Entscheidungsdatum: 28.11.2012
Die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die Zahl der Mitglieder unterschreite die Zahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Landes.
Die Klägerin, die Bahá'í-Gemeinde in Deutschland, beantragte bei dem Hessischen Kultusministerium, ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Das Kultusministerium lehnte den Antrag ab: Die Klägerin biete nicht durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Nach der Verwaltungspraxis müsse die Religionsgemeinschaft eine Mitgliederzahl von mindestens einem Promille der Bevölkerung des jeweiligen Landes aufweisen. Die Zahl der Mitglieder der Klägerin in Hessen (900 bis 950) unterschreite ein Promille der hessischen Bevölkerung (= 6089) bei weitem.
Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid des Hessischen Kultusministeriums aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.
Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Land verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof durch das angefochtene Urteil das Hessische Kultusministerium unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides verpflichtet, der Klägerin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen: Die Klägerin biete nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Weder der Wortlaut des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV noch seine Entstehungsgeschichte gäben etwas dafür her, die Verleihung der Körperschaftsrechte von einer bestimmten Relation der Mitgliederzahl zur Gesamtbevölkerung abhängig zu machen. Unter Heranziehung aller anderen Kriterien ergebe sich für die Klägerin eine günstige Prognose. Sie habe in Hessen zwar nur relativ wenige Mitglieder. Die Mitgliederzahl in Deutschland sei langsam, aber konstant angestiegen und betrage insgesamt ca. 5 000. Die Altersstruktur lasse erwarten, dass sich die Mitgliederzahl zumindest auf absehbare Zeit nicht wesentlich verringern, sondern eher weiterhin ansteigen werde. Hinzu komme eine solide Finanzausstattung. Die Klägerin bestehe in Deutschland seit über 100 Jahren. Dem komme umso größere Bedeutung zu, als sie ihr Verbot im Dritten Reich und in der DDR überstanden und in Westdeutschland sofort nach dem Krieg, in der DDR sofort nach der Beseitigung des SED-Regimes wieder strukturierte Aktivitäten aufgenommen und bis heute konsequent fortgesetzt habe. Für die Gewähr der Dauer gerade in Hessen sei von erheblicher Bedeutung, dass die Klägerin hier mittlerweile ihren Sitz und mit dem Europäischen Haus der Andacht und anderen Einrichtungen ein für ihre Mitglieder überregional bedeutsames Zentrum habe.
Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt, mit der es beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen: Es gebe bisher keine hinreichend sichere Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin durch ihre Verfassung die Gewähr der Dauer biete. Ihr fehle eine Satzung. Die mitgliedschaftlichen Strukturen seien nicht eindeutig geregelt. Ihre Finanzausstattung habe der Verwaltungsgerichtshof nicht ermittelt. Insbesondere sei unklar, ob sie über ausreichende Mittel für ihre Arbeit in Hessen verfüge. Die Klägerin biete ferner nicht durch die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Die Zahl der Mitglieder bilde ein eigenständiges verfassungsrechtliches Kriterium. Es stehe gleichrangig neben dem Erfordernis der Verfassung. Der Ablehnungsbescheid orientiere sich an der Richtgröße von einem Promille der Bevölkerung. Dieser Richtwert konkretisiere die Forderung, dass die Religionsgemeinschaft eine gewisse Bedeutung im öffentlichen Leben des Landes erlangt haben müsse. Erst diese Bedeutung rechtfertige es, eine Religionsgemeinschaft gegenüber anderen Akteuren des gesellschaftlichen Lebens durch die Verleihung der Körperschaftsrechte zu begünstigen. Im Vordergrund habe dabei die Zahl der Mitglieder in dem Bundesland zu stehen, in dem die Verleihung der Körperschaftsrechte begehrt werde, hier also in Hessen. Der Verwaltungsgerichtshof rücke zu Unrecht die Zahl der Mitglieder im Bundesgebiet und die Zahl der Bahá'í weltweit in den Vordergrund. Davon abgesehen sei ein erheblicher Teil der Mitglieder Iraner. Sie suchten in Deutschland Zuflucht vor dem Regime in ihrem Heimatland. Ihre Rückkehr dorthin sei nicht ausgeschlossen, wenn sich die politischen Verhältnisse im Iran änderten. Zudem lebten nach den eigenen Angaben der Klägerin ihre Mitglieder an 865 verschiedenen Orten, die 109 örtlichen Geistigen Räten zugeordnet seien. Bei rund 5 100 Bahá'í in Deutschland lebten nur durchschnittlich sechs Gläubige an einem Ort. Im Schnitt nur 47 Gläubige gehörten einer Gemeinde an, für die ein örtlicher Geistiger Rat bestehe. Wohnten die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft derart verstreut in einem Land, biete ihre Gesamtzahl nicht die gleiche Gewähr der Dauer wie bei einer Gemeinschaft, deren Mitglieder in einzelnen geschlossenen Gemeinden lebten. Von allenfalls geringer Bedeutung sei die Zahl der Mitglieder im Ausland. Die Verbindungen zum Ausland unterlägen vielfältigen Unsicherheiten, zumal bei einer Religion, deren Anhänger zu einem erheblichen Teil - wie die Bahá'í im Iran - in einem feindlichen Umfeld lebten.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Sie verfüge aufgrund der innergemeinschaftlichen Regelungen über eine hinreichende rechtliche Organisation und eindeutige mitgliedschaftliche Strukturen. Eine ausreichende Finanzausstattung habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt. Dagegen habe das beklagte Land keine zulässigen Revisionsrügen vorgebracht. Es beurteile in diesem wie auch in anderem Zusammenhang zu Unrecht isoliert die Verhältnisse in Hessen. Sie - die Klägerin - sei eine ganz Deutschland umfassende einheitliche Organisation mit einheitlicher Finanzausstattung und einheitlicher Bestandszeit. Die - im Übrigen oftmals durchbrochene - Verwaltungspraxis, für die Verleihung der Körperschaftsrechte einen Mitgliederbestand von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Landes zu verlangen, scheide mangels normativer Wirkung als Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Körperschaftsrechte aus. Bei der stattdessen erforderlichen Gesamtbetrachtung spiele neben den Gesichtspunkten der Altersstruktur, der sozialen Schichtung und der örtlichen Verteilung der Mitglieder vor allem der Umstand eine Rolle, dass die Religionsgemeinschaft in anderen Bundesländern mehr Mitglieder habe, bereits weit über dreißig Jahre in Deutschland tätig sei oder Teil einer im Ausland seit langer Zeit festgefügten Religionsgemeinschaft sei. Der Anteil an Ausländern unter ihren Mitgliedern spreche nicht gegen die Gewähr der Dauer. Von den Mitgliedern iranischer Herkunft hätten mehr als die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine breite Streuung ihrer Mitglieder in Deutschland habe es seit jeher gegeben, ohne sich auf ihre Existenz auszuwirken. Wegen der Mobilität heute habe eine geringe Dichte von Gläubigen an einem Ort nur eingeschränkte Bedeutung.
Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht den Bescheid des Hessischen Kultusministeriums aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, der Klägerin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.
Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung - WRV) sind einer Religionsgemeinschaft die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in zutreffender Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung angenommen, dass die Klägerin durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet.
1. Diese Voraussetzung ist auf die Zukunft bezogen und verlangt demnach eine Prognose, ob die Religionsgemeinschaft auf Dauer Bestand haben wird. Die Verfassung der Religionsgemeinschaft und die Zahl ihrer Mitglieder sind Grundlage dieser Prognose. Dabei bezeichnet der Begriff der Verfassung mehr als eine rechtliche Satzung, die den Erfordernissen des Rechtsverkehrs genügt. Im Zusammenhang mit Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV meint Verfassung auch den tatsächlichen Zustand einer Gemeinschaft, ihre Verfasstheit (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <384 f.>).
a) Wird der Begriff der Verfassung in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV im Sinne des tatsächlichen Gesamtzustands einer Religionsgemeinschaft verstanden, lässt sich die Zahl der Mitglieder als weiteres Tatbestandsmerkmal von der so verstandenen Verfassung nicht trennscharf abgrenzen. Zum tatsächlichen Gesamtzustand einer Religionsgemeinschaft gehört wesentlich ihr Bestand an Mitgliedern. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV ist dahin zu verstehen, dass mit dem Merkmal der Verfassung auf den tatsächlichen Gesamtzustand der Religionsgemeinschaft abgehoben wird und die Zahl der Mitglieder als wesentliches Element dieses Gesamtzustands eigens betont wird.
b) Zwar ist der gegenwärtige Mitgliederbestand der Religionsgemeinschaft Grundlage der Prognose, ob die Religionsgemeinschaft dauerhaft bestehen wird. Jedoch kann regelmäßig allein aus der Zahl der Mitglieder nicht unmittelbar auf den künftigen Fortbestand der Religionsgemeinschaft geschlossen werden. Wie jede statistische Zahl bedarf die Zahl der Mitglieder einer Bewertung, wenn aus ihr eine Aussage für die zukünftige Entwicklung abgeleitet werden soll. Dieselbe Zahl an Mitgliedern kann im Lichte notwendiger weiterer Bewertungsfaktoren die Prognose dauerhaften Bestandes stützen oder zu Fall bringen. Zur Bewertung ist insbesondere heranzuziehen, wie lange die Religionsgemeinschaft bereits besteht, wie sich ihr Mitgliederbestand in der Vergangenheit entwickelt hat, wie die Alterstruktur der Mitglieder, aber auch ihre soziale Zusammensetzung ist; daneben kann eine Rolle spielen, ob die in Deutschland ansässige Religionsgemeinschaft in eine größere, gar weltweit verbreitete Gemeinschaft eingebunden ist. Ist die Zahl der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft in der Vergangenheit stetig, zuletzt gar beschleunigt gesunken und gehören die noch verbliebenen Mitglieder überwiegend den älteren Jahrgängen an, ist der gegenwärtige Mitgliederbestand Ausdruck eines Tiefpunktes, von dem aus eine Prognose dauerhaften Bestandes nur noch schwer oder gar nicht mehr möglich ist. Umgekehrt kann dieselbe Zahl an Mitgliedern die Prognose eines dauerhaften Bestandes ermöglichen, wenn sie über Generationen gleichgeblieben oder sogar stetig angewachsen ist und die Mitglieder eine ausgewogene, der Gesamtheit der Bevölkerung in etwa entsprechende Altersstruktur aufweisen. Wiederum dieselbe Zahl kann bei einer neu aufgetretenen Religionsgemeinschaft keine eindeutige Prognose zulassen, wenn etwa der Kreis der Mitglieder sich auf die Gründergeneration um den Stifter beschränkt und nicht absehbar ist, wie die Gemeinschaft sich nach dem Tod des Stifters entwickelt. Das Merkmal der Gewähr der Dauer hat gerade auch die Funktion, die Zuerkennung der Körperschaftsrechte an neu entstandene Bewegungen zu verhindern, deren weiterer Weg noch im Dunkeln liegt.
Diese Bewertungsfaktoren machen die Zahl der Mitglieder als Grundlage einer Prognose erst handhabbar. Sie sind notwendig schon in dem Merkmal der Zahl der Mitglieder, jedenfalls in dem Merkmal der Verfassung verstanden als tatsächlicher Gesamtzustand, mitgedacht und mitgemeint. Es handelt sich bei ihnen nicht um nachrangige Hilfskriterien, denen ein geringerer Stellenwert zukommt als der absoluten Zahl der Mitglieder, wie das beklagte Land meint. Verfehlt ist insbesondere dessen Ansatz, von dem Verhältnis der Mitgliederzahl zur Bevölkerungszahl als einem Richtwert auszugehen und anderen für die Bewertung des Mitgliederbestandes wesentlichen Faktoren nur die Funktion von Indizien zuzuweisen, die allenfalls geeignet sein können, eine geringe Unterschreitung des Richtwerts ausnahmsweise auszugleichen.
Die absolute Zahl der Mitglieder oder ihr Verhältnis zur Größe der Bevölkerung kann zwar unter Umständen schon für sich von Bedeutung für die Frage sein, ob die Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauer bietet. So mag, auch zur Erleichterung des Verwaltungsvollzugs, von einer bestimmten Richtzahl an ohne weitere Prüfung angenommen werden können, dass die Religionsgemeinschaft nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet, weil schon die schiere Größe der Religionsgemeinschaft ihr Erlöschen nicht erwarten lässt. Jedoch taugt die Festlegung einer Richtzahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes nicht umgekehrt als Kriterium, um die Religionsgemeinschaft von der Verleihung der Körperschaftsrechte auszuschließen. Das könnte mangels normativer Festlegung dieses Kriteriums nur dann angenommen werden, wenn seiner Wahl verlässliche allgemeine Erfahrungswerte zugrunde lägen, dass bei einem Unterschreiten dieses Mitgliederbestands mit einem dauerhaften Bestand nicht mehr gerechnet werden kann. An einem solchen Erfahrungssatz fehlt es indes. Das beklagte Land hat selbst nur vorgetragen, die Erfahrung habe gezeigt, dass Religionsgemeinschaften, die das Kriterium einer Mitgliederzahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Landes erfüllten, tatsächlich auf Dauer Bestand gehabt hätten. Einen umgekehrten Erfahrungssatz, dass kleinere Religionsgemeinschaften auf Dauer keinen Bestand haben, hat es hingegen nicht behauptet. Unstreitig ist zahlreichen Religionsgemeinschaften der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden, obwohl sie nicht den Richtwert von einem Tausendstel der Bevölkerung erreicht hatten.
c) Die Zahl der Mitglieder hat nach der Regelung in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV keine eigenständige Bedeutung, die sich von der Funktion dieses Tatbestandsmerkmals löst, Grundlage für zu prognostizierende Gewähr der Dauer zu sein. Sie soll nicht selbständig die Bedeutung der Religionsgemeinschaft im öffentlichen Leben als einer (zusätzlichen) Voraussetzung für die Verleihung der Körperschaftsrechte anzeigen.
Die Gewährleistungen der Weimarer Kirchenartikel sind funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt. Der den Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen. Sie stehen dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber. Dass sie ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem die Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <387 f.>).
Der Körperschaftsstatus wird jeder Religionsgemeinschaft, die die Gewähr der Dauer bietet, zur Entfaltung ihrer Religionsfreiheit angeboten, unabhängig von ihrer wie auch immer zu umschreibenden Bedeutung für das öffentliche Leben. Das Grundgesetz geht davon aus, dass Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen. Ihr Nutzen hierfür ist nicht im Einzelfall, etwa anhand der Größe und einer damit vielleicht einhergehenden Bedeutung für das öffentliche Leben, konkret festzustellen, wenn nur die Gewähr der Dauer gegeben ist.
2. Ausgehend von diesem Verständnis des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV kann nicht beanstandet werden, dass der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin zugebilligt hat, sie biete die Gewähr der Dauer.
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat hierfür den festgestellten gegenwärtigen Stand an Mitgliedern anhand zutreffender Kriterien bewertet, nämlich darauf abgestellt, dass die Klägerin in Deutschland seit über 100 Jahren besteht, ihre Mitgliederzahl in Deutschland langsam, aber konstant angestiegen ist, die Altersstruktur erwarten lässt, dass sich die Mitgliederzahl zumindest auf absehbare Zeit nicht wesentlich verringern, sondern eher weiterhin ansteigen wird. Ebenso durfte der Verwaltungsgerichtshof der Dauer des Bestands in Deutschland umso größere Bedeutung zumessen, als die Klägerin ihr Verbot im Dritten Reich, den nachfolgenden Zweiten Weltkrieg und ihr Verbot in der DDR überstanden und sich in Westdeutschland sofort nach dem Krieg, in der DDR sofort nach der Beseitigung des SED-Regimes wieder in Gemeinden organisiert und ihr Gemeindeleben bis heute fortgesetzt hat.
Rechtlich unerheblich ist der Einwand des beklagten Landes, der Verwaltungsgerichtshof hätte statt auf die Verhältnisse in Deutschland entscheidend auf die Dauer des Bestands der Klägerin in Hessen und ihre Mitgliederzahl dort abstellen müssen. Die Klägerin ist eine bundesweit tätige Organisation, der als solche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden sollen. Ob die Voraussetzungen der Verleihung vorliegen, ist bezogen auf die bundesweit tätige Organisation als solche zu prüfen. Bezogen auf sie, nicht aber auf einen rechtlich und tatsächlich nicht ausscheidbaren Tätigkeitsbereich in einem Bundesland müssen die Voraussetzungen einer Gewähr auf Dauer vorliegen. Dass diese Voraussetzungen von einer Landesbehörde festzustellen sind, ist unerheblich. Eine Landesbehörde hat selbstverständlich in Anwendung einer Vorschrift des Bundesrechts einen Sachverhalt umfassend zu prüfen und zu berücksichtigen, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anzuwendenden Rechtsnorm einen Blick über die Landesgrenzen hinaus erfordern. Ebenso unerheblich ist, dass sich einzelne Wirkungen der Verleihung auf das Land beschränken mögen. Dadurch ändern sich nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Verleihung und der für sie maßgebliche Sachverhalt. Davon abgesehen wirken die wesentliche Konstituierung der Religionsgemeinschaft als juristischer Person und der damit einhergehende Erwerb der Rechtsfähigkeit ohnehin bundesweit.
b) Die Klägerin bietet auch durch ihre Verfassung im Übrigen die Gewähr der Dauer. Die an dieser Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erstmals im Revisionsverfahren geäußerten Zweifel des beklagten Landes sind unbegründet.
aa) Soweit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV auf die Verfassung der Religionsgemeinschaft verweist, ist damit zwar auch die rechtliche Verfasstheit der Religionsgemeinschaft gemeint. Jedoch fordert Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV nicht, die Religionsgemeinschaft habe sich zunächst als eingetragener Verein zu bewähren (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <385 f.>). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die Religionsgemeinschaft im Zeitpunkt der Anerkennung rechtlich hinreichend organisiert ist. Sie muss organisatorisch und institutionell in der Lage sein, die Rechte, die sich aus dem Körperschaftsstatus ergeben, auszuüben. Erforderlich ist insbesondere eine mitgliedschaftlich verfasste Organisation. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Personenverband. Dieser Status kommt mithin nur für Religionsgemeinschaften in Betracht, die mitgliedschaftlich verfasst sind. Das setzt voraus, dass nach bestimmten, innergemeinschaftlichen Regeln festgelegt ist, wer Mitglied der Religionsgemeinschaft ist. Das Gegenbild dazu wäre eine Einrichtung, die von beliebig wechselnden Personen genutzt werden kann, die sich als Anhänger einer bestimmten Glaubenslehre verstehen, ohne dass als Träger der Einrichtung ein abgrenzbarer, organisatorisch zusammengefasster Personenverband feststellbar ist.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin auf der Grundlage ihres innergemeinschaftlichen Rechts, wie es sich aus der Satzung des Nationalen Geistigen Rates ergibt. Danach bestehen Regeln über den Erwerb der Mitgliedschaft, die daraus folgende Beteiligung an der Willensbildung in der Gemeinschaft und die Kreierung von Vertretungs- und Leitungsorganen der Gemeinschaft. Damit setzt sich das beklagte Land in seiner Revisionsbegründung nicht auseinander. Das Kultusministerium hat in seinem ablehnenden Bescheid insoweit keine Zweifel an dem dauerhaften Bestand der Klägerin geäußert.
bb) Für die Einschätzung dauerhaften Bestands aufgrund des tatsächlichen Gesamtzustandes der Gemeinschaft können weitere Indizien herangezogen werden, wie eine ausreichende Finanzausstattung, eine Mindestbestandszeit und die Intensität des religiösen Lebens (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <385>).
Die Klägerin verfügt über eine ausreichende Finanzausstattung. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt. Er konnte dafür auf einen internen Vermerk des Kultusministeriums zurückgreifen. In ihm wird der Klägerin eine die Gewähr der Dauer bietende ausreichende Finanzausstattung bestätigt, nachdem sie dem Kultusministerium Unterlagen hierzu vorgelegt hatte. Diese Bewertung hat das Kultusministerium im weiteren Verfahren nicht in Zweifel gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Sollte die in diese Richtung zielende Rüge des beklagten Landes als Verfahrensrüge im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO gemeint sein, genügt sie nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Soweit das beklagte Land geltend macht, den vorgelegten Unterlagen lasse sich die Finanzausstattung der Klägerin für ihre Arbeit in Hessen nicht entnehmen, ist dieser Einwand - wie schon in anderem Zusammenhang ausgeführt - rechtlich unbegründet.