Entscheidungsdatum: 11.06.2010
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß §132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Gemessen an dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO lässt sich der Beschwerdebegründung keine solche Frage mit Grundsatzbedeutung entnehmen.
Die Klägerin bestand im Jahr 2005 die erste juristische Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen nicht. Mit der Zulassung zur Wiederholungsprüfung im März 2006 erließ ihr das beklagte Prüfungsamt antragsgemäß die Anfertigung der im ersten Prüfungsversuch mit acht Punkten bewerteten häuslichen Arbeit auf der Grundlage von § 18 Abs. 2 des Gesetzes über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz) in der auf die Klägerin noch anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 8. November 1993 (GV. NRW. S. 924 - JAG NRW 1993 -; vgl. zu der neuen Struktur der ersten Prüfung in der ab dem 1. Juli 2003 geltenden Fassung des Gesetzes vom 11. März 2003 - GV.NRW. S. 135 - : §§ 2 ff. JAG NRW 2003). Das Begehren der auch in der Wiederholungsprüfung gescheiterten Klägerin auf eine Verpflichtung des beklagten Prüfungsamtes zur Neubewertung der angerechneten Hausarbeit hat das Oberverwaltungsgericht unter Verweis auf die (materielle) Bestandskraft des Bescheides über den ersten Prüfungsversuch der Klägerin abgelehnt.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 23. November 2009 als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage formuliert, "ob einmal angerechnete Prüfungsleistungen nach endgültigem Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung noch im Rahmen eines unabhängigen Leistungsanspruchs des Prüflings in Bezug auf die Wiederholungsprüfung erneut bewertet werden müssen." In ihren weiteren, allerdings erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingereichten Schriftsätzen vom 30. März 2010 und vom 3. Juni 2010 hat die Klägerin die Fragestellung präzisiert und den ihrer Ansicht nach bestehenden bundesrechtlichen Bezug des im nicht revisiblen Landesrecht wurzelnden Falles beschrieben. Es gehe vor allem um folgende Fragen: "Wann steht einem allgemeinen Leistungsanspruch auf Vornahme einer Verwaltungshandlung die Bestandskraft eines Bescheides entgegen, wenn sich dieser Bescheid aus zwei (oder mehreren) Verwaltungshandlungen zusammensetzt und die erste (streitgegenständliche) Verwaltungshandlung Bedingung der zweiten ist? Ist ein allgemeiner Leistungsanspruch schon verwirkt, sobald ein - im vorliegenden Fall nicht vorhandenes - treuwidriges Verhalten des Anspruchstellers vorliegt oder muss auch eine zeitliche Komponente gegeben sein?" Der geltend gemachte Leistungsanspruch auf Neubewertung der häuslichen Arbeit ergebe sich aus der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die Bestandskraft von Bescheiden und über die Verwirkung von Rechtsschutzansprüchen sowie dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die derart formulierten und erläuterten Fragen rechtfertigen - ungeachtet des Umstandes, dass die auf die Prüfung der Klägerin noch anwendbaren Bestimmungen der §§ 2 ff. JAG NRW 1993 über das erste juristische Examen durch §§ 2 ff. JAG NRW 2003 grundlegend umgestaltet worden sind und damit ausgelaufenes Recht darstellen - die Zulassung der Grundsatzrevision nicht.
a) Soweit sich die Klägerin im Hinblick auf eine Grundsatzbedeutung der von ihr bezeichneten Fragestellung auf die in diesem Zusammenhang zu klärende Reichweite des allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Bestandskraft von Verwaltungsakten beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass allgemeine Rechtsgrundsätze, die zur Ergänzung von landesrechtlichen Prüfungsbestimmungen herangezogen werden, regelmäßig ebenfalls dem nach § 137 Abs. 1 Satz 1 VwGO irrevisiblen Landesrecht angehören (Urteil vom 17. Februar 1984 - BVerwG 7 C 67.82 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 195 S. 180; Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 75.98 - juris Rn. 3).
Abgesehen hiervon ist nicht zweifelhaft und bedarf deshalb keiner weiteren Klärung, dass Prüfungsbescheide, auch wenn sie in einem fehlerhaften Prüfungsverfahren ergangen sind, mit ihrer Unanfechtbarkeit bestandskräftig werden, dass ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG besteht, dass die Behörde im Übrigen über die Frage des Wiederaufgreifens gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu befinden hat und dass der Ermessensspielraum sich nur ausnahmsweise derart reduziert, dass eine andere Entscheidung als das Wiederaufgreifen nicht in Frage kommt. Jenseits dieser Grundsätze bestimmt sich die Reichweite der Bestandskraft eines ergangenen Prüfungsbescheides zum einen nach den jeweiligen irrevisiblen landesrechtlichen Prüfungsnormen, auf die er gestützt ist, und zum anderen nach seinem konkreten Inhalt im Einzelfall und ist deshalb in einem Revisionsverfahren nicht allgemein klärungsfähig.
b) Hieraus folgt zugleich, dass auch der Verweis der Klägerin auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG den von ihr aufgeworfenen Fragen keine grundsätzliche Bedeutung verleiht. Dass das Institut der Bestandskraft von Verwaltungsakten, dessen Reichweite aus Anlass des zur Entscheidung stehenden Falles keiner weiteren allgemeinen Klärung zugeführt werden kann, dem Schutzzweck der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes nicht widerstreitet, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253, S. 269) geklärt.
c) Eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen ferner nicht im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. den daraus ableitbaren Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungswettbewerb (vgl. dazu: Urteil vom 28. April 1978 - BVerwG 7 C 50.75 - BVerwGE 55, 355 <358 und 360> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 90 S. 91 und 93). Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf beruft, das Oberverwaltungsgericht habe ein sog. Blockversagen in Form einer sehr schlecht bewerteten häuslichen Arbeit (vgl. dazu § 15 Abs. 2 und 3 JAG NRW 1993) zur Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Neubewertung der angerechneten häuslichen Arbeit erhoben, wogegen gerade bei besseren Arbeiten die Aussicht auf eine noch günstigere Bewertung und damit auf ein Bestehen der Prüfung bestehe, missversteht sie die Erwägungen des Berufungsgerichts. Denn dieses hat das sog. Blockversagen lediglich zur Abgrenzung gegenüber dem einer früheren Entscheidung (OVG Münster, Urteil vom 30. März 1998 - 22 A 4551/95 - NWVBl 1998, 403 ff.) zu Grunde liegenden Sachverhalt in den Blick genommen und ausgeführt, dass in einer solchen Konstellation eine der Bestandskraft fähige Gesamtnote, in die auch die Bewertung der häuslichen Arbeit einfließe, nicht errechnet werde (UA S. 9 f.). Die Art des sog. Blockversagens und die erzielte Note der häuslichen Arbeit haben für diese vergleichende Betrachtung demgegenüber ersichtlich keine Rolle gespielt. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann aber regelmäßig und so auch hier nicht die Zulassung der Revision zur Folge haben (Beschlüsse vom 14. November 2008 - BVerwG 6 B 61.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 S. 17 und vom 5. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 17.09 - juris Rn. 7).
d) Schließlich führt die Bezugnahme Klägerin auf den aus dem Grundsatz von Treu und Gauben gemäß § 242 BGB ableitbaren Rechtsgedanken der Verwirkung nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der von ihr bezeichneten Fragestellung. Dieser ohne weitere verfassungsrechtliche Verankerung auch im Verwaltungsrecht zu beachtende Grundsatz würde im Falle seiner Anwendung die landesrechtlichen Prüfungsbestimmungen ergänzen und wäre deshalb nach den obigen Darlegungen (unter 1.a)) seinerseits dem irrevisiblen Landesrecht zuzuordnen (Beschlüsse vom 29. Oktober 1997 - BVerwG 8 B 194.97 - Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 88 S. 50 f. und vom 26. Mai 1999 a.a.O. Rn.3).
Abgesehen davon kam es aufgrund der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin auf eine Neubewertung der angerechneten Hausarbeit sei aus Gründen der (materiellen) Bestandskraft des Bescheides über den ersten Prüfungsversuch der Klägerin ausgeschlossen, auf die Problematik der Verwirkung des Klagerechts nicht mehr an.
2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz - hier im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 75.98 - (a.a.O.) - lässt sich dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht entnehmen.
Eine solche Abweichung wäre nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benannt hätte, mit dem die Vorinstanz einem in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, diesen Beschluss tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hätte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Beschwerde will der Sache nach aus dem genannten Beschluss herleiten, dass die Zulässigkeit einer Klage auf Neubewertung einer angerechneten häuslichen Arbeit aus einem ersten Prüfungsversuch nach nicht bestandener Wiederholungsprüfung nicht wegen der entgegenstehenden (materiellen) Bestandskraft des ersten Prüfungsbescheids und des deshalb fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses, sondern allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Verwirkung des Klagerechts verneint werden könne. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ist indes, soweit er sich mit der Thematik der Verwirkung befasst, tragend nur auf die Erwägung gestützt, dass die hierzu in jenem Verfahren gestellte Grundsatzfrage eine solche des nicht revisiblen Landesrechts sei, jedenfalls aber keine klärungsbedürftigen Fragen aufwerfe. Die von der Klägerin gezogenen weitergehenden Folgerungen sind der Entscheidung nicht zu entnehmen. Ein inhaltlicher Widerspruch zwischen den Ausführungen zur Verwirkung in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts und dem angefochtenen Urteil scheidet aus, weil das Oberverwaltungsgericht die Frage der Verwirkung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erörtert hat.
3. Mit der Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann die Klägerin die Revisionszulassung nicht erreichen, weil sie sich auf einen Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung und auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs erstmals in ihrem Schriftsatz vom 30. März 2010 und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO berufen hat.
4. Soweit die Klägerin schließlich in ihrer Beschwerdebegründungsschrift vom 23. November 2009 und vertiefend in ihren Schriftsätzen vom 30. März 2010 und vom 3. Juni 2010 ernsthafte Zweifel an der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck bringt bzw. deren Rechtswidrigkeit in der Art der Begründung einer bereits zugelassenen Revision - insbesondere unter Bezugnahme auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 30. März 1998 - 22 A 4551/95 - und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 75.98 - (jeweils a.a.O.) - geltend macht, bezeichnet sie bereits im Ansatz keinen der in § 132 Abs. 2 aufgeführten Revisionszulassungsgründe. Namentlich rechtfertigen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung zwar gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Zulassung der Berufung, einen entsprechenden gesetzlichen Grund für die Zulassung der Revision gibt es hingegen nicht.