Entscheidungsdatum: 30.11.2011
Die Glaubensfreiheit des Schülers aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berechtigt ihn grundsätzlich, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten. Diese Berechtigung findet ihre Schranke in der Wahrung des Schulfriedens.
Der Kläger, ein Schüler, begehrt die Feststellung, dass er berechtigt ist, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein islamisches Gebet zu verrichten.
Der am 17. August 1993 geborene Kläger ist muslimischen Glaubens. Er besucht das D.-Gymnasium in Berlin Wedding. Im November 2007 verrichtete er in der Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körperbewegungen und deklamierten den vorgegebenen Text. Das Gebet dauerte etwa zehn Minuten. Andere Schüler sahen zu.
Am folgenden Tag wies die Leiterin der Schule die Schüler, die an dem Gebet beteiligt waren, darauf hin, die Verrichtung eines Gebets werde auf dem Schulgelände nicht geduldet. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie den Eltern des Klägers mit, an der Schule seien religiöse Bekundungen nicht erlaubt; zu ihnen gehörten insbesondere Gebete.
Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben und beantragt, festzustellen, dass er berechtigt sei, während des Besuchs des D.-Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten.
Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Feststellung getroffen: Der Kläger könne sich für sein Anliegen auf das Grundrecht der Glaubensfreiheit berufen. Andere Verfassungsrechte schränkten dieses Recht nicht ein.
Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen: Das Anliegen des Klägers werde zwar vom Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Religionsausübung erfasst. Dieses Grundrecht sei hier jedoch zum Schutz von Grundrechten Dritter und von Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang eingeschränkt. Die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude beeinträchtige die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler. Sie hätten grundsätzlich einen Anspruch darauf, von Äußerungen eines Glaubens verschont zu bleiben, den sie nicht teilten. Das vom Grundgesetz gewährleistete Elternrecht verleihe zudem den Eltern die Befugnis, ihre Kinder von Glaubensäußerungen fernzuhalten, die sie als falsch oder schädlich ansähen. Die deshalb erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit des Klägers und den betroffenen Grundrechten Dritter falle zu Lasten des Klägers aus. An der von ihm besuchten Schule sei unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Dort würden bereits religiös motivierte Konflikte ausgetragen. Das führe zu einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens. Diese Konfliktlage würde sich noch verschärfen, wenn dem Anliegen des Klägers Rechnung getragen würde.
Der Kläger hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er sein erstinstanzlich erfolgreiches Begehren weiterverfolgt: Ihm stehe aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit das Recht zu, im Schulgebäude das islamische Ritualgebet zu verrichten. Die Glaubensfreiheit sei weder durch Grundrechte Dritter noch durch andere mit Verfassungsrang versehene Rechtsgüter eingeschränkt. Insbesondere könne eine Einschränkung nicht aus der negativen Religionsfreiheit anderer Schüler, dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates und der Verpflichtung zur Wahrung des Schulfriedens hergeleitet werden. In der Sache unzutreffend sei die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, aufgrund religiöser Konflikte zwischen Schülern bestehe bereits jetzt eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden, die durch die Verrichtung des Gebets verschärft werde.
Das beklagte Land tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage ohne Verstoß gegen Bundesrecht abgewiesen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Das Oberverwaltungsgericht hat in Einklang mit Bundesrecht die Klage als zulässig angesehen.
a) Das Begehren des Klägers ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264 f.> = Buchholz 454.9 Mietpreisrecht Nr. 15 S. 3). Der Streit der Beteiligten betrifft die Bedeutung und Tragweite des Art. 4 Abs. 1 GG, einer Vorschrift des öffentlichen Rechts, und dessen Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich den Vorgang aus dem November 2007, als der Kläger zusammen mit Mitschülern auf dem Flur des Schulgebäudes in einer Pause das rituelle islamische Gebet verrichtete. Der Kläger berühmt sich des Rechts, in dieser Weise auch künftig vorgehen zu dürfen. Die Schulverwaltung bestreitet das Bestehen eines solchen Rechts.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Nachdem die Schulleiterin ihn und seine Eltern darauf hingewiesen hat, religiöse Bekundungen wie Gebete seien in der Schule nicht erlaubt, muss er mit Sanktionen in der Gestalt von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen rechnen, wenn er das von ihm als erlaubt angesehene Verhalten fortsetzt. Ihm ist nicht zuzumuten, solche Sanktionen abzuwarten und erst im Zusammenhang mit ihnen die streitige Rechtsfrage gerichtlich klären zu lassen.
Der Feststellungsklage steht nicht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Namentlich konnte der Kläger seine Rechte nicht durch eine Anfechtungsklage verfolgen. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, enthielten sowohl der mündliche Hinweis der Schulleiterin an den Kläger, die Verrichtung eines Gebets auf dem Schulgelände werde nicht geduldet, als auch das nachfolgende Schreiben an seine Eltern lediglich Hinweise auf die Rechtslage, wie sie nach Ansicht der Schulleiterin besteht, aber keine Regelungen. Sie waren mithin keine Verwaltungsakte. Das Oberverwaltungsgericht hat sich diese tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht. Der Senat hat keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung.
b) Der Kläger hat die Klage wirksam erhoben. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und deshalb nach bürgerlichem Recht in seiner Geschäftsfähigkeit noch beschränkt war, war er dennoch prozessfähig. Er war im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand seines Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt. Nach § 5 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl S. 939, BGBl III 404-9) steht dem Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Die Bestimmung legt das Alter fest, bei dem angenommen wird, dass der Einzelne weitgehend selbst über sein Recht auf Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG zu verfügen vermag (Religionsmündigkeit). Die Religionsmündigkeit erstreckt sich auf alle mit der religiösen Selbstbestimmung im Zusammenhang stehenden Fragen einschließlich der Verrichtung religiöser Handlungen (Huber in MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, Anhang zu § 1631 § 5 RelKErzG Rn. 2). Mithin wird der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens von der Religionsmündigkeit erfasst.
2. Ebenfalls mit Bundesrecht vereinbar ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger könne die von ihm begehrte Feststellung nicht beanspruchen und seine Klage sei deshalb unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der verfassungsrechtlich verbürgten Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auf der Grundlage des Sachverhalts, den das Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt hat (§ 137 Abs. 2 VwGO), berechtigt diese Verfassungsbestimmung den Kläger nicht, in der von ihm besuchten Schule außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein rituelles islamisches Gebet zu verrichten.
a) Das Anliegen des Klägers wird allerdings durch den Schutzbereich der verfassungsrechtlich garantierten Glaubensfreiheit erfasst.
Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein Grundrecht der Glaubensfreiheit, das umfassend zu verstehen ist (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerfGE 125, 39 <79>). Dieses Grundrecht bezieht sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>). Das von der Glaubensfreiheit umfasste Recht der Religionsausübung ist extensiv auszulegen und erstreckt sich auf kultische Handlungen, die ein Glauben vorschreibt oder in denen er Ausdruck findet, wie z.B. Gebete (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <15 f.>). Zwar kann nicht jedes Verhalten einer Person nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck einer besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden. Beansprucht der Einzelne ein Verhalten als Ausdruck seiner Glaubensfreiheit für sich, darf vielmehr bei der Würdigung das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben. Es kommt darauf an, ob sich das Verhalten nach Gehalt und Erscheinung als Glaubensregel der jeweiligen Religionsgemeinschaft dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen lässt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <298 f.>).
Daran gemessen unterfällt die streitige Verrichtung des Gebets durch den Kläger dem Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geht es dem Kläger um das rituelle Pflichtgebet ("as-salat"), das nach den Regeln des islamischen Glaubens fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten zu verrichten ist. Dieses Pflichtgebet zeichnet sich dadurch aus, dass der Betende auf einem rituell sauberen Platz mit dem Gesicht gen Mekka in einer vorgegebenen Abfolge von Körperhaltungen bestimmte Gebetstexte deklamiert. Ein solches Pflichtgebet ist unter anderem zur Mittagszeit zu verrichten. Der Kläger möchte diese rituelle Handlung in der Schule außerhalb der Unterrichtszeit vornehmen, wenn die Zeitspanne, die für das Gebet vorgeschrieben ist, in die Zeit des Schulbesuchs fällt. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt sich ein Gebot, das rituelle Pflichtgebet zu den dafür festgesetzten Zeiten zu verrichten, als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen. In dem angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass der Kläger die Einhaltung dieser Glaubensregel als für sich verbindlich ansieht. Deshalb vermag er sich grundsätzlich auf den Schutz der Glaubensfreiheit zu berufen.
Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst hier auch die freie Wahl des Ortes, an dem der Kläger das Gebet verrichten möchte.
Um sein rituelles Gebet zu verrichten, benötigt der Kläger Raum, konkret einen Bereich des Schulflurs, dessen Nutzung nicht seinem Bestimmungsrecht, sondern dem Bestimmungsrecht der Schulverwaltung unterliegt und der als Verkehrsfläche, nämlich als Zugang zu Klassenräumen, Fachräumen, Lehrerzimmern, Toiletten und Ausgängen zur Verfügung gestellt ist.
Für das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, es begründe kein Benutzungsrecht, das nicht schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen besteht. Die Entscheidung über Ort und Zeit der Versammlung ist zwar frei, setzt aber die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus. Das Recht der freien Ortswahl umfasst nicht das Recht, fremdes Eigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch für ein Grundstück, das nach dem Willen des Trägers nur im Rahmen einer eingeschränkten Zweckbestimmung zur Verfügung steht (Urteil vom 29. Oktober 1992 - BVerwG 7 C 34.91 - BVerwGE 91, 135 <138 f.> = Buchholz 11 Art. 8 GG Nr. 6 S. 15; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1204>).
Hiervon unterscheidet sich jedoch die Ausübung der Glaubensfreiheit. Zwar verschafft auch sie dem Einzelnen keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst nicht zugänglichen Räumen. Die Glaubensfreiheit ist dem Bürger nur dort gewährleistet, wo er tatsächlich Zugang findet. Anders als die kollektiv ausgeübte Versammlungsfreiheit schließt die Ausübung der Glaubensfreiheit als Recht des Einzelnen in der Regel keinen besonderen Raumbedarf ein, der typischerweise mit Belästigungen verbunden ist. Als Individualgrundrecht steht sie dem Bürger vom Grundsatz her überall dort zu, wo er sich jeweils befindet (vgl. zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Freiheit der Meinungsäußerung: BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1208>).
Das gilt jedenfalls für einen Schüler, der in der Schule ein ihm von seiner Religion vorgeschriebenes Gebet verrichten will. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <49>). Dies gilt insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300>). Der Schüler bringt seine Persönlichkeitsrechte in die Schule ein. Gleichzeitig ist er in die Schule und den Unterrichtsablauf eingebunden. Er kann die Schule auch während der Pausen zwischen den Unterrichtsstunden nicht ohne Weiteres verlassen. Darauf könnte er auch nicht verwiesen werden. Er hält sich auch während der Pausen bestimmungsgemäß in der Schule auf und kann - vorbehaltlich noch zu erörternder Schranken - sich dort seinen persönlichen Neigungen und Bedürfnissen entsprechend betätigen. Jedenfalls aufgrund dieser Eingebundenheit in die Schule kann ihm die Wahl von Zeit und Ort des Gebets nicht unter Hinweis darauf von vornherein verwehrt werden, die Schulverwaltung habe die überhaupt in Betracht kommenden Räume ausschließlich für eine andere Nutzung vorgesehen. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit umfasst in dieser Lage den Zugriff auf einen Raum, der hierfür tatsächlich zur Verfügung steht.
b) Insoweit besteht das Grundrecht der Glaubensfreiheit aber nicht uneingeschränkt. Die Glaubensfreiheit verleiht dem Kläger hier nicht das Recht, das Gebet auf dem Schulflur zu verrichten.
Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 verbürgte Glaubensfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Glaubensfreiheit bedarf überdies einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <297>).
Zwar ist das Recht des Klägers, seinen Glauben zu bekunden, nicht durch die negative Glaubensfreiheit anderer Schüler und der Lehrer eingeschränkt. Ebenso wenig findet sein Grundrecht eine Schranke in dem elterlichen Erziehungsrecht. Eine solche Schranke kann ferner nicht aus dem Gebot religiöser Neutralität hergeleitet werden, das den Staat verpflichtet. Das Grundrecht des Klägers auf Glaubensfreiheit ist aber zum Schutze des Schulfriedens eingeschränkt, der zu den Gemeinschaftswerten mit Verfassungsrang gehört.
aa) Die in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit umfasst neben der Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben sowie sich zu diesen Überzeugungen zu bekennen und sie zu verbreiten, auch die negative Glaubensfreiheit, also die Freiheit, keine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu haben oder eine solche abzulehnen (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 - BVerfGE 122, 89 <119>). Insoweit ist auch die Freiheit gewährleistet, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben; das bezieht sich auch auf Kulte und Symbole, in denen ein Glaube oder eine Religion sich darstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301 f.>).
Indes wird in die negative Glaubensfreiheit der Mitschüler nicht eingegriffen, wenn sie auf dem Flur des Schulgebäudes dem betenden Kläger begegnen.
Die negative Glaubensfreiheit ist ein Abwehrrecht, das sich gegen den Staat richtet. Der Staat darf keine Lage schaffen, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern entfaltet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG seine Freiheit sichernde Wirkung gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen, sondern vom Staat in Vorsorge genommen sind, wie dies auf die Schule zutrifft (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Auch insoweit wendet sich die negative Glaubensfreiheit aber gegen den Staat. Ihm ist es verwehrt, den Einzelnen gegen seinen Willen zwangsweise mit fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen zu konfrontieren, etwa indem er Klassenräume mit solchen Symbolen ausstattet oder den Schülern in der Gestalt von Lehrkräften entgegentritt, die durch ihr Auftreten ihre religiösen Überzeugungen in den Unterricht hineintragen. Machen hingegen Schüler in der Schule von ihrer Glaubensfreiheit durch das Tragen religiöser Symbole oder durch kultische Handlungen Gebrauch, ist allenfalls eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den Mitschülern betroffen. In dem von ihm in Vorsorge genommenen Bereich der Schule muss der Staat auch garantieren, dass der Einzelne nicht mit Verantwortung des Staates einer religiösen Äußerung eines privaten Dritten ausgesetzt ist, die seine negative Religionsfreiheit zu verletzen geeignet ist. Glaubensäußerungen von Schülern hat der Staat nicht veranlasst. Sie sind ihm nicht zuzurechnen. Seine Verantwortung besteht darin, dass er Schüler unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Glaubenshaltungen in einer Schule zusammenführt. Seine Schutzpflicht für deren negative Glaubensfreiheit fällt weithin mit seiner Aufgabe zusammen, den Schulfrieden zu wahren, also keine auch religiösen Konflikte zuzulassen, die der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und dem ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf entgegenstehen. Die Schutzpflicht des Staates geht jedenfalls nicht soweit, dass er Schüler oder auch Lehrkräfte vor jeder Begegnung mit Äußerungen eines ihnen fremden, von ihnen nicht geteilten Glaubens bewahren müsste. Mitschüler und Lehrkräfte werden mit dem betenden Kläger nicht unausweichlich konfrontiert. Sie haben es zwar nicht selbst in der Hand, ob sie auf einem Weg durch die Schule auf den Kläger bei der Verrichtung seines Gebets treffen. Es bleibt ihnen aber unbenommen, bei einer Begegnung mit dem betenden Kläger einen anderen Weg zu nehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass in der Schule die Möglichkeiten des Ausweichens beschränkt seien, hat damit aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass solche Möglichkeiten tatsächlich, wenn auch in eingeschränktem Umfang, bestehen. Diese tatsächliche Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Begegnung mit dem betenden Kläger beschränkt sich mithin auf ein eher flüchtiges Zusammentreffen. Mitschüler und Lehrkräfte werden dadurch nicht dem Einfluss eines anderen, von ihnen abgelehnten Glaubens in einer Weise ausgesetzt, die ihnen nicht zumutbar ist. Der Einzelne hat in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich verschont zu bleiben (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <302>). Dies gilt auch für den Lebensbereich der Schule.
bb) Die Glaubensfreiheit des Klägers kann nicht mit der Erwägung eingeschränkt werden, dies diene dem Schutz des Erziehungsrechts der Eltern seiner Mitschüler.
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht. Dieses Grundrecht umfasst zusammen mit Art. 4 Abs. 1 GG das Recht zur Kindererziehung in weltanschaulicher und religiöser Hinsicht. Daher ist es zuvörderst Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <17>). Dem entspricht das Recht, die Kinder von Glaubensüberzeugungen fernzuhalten, die den Eltern als falsch oder schädlich erscheinen (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <301>).
Was die Begegnung von Kindern mit religiösen Handlungen Dritter angeht, reicht das elterliche Erziehungsrecht aber nicht weiter als die negative Glaubensfreiheit der Kinder. Dementsprechend verleiht das Erziehungsrecht den Eltern nicht die Befugnis, ihre Kinder vor jeglicher Begegnung mit religiösen Handlungen Dritter zu schützen. Das Erziehungsrecht als ebenfalls gegen den Staat gerichtetes Grundrecht kann nur dann betroffen sein, wenn das Kind mit Verantwortung des Staates solchen Handlungen unausweichlich ausgesetzt ist. Dies ist hier mit Blick auf die Mitschüler des Klägers - wie aufgezeigt - nicht der Fall.
cc) Die Glaubensfreiheit des Klägers ist nicht durch das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates beschränkt. Die Schulverwaltung wäre nicht berechtigt, unter Hinweis auf dieses Gebot die Verrichtung des Gebets im Schulgebäude zu unterbinden.
Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger die Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität. Es verbietet, staatskirchliche Rechtsformen einzuführen, und untersagt, bestimmte Bekenntnisse zu privilegieren und Andersgläubige auszugrenzen. Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten. Er darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren. Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist indes nicht als eine distanzierende Haltung im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende Haltung, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördert. Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <299 f.>).
Dies gilt nach dem bisherigen Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religion, wie es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinen Niederschlag gefunden hat, insbesondere für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule, für den seiner Natur nach religiöse und weltanschauliche Vorstellungen von jeher relevant waren. Danach muss die Schule für unterschiedliche weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität. Für die Spannungen, die bei der gemeinsamen Erziehung von Kindern unterschiedlicher Weltanschauungs- und Glaubensrichtungen unvermeidlich sind, muss unter Berücksichtigung des Toleranzgebots als Ausdruck der Menschenwürde nach einem Ausgleich gesucht werden (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <300 f.>). Die Neutralitätspflicht des Staates verlangt danach keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule ist vielmehr gehalten, die weltanschaulichen und religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242
Daran gemessen ist eine Verletzung des Gebots staatlicher Neutralität nicht zu besorgen, wenn die Schulverwaltung zulässt, dass der Kläger sein Gebet auf dem Flur des Schulgebäudes verrichtet. Darin läge keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung im Sinne dieses Glaubens. Eine ausdrückliche oder konkludente Identifikation mit diesem Glauben wäre ebenfalls nicht zu verzeichnen. Das Gebet als kultische Handlung ist nicht von der Schulbehörde veranlasst, sondern beruht auf einer eigenen Entscheidung des Gläubigen. Duldet der Staat in der Schule die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, macht er sich dessen Bekenntnis zum islamischen Glauben, das in dem Gebet zum Ausdruck kommt, nicht zu eigen. Er muss es sich auch nicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen.
Allerdings könnte der gesellschaftliche Wandel, der mit einer zunehmenden religiösen Pluralität verbunden ist, Anlass sein, das Ausmaß abweichend zu bestimmen, in dem religiöse Bezüge in der Schule zulässig sein sollen. Es lassen sich einerseits Gründe dafür anführen, die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen, um so einen Beitrag in dem Bemühen um Integration zu leisten. Andererseits ist die zunehmende religiöse Vielfalt mit einem größeren Potenzial möglicher Konflikte in der Schule verbunden. Es mag deshalb auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß religiöse Bezüge, die von Schülern in die Schule hineingetragen werden, aus der Schule grundsätzlich fernzuhalten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>).
Wie auf die gewandelten Verhältnisse zu antworten ist, insbesondere, welche Verhaltensregeln für Schüler zur Wahrung des religiösen Friedens in der Schule aufgestellt werden sollen, hat aber nicht die Exekutive zu entscheiden. Vielmehr bedarf es hierfür einer Regelung durch den demokratisch legitimierten parlamentarischen Landesgesetzgeber. Es hängt von einer Beurteilung der tatsächlichen Entwicklungen ab, ob gegenläufige Grundrechtspositionen von Schülern und Eltern oder andere Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, die kultische Handlungen und die Verwendung von Kennzeichen mit religiösem Bezug weitgehend aus der Schule verbannen. Für diese Beurteilung verfügt nur der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative, die Behörden und Gerichte nicht für sich in Anspruch nehmen können. Er hat zu beurteilen, ob von der Verrichtung kultischer Handlungen in der Schule oder der Verwendung von religiösen Symbolen bereits eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens ausgeht, und muss gegebenenfalls zu deren Abwehr eine darauf zugeschnittene Rechtsgrundlage schaffen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <307>).
Eine solche durch den parlamentarischen Gesetzgeber geschaffene Rechtsgrundlage fehlt im Landesrecht von Berlin. Zwar regelt die Schulordnung des D.-Gymnasiums in ihrer Nr. II 16 unter Hinweis auf das Gebot weltanschaulicher und religiöser Neutralität des Staates, dass die Ausübung religiöser Riten im Religionsunterricht erfolgt. Die Schulordnung lässt sich ihrerseits auf eine parlamentarische Ermächtigung zurückführen. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 8 des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz - SchulG) vom 26. Januar 2004 (GVBl 2004, 26) entscheidet die Schulkonferenz über Verhaltensregeln für den geordneten Ablauf des äußeren Schulbetriebs (Hausordnung), an die die Schüler nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts gebunden sind. Die allgemeine Ermächtigung, auch für die Schüler verbindliche Verhaltensregeln zu erlassen, stellt nicht die erforderliche hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage dar, um Glaubensäußerungen der Schüler, wie der Vornahme religiöser Riten, bereits wegen der bloßen Möglichkeit einer Gefährdung oder eines Konflikts zu beschränken (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Deshalb ist es der Schulverwaltung derzeit verwehrt, ohne Rücksicht auf eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens im Einzelfall vorbeugend die Verrichtung von Gebeten und die Vornahme vergleichbarer kultischer Handlungen in der Schule wegen deren abstrakter Eignung, den Schulfrieden zu gefährden, zu unterbinden.
dd) Die Glaubensfreiheit des Klägers und seine daraus herleitbare Berechtigung, auch in der Schule sein Gebet zu verrichten, finden ihre Schranke aber in dem Gebot, den Schulfrieden zu wahren.
Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>). Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag verwirklicht werden kann (vgl. Zimmermann, LKV 2010, 394 <398> m.w.N.). Der Schulfrieden kann auch durch religiös motiviertes Verhalten beeinträchtigt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303 und 307>). Der religiöse Schulfrieden ist ein Schutzzweck von herausragender Bedeutung (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 2 C 45.03 - BVerwGE 121, 140 <152> = Buchholz 237.0 § 9 BaWüLBG Nr. 1 S. 10). Die Vermeidung religiös-weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen stellt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut dar (Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur durch den Kläger eine ohnehin bereits bestehende konkrete Gefahr für den Schulfrieden weiter verschärfen.
Nach diesen Feststellungen ist an dem D.-Gymnasium unter den Schülern eine Vielzahl von Religionen und Glaubensrichtungen vertreten. Aufgrund dieser heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft sind unter den Schülern teilweise sehr heftige Konflikte ausgetragen worden, die von Vorwürfen gegen Mitschüler ausgingen, diese seien nicht den Verhaltensregeln gefolgt, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben, wie beispielsweise dem Gebot, ein Kopftuch zu tragen, Fastenvorschriften einzuhalten, Gebete abzuhalten, kein Schweinefleisch zu verzehren, "unsittliches Verhalten" und "unsittliche Kleidung" sowie persönliche Kontakte zu "unreinen" Mitschülern zu vermeiden. Aus derartigen Anlässen sei es etwa zu Mobbing, Beleidigung, insbesondere mit antisemitischer Zielrichtung, Bedrohung und sexistischen Diskriminierungen gekommen. Hierauf aufbauend hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, die ohnehin bestehende Konfliktlage würde sich verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne.
An diese tatsächlichen Feststellungen und die darauf aufbauende Beweiswürdigung ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Der Kläger hat dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.
Der Kläger beanstandet im Kern, das Oberverwaltungsgericht habe jedenfalls auf der Grundlage einer zu schmalen Tatsachenbasis angenommen, an der von ihm besuchten Schule sei bereits jetzt der Schulfrieden konkret gefährdet. Der Kläger rügt damit der Sache nach, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt jedoch nicht vor.
Der Überzeugungsgrundsatz ist verletzt, wenn der Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, weil das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 28), oder weil seine Beweiswürdigung aktenwidrig oder objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Das Revisionsgericht kann die Beweiswürdigung nicht daraufhin überprüfen, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Sachverhaltswürdigung eingegangen sind und ob solche Umstände die Würdigung zu tragen vermögen (Urteil vom 25. Mai 1984 - BVerwG 8 C 108.82 - Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16 f.).
Der Revisionsbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht in dieser Hinsicht das Gebot der freien Beweiswürdigung verletzt hat. Es hat seine Feststellung, der Schulfrieden sei bereits jetzt konkret gefährdet, auf eine Reihe von Beispielen gestützt, die das beklagte Land nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts substantiiert vorgetragen hatte und die in dem Urteil beispielhaft wiedergegeben werden. Das Oberverwaltungsgericht ist dabei zwar nicht ausdrücklich auf den Hinweis des Klägers eingegangen, die geschilderten Konflikte mit religiösem Hintergrund wiesen keinen Bezug zu dem von ihm geübten Gebet auf, er - der Kläger - sei an diesen Konflikten nicht beteiligt gewesen, habe im Gegenteil auf der Schule viele christliche Freunde, die seine streng religiöse Haltung sogar gut fänden. Indes kam es auf diese Umstände nicht entscheidungserheblich an. Das Oberverwaltungsgericht hat der Sache nach festgestellt, dass an dem D.-Gymnasium aufgrund der heterogenen religiösen Zusammensetzung der Schülerschaft ein Klima herrscht, in dem sich an religiösem Verhalten ebenso wie an offener Distanz zu religiösen Geboten aus durchaus geringem Anlass Konflikte entzünden. Von daher kam es nicht darauf an, ob schon bisher die Verrichtung ritueller Gebete in der Schule zu solchen Konflikten geführt hatte. Denn die offene Verrichtung eines rituellen Gebets konnte nach der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts in diesem Klima wiederum die Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Einstellungen zum Glauben und ihren Geboten aufbrechen lassen, weil es zum Mitmachen auffordert und geeignet ist, zwischen strengen und weniger strengen Anhängern einer Religion zu scheiden. Ob der Kläger in einer solchen Absicht gehandelt hat oder gar Auseinandersetzungen schüren wollte, war für das Oberverwaltungsgericht unerheblich, weil es aus seiner Sicht nur darauf ankam, dass in dem herrschenden Klima an der Schule die Verrichtung eines rituellen Gebets objektiv geeignet war, weiteren Unfrieden zu stiften. Ein Schuldvorwurf an den Kläger war damit nicht verbunden, so dass das Oberverwaltungsgericht auch nicht ausdrücklich auf seine Beteuerung eingehen musste, er sei an religiös motivierten Auseinandersetzungen nicht beteiligt; es konnte diesen Vortrag vielmehr ohne weiteres Eingehen darauf als wahr unterstellen. Ebenso musste das Oberverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht eigens auf die Aussage des Klägers eingehen, ihm - dem Kläger - seien die Vorfälle nicht bekannt, die das beklagte Land zur Stützung seines Vortrags heranziehe, an dem D.-Gymnasium sei bereits jetzt durch religiös motivierte Konflikte der Schulfriede gefährdet. Das Oberverwaltungsgericht durfte ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Schulverwaltung den vollständigen Überblick über das Geschehen an dieser Schule hat, der dem Kläger nicht notwendig in derselben Weise zugänglich ist.
Sollte der Kläger die Revisionsbegründung insoweit auch als Rüge verstanden wissen wollen, das Oberverwaltungsgericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, wäre die Rüge aus denselben Gründen unbegründet. Es lässt sich nicht feststellen, dass das Oberverwaltungsgericht entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag des Klägers übergangen hat.
ee) Die Einschränkung des Grundrechts des Klägers auf Glaubensfreiheit steht im Einklang mit dem Gebot eines schonenden Ausgleichs der widerstreitenden Verfassungsgüter. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt.
Die Einschränkung der Möglichkeit, in der Schule das rituelle islamische Mittagsgebet zu verrichten, ist geeignet, den damit verfolgten legitimen Zweck zu erreichen, der zutreffend prognostizierten Verschärfung der ohnehin bereits bestehenden konkreten Gefahr für den Schulfrieden zu begegnen.
An diesem Zweck ausgerichtet erweist sich die Beschränkung der Glaubensfreiheit als erforderlich. Der vorhersehbaren Gefährdung des Schulfriedens kann nicht durch eine andere gleich wirksame Maßnahme begegnet werden, die die Glaubensfreiheit des Klägers nicht oder weniger einschränkt.
Allerdings ist die Schule zunächst gehalten, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln gegenzusteuern. Die gewachsene religiöse Vielfalt in der Gesellschaft spiegelt sich besonders deutlich in der Schule wider. Sie ist der Ort, an dem unterschiedliche religiöse Auffassungen unausweichlich aufeinander treffen und an dem sich dieses Nebeneinander in besonders empfindlicher Weise auswirkt. Ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten kann hier am nachhaltigsten durch Erziehung geübt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <310>). Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht in Auslegung des irrevisiblen Landesrechts festgestellt, dem Schulgesetz liege das Konzept zugrunde, dem beschriebenen Konfliktpotential mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Es ist gerade Aufgabe der Schule, ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten durch Erziehung zu üben. Nach § 1 Abs. 3 SchulG gehört es zum Auftrag der Schule, Persönlichkeiten heranzubilden, deren Haltung von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung bestimmt wird. Schulische Bildung und Erziehung sollen die Schüler insbesondere befähigen, ihre eigene Kultur sowie andere Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschen anderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zu begegnen und für das Lebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten (§ 3 Abs. 3 SchulG). Dem liegt die Vorstellung des Landesgesetzgebers zugrunde, dass die Integrationsaufgabe des Staates in einer pluralistischen Gesellschaft einen eigenständigen und umfassenden staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag erfordert, der über die Anforderungen an die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen hinausgeht und dessen Ziele einen ethischen, weltanschaulichen und politischen Mindestkonsens darstellen, der gleichzeitig die Offenheit für die in der Gesellschaft vorhandenen Wertauffassungen gewährleisten muss (Begründung der Regierungsvorlage zum Schulgesetz, Abghs-Drs 15/1842, S. 7).
Die Schule kann danach nicht stets sogleich gegen religiös geprägtes Verhalten eines Schülers vorgehen, wenn es Gegenreaktionen und Unruhe bei anderen Schülern auslöst. Von Fällen bewusster und gewollter Provokation abgesehen, stört nicht der Schüler den Schulfrieden, der nur von der ihm im Grundgesetz verheißenen Glaubensfreiheit Gebrauch macht, sondern derjenige, der daran in einer Weise Anstoß nimmt, die mit den Geboten der Toleranz nicht vereinbar ist. Hierdurch ausgelöste Störungen geben Anlass, sich damit etwa im Unterricht mit dem Ziel, wechselseitiges Verständnis zu wecken, auseinanderzusetzen. Anderenfalls hätten es einzelne oder wenige Schüler in der Hand auch bei einem an sich offenen Klima in der Schule durch unduldsames Anstoßnehmen Störungen herbeizuführen, die dann zum Anlass einseitigen Einschreitens genommen werden.
Andererseits sind den Möglichkeiten der Schule Grenzen gesetzt, konkreten religiös motivierten Konflikten mit erzieherischen Mitteln zu begegnen. Das gilt namentlich in Fällen, in denen religiös geprägtes und umgekehrt betont religionsfernes Verhalten wechselseitig zu Auseinandersetzungen geführt und ein allgemeines Klima geschaffen haben, in dem das Aufgreifen einzelner Vorgänge angesichts des damit verbundenen Aufwands keinen Sinn mehr verspricht. Jedenfalls in einem solchen Fall setzt sich der übergeordnete Zweck der staatlichen Veranstaltung Schule durch, im Interesse des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule für alle Schüler einen geordneten Unterrichtsablauf sicherzustellen. Diesem eigentlichen Zweck der Schule sind alle Schüler verpflichtet. Der Einzelne muss um dieses Zweckes willen in einer solchen Lage auf ein an sich erlaubtes Verhalten verzichten, ohne dass es darauf ankommt, ob ihm der Vorwurf gemacht werden kann, gerade er störe schuldhaft den Schulfrieden.
Derartige Verhältnisse hat das Oberverwaltungsgericht für das D.-Gymnasium festgestellt und darauf aufbauend, den Sachverhalt dahin gewürdigt, angesichts der konkreten Verhältnisse an dieser Schule genügten erzieherische Mittel allein nicht, den erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen, die zu erwarten wären, wenn die streitige Verrichtung des Gebets zugelassen würde. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere darauf hingewiesen, soweit die Schule überhaupt in der Lage gewesen sei, an Konflikten beteiligte Schüler zu einem Gespräch zusammenzubringen, seien diese Gespräche fruchtlos geblieben. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat wiederum gebunden.
Als ein milderes Mittel kommt grundsätzlich auch in Betracht, betwilligen Schülern einen Raum zuzuweisen, wo sie ihre Gebete unbeobachtet von anderen Schülern verrichten können. Zwar verleiht Art. 4 GG keinen Anspruch darauf, der Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen (BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <16>). Darum geht es in diesem Zusammenhang aber auch nicht. Der Kläger begehrt keine Leistung der Schule, auf die er keinen Anspruch hätte. Es geht nur darum, ob die Schule, bevor sie die Verrichtung des Gebets gänzlich unterbindet, im Rahmen des verhältnismäßigen Ausgleichs aus dem ohnehin Vorhandenen einen Raum anbieten kann, der für die Verrichtung des Gebets zur Verfügung steht. Sie muss hingegen nicht erst Räume für diesen Zweck schaffen. Der Kläger muss die Schule so hinnehmen, wie sie ist.
Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Einrichtung eines speziellen Raums zur Verrichtung des Gebets die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen würde. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Danach liegen bereits fünf Anträge vor, am D.-Gymnasium Gebetsräume einzurichten. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, die Schule habe in der Vergangenheit schon einmal einen gemeinsamen Gebetsraum eingerichtet, der wieder habe geschlossen werden müssen, nachdem es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen, die ein Kopftuch getragen hätten, und anderen, die dies nicht getan hätten, gekommen sei, und nachdem die Jungen es abgelehnt hätten, gemeinsam mit Mädchen zu beten. Hieran anknüpfend hat das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt dahin gewürdigt, es müssten umfangreiche Vorkehrungen für eine differenzierte räumliche Aufteilung getroffen und deren ungestörte Benutzung durch Aufsichtspersonal gewährleistet werden.
Die Einschränkung der Glaubensfreiheit erweist sich als angemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zu dem sie rechtfertigenden legitimen Zweck.
Allerdings wiegt die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers nicht leicht. Er unterliegt zwar nicht mehr der Schulpflicht. Um den angestrebten Schulabschluss zu erreichen, ist er jedoch gehalten, sich zu den Zeiten im Schulgebäude aufzuhalten, die von der Schule vorgegeben sind. Die Einschränkung des Grundrechts wiegt nicht deshalb leichter, weil das hier inmitten stehende Mittagsgebet nach Ablauf des dafür vorgesehenen Zeitraums nachgeholt werden könnte. Hierauf kann der Kläger nicht verwiesen werden. Er sieht die Einhaltung der vorgegebenen Zeitspanne als für sich verbindlich an. Dies lässt sich - wie dargelegt - dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit hinreichend plausibel zuordnen.
Der mit der Einschränkung des Grundrechts verfolgte Zweck ist aber höher zu gewichten als die Beeinträchtigung der Glaubensfreiheit des Klägers. Der Wahrung des Schulfriedens kommt besonderes Gewicht zu. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil durch die Verrichtung des Gebets eine bereits bestehende hinreichende Wahrscheinlichkeit der Störung des Schulfriedens aufgrund religiöser Konflikte erhöht würde und deshalb eine besonders intensive Gefahrenlage für den Schulfrieden zu besorgen wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung muss die Religionsausübung des Klägers hinter die Wahrung des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Schulfriedens zurücktreten.
ff) Die Einschränkung der Glaubensfreiheit des Klägers kann auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage zurückgeführt werden. Wie bereits dargelegt, ist nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht die Verrichtung des Gebets auf dem Flur des Schulgebäudes nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in Verbindung mit Nr. II. 16 der Schulordnung des D.-Gymnasiums nicht zulässig. Obwohl § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG als Generalklausel die Einschränkung der Religionsausübung nicht speziell anspricht und Nr. II. 16 der Schulordnung nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber verantwortet ist, reichen diese Bestimmungen als Grundlage für eine Einschränkung der Glaubensfreiheit aus, soweit es nicht um die Konkretisierung des Gebots staatlicher Neutralität mit Blick auf abstrakt mögliche Gefährdungen des Schulfriedens, sondern - wie hier - um die Abwehr konkreter Gefahren für dieses Schutzgut geht (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <303>).