Entscheidungsdatum: 22.03.2017
Die Aufnahme eines bekenntnisfremden minderjährigen Schülers in eine öffentliche Bekenntnisschule kommt nur in Betracht, wenn die Eltern die Unterrichtung und Erziehung ihres Kindes nach den Grundsätzen des Bekenntnisses vorbehaltlos anerkennen (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1981 - 7 B 126.81 - NJW 1983, 2583).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben ist. Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht darauf beschränkt, bei der Entscheidung über die Zulassung der Revision ausschließlich diejenigen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgebracht hat.
Der minderjährige und noch nicht religionsmündige Kläger, der wie seine Eltern islamischen Glaubens ist, erstrebt seine Aufnahme in eine katholische Bekenntnisgrundschule, die in unmittelbarer Nähe der elterlichen Wohnung liegt. Der Schulleiter lehnte die Aufnahme ab, weil die Eltern einer Teilnahme des Klägers am katholischen Religionsunterricht nicht zustimmten. Der Kläger besucht stattdessen eine Gemeinschaftsgrundschule. Die Klage, mit der er das Aufnahmebegehren nach erfolgloser Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes weiterverfolgt, hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat in der Berufungsentscheidung ausgeführt, die katholische Bekenntnisgrundschule habe ihren Charakter nicht deshalb verloren, weil weniger als die Hälfte der Schüler dem katholischen Bekenntnis angehörten. Nach dem nordrhein-westfälischen Schulgesetz könne die Schulart ungeachtet des Wandels der tatsächlichen Verhältnisse nur durch einen Umwandlungsbeschluss des Schulträgers nach Durchführung des dafür vorgesehenen gesetzlichen Verfahrens geändert werden. Die Aufnahme bekenntnisfremder Schüler in eine öffentliche Bekenntnisgrundschule komme nur in Betracht, wenn deren Eltern vorbehaltlos mit der Unterrichtung und Erziehung nach den Grundsätzen des Bekenntnisses einverstanden seien. Hierzu gehöre die Zustimmung zur Teilnahme des Kindes an dem Religionsunterricht des Bekenntnisses. Diese Aufnahmebedingungen beeinträchtigten weder das Erziehungsrecht der Eltern in religiösen und weltanschaulichen Fragen noch die Glaubensfreiheit der Kinder, sofern wie im vorliegenden Fall der Besuch einer Gemeinschaftsgrundschule möglich sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wirft der Kläger als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Fragen auf, ob
- eine bestehende Bekenntnisschule durch den tatsächlichen Wegfall ihrer Voraussetzungen, insbesondere durch einen signifikanten Rückgang des Anteils bekenntnisangehöriger Schüler, ihren rechtlichen Status verliert;
- die Eingriffe in die Grundrechte des Klägers und seiner Eltern aus Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 GG durch die kollidierende Organisationsnorm des Art. 7 Abs. 5 GG gerechtfertigt sind;
- diese Grundrechtseingriffe auch dann durch Art. 7 Abs. 5 GG gerechtfertigt sind, wenn sie zugunsten einer Schule erfolgen, die faktisch keine Bekenntnisschule mehr ist.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8).
Die Beschwerdebegründung des Klägers lässt nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen vorliegen könnten: Die erste Frage nach den Voraussetzungen für den Verlust der Eigenschaft einer öffentlichen Bekenntnisschule kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil sich die Antwort aus dem nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO irrevisiblen Landesrecht ergibt. Das Oberverwaltungsgericht hat das nordrhein-westfälische Schulgesetz (SchulG NW) dahingehend ausgelegt, dass die Umwandlung einer bestehenden öffentlichen Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsschule als Änderung der Schulart einen förmlichen Umwandlungsbeschluss des Schulträgers voraussetzt, der ein schulgesetzlich geregeltes Umwandlungsverfahren abschließt. Danach ist es schulgesetzlich ausgeschlossen, dass eine Bekenntnisschule ohne darauf gerichteten Rechtsakt zu einer Gemeinschaftsschule wird. Dies gilt nach der die Berufungsentscheidung tragenden Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts auch dann, wenn die formelle Homogenität, d.h. die weitgehend einheitliche Zugehörigkeit der Schüler zu dem jeweiligen Bekenntnis, nicht mehr besteht (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 21. März 2016 - 19 B 996/15 - NVwZ-RR 2016, 581 Rn. 11). An diese Auslegung des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes ist das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. 560 ZPO gebunden; sie könnte in einem Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt werden.
Auch die zweite und dritte Rechtsfrage des Klägers nach der Verfassungsmäßigkeit der Eingriffe in die Grundrechte des Klägers und seiner Eltern würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die Fragestellung geht von der Annahme aus, dass die Ablehnung, den Kläger in die katholische Bekenntnisgrundschule aufzunehmen, einen Eingriff in das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Erziehungsrecht seiner Eltern und in die Glaubensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG darstellt. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht nicht der Fall, weil sichergestellt ist, dass der Kläger die Schulpflicht in einer nicht bekenntnis- oder weltanschaulich gebundenen Gemeinschaftsgrundschule erfüllen kann.
Das Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG umfasst auch deren Recht, ihre Kinder nach den von ihnen für richtig gehaltenen religiösen oder weltanschaulichen Grundsätzen zu erziehen. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG vermittelt dem Kind einen Anspruch auf die Erziehung im Sinne der Eltern (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <47 ff.> und - 1 BvR 548/68 - BVerfGE 41, 88 <107 ff.>). In diese grundgesetzlichen Gewährleistungen wird eingegriffen, wenn minderjährige Kinder gegen den Willen ihrer Eltern die Schulpflicht in einer öffentlichen Schule erfüllen müssen, in der der gesamte Unterricht und die Erziehung nach den Grundsätzen eines Bekenntnisses oder einer Weltanschauung stattfinden (vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, § 26 Abs. 3 SchulG NW). Hierzu gehört in Bekenntnisschulen zwingend die Teilnahme am Religionsunterricht des Bekenntnisses.
Das elterliche Erziehungsrecht in religiösen und weltanschaulichen Fragen und die Glaubensfreiheit von Eltern und Kindern werden jedoch nicht beeinträchtigt, wenn ihnen die zumutbare Möglichkeit eröffnet ist, den Besuch einer öffentlichen Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule zu vermeiden. In diesem Fall berührt die Existenz derartiger Schulen ihre Grundrechte nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <48>). Eine solche grundrechtssichernde Möglichkeit der Erfüllung der Schulpflicht stellt in Nordrhein-Westfalen die Schulart der Gemeinschaftsschule dar. In diesen Schulen werden die Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für andere Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen (§ 26 Abs. 2 SchulG NW). Dementsprechend ist die Teilnahme am Religionsunterricht freigestellt (Art. 7 Abs. 2 GG). Nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht ist mit dem Besuch einer solchen Gemeinschaftsschule kein Eingriff in die Grundrechte nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 GG verbunden. Daher sind die Landesgesetzgeber berechtigt, diese Schulart als alleinige Form der Pflichtschule einzuführen (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 548/68 - BVerfGE 41, 88 <108 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1981 - 7 B 126.81 - NJW 1983, 2583).
Kann die Schulpflicht sowohl in öffentlichen Gemeinschafts- als auch in Bekenntnisschulen erfüllt werden, vermitteln weder das elterliche Erziehungsrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 GG noch die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubensfreiheit einen Anspruch auf den Besuch einer öffentlichen Bekenntnisschule, wenn die Eltern eines schulpflichtigen minderjährigen Kindes die Grundsätze, die Unterricht und Erziehung an einer solchen Schule prägen, nicht vorbehaltlos anerkennen. Sie können nicht verlangen, dass die von ihnen ausgewählte Bekenntnisschule für die schulische Unterrichtung und Erziehung ihres Kindes von diesen Grundsätzen abrückt. Vielmehr sind die Eltern darauf verwiesen, dass ihr Kind eine Gemeinschaftsschule besucht. Da die Eigenschaft als Bekenntnisschule nach der insoweit bindenden Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht von der Homogenität der Schülerschaft in Bezug auf das Bekenntnis abhängt, gilt dies unabhängig von dem zahlenmäßigen Verhältnis von bekenntnisangehörigen und bekenntnisfremden Schülern. Im vorliegenden Fall steht die Ablehnung, den Kläger in die katholische Bekenntnisgrundschule aufzunehmen, in Einklang mit den Vorstellungen der Eltern, die die bekenntnisgebundene Unterrichtung und Erziehung des Klägers, zu denen auch die Teilnahme am katholischen Religionsunterricht gehört, gerade ablehnen.
Nach alledem verstößt die Ablehnung, den Kläger in die katholische Bekenntnisgrundschule aufzunehmen auch nicht gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauung nach Art. 3 Abs. 3 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus Art. 7 Abs. 3 und Abs. 5 GG, dass das Grundgesetz von der Zulässigkeit öffentlicher Bekenntnisschulen ausgeht (BVerfG, Beschlüsse vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerfGE 41, 29 <46> und - 1 BvR 548/68 - BVerfGE 41, 88 <111>). Daraus folgt zwangsläufig, dass der Zugang zu diesen Schulen jedenfalls dann von dem vorbehaltlosen Einverständnis mit der Unterrichtung und Erziehung im Sinne des Bekenntnisses abhängig gemacht werden kann, wenn als Alternative für die Erfüllung der Schulpflicht Gemeinschaftsschulen als bekenntnismäßig oder weltanschaulich ungebundene öffentliche Schulen zur Verfügung stehen. Der Verweis auf den Besuch einer solchen Gemeinschaftsschule stellt keine Benachteiligung im Verhältnis zu Schülern dar, denen der Besuch einer Bekenntnisschule offen steht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.