsantrag 1, 2 und 3 sind somit nicht patentfähig.
3. In der Fassung nach Hilfsantrag 4 kann das Streitpatent nicht aufrechterhalten werden.
3.1 In seiner verteidigten Fassung nach Hilfsantrag 4 betrifft der Patentanspruch 1 die Verwendung eines Verarbeitungssystems zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht.
Mit einer vom Senat hinzugefügten Gliederung hat Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag durch Unterstreichung bzw. Durchstreichen hervorgehoben):
V* „Verwendung eines Verarbeitungssystems zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht, umfassend:
V.1* Verwenden eines optischen s Geräts zum Erfassen eines Bilds
V.1.2* aus einer ausgewählten Zone auf einer Oberfläche (64; 90; 10000) eines Objekts durch einen Benutzer,
B wobei das Bild
B.1 einen grafischen Indikator beinhaltet,
B.2 der sich aus mehreren grafischen Mikroeinheiten zusammensetzt,
B.2a die in einem Layout angeordnet sind, wobei das Layout einer Indikatorinformation entspricht;
B.3* wobei der grafische Indikator visuell unerheblich und auf der Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts befestigt ist;
B.2b wobei der grafische Indikator eine Header-Information (111) und eine Inhaltsinformation (112) beinhaltet, die in einem Layout angeordnet sind, das verschiedenen Indikatorinformationen entspricht, wobei jede Header-Informationen in jedem grafischen Indikator in der Lage ist, den entsprechenden grafischen Indikator von benachbarten grafischen Indikatoren zu unterscheiden und die Ausrichtung des entsprechenden grafischen Indikators zum optischen Gerät anzuzeigen;
O* wobei die Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts
O.1 eine Hauptinformation umfasst,
O.2* die die grafischen Mikroeinheiten auf der Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts überlappt
O.3 und mit ihnen koexistiert,
B.4 wobei die grafischen Mikroeinheiten unerheblich sind, wenn der Benutzer die Hauptinformation betrachtet,
B.5 und wobei jede grafische Mikroeinheit mit einer ersten sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl im Wesentlichen absorbiert,
B.6 und die Hauptinformation mit zumindest einer zweiten, sichtbaren Tinte gedruckt ist, die einen Infrarotstrahl kaum absorbiert,
V.1.3* und das optische Gerät einen Infrarotstrahl auf die Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts aussendet und dann
V.1.4* ein Antwortbild von der Oberfläche (64; 90; 10000) des Objekts als das Bild empfängt;
V.2* Verwenden eines Verarbeitungsgeräts, das mit dem optischen Gerät zum Empfangen des Bilds gekoppelt ist,
V.2.1* um wobei das Verarbeitungsgerät den grafischen Indikator aus dem Bild abzurufen ruft
V.2.2 und durch Verarbeiten und/oder Umwandeln des grafischen Indikators
V.2.3* eine zusätzliche Information zu erlangt en, die dem grafischen Indikator entspricht,
V.2.3a wobei das Verarbeitungsgerät das Layout der grafischen Mikroeinheiten analysiert, um die Indikatorinformation abzurufen und des Weiteren durch Verarbeiten und/oder Umwandeln der grafischen Indikatoren die Zusatzinformation aus der Indikatorinformation zu erlangen; und
V.3* Verwenden eines Ausgabegeräts, das mit dem Verarbeitungsgerät zum Ausgeben der Zusatzinformation gekoppelt ist.“
3.2 Der Übergang von einem Erzeugnisanspruch bzw. Vorrichtungsanspruch zu einer Verwendung des Erzeugnisses bzw. der Vorrichtung ist nach ständiger Rechtsprechung statthaft, wenn die Verwendung in der Patentschrift offenbart ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1987 – X ZR 56/86, GRUR 1988, 287, Amtlicher Leitsatz – Abschlussblende; BGH, Beschluss vom 16. Januar 1990 – X ZB 24/87, BGHZ 110, 82 – Spreizdübel; BGH, Urteil vom 2. November 2011 – X ZR 23/09, Tz. 14 – Notablaufvorrichtung m. w. N.). Voraussetzung dafür ist, dass mit dem Übergang zu einem Verwendungsanspruch eine Beschränkung einhergeht und dass die eingeschränkte Lehre im Patent offenbart ist. Beides ist hier gegeben.
Die Verwendung des Verarbeitungssystems zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht, ist im Streitpatent in den Absätzen [0001], [0033], [0054], [0069] und [0082] offenbart. Der auf ein Verarbeitungssystem gerichtete erteilte Patentanspruch 1 gewährte einen umfassenden Schutz insoweit, als der Beklagten grundsätzlich sämtliche Verwendungsmöglichkeiten des Verarbeitungssystems vorbehalten waren; die Zweck-, Wirkungs- und Funktionsangaben im erteilten Anspruch beschränkten den Schutzbereich nur insoweit, dass sie die Vorrichtungselemente als solche definieren, die so ausgebildet sein müssen, dass sie die betreffende Funktion erfüllen können (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1978 – X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 – Schießbolzen; BGH, Urteil vom 7. Juni 2006, X ZR 105/04, GRUR 2006, 823, Tz. 15 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Demgegenüber ist der Schutz des mit dem Hilfsantrag 4 verteidigten Anspruchs 1 allein auf die Verwendung des Verarbeitungssystem zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht, gerichtet, d. h. gegenüber dem ursprünglichen, alle Verwendungsmöglichkeiten beinhaltenden Systemanspruch auf diese eine Verwendung beschränkt. Der Kategoriewechsel von einem Patentanspruch, der auf ein Verarbeitungssystem gerichtet war, auf einen Patentanspruch, der auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht gerichtet ist, begegnet daher vorliegend keinen Bedenken.
Die Klägerin hat ausgeführt, dass eine Verwendung der Verarbeitungsvorrichtung ohne eine Verwendung einer Ausgabeeinrichtung zum Ausgeben der Zusatzinformation nicht ursprungsoffenbart sei; auch gehe eine Verwendung des Verarbeitungssystems mit einem Objekt mit den nunmehr beanspruchten Merkmalen über die Ursprungsoffenbarung hinaus, da wesentliche Merkmale wie die verwendeten Tinten und das Auslesen der IR-absorbierenden Indikatoren fehlten. Diesen Zulässigkeitsbedenken kann der Senat nicht folgen. Zum einen entnimmt der Fachmann dem Merkmal V.3* zumindest implizit, dass die Zusatzinformation letztlich ausgegeben wird; ebenso ist dem Fachmann klar, dass sich aus dem in Merkmal V.1.4* aufgeführten empfangenen Antwortbild eine Zusatzinformation gemäß den Merkmalen V.2* bis V.2.3* nur erlangen lässt, wenn der Sensor ein Bild erfasst, das die Auswertung der die Infrarot absorbierenden Anteile ermöglicht (vgl. Ausführungen in Abschnitt I.2 zu Merkmal V.1.4). Zum anderen ergibt sich aus der Gesamtoffenbarung des Streitpatents für den Fachmann auch die Verwendung des Verarbeitungssystems für Objekte, bei denen die Indikatoren und die Hauptinformation mit anderen als den in den Absätzen [0056] und [0057] des Streitpatents angegebenen Öltinten gedruckt wurden (vgl. auch Streitpatent, Abs. [0058]).
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 ist damit zulässig.
3.3 Auch der auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems gerichtete Gegenstand gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 beruht gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift K3 i. V. m. Druckschrift K12 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag wurden im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 inhaltliche Änderungen in den Merkmalen V, V.1, V.2, V.2.1, V.2.3 und V.3 vorgenommenen.
Da der Gegenstand des Anspruchs 1 nunmehr auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems zum Erlangen einer Zusatzinformation, die einem grafischen Indikator entspricht, gerichtet ist, sind auch die das Bild und den grafischen Indikator sowie die die Oberfläche des Objekts und die davon umfasste Hauptinformation betreffenden Merkmale als beschränkend für den Gegenstand, für den Schutz beansprucht wird, anzusehen. Für den Verwendungsanspruch nach Hilfsantrag 4 entfalten somit auch die enthaltenen Zweckangaben wie auch die B- und O-Merkmale eine schutzbeschränkende Wirkung.
Die im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 im Vergleich zum Anspruch 1 nach Hauptantrag geänderten Merkmale können jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Denn für das aus Druckschrift K3 bekannte Verarbeitungssystem ist auch die Verwendung des Verarbeitungssystems (device, pen) zum Erlangen einer Zusatzinformation (information alternatives), die einem grafischen Indikator (position code) entspricht, offenbart (vgl. K3, Anspruch 16 und S. 3, Z. 31 – 35: … a product which is intended for use in connection with the recording of information … / Merkmal V*). Dabei wird das optische Gerät (optics part) dazu verwendet, ein Bild zu erfassen (vgl. Fig. 6 und 7, S. 33, Z. 5 – 9 / Merkmal V.1*) und das Verarbeitungsgerät dazu verwendet, auf Basis des aufgenommenen Bildes eine Positionsbestimmung vorzunehmen, d. h. den grafischen Indikator aus dem Bild abzurufen und eine dem grafischen Indikator entsprechende zusätzliche Information zu erlangen (vgl. S. 33, Z. 12 – 17 / Merkmale V.2*, V.2.1*, V.2.3*). Zum Ausgeben der Zusatzinformation, welche im Ausführungsbeispiel der Druckschrift K3 der ausgewählten Bestellung entspricht, wird ein mit dem Verarbeitungsgerät gekoppeltes Ausgabegerät verwendet (vgl. Fig. 6, display 20, S. 33, Z. 21 – 22 / Merkmal V.3*). Hinsichtlich der weiteren Merkmalen gelten die Ausführungen zum Hauptantrag in gleicher Weise für den Verwendungsanspruch, da das in Druckschrift K3 offenbarte Verarbeitungssystem und das erläuterte Objekt (product, menu), wie zum Hauptantrag ausgeführt, auch die das Bild und den grafischen Indikator sowie die die Oberfläche des Objekts und die davon umfasste Hauptinformation betreffenden Merkmale aufweisen. Insbesondere entnimmt der Fachmann Druckschrift K3 hinsichtlich der Merkmale B.5 und B.6, dass die grafischen Mikroeinheiten mit einer (ersten) sichtbaren Tinte gedruckt werden (vgl. S. 32, zw. Abs.: […] printed by standard offset printing […]) und die vom Benutzer des Objekts (bspw. der Speisekarte) zu lesende Hauptinformation ebenfalls mit einer (zweiten) sichtbaren Tinte gedruckt ist (vgl. a. a. O.: […] other inks, including black ink […]). Dass der grafische Indikator und die grafischen Mikroeinheiten das funktionelle Merkmal der visuellen Unerheblichkeit erfüllen (vgl. Merkmale B.3, B.4), ergibt sich dabei aus dem in Druckschrift K3 gegebenen Hinweis, dass der als grafische Indikator anzusehende Positionscode vom menschlichen Auge als kaum wahrnehmbare Grauschattierung wahrgenommen wird (vgl. K3, S. 32, dr. Abs.).
Wie zum Hauptantrag erläutert, ist es für den Fachmann naheliegend, bei der Realisierung der aus Druckschrift K3 bekannten Verwendung eines Verarbeitungssystems für den allgemeineren Anwendungsfall, bei dem die Ausrichtung zwischen dem optischen Gerät und dem zu untersuchenden Objekt nicht vorbestimmt ist, hinsichtlich einer geeigneten Codierung der Zusatzinformation auf Druckschrift K12 zurückzugreifen. Die dort offenbarten optisch auszulesenden Codes dienen ebenso dazu, bei Verwendung mit einem Verarbeitungssystem eine Zusatzinformation zur Verfügung zu stellen (vgl. K12: Abstract und Sp. 5, Z. 1 – 6). Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 ist dem Fachmann daher durch die in Druckschrift K3 offenbarte Verwendung eines Verarbeitungssystems i. V. m. der aus Druckschrift K12 bekannten Kodierung von zweidimensionalen Codes nahegelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. In den Fassungen nach den Hilfsanträgen 5 bis 7 kann das Streitpatent keinen Bestand haben.
4.1 Die Gegenstände des jeweiligen Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 5 bis 7 gehen nicht über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer am Anmeldetag eingereichten Fassung hinaus. Die zusätzlich zum Hilfsantrag 4 aufgenommenen Merkmale finden ihre Offenbarung in den Figuren 1A bis 1F, 5, 6 und 8 bis 12 und auf Seite 1, Zeilen 8 bis 11, Seite 7, Zeile 5 f., Seite 9, Zeilen 1 bis 5, Seite 14, zweiter Absatz der Ursprungsanmeldung sowie in den ursprünglichen Ansprüchen 5, 6, 11, 18, 24 und 29. Zu den weiteren Merkmalen ist auf die Ausführungen zum Hauptantrag und zum Hilfsantrag 4 in den Abschnitten II.1.1 und II.3.2 zu verweisen.
4.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 ist wegen einer Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der Fassung des erteilten Patents nicht zulässig.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 darin, dass die Verwendung eines Verarbeitungssystems zusätzlich das
O.0** „Bereitstellen einer Oberfläche (64; 90; 10000) eines Objekts“
umfassen soll.
Die Klägerin hat unter Verweis auf das Urteil „MPEG-2-Videosignalcodierung“ des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 33/10 – BGHZ 194, 272–289) und das Urteil 3 Ni 77/06 des Bundespatentgerichts ausgeführt, mit den Hilfsanträgen 5, 6 und 7 werde ebenso ein Aliud beansprucht wie mit den Hilfsanträgen 1 bis 3; es liege im Hinblick auf eine mittelbare Patentverletzung eine Erweiterung des Schutzbereichs vor, denn gemäß diesen Hilfsanträgen würde jeder Hersteller eines Objekts Mittel im Sinne des § 10 PatG bereitstellen und somit als mittelbarer Patentverletzer in Frage kommen. Die Beklagte hat geltend gemacht, auch die Oberfläche des Objekts, auf der die grafischen Indikatoren angeordnet sind, und die Verwendung der Objektoberfläche stellten Bestandteile der Erfindung gemäß der erteilten Patentansprüche dar, wobei sie auf die Entscheidungen „Winkelmesseinrichtung“ und „Integrationselement“ des Bundesgerichtshofs verweist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – Xa ZB 14/09, BPatGE 52, 288–289 und BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – X ZR 43/09, BPatGE 52, 296).
Wie zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, ist durch Vergleich des Gegenstands der Patentansprüche in der erteilten Fassung mit dem jeweiligen Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der beanspruchten Fassung festzustellen, ob eine Erweiterung des Schutzbereichs vorliegt. Eine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents liegt vor, wenn durch ein zusätzlich aufgenommenes Merkmal der Gegenstand des Patents gegenüber dem des erteilten Patents zu einem anderen Gegenstand, d. h. zu einem Aliud wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2004 – X ZR 149/01, BPatGE 47, 302, Amtlicher Leitsatz – Elektronisches Modul; BGH, Urteil vom 1. April 2014, X ZR 31/11, GRUR 2014, 650 - 654, Tz 20 – Reifendemontiermaschine).
Mit dem Merkmal O.0** soll bei der Verwendung eines Verarbeitungssystems als ein erster Schritt des Verfahrens das Bereitstellen einer Oberfläche des Objekts erfolgen. Dieses Bereitstellen kann nicht als auf ein Verwenden einer vorliegenden, geeigneten Objektoberfläche beschränkt angesehen werden, sondern umfasst nach Überzeugung des Senats vorliegend auch, dass ein Objekt mit einer Oberfläche versehen wird, welche die für die Verwendung des Verarbeitungssystems gemäß den O- und B-Merkmalen erforderlichen Eigenschaften aufweist, dass also die Oberfläche des Objekts bereitgestellt wird, indem die Herstellung der Oberfläche erfolgt, beispielsweise durch Bedrucken der Objektoberfläche zur Erzeugung der grafischen Indikatoren und der Hauptinformation. Mit den jeweiligen Ansprüchen 1 nach Hilfsantrag 5, 6 und 7 wird somit nicht allein die Verwendung eines Verarbeitungssystem zum Erlangen einer Zusatzinformation beansprucht, sondern auch die Bereitstellung eines Objekts durch die Herstellung der Oberfläche des zu verarbeitenden Objekts.
Wie zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, war der erteilte Anspruch 1 auf ein Verarbeitungssystem gerichtet, für das als gegenständliche Merkmale ein optisches Gerät, ein Verarbeitungsgerät und ein Ausgabegerät benannt waren und für das mit den weiteren Merkmalen die Arbeitsweise des Systems benannt war; festgelegt war ferner, dass das Verarbeitungssystem geeignet sein musste, ein Objekt mit einem Bild gemäß den B- und O-Merkmalen erfassen zu können. Das Objekt selbst ist, wie zum Hilfsantrag 1 ausgeführt, nicht Gegenstand der erteilten Patentansprüche, auch wenn das Objekt mit seiner Oberfläche noch zu dem in der Patentschrift offenbarten Erfindungsgedanken gehört, die Patentinhaberin ihren Patentanspruch also bis zur Erteilung darauf hätte richten können. Ebenso ist die Bereitstellung und somit die Herstellung einer Oberfläche des Objekts in den Schutzgegenstand des Streitpatents nicht miteinbezogen. Mit Aufnahme des Merkmals O.0** in den auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems gerichteten Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 wird somit ein anderer Gegenstand beansprucht, welcher gegenüber dem erteilten Patent ein Aliud darstellt. Der Schutzumfang des in der Fassung nach Hilfsantrag 5 verteidigten Patentgegenstands ist daher gegenüber der in der erteilten Fassung auf ein Verarbeitungssystem beschränkten Lehre der Patentansprüche unzulässig erweitert worden (§ 22 Abs. 1 PatG).
4.3 Auch der jeweilige Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 und 7 enthält das Merkmal O.0** und ist somit auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems gerichtet, welche das Bereitstellen einer Oberfläche eines Objekts umfassen soll. Die weiteren in den jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 6 und 7 aufgenommenen Merkmale, welche wortidentisch zu den in den Hilfsantrag 2 bzw. in den Hilfsantrag 3 aufgenommenen Merkmalen Angaben zu den grafischen Indikatoren und zu den zu verwendenden Tinten machen, führen hinsichtlich der Frage der Veränderung des Schutzbereichs des auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems gerichteten Patentanspruchs zu keiner anderen Bewertung. Daher stellen auch die mit den verteidigten Fassungen nach Hilfsantrag 6 und 7 beanspruchten Gegenstände gegenüber dem erteilten Gegenstand ein Aliud dar. Wegen einer Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der Fassung des erteilten Patents sind daher auch der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 6 und der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 7 nicht zulässig.
4.4 Darüber hinaus beruht auch der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 5, 6 und 7 gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift K3 in Zusammenschau mit Druckschrift K12 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 nur im hinzugefügten Merkmal O.0**, also dem zusätzlichen Bereitstellen einer Oberfläche eines Objekts. Druckschrift K3 ist nicht nur die Verwendung des beschriebenen Verarbeitungssystems entnehmbar, wie zum Hilfsantrag 4 ausgeführt, sondern auch das von dem Verarbeitungssystem zu verarbeitende Objekt mit seiner Oberfläche (vgl. K3: Fig. 2 und Fig. 7). Darüber hinaus wird auch ein Verfahren zur Herstellung des Objektes erläutert und somit das Bereitstellen einer Oberfläche eines Objekts, das von dem Verarbeitungssystem verwendet wird (vgl. K3, S. 11, Z. 3 – 26, Anspruch 19: A method of making a product für recording information, comprising the steps of creating a surface with a two-dimensional position code […] / Merkmal O.0**). Zu den gegenüber dem Hilfsantrag 4 unveränderten Merkmalen sei auf die vorstehenden Ausführungen zum Hilfsantrag 4 und zum Hauptantrag verwiesen, die für die Merkmale in Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 in gleicher Weise gelten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 ist dem Fachmann daher ebenfalls durch die in Druckschrift K3 offenbarte Verwendung eines Verarbeitungssystems i. V. m. der aus Druckschrift K12 bekannten Kodierung von zweidimensionalen Codes nahegelegt.
In den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 ist wortidentisch das Merkmal B.2c aufgenommen, welches das einzige Merkmal ist, in dem sich der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 von dem des Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet. Die Aufnahme dieses Merkmals führt auch hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit eines auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems gerichteten Anspruchs 1 zu keiner anderen Bewertung als zum Verarbeitungssystem gemäß Hilfsantrag 2 ausgeführt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 6 ist dem Fachmann daher aus den zum Hilfsantrag 2 und zum Hilfsantrag 5 ausgeführten Gründen ebenfalls durch den aus Druckschrift K3 und Druckschrift K12 bekannten Stand der Technik nahegelegt.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 7 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 durch das Anfügen der Merkmale B.5a, B.6a, B.2d, B.2e und B.2f, d. h. allein durch die Merkmale, die den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheiden. Auch die Aufnahme dieser Merkmale in einen auf die Verwendung eines Verarbeitungssystems gerichteten Patentanspruch kann eine Patentfähigkeit nicht begründen. Denn die zu den Merkmalen in Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 gemachten Ausführungen gelten ebenso für einen auf die Verwendung gerichteten Patentanspruch. Es sei daher auf die Argumentation zum Hilfsantrag 3 und zum Hilfsantrag 6 verwiesen. Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 7 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er dem Fachmann durch die in Druckschrift K3 offenbarte Verwendung eines Verarbeitungssystems i. V. m. der aus Druckschrift K12 bekannten Kodierung von zweidimensionalen Codes nahegelegt ist.
5. Mit den nicht patentfähigen jeweiligen Ansprüchen 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 7 sind auch die angegriffenen abhängigen, auf die jeweiligen Ansprüche 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge nicht schutzfähig, da weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich ist, dass die zusätzlichen Merkmale zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen (vgl. BGH, GRUR 2012, 149 Amtlicher Leitsatz – „Sensoranordnung“).
III.
Der Ausspruch zur Kostenfolge beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 2 ZPO, der zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.