Entscheidungsdatum: 29.11.2010
1. Ein wichtiger Grund für die Entpflichtung eines vom Gericht beigeordneten Rechtsanwalts (§ 48 Abs. 2 BRAO) liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Prozessbeteiligten und seinem Anwalt nachhaltig gestört ist. Die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts kommt regelmäßig nicht mehr in Betracht, wenn ein sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten des Prozessbeteiligten für die Entpflichtung des Anwalts ursächlich war.
2. Wird für einen (angeblich) Vertretenen ohne dessen Vollmacht von einem Rechtsanwalt ein Rechtsmittel eingelegt, so ist der Vertretene Beteiligter des Verfahrens. Nach endgültiger Verweigerung der Vollmacht ist derjenige kostenpflichtig, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat. Hat der Prozessbeteiligte die Beiordnung des Rechtsanwalts zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens beantragt und legt der beigeordnete Rechtsanwalt trotz der ihm ohne sachlichen Grund verweigerten Prozessvollmacht das Rechtsmittel vorsorglich zur Fristwahrung ein, kommt der Beteiligte als Veranlasser in Betracht.
I.
Der Kläger, der an der beklagten Hochschule ein Diplom mit dem Gesamtprädikat "befriedigend" erworben hat, wandte sich mit der Klage gegen die Art und Weise der Durchführung des Diplomprüfungsverfahrens sowie gegen die Bewertung seiner Diplomarbeit und des anschließenden Kolloquiums.
In der zweiten Instanz bewilligte das Oberverwaltungsgericht dem Kläger auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe und ordnete ihm Rechtsanwältin W. bei, der der Kläger Prozessvollmacht erteilte. Im Laufe des Berufungsverfahrens traten zwischen ihm und seiner Prozessbevollmächtigten Meinungsverschiedenheiten u.a. über Umfang und Grenzen seines Weisungsrechts als Mandant auf. Nachdem der Kläger sich bei der Rechtsanwaltskammer über seine Prozessbevollmächtigte beschwert und gegen sie ein zivilrechtliches Verfahren angestrengt hatte, gab das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 7. April 2010 deren Antrag auf Entpflichtung statt und ordnete dem Kläger für das weitere Verfahren Rechtsanwältin R. bei. Gegenüber dieser Rechtsanwältin machte der Kläger die Vollmachtserteilung von dem Abschluss eines mehrseitigen, von ihm vorformulierten "Anwaltsvertrages" abhängig, dessen Unterzeichnung die Anwältin verweigerte. Als sie Kenntnis davon erhielt, dass der Kläger gegen sie wiederum ein zivilgerichtliches Verfahren anhängig gemacht hatte, beantragte sie beim Oberverwaltungsgericht die Aufhebung ihrer Beiordnung. Das Oberverwaltungsgericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 31. Mai 2010 statt. Von der Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts sah es ab und verwies den Kläger darauf, dass die von ihm seinerzeit der Rechtsanwältin W. erteilte Vollmacht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO weiterhin wirksam sei. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2010, zu der für den Kläger nur dieser persönlich erschien, wies das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurück.
Nach Zustellung dieses Urteils beantragte der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach Wahl des Bundesverwaltungsgerichts, um das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und das anschließende Revisionsverfahren zu betreiben. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 bewilligte ihm der Senat Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und ordnete ihm Rechtsanwalt B. bei. Dabei wies er den Kläger vorsorglich darauf hin, dass sich die Pflicht des Rechtsanwalts, aufgrund der Beiordnung die Vertretung des Klägers zu übernehmen, ausschließlich auf eine Vertretung im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Rechte und Pflichten erstrecke und der Kläger den Abschluss eines Anwaltsvertrages nach Maßgabe von ihm selbst vorformulierter Vertragsbedingungen nicht verlangen könne. Ferner erteilte der Senat den Hinweis, dass das Recht des Klägers, dem Rechtsanwalt Weisungen für die Prozessführung zu erteilen, seine Grenze u.a. in der Stellung des Anwalts als einem unabhängigen Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) sowie in der gesetzlichen Regelung über den Vertretungszwang vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO) finde; die Verantwortung für die Abfassung der Schriftsätze, insbesondere der Rechtsmittelbegründungsschrift, obliege dem Rechtsanwalt, der eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs vorzunehmen habe.
Daraufhin lehnte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. November 2010 die Richter, die an dem Beschluss vom 26. Oktober 2010 mitgewirkt hatten, wegen Besorgnis der Befangenheit ab und beharrte darauf, dass allein er über die Sachdienlichkeit u.a. von "Verfahrenshandlungen und Sachvorträgen" entscheide. Am selben Tag sandte er an Rechtsanwalt B. in doppelter Ausfertigung einen fünfseitigen mit Schreibmaschine geschriebenen "Anwaltsvertrag", in dem es auszugsweise heißt:
"Soweit im vorliegenden Vertrag nichts anderes vereinbart ist, gelten die Vorschriften aus BORA, BRAO und BGB. Insbesondere und zum Teil darüber hinausgehend wird vereinbart, dass die Kommunikation und Korrespondenz ausschließlich schriftlich erfolgt. (...)
Ferner wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer schriftsätzlich den Sachvortrag für die mündliche Verhandlung zur Kenntnis geben, dessen Inhalt zuzüglich den Ausführungen in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung sowie in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den Mindestumfang für den vom Auftragnehmer in der mündlichen Verhandlung zu haltenden Sachvortrag darstellt. Der Auftragnehmer hat Protokollierung zu beantragen. (...)
Der Auftragnehmer hat (...) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen und Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen und zu begründen. Diesbezüglich hat der Auftragnehmer die vom Auftraggeber vorgegebenen Mindestinhalte sinngemäß, hinsichtlich der jeweiligen Aussage unverfälscht und vollständig zu übernehmen. Betreffend der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bestehen besagte Vorgaben in dem vom Auftraggeber gestellten Prozesskostenhilfeantrag vom 09.08.2010, der einen Umfang von 183 Seiten aufweist. (...) Der Auftragnehmer hat die vom Auftraggeber vorgegebene Gliederung und Numerierung der Klage- und Angriffspunkte einschließlich der Randkennzeichnungen uneingeschränkt zu übernehmen. (...)
Der Auftragnehmer hat beide Exemplare des Anwaltsvertrags unterschrieben an den Auftraggeber zurückzusenden. Nach Erhalt beider Exemplare wird der Auftraggeber ein von ihm unterschriebenes Exemplar und eine Vollmacht an den Auftragnehmer übersenden. (...)"
Rechtsanwalt B. verweigerte gegenüber dem Kläger die Unterschriftsleistung. Er teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass ihm die Vertretung des Klägers unter diesen Umständen nicht zumutbar sei, und bat um Entpflichtung. Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 11. November 2010 gleichfalls die Aufhebung der bestehenden Beiordnung sowie die Beiordnung eines anderen Anwalts nach Auswahl des Gerichts. Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragte er beim Amtsgericht Berlin-Schöneberg die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Rechtsanwalt B. mit dem Ziel, diesen zum Vertragsabschluss zu zwingen.
Mit Schriftsatz vom 18. November 2010 legte Rechtsanwalt B. zur Fristwahrung namens, aber ohne Vollmacht des Klägers Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil ein. Der Kläger erklärte darauf mit Schriftsatz vom 22. November 2010, die ohne Absprache und ohne Einverständnis vorgenommene Verfahrenshandlung sei wirkungslos und werde durch ihn nicht genehmigt.
Durch Beschluss vom 23. November 2010 wies der Senat - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter - das Ablehnungsgesuch des Klägers zurück.
II.
1. Der Antrag von Rechtsanwalt B. auf Aufhebung der Beiordnung ist begründet. Nach § 48 Abs. 2 BRAO kann der gemäß § 121 ZPO (hier i.V.m. § 166 VwGO) beigeordnete Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig gestört ist (BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 1991 - XII ZR 212/90 - NJW-RR 1992, 189 und vom 10. August 1998 - VI ZR 174/97 - juris Rn. 2). Das ist hier der Fall. Der Kläger hat dadurch, dass er die Vollmachtserteilung an Rechtsanwalt B. vom Abschluss eines selbst entworfenen "Anwaltsvertrages" abhängig machte und ihn nach dessen Weigerung mit einem zivilgerichtlichen Verfahren überzog, das Vertrauensverhältnis schwer belastet und einen wichtigen Grund für die beantragte Entpflichtung geschaffen.
Der Kläger kann nicht verlangen, dass ihm an Stelle von Rechtsanwalt B. ein anderer Rechtsanwalt beigeordnet wird. Die Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts kommt dann nicht mehr in Betracht, wenn ein sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei das Vertrauensverhältnis zu dem zuerst beigeordneten Anwalt zerstört und die Entpflichtung dieses Anwalts verursacht hat (s. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1991 a.a.O. und vom 10. August 1998 a.a.O. Rn. 5; BSG, Beschluss vom 3. November 2009 - B 13 R 23/09 B - juris Rn. 6). So liegt es hier. Das vorbezeichnete Verhalten des Klägers war nicht nur objektiv ungerechtfertigt, sondern es war durch grobe Uneinsichtigkeit geprägt und daher mutwillig. Der Kläger hat trotz der ausdrücklichen Belehrung in dem Beschluss des Senats vom 26. Oktober 2010 beharrlich an der Fehlvorstellung festgehalten, er könne von Rechtsanwalt B. über die anwaltliche Vertretung im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Rechte und Pflichten hinaus den Abschluss eines Anwaltsvertrages nach Maßgabe von ihm, dem Kläger, selbst vorformulierter Vertragsbedingungen verlangen und ihn insbesondere verpflichten, Schriftsatzentwürfe, deren möglicher Inhalt und Umfang für den Rechtsanwalt im Voraus nicht abschätzbar war, "unverfälscht und vollständig" bis hin zu der "Gliederung und Nummerierung der Klage- und Angriffspunkte einschließlich der Randkennzeichnungen" zu übernehmen. Den Hinweis des Senats auf den Vertretungszwang vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO), der dem Rechtsanwalt die eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs überantwortet (stRspr, s. nur Beschlüsse vom 6. September 1965 - BVerwG 4 C 57.63 - BVerwGE 22, 38 und vom 1. März 1996 - BVerwG 1 B 34.96 - juris Rn. 1), beachtete der Kläger nicht. Selbst wenn man ihm zugute halten wollte, dass er an der Unbefangenheit derjenigen Richter, die die Belehrung erteilt hatten, zweifelte und bis zur Klärung dieser Zweifel auch die inhaltliche Richtigkeit der ihm erteilten Belehrung für ungewiss hielt, ändert dies an der Mutwilligkeit seines Verhaltens nichts. Denn auch unter diesen Umständen hätte ein vernünftiger, auf die Wahrung der eigenen prozessualen Interessen bedachter Prozessbeteiligter in der Situation des Klägers jedenfalls die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch abgewartet, bevor er von seinem Rechtsanwalt ultimativ den Abschluss des vorformulierten Anwaltsvertrages verlangte und ihn nach dessen Weigerung seinerseits mit einem Prozess überzog.
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die Rechtsanwalt B. als vollmachtloser Vertreter für den Kläger eingelegt hat, ist zu verwerfen. Wird für einen (angeblich) Vertretenen ohne dessen Vollmacht von einem Dritten als Vertreter ein Verfahren eingeleitet oder ein Rechtsmittel eingelegt, so ist der Vertretene Beteiligter des Verfahrens (Beschluss vom 25. September 2006 - BVerwG 8 KSt 1.06 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 108 Rn. 1). Die Zulässigkeit der betreffenden Prozesshandlungen hängt in einem solchen Fall davon ab, dass sie durch Nachreichung einer Vollmacht (§ 67 Abs. 6 Satz 2 VwGO) genehmigt wird. Somit ist die durch Rechtsanwalt B. namens des Klägers eingelegte Beschwerde unzulässig, nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 22. November 2010 eindeutig und abschließend erklärt hat, die Verfahrenshandlung werde durch ihn nicht genehmigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, wonach die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Rechtsmittelführer zur Last fallen. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Fall des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen sind, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat (BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - V ZB 5/93 - BGHZ 121, 397 <400>; BVerwG, Beschluss vom 25. September 2006 a.a.O. Rn. 2). Doch kommt als Veranlasser nicht nur der vollmachtlose Vertreter selbst, sondern je nach den Umständen auch die Prozesspartei in Betracht, für die der vollmachtlose Vertreter gehandelt hat. Nach den hier vorliegenden Gegebenheiten ist der Kläger selbst als Veranlasser der kostenpflichtigen Prozesshandlung anzusehen. Denn er hat mit seinem Prozesskostenhilfeantrag vom 9. August 2010 die Beiordnung eines vom Gericht auszuwählenden Rechtsanwaltes gerade zu dem Zweck beantragt, das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde - und das anschließende Revisionsverfahren - durchzuführen. Nachdem der Senat mit seinem die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 26. Oktober 2010 auf die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO hingewiesen hatte, handelte Rechtsanwalt B. pflichtgemäß im Interesse seines Mandanten, als er trotz seiner fehlenden - ihm mutwillig verweigerten - Bevollmächtigung die Nichtzulassungsbeschwerde vorsorglich fristwahrend erhob, bevor über den von ihm bereits gestellten Antrag auf Aufhebung seiner Beiordnung entschieden war. Dies gilt umso mehr deshalb, weil sich die Fehlvorstellung des Klägers über den Umfang seines Weisungsrechts, die Rechtsanwalt B. zur Stellung des Entpflichtungsantrages bewogen hatte, ersichtlich nicht auf die Einlegung, sondern allenfalls auf die noch ausstehende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auswirken konnte. Vor diesem Hintergrund ist die Einlegung der Beschwerde in kostenrechtlicher Hinsicht dem Kläger als Veranlasser zuzurechnen.