Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 20.09.2017


BVerwG 20.09.2017 - 6 B 50/17

Rundfunkbeitrag im privaten Bereich


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
20.09.2017
Aktenzeichen:
6 B 50/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:200917B6B50.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. Mai 2017, Az: 2 A 2591/15, Beschlussvorgehend VG Minden, 5. Oktober 2015, Az: 11 K 3078/14
Zitierte Gesetze
Art 108 Abs 3 AEUV
§§ 2ff RdFunkBeitrStVtr NW
§ 2 RdFunkBeitrStVtr NW

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO vorliegen.

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Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid, durch den der Beklagte Rundfunkbeiträge für die Monate April 2014 bis Juni 2014 in Höhe von 53,94 € nebst 8 € Säumniszuschlag festgesetzt hat. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Die anschließend erhobene Klage hat in den Vorinstanzen ebenfalls keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen den Beschluss nicht zugelassen.

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1. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht für eine bundesgerichtlich bereits beantwortete Rechtsfrage nur, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 - 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224).

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Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, da zum einen der Kläger schon keine Rechtsfrage formuliert hat und zum anderen die mit der Beitragserhebung im privaten Bereich als grundsätzlich zu erachtenden Fragestellungen durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:180316U6C6.15.0] - (BVerwGE 154, 275), vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:150616U6C35.15.0] und vom 25. Januar 2017 - 6 C 18.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:250117U6C18.16.0] - geklärt sind. Der Kläger setzt im Wesentlichen nur der jeweiligen Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts seine eigene, abweichende Rechtsauffassung entgegen und kritisiert die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Bestehen einer Gegenleistung für die Beitragspflicht auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung als nicht haltbar und widersprüchlich zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union.

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Bei dem Rundfunkbeitrag handelt es sich nicht um eine Steuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 GG, sondern um eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe in Gestalt einer Vorzugslast, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fällt. Der Rundfunkbeitrag wird nicht voraussetzungslos erhoben und das Beitragsaufkommen wird nicht in die Landeshaushalte eingestellt. Der Rundfunkbeitrag wird ebenso wie die frühere Rundfunkgebühr für die konkrete Gegenleistung der Rundfunkempfangsmöglichkeit erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Die Rundfunkempfangsmöglichkeit ist ein Vorteil, der jedem Wohnungsinhaber im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) individuell zugerechnet werden kann. Auf die Größe des bevorteilten Personenkreises kommt es nicht an. Die Beitragspflicht kann sich auf eine unbestimmte Vielzahl von Personen erstrecken, sofern nur jeder einzelnen Person ein individueller Vorteil zugeordnet werden kann. Die in den §§ 2 ff. RBStV geregelte Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung erfasst den individuell zurechenbaren Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit, weil nahezu alle Wohnungsinhaber von der Möglichkeit des Rundfunkempfangs Gebrauch machen, das heißt den Vorteil persönlich in Anspruch nehmen. Der durch das Innehaben einer Wohnung vermittelte Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit stellt die verfassungsrechtlich gebotene besondere Rechtfertigung für die Erhebung der Vorzugslast Rundfunkbeitrag dar. Es liegen hinreichende Erkenntnisse vor, die die tatsächliche Annahme der nahezu flächendeckenden Verbreitung von Rundfunkempfangsgeräten in Wohnungen stützen. Zu verweisen ist vor allem auf die Angaben des Statistischen Bundesamts über die Ausstattung privater Haushalte insbesondere mit Fernsehgeräten, daneben mit Personalcomputern, Internetzugang und Zugang zu einer Internet-Breitbandverbindung (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 12 ff., 25 ff. und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 13 ff., 26 ff.).

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Der Kläger zeigt insoweit keine neuen Gesichtspunkte mit seinem Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. Dezember 2007 (C-337/06 [ECLI:EU:C:2007:786] - EuZW 2008, 80) auf. In dem Urteil (Rn. 32 ff.) nimmt der Gerichtshof zur Auslegung des in Art. 1 Buchst. b Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge enthaltenen Begriffs der "überwiegenden Finanzierung durch den Staat" Stellung. Der Gerichtshof führt in diesem Zusammenhang aus (Rn. 45), dass die den Rundfunkanstalten zur Verfügung gestellten Rundfunkgebühren ohne spezifische Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgezahlt werden, weil diese Zahlungen nicht von einer vertraglichen Gegenleistung abhängen und die Verbraucher allein wegen des Bereithaltens eines Empfangsgeräts zur Zahlung der Gebühr verpflichtet, selbst wenn sie die Leistungen dieser Anstalten niemals in Anspruch nehmen. Diese Ausführungen sind nach der Senatsrechtsprechung zum Rundfunkbeitrag als Vorzugslast nicht geeignet, den Gegenleistungscharakter der Beitragspflicht in Frage zu stellen.

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2. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

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Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Weder das Bundesverwaltungsgericht noch das ihm folgende Berufungsgericht haben von der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung abweichende abstrakte Rechtssätze aufgestellt. Die Rügen des Klägers erschöpfen sich in der Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der angeblichen, zu anderen Rechtsvorschriften gemachten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, ohne sich mit der unter Einbeziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergangenen Senatsrechtsprechung zum Rundfunkbeitrag für den privaten Bereich im Einzelnen auseinanderzusetzen.

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Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Kläger nicht als Zulassungsgrund geltend machen, weil dessen Entscheidungen nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO divergenzfähig sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2001 - 6 B 35.00 - WissR 2001, 377 Rn. 10).

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3. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 18. September 2017 neu vorgetragenen Zulassungsgründe verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Senat hat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nur über die fristgemäß und ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe zu entscheiden. Nach Ablauf der im vorliegenden Fall am 17. Juli 2017 endenden Beschwerdebegründungsfrist hat der Senat neu vorgetragene Gründe, die nach Auffassung des Klägers die Zulassung der Revision rechtfertigen sollen, nicht zu prüfen. So verhält es sich hier. Der Kläger macht sich mit Schriftsatz vom 18. September 2017 die Vorlagefragen des Landgerichts Tübingen und deren Begründung zu eigen. Damit rügt er erstmals nach Ablauf der Begründungsfrist die Unvereinbarkeit der Beitragspflicht mit europarechtlichen Bestimmungen. Deshalb kommt auch die beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren unter dem dortigen Az. EuGH C-492/17 nicht in Betracht. Der Ausgang des hiesigen Beschwerdeverfahrens hängt nicht von der Entscheidung des Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 3. August 2017 (- 5 T 121/17 u.a. -) ab.

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Ungeachtet dessen weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht Tübingen im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellten Vorlagefragen auf der dortigen Rechtsauffassung beruhen, dass die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach Art. 108 Abs. 3 AEUV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union bedürfe und es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine typische Zwecksteuer handele, für die eine individuelle Gegenleistung nicht vorliege. Beides ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht der Fall.

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Weder handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine Steuer (s.o. unter 1.) noch bedurfte die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union. Eine genehmigungsbedürftige Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV liegt vor, wenn die ursprüngliche Finanzierungsregelung durch spätere Änderungen in ihrem Kern, d.h. hinsichtlich der Art des Vorteils, der Finanzierungsquelle, des Ziels der Beihilfe, des Kreises oder der Tätigkeitsbereiche der Begünstigten betroffen ist. Diese maßgebenden Faktoren hat der Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag nicht verändert. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen herangezogen, die die Möglichkeit des Rundfunkempfangs haben. Insoweit hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Erfassung der Pflichtigen geändert. Bei der Einbeziehung der sehr kleinen Gruppe, die nicht im Besitz eines herkömmlichen oder neuartigen Empfangsgeräts, aber ebenfalls beitragspflichtig ist, handelt es sich nicht um eine Änderung der ursprünglichen Finanzierungsregelung in ihrem Kern (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f., vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 53 f. und vom 25. Januar 2017 - 6 C 18.16 - juris Rn. 53 f. jeweils m.w.N.). Weder das Landgericht Tübingen in seinem Beschluss vom 3. August 2017 noch der Kläger im hiesigen Verfahren setzen sich mit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelnen auseinander.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.