Entscheidungsdatum: 24.07.2018
I
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Klägers, einen ausländischen Professorentitel führen zu dürfen.
In einem als "Bescheinigung" bezeichneten Schreiben vom 24. Januar 2012 teilte der Beklagte dem Kläger auf eine entsprechende Bitte mit, dass er den am 24. Juni 2009 in Spanien erlangten ausländischen akademischen Grad für die Dauer seiner Lehrtätigkeit in der Form "Profesor invitado" (Gastprofessor) und der Abkürzung "PROF." führen dürfe.
In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 23. Oktober 2015 erklärte der Beklagte unter Bezugnahme auf die Bescheinigung vom 24. Januar 2012: "Diese Bescheinigung widerrufe ich hiermit." Sodann folgen unter A. 1. - 6. rechtliche Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Bescheinigung vom 24. Januar 2012 und deren mangelnder Verwaltungsaktsqualität, an die sich folgender Text anschließt:
"B.
1. Ich muss Sie daher auffordern, die Bezeichnung "Prof." künftig nicht mehr zu führen, und auch nicht etwa die Bezeichnung "PROF." zu verwenden. Zugleich bitte ich Sie, mir dieses bis zum 30. November 2015 verbindlich zu erklären.
2. Ich habe den Sachverhalt zum Anlass genommen, Ihnen eine berichtigte Führbarkeitsbescheinigung auszustellen (siehe Anlage). Ich bitte, mir die am 24. Januar 2012 ausgestellte Bescheinigung ebenfalls bis zum 30. November 2015 im Original zurückzusenden.
3. Sollten Sie in der Zwischenzeit aus einem anderen Rechtsverhältnis zum Professor ernannt worden sein und deshalb die Bezeichnung "Prof." führen, bitte ich mir ebenfalls bis zum 30. November 2015 eine beglaubigte Kopie der Ernennungsurkunde zu übersenden (§ 69 Abs. 7 Satz 2 HG).
4. Falls Sie weiterhin unbefugt die Bezeichnung "Prof." führen, beabsichtige ich, Ihnen dies zu untersagen (§ 69 Abs. 7 Satz 5 HG). Ich erwäge, dann auch die sofortige Vollziehung anzuordnen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung), Zwangsgeld anzudrohen (§ 55 Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen) und Strafanzeige zu erstatten. Dazu mögen Sie ggf. ebenfalls bis zum 30. November 2015 Stellung nehmen.
5. Die Zahnärztekammer wird über meine Entscheidung unterrichtet."
Dem Schreiben lag eine Bescheinigung bei, nach der der Kläger, solange er eine Tätigkeit als Profesor invitado an der Universität Sevilla ausübt, die Bezeichnung "Profesor Invitado (Universität Sevilla)" führen darf; die Hinzufügung der Angabe "(Lehrbeauftragter)" sei zulässig. Eine Führung der Bezeichnung "Prof." oder "PROF." sei nicht zulässig.
Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht durch Sachurteil ab. Das Oberverwaltungsgericht hat den Bescheid unter B. Nr. 3. sowie die übersendete Führbarkeitsbescheinigung aufgehoben und die Klage im Übrigen als unzulässig abgewiesen. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass nur die Nr. B. 3. des Schreibens vom 23. Oktober 2015 sowie die anliegende Bescheinigung Regelungen enthalte; im Übrigen sei die Anfechtungsklage unzulässig. Soweit die Anfechtungsklage zulässig sei, sei sie auch begründet, da § 69 Abs. 7 HG NW die getroffenen Verfügungen nicht abdecke. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Bei der Prüfung ist das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des Darlegungserfordernisses in § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auf die Zulassungsgründe beschränkt, die der Beschwerdeführer frist- und formgerecht in der Beschwerdebegründung vorgebracht hat. Danach unterliegt nicht der Prüfung, dass das Berufungsgericht das Rechtsschutzbegehren, soweit es erfolglos geblieben ist, nicht in der Sache geprüft hat. Der von der Beschwerde behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung begründet keinen Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (1.). Das Vorbringen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (2.).
1. Die Beschwerde trägt vor, das Berufungsgericht habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen bzw. seine Beweiswürdigung sei fehlerhaft, da die Begründung der angefochtenen Entscheidung in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich sei. So habe die Vorinstanz die Bescheinigung vom Oktober 2015 zutreffend als zulässigen Gegenstand einer Anfechtungsklage angesehen. Dann sei aber unverständlich, warum es der sich im Wortlaut davon nicht nennenswert unterscheidenden Bescheinigung vom 24. Januar 2012 die Verwaltungsaktsqualität abgesprochen habe. Die Rechtsqualität des streitgegenständlichen Schreibens vom 23. Oktober 2015 leite sich als actus contrarius unmittelbar davon ab und könne nur einheitlich betrachtet werden. Zudem sei es widersprüchlich, einerseits (zu Recht) auf eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont abzustellen und sich andererseits damit zufrieden zu geben, dass die Behörde selbst in ihrem Schreiben vom 23. Oktober 2015 der Bescheinigung vom 24. Januar 2012 die Verwaltungsaktsqualität abspreche. Bei der richtigerweise anzustellenden Gesamtwürdigung hätte die Vorinstanz den Widerruf vom 23. Oktober 2015 als verbindliche Regelung verstehen müssen. Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerde keinen als Verfahrensmangel anzusprechenden Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgezeigt.
Ob eine bestimmte, von einer Behörde abgegebene Erklärung als Willenserklärung anzusehen ist und sie - wenn das der Fall ist - eine Regelung i.S.d. § 35 VwVfG enthält und welchen Inhalt diese hat, bestimmt sich nach den gemäß §§ 133, 157 BGB für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (BVerwG, Urteile vom 26. April 1968 - 6 C 113.67 - BVerwGE 29, 310 <312 f.>; vom 12. Januar 1973 - 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <306> und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 21; stRspr). Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nach ständiger Rechtsprechung als im Wege der Auslegung zu ermittelnde Tatsachenfeststellung anzusehen, so dass der tatrichterlich ermittelten Erklärungsgehalt und -inhalt für das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52) und die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden kann, wenn eine durchgreifende Verfahrensrüge wie z.B. die Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht wird.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet die Tatsacheninstanz nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dafür eröffnet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung dem Tatrichter einen Wertungsrahmen und beschränkt zugleich die revisionsgerichtliche Kontrolle der Tatsachenfeststellung, denn die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272>; Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f. und vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Deshalb ist die Beweiswürdigung des Tatrichters in der prozessrechtlich zwischen Tatsachen- und Revisionsinstanz vorgesehenen Kompetenzverteilung nicht daraufhin zu überprüfen, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind oder ob solche Einzelumstände ausreichen, die tatrichterliche Sachverhaltsfeststellung zu tragen (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 2015 - 6 B 59.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:090615B6B59.14.0] - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 53 und vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:070217B6B30.16.0] - juris Rn. 10). Somit verstößt der Tatrichter nicht schon dann gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 1.11 - BVerwGE 142, 132 Rn. 32 m.w.N.)
Ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann aber ausnahmsweise dann vorliegen, wenn die Beweiswürdigung gesetzliche Beweisregeln außer Acht lässt, objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet bzw. irrtümlich annimmt (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2012 - 5 C 2.11 - BVerwGE 143, 119 Rn. 18 m.w.N.; Beschlüsse vom 16. Juni 2003 - 7 B 106.02 - Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 und vom 25. Juni 2004 - 1 B 249.03 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284, jeweils m.w.N.). Auch das Vorbringen, das Gericht habe den Sachverhalt "aktenwidrig" festgestellt, kann einen Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ansprechen, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein offensichtlicher, keiner weiteren Beweiserhebung bedürftiger "zweifelsfreier" Widerspruch vorliegt (BVerwG, Beschlüsse vom 19. November 1997 - 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 und vom 16. März 1999 - 9 B 73.99 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 7). Ein Verfahrensmangel bei der Beweiswürdigung liegt jedoch nur dann vor, wenn der gerügte Fehler sich hinreichend eindeutig von der materiell-rechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66; vom 21. Dezember 2017 - 6 B 31.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:211217B6B31.17.0] - juris Rn. 11 und vom 12. Dezember 2017 - 6 B 30.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:121217B6B30.17.0] -juris Rn. 6).
An diesen Grundsätzen gemessen hat die Beschwerde keinen als Verfahrensmangel anzusprechenden Verstoß der Vorinstanz gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgezeigt. Ihr Vortrag, es sei unverständlich, aus welchen Gründen das Oberverwaltungsgericht die eine Bescheinigung als Verwaltungsakt angesehen und die andere nicht, unterstellt der Vorinstanz, diese habe die Rechtsqualität der Bescheinigung vom 24. Januar 2012 selbst gewürdigt. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr hat das Berufungsgericht im Rahmen der Untersuchung des Satzes "Diese Bescheinigung widerrufe ich hiermit." auf eine damit von dem Beklagten intendierte Regelung lediglich dessen Rechtsauffassung im Schreiben vom 23. Oktober 2015 unter A. Nr. 6. wiedergegeben, die Bescheinigung vom 24. Januar 2012 sei kein Verwaltungsakt. Ohne sie sich zu eigen zu machen, hat es die Rechtsauffassung des Beklagten lediglich der gerichtlichen Schlussfolgerung auf dessen mangelnden Regelungswillen zugrunde gelegt. Auf dieser Basis ist es dann zu dem Ergebnis gelangt, dann aber sei es unmöglich, in dem Schreiben vom 23. Oktober 2015 "eine Rechtsgestaltung in Form der Aufhebung eines Verwaltungsaktes zu sehen." (UA S. 9). Damit entbehrt zugleich die weitere Rüge der Grundlage, es sei widersprüchlich, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung der Rechtsqualität einerseits auf eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont und andererseits auf die Einschätzung der Behörde abgestellt habe. Ob die auf den actus contrarius-Gedanken abstellende Schlussfolgerung der Vorinstanz für die Bestimmung der Rechtsform eines bestimmten behördlichen Schreibens in der Sache überzeugt, hat der beschließende Senat auf die hier erhobene Verfahrensrüge nicht zu entscheiden. Denn die Würdigung ist weder objektiv willkürlich noch verstößt sie gegen die Gesetze der Logik oder verlässt in anderer Weise den dem Tatrichter durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen.
Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht bei der Untersuchung der Verwaltungsaktsqualität des Schreibens vom 23. Oktober 2015 unter Heranziehung der Auslegungsgrundsätze auch eine tatrichterliche Gesamtwürdigung vorgenommen, deren sachliche Überzeugungskraft der beschließende Senat auf die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zu überprüfen hat. Mit der gegenteiligen Annahme versucht die Beschwerde lediglich, im Gewande einer Verfahrensrüge ihre eigene an die Stelle der von der Vorinstanz getroffenen Würdigung zu setzen. Da sich die von ihr gerügten Fehler aber alle im Bereich der materiell-rechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts in Form der hier heranzuziehenden Auslegungsregeln der §§ 133 und 157 BGB bewegen, kann sie damit keinen Erfolg haben.
2. Hinreichende Gründe für eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO lassen sich dem Vorbringen der Beschwerde nicht entnehmen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Beschwerde eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Revisionsverfahren als entscheidungserheblich erweist (BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr). Die Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen, "ob eine Behörde sich an der rechtlichen Qualität einer erteilten Bescheinigung festhalten lassen muss oder diese selbst rechtlich als Verwaltungsakt einordnen kann" und "ob der nachträglichen Einschätzung der Behörde in diesem Zusammenhang maßgebliche oder zumindest indizielle Bedeutung zukommt", haben sich nach dem oben Gesagten der Vorinstanz nicht gestellt und wären in dem erstrebten Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig. Im Übrigen liegt es auf der Hand und erscheint nicht weiter klärungsbedürftig, dass die rechtliche Qualität eines Behördenschreibens vom Tatrichter im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu bestimmen ist und nicht der Behörde selbst obliegt, deren eigener Einschätzung allenfalls indizielle Bedeutung zukommen kann.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.