Entscheidungsdatum: 23.05.2012
1. Die Frage, ob der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ist ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären.
2. Im Falle eines gespaltenen Widerspruchsbescheids, mit dem einem Begehren eines Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen stattgegeben und hinsichtlich anderer Prüfungsleistungen nicht stattgegeben wird, ist es der Widerspruchsbehörde verwehrt, den abschlägigen Teil zum Gegenstand einer eigenständig bestandskraftfähigen Regelung zu machen, die dem Prüfling bei Versäumung der gesetzlichen Klagefrist die Möglichkeit nehmen würde, die betreffenden Bewertungen in eine später gegen den abschließenden Prüfungsbescheid gerichtete Klage einzubeziehen.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.
Die Klägerin legte im Jahre 2001 ohne Erfolg die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Wiederholungsprüfung fertigte sie eine Hausarbeit und vier Aufsichtsarbeiten an. Die Bewertung dieser Arbeiten führte insgesamt zu einer Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung nicht ausreichte. Das Justizprüfungsamt teilte der Klägerin deshalb mit Bescheid vom 3. Mai 2005 mit, sie habe die Prüfung nicht bestanden. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie Einwendungen gegen die Bewertung sowohl der Hausarbeit als auch der vier Aufsichtsarbeiten erhob. Auf diesen Widerspruch hob das Justizprüfungsamt durch Bescheid vom 24. April 2006 den Bescheid vom 3. Mai 2005 auf: Die Klägerin habe zu Recht gerügt, dass die Aufgabenstellung der Hausarbeit zu umfangreich sei. Sie sei deshalb zur Anfertigung einer neuen Hausarbeit zuzulassen. Ihre Einwände gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten seien indessen unbegründet. Die Klägerin fertigte erneut eine Hausarbeit an, erreichte aber mit deren Bewertung unter Einschluss der zuvor geschriebenen Aufsichtsarbeiten wiederum nicht die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 teilte ihr der Beklagte erneut das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung mit. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie die Bewertung sowohl der weiteren Hausarbeit als auch der ursprünglich angefertigten Aufsichtsarbeiten angegriffen hat.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Hinsichtlich der Hausarbeit sei die Klägerin mit ihren Einwendungen zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deswegen teilweise ausgeschlossen, weil es insoweit an einer rechtzeitigen Rüge fehle. Die Einwendungen der Klägerin beträfen durchgängig materielle Bewertungs- und Korrekturfehler, die sie im Gegensatz zu Verfahrensfehlern auch ohne vorherige Rüge gerichtlich geltend machen könne. Solche Fehler lägen aber der Sache nach nicht vor. Die von den beiden Korrektoren herangezogenen Anforderungsmaßstäbe lägen innerhalb ihres gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten beanspruche, sei sie mit diesem Begehren im gerichtlichen Streitverfahren ausgeschlossen. Dies könne zwar entgegen dem erstinstanzlichen Urteil nicht damit begründet werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen sei. Die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen sei kein abtrennbarer, isoliert bestandskraftfähiger Teil des Prüfungsbescheides. Gleichwohl habe die Klägerin aber insoweit keinen schutzwürdigen Rechtsanspruch auf eine gerichtliche Überprüfung. Aus der Einheit der Prüfung folge, dass die Bewertungen derjenigen Einzelleistungen, gegen die der Kandidat innerhalb der Rechtsmittelfristen keine Einwände erhebe, als feststehende Berechnungsgrundlage in den neuerlichen Prüfungsbescheid einflössen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nur im Hinblick auf die Hausarbeit zugestanden. Die Noten der Aufsichtsarbeiten hingegen habe die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gelten lassen.
Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Hausarbeit sei in ihrer Aufgabe 1 c) mehrdeutig, widersprüchlich, nicht verständlich und deshalb faktisch nicht lösbar. Soweit sie Einwände gegen die Aufsichtsarbeiten geltend mache, sei sie mit diesen Einwänden nicht präkludiert. Eine solche Präklusion ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Bestandskraft. Die Bewertungen von Aufsichtsarbeiten seien keine Teilverwaltungsakte und deshalb als solche nicht der Bestandskraft fähig. Etwas anderes gelte nicht mit Blick auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. April 2006. Hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten treffe dieser Bescheid keine rechtskraftfähige Versagungsregelung, sondern erschöpfe sich in einer Nichtstattgabe, die als solche nicht habe in Bestandskraft erwachsen können. Mangels Regelungscharakters könne der Widerspruchsbescheid insoweit nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft von Bescheidungsurteilen in Bestandskraft erwachsen. Sie habe ihr Klagerecht nicht verwirkt.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 aufzuheben
sowie dem Beklagten aufzugeben,
sie zur erneuten Anfertigung einer Examenshausarbeit zuzulassen, hilfsweise, ihre Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten
und
die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Öffentliches Recht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2005 ausdrücklich die Bewertung der dort genannten Aufsichtsarbeiten angegriffen und so zum Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens gemacht. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe er den Widerspruch der Klägerin insoweit beschieden, weil er in den Gründen näher ausgeführt habe, weshalb die geltend gemachten Bewertungsfehler der Aufsichtsarbeiten nicht vorlägen. Die damit erfolgte Zurückweisung der Bewertungsrügen zu den Aufsichtsarbeiten sei nachfolgend nicht durch eine spätere Widerspruchsbescheidung ersetzt worden. Es habe deshalb der Klägerin oblegen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 anzufechten. Da sie dies versäumt habe, sei dieser Bescheid in Bezug auf die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen.
Die zulässige Revision ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu Unrecht gehindert gesehen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Fächern Strafrecht und Öffentliches Recht sowie im Wahlpflichtfach zu überprüfen. Das Berufungsurteil verletzt insofern das Grundrecht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 4 GG und mithin revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (unten 1.). Hingegen ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Würdigung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (unten 2.). Da der Senat die zur Überprüfung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten notwendige Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Akte öffentlicher Gewalt, gegen die der hierdurch belastete Bürger gerichtlich vorgeht, sind grundsätzlich vom Gericht umfassend, d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher sie tragender rechtlicher und tatsächlicher Gründe, daraufhin zu überprüfen, ob sie dessen Rechte verletzen. Diese Maßgabe gilt auch, wenn ein Prüfling sich gegen einen Prüfungsbescheid wendet, mit dem in sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Unerheblich ist hierbei, dass dem Rechtsschutzinteresse des Prüflings regelmäßig am besten durch Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statt durch Erhebung einer Anfechtungsklage gedient ist. Die vom Prüfling erstrebte, auf Neubewertung oder Wiederholung von Prüfungsleistungen gerichtete Bescheidung wird vom Gericht nur ausgesprochen, soweit die bisherigen Bewertungen sich als rechtsfehlerhaft erweisen. Insofern schließt das Bescheidungsbegehren ein Anfechtungsbegehren ein (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 305 Rn. 828). Wird Letzteres nicht isoliert verfolgt, folgt hieraus kein stichhaltiger Grund, den gerichtlichen Kontrollumfang im Ansatz abweichend zu bemessen.
Klammert ein Gericht von vornherein die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen und mithin tragende Gründe des Verwaltungshandelns, gegen das der Prüfling vorgeht und von dessen Rechtmäßigkeit der Erfolg seiner Bescheidungsklage abhängt, von der Überprüfung aus und behandelt sie als unabänderlich feststehend, so verkürzt dies den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dies bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer den Anforderungen dieser Norm genügenden Rechtfertigung. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin könne die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht mehr angreifen. Mit diesem Prüfungsbescheid wurde der Klägerin neben der Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit als abschließendes Ergebnis des Prüfungsverfahrens mitgeteilt, sie habe die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Dieses Ergebnis ergab sich unter anderem aufgrund der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten, auch wenn der Beklagte auf diese in der Begründung des Bescheids nicht gesondert eingegangen ist. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass diese Bewertungen von der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids ausgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.
a) Der Senat hält ein Unterlassen der Überprüfung der Bewertung von Prüfungsleistungen im gerichtlichen Verfahren insoweit im Regelfall für zulässig, als ein Prüfling dort die Bewertung nicht durch Erhebung substantiierter Einwendungen in Frage stellt und damit eine Verletzung seiner Rechte nicht geltend macht (Urteil vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 9). Im vorliegenden Fall hat allerdings, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, die Klägerin die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Vorinstanzen mit substantiierten Einwendungen angegriffen.
b) Eine gerichtliche Überprüfung findet nicht statt, soweit es sich bei einem angegriffenen Verwaltungshandeln um einen in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt handelt. Das Institut der Bestandskraft, das sich aus dem Ziel der Rechtssicherheit rechtfertigt und im Verwaltungsprozessrecht über die Normierung von Widerspruchs- und Klagefristen für Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren im Näheren ausgestaltet wird, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269>). Allerdings stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin keine Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG dar und sind somit der Bestandskraft nicht fähig.
aa) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Beschluss vom 25. März 2003 - BVerwG 6 B 8.03 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60; Urteil vom 16. März 1994 a.a.O. S. 8 f.). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (Beschluss vom 25. März 2003 a.a.O. S. 60 f.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich - vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen - keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach "im Zweifel" von einer fehlenden selbständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 Satz 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 7 B 6.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40).
Allerdings muss die Ausgestaltung prüfungsrechtlicher Bestimmungen mit den bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein. Von daher wird der Normgeber im Prüfungsrecht, sofern er Einzelbenotungen als selbständige, der Bestandskraft fähige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG auszugestalten beabsichtigt, jenseits von prozessökonomischen Aspekten zu erwägen haben, ob die sich hieraus für den Prüfling in prozessualer Hinsicht ergebenden Obliegenheiten verhältnismäßig wären.
bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil nicht aufgezeigt, dass die Bewertungen einzelner Aufsichtsarbeiten in der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem einschlägigen Prüfungsrecht des Landes Hessen als selbständige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ausgestaltet wären, sondern ist davon ausgegangen, dass ihnen diese Qualität abgeht. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesem Befund entgegenzutreten.
c) Die Aufsichtsarbeiten der Klägerin durften nicht deshalb von der gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids vom 24. Januar 2007 ausgenommen werden, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 eine dies ergebende Regelung getroffen hätte, die ihrerseits dadurch in Bestandskraft erwachsen wäre, dass die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist Klage erhoben hat.
aa) Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass ein entsprechender Regelungswille des Beklagten - so er denn subjektiv bestanden hätte - für die Klägerin nicht erkennbar geworden ist. Ob die Maßnahme einer Behörde die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, insbesondere eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung bilden soll, ist danach zu beurteilen, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 S. 6 und vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14 S. 47; vgl. auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Die Klägerin musste aufgrund des Widerspruchsbescheids nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem eine verbindliche, die verwaltungsprozessuale Klagefrist in Lauf setzende verbindliche Entscheidung des Inhalts treffen wollte, wonach hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten das Prüfungsverfahren beendet sei und ein Recht der Klägerin auf Neubewertung oder Neuanfertigung ihrer Aufsichtsarbeiten nicht bestehe. Zwar werden in der Begründung des Bescheids die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten als sachlich nicht zutreffend beurteilt und ist hier davon die Rede, ihr Widerspruch sei "als unbegründet zurückzuweisen". Auf der anderen Seite hat der Widerspruchsbescheid im Tenor den ursprünglichen Prüfungsbescheid vom 3. Mai 2005 vollumfänglich aufgehoben, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten und die Kostenlast vollständig dem Beklagten auferlegt. Zudem wird in seiner Begründung das Urteil des Senats vom 16. März 1994 (a.a.O.) erwähnt, welches - wie dargelegt - unter anderem den Hinweis enthält, dass der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen im Regelfall die Verwaltungsaktqualität und damit die Bestandskraftfähigkeit abgeht. In Anbetracht dieses Gesamtbildes war aus der Empfängerperspektive nicht darauf zu schließen, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten - über die Mitteilung hinausgehend, dass deren Bewertung nicht zu beanstanden und von behördlicher Seite daher nichts zu veranlassen sei - eine rechtsverbindliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf erneute Bewertung bzw. Prüfungswiederholung herbeiführen wollte, gegen die zur Vermeidung eines Verlusts des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klage zu erheben gewesen wäre.
bb) Eine solche Regelung zu treffen wäre dem Beklagten auch verwehrt gewesen.
(1) Stünde der Prüfungsbehörde im Rahmen einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung, mit der dem Begehren des Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen entsprochen wird, die Befugnis zu, hinsichtlich der Bewertungen der übrigen Prüfungsleistungen abschlägige, eigenständig bestandskraftfähige Entscheidungen zu treffen, würde die materiell-rechtliche Festlegung, wonach Einzelbewertungen eine selbständige Regelungsqualität abgeht, im praktischen Ergebnis ebenso wie der prozessrechtliche Befund unterlaufen, dass das Institut der Bestandskraft an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft. Die Einzelbewertungen würden auf diese Weise einen ähnlichen materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Status erlangen wie Regelungen, welche die Begriffsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass über das Ergebnis ein- und derselben Prüfung unter Umständen unterschiedliche Verwaltungsstreitverfahren zu führen wären.
(2) Eine solche Befugnis ergibt sich nicht aus der Bestimmung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die im Falle einer gespaltenen gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit von Einwendungen gegen verschiedene Prüfungsbewertungen zu der Konsequenz führt, dass eine im Bescheidungsurteil kundgetane Rechtsauffassung, wonach einzelne dieser Prüfungsleistungen rechtsfehlerfrei bewertet worden sind, in Rechtskraft erwachsen kann. Eine vergleichbare Vorschrift hat der Gesetzgeber für das Widerspruchsverfahren nicht erlassen. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im Widerspruchsverfahren sprechen bereits in grundsätzlicher Hinsicht die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen von gerichtlicher und widerspruchsbehördlicher Entscheidungstätigkeit. Die Vorschrift trägt dem Erfordernis der Wahrung von Entscheidungsprärogativen der Exekutive insbesondere in Fällen administrativer Ermessens- und Beurteilungsspielräume Rechnung und damit einem Gesichtspunkt, der sich auf das Verhältnis zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde in aller Regel nicht übertragen lässt. Hinzu kommt, dass der Verlust des Anspruchs auf (weitere) gerichtliche Überprüfung grundrechtlich schwerer wiegt, wenn er bereits im vorprozessualen Stadium eintritt. Die Frage, ob § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in bestimmten Konstellationen dennoch einer entsprechenden Anwendung im Widerspruchsverfahren zugänglich ist, bedarf im vorliegenden Verfahren indes keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss eine solche Anwendung dann ausscheiden, wenn sie - wie hier - die Maßgabe des Normgebers im Prüfungsrecht leerlaufen ließe, wonach Einzelbewertungen keine selbständige Regelungsqualität zukommt. Mit dieser Maßgabe ist die weitergehende konzeptionelle Vorstellung verknüpft, dass der gerichtliche Rechtsschutz auf den abschließenden Prüfungsbescheid zu konzentrieren ist und - als Kehrseite hiervon - dass für den Prüfling keine Obliegenheit bestehen soll, parallel zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens bereits Verwaltungsstreitverfahren betreiben zu müssen, sofern er sich mit dem abschlägigen Teil einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung nicht zufrieden gibt. Dieses Konzept zu relativieren, ist dem Normgeber vorbehalten.
d) Eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hiergegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.
2. Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Aufgabenstellung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit einwendet, kann sie hiermit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Der Senat ist an die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Bewertungsbegründungen von Erst- und Zweitprüfer keine auf eine Unbestimmtheit der Frage 1 c) hindeutenden Verständnisunterschiede offenbaren würden, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 275 f., vom 21. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 309, vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 28 und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38). Verfahrensrügen hat die Klägerin weder hiergegen noch in anderer Hinsicht erhoben.