Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 03.02.2017


BVerwG 03.02.2017 - 6 B 50/16

Bestimmung des Ehenamens; Ehedoppelnamen; Sammelnamen als Ehenamen


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
03.02.2017
Aktenzeichen:
6 B 50/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:030217B6B50.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22. Juni 2016, Az: 5 BV 15.1819, Urteilvorgehend VG München, 22. April 2015, Az: M 7 K 14.2850, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Entscheidung der Ehegatten, den Sammelnamen eines von ihnen zum Ehenamen zu bestimmen, kann nicht generell durch Bildung eines Ehedoppelnamens im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung revidiert werden.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.

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Die Kläger, ein Ehepaar, wollen einen Doppelnamen als gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) führen. Bei der Eheschließung im Dezember 2011 bestimmten sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt, dass Ehenamen der Geburtsnamen des Klägers zu 1 M. (im Folgenden "M") ist. Zugleich erklärte die Klägerin zu 2, dem Ehenamen ihren Geburtsnamen B. (im Folgenden "B") anzufügen. Dementsprechend tragen die 2012 und 2013 geborenen gemeinsamen Kinder den Ehenamen "M" als Geburtsnamen. Im März 2014 stellten die Kläger den Antrag, ihren Ehenamen und den Geburtsnamen der Kinder in "M-B" zu ändern. Der Name "M" führe wegen seiner Häufigkeit zu Verwechslungen. Die nach Ablehnung dieses Antrags erhobene, erstinstanzlich erfolgreiche Verpflichtungsklage hat der Verwaltungsgerichtshof aus im Wesentlichen folgenden Gründen abgewiesen: Der für eine öffentlich-rechtliche Namensänderung erforderliche wichtige Grund setze voraus, dass der bisherige Namen zu individuellen Unzuträglichkeiten führe. Dagegen seien Änderungen ausgeschlossen, die den gesetzlichen Wertungen des familienrechtlichen Namensrechts zuwiderliefen. Hierzu gehöre das vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform bestätigte gesetzliche Verbot, bei der Eheschließung einen aus den Geburtsnamen der Ehegatten zusammengesetzten Doppelnamen als Ehenamen zu bestimmen. Auch könnten die Ehegatten den selbst bestimmten Ehenamen bis zur Grenze der Zumutbarkeit nicht nachträglich aus Gründen in Frage stellen, die sie hätten vorhersehen können. Diese Erwägungen gälten in gleicher Weise für häufig vorkommende Namen wie "M" (Sammelnamen).

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1. Mit der Grundsatzrüge stellen die Kläger die Frage,

ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 3 NamÄndG für die Gewährung des durch Hinzufügen ihres Geburtsnamens entstandenen Doppelnamens der Ehefrau an den Ehemann und die Kinder regelmäßig besteht oder bestehen kann, wenn die Ehegatten den Sammelnamen des Ehemannes als Ehenamen gewählt haben, während der Geburtsname der Ehefrau kein Sammelname ist, ohne dass es auf unerwartete oder unzumutbare Belastungen durch den Sammelnamen ankäme.

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Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8).

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Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil die dargelegte Rechtsfrage aufgrund der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht keinen weiteren Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren aufwirft:

6

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen - NamÄndG - für die Änderung eines Familiennamens vor, wenn die Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Namensträger an der Namensänderung die gegenläufigen Interessen an der Beibehaltung des Namens, zu denen insbesondere dessen Ordnungsfunktion gehört, überwiegt. Allerdings darf diese Abwägung nicht dazu führen, dass die allgemeinen gesetzlichen Wertentscheidungen des Namensrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Erwerb und Änderung von Ehe- und Familiennamen revidiert oder umgangen werden. Denn das öffentlich-rechtliche Namensrecht ist an die allgemeinen Vorgaben des familienrechtlichen Namensrechts gebunden. Dementsprechend beschränkt sich die Bedeutung der Namensänderung nach § 3 NamÄndG darauf, in Ausnahmefällen individuellen Unzuträglichkeiten der Namensführung Rechnung zu tragen. Daraus folgt, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG ein besonderes, die persönliche Situation der Namensträger prägendes Interesse verlangt, das den allgemeinen gesetzlichen Wertungen des familienrechtlichen Namensrechts nicht zuwiderläuft (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2014 - 6 C 16.14 [ECLI:DE:BVerwG:2014:081214U6C16.14.0] - Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 81 Rn. 11; Beschluss vom 6. September 1985 - 7 B 197.84 - Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 54).

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b) Das Namensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist durch die Gleichberechtigung der Ehegatten bei der Bestimmung des gemeinsamen Familiennamens (Ehenamens) geprägt. Die Ehegatten können bei der Eheschließung den Geburtsnamen oder den geführten Namen sowohl des Ehemannes als auch der Ehefrau zum gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) bestimmen (§ 1355 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Sie führen den von ihnen bestimmten Ehenamen (§ 1355 Abs. 1 Satz 2 BGB); der Ehenamen ist zugleich der Geburtsnamen der gemeinsamen Kinder (§ 1616 BGB). Derjenige Ehegatte, dessen Namen nicht Ehenamen wird, kann seinen Geburtsnamen oder geführten Namen dem Ehenamen hinzufügen; er führt dann einen Doppelnamen (§ 1355 Abs. 4 BGB). Als weitere Möglichkeit können die Ehegatten auf die Bestimmung eines Ehenamens verzichten; in diesem Fall führt jeder von ihnen seinen bisherigen Namen weiter (§ 1355 Abs. 1 Satz 3 BGB). Sie bestimmen dann einen der beiden Namen zum Geburtsnamen der Kinder (§ 1617 Abs. 1 und 2 BGB).

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Die Ehegatten können jedoch nicht ihre beiden Namen zum Ehenamen und damit zum gemeinsamen Familiennamen bestimmen. Wie sich aus § 1355 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 BGB ergibt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, einen aus beiden Namen zusammengesetzten Ehedoppelnamen zu wählen, bewusst ausgeschlossen. Es ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit bindender Wirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG geklärt, dass diese allgemeine gesetzliche Wertung nicht gegen das grundrechtlich geschützte Namensbestimmungsrecht verstößt; sie ist mit den Grundrechten der Ehegatten nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die gesetzlich eröffneten Möglichkeiten der Namensführung den grundrechtlich geschützten Bedürfnissen der Ehegatten in ausreichendem Maß Rechnung tragen. Zum einen können sie die gegenseitige Verbundenheit und Identität der neuen Gemeinsamkeit durch die Bestimmung eines Namens als Ehenamen zum Ausdruck bringen. Zum anderen ist gewährleistet, dass die eigene Identität des Ehegatten, der bei der Bestimmung des Ehenamens zurücksteht, durch die weitere Führung des Geburtsnamens oder des geführten Namens zusätzlich zum Ehenamen Ausdruck finden kann. Schließlich können die Ehegatten dem Ausdruck der jeweils eigenen Identität durch den Verzicht auf einen Ehenamen Vorrang einräumen. In Anbetracht dieser Gestaltungsmöglichkeiten durfte der Gesetzgeber dem öffentlichen Interesse, mehrgliedrige Namensketten und eine grundlegende Änderung des Namensgefüges zu vermeiden, durch den Ausschluss von Ehedoppelnamen, die aus den Geburtsnamen oder geführten Namen der Ehegatten zusammengesetzt sind, Rechnung tragen. Da diese Ehedoppelnamen als Geburtsnamen auf die gemeinsamen Kinder übergingen, würde ihre Zulassung in den folgenden Generationen zunehmend zu Mehrfachnamen führen. Daher wären Namensbegrenzungen unausweichlich; diese wiederum griffen in das grundrechtlich geschützte Namensrecht ein (BVerfG, Urteile vom 30. Januar 2002 - 1 BvL 23/96 - BVerfGE 104, 373 <388 ff.> und vom 5. Mai 2009 - 1 BvR 1155/03 - BVerfGE 123, 90 <102 f.>).

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Bei der Entscheidung des Gesetzgebers, die Möglichkeit der Bestimmung beider bisherigen Namen als Ehedoppelnamen auszuschließen, handelt es sich um eine das Namensrecht prägende, grundgesetzkonforme gesetzliche Wertung, die unabhängig von den persönlichen Verhältnissen der Ehegatten zu beachten ist. Daher kann das Verbot der aus den Namen der Ehegatten zusammengesetzten Ehedoppelnamen nur dann im Wege der Abwägung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG überwunden werden, wenn den Namensträgern durch die Führung eines eingliedrigen Ehenamens individuelle Beeinträchtigungen von einigem Gewicht entstehen, die nur durch die Zulassung des Ehedoppelnamens beseitigt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Ehegatten den häufig vorkommenden Namen (Sammelnamen) eines von ihnen zum Ehenamen bestimmt haben. Könnte bereits das Führen eines solchen Ehenamens als wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG einen Anspruch auf Führung eines Ehedoppelnamens begründen, würde die allgemeine gesetzliche Wertentscheidung, diese Namen nicht als Ehenamen zuzulassen, keine Geltung für alle Ehegatten beanspruchen, die einen Sammelnamen als Ehenamen führen. Diese Ehegatten könnten das Doppelnamenverbot stets umgehen, indem sie den Sammelnamen eines Ehegatten als Ehenamen bestimmen und anschließend ein öffentlich-rechtliches Namensänderungsbegehren geltend machen. Hierfür besteht schon deshalb kein Anlass, weil es den Ehegatten freigestellt ist, ob sie den sog. Sammelnamen eines von ihnen zum Ehenamen bestimmen. Auch kann die Führung eines solchen Namens für sich genommen von vornherein keine zur Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG berechtigende individuelle Unzuträglichkeit darstellen, weil alle Träger derartiger Namen unabhängig von ihrer persönlichen Situation gleichermaßen betroffen sind.

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2. Mit der Divergenzrüge machen die Kläger geltend, das Berufungsurteil beruhe auf der Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1965 - 7 C 84.64 - (BVerwGE 20, 300). Dort habe das Gericht als wichtigen Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG für die Gewährung eines aus den Namen der Ehegatten zusammengesetzten Doppelnamens an die anderen Familienmitglieder anerkannt, dass die Ehefrau dem sog. Sammelnamen des Ehemannes als Ehenamen ihren Geburtsnamen hinzugefügt hatte.

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Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

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Daran fehlt es im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb, weil der Verwaltungsgerichtshof der dem Urteil vom 5. März 1965 - 7 C 84.64 - (BVerwGE 20, 300) zugrunde liegenden Rechtsauffassung zum Bedeutungsgehalt des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht widersprochen hat. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof die damaligen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 3 Abs. 1 NamÄndG zutreffend nicht herangezogen, weil das ihnen zugrunde liegende, im Jahr 1965 geltende Namensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs überholt ist. Wie unter 1.a) dargelegt, knüpft der Begriff des wichtigen Grundes im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG an die allgemeinen gesetzlichen Wertungen des familienrechtlichen Namensrechts an. Eine öffentlich-rechtliche Namensänderung ist ausgeschlossen, wenn sie eine solche Wertung revidieren oder umgehen würde. Ihr Zweck liegt ausschließlich darin, individuellen Unzuträglichkeiten der Namensführung Rechnung zu tragen, die der familienrechtliche Gesetzgeber nicht in den Blick genommen hat. Daraus folgt, dass der Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Begriffs des wichtigen Grundes im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG überdacht und gegebenenfalls neu bestimmt werden muss, wenn der Gesetzgeber die allgemeinen Wertungen des familienrechtlichen Namensrechts ändert. Im Falle derartiger Gesetzesänderungen kann die bisherige Rechtsprechung zum wichtigen Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG nicht mehr unbesehen fortgeführt werden; sie ist regelmäßig nicht mehr geeignet, eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu begründen.

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Die gesetzlichen Wertentscheidungen des Namensrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs haben sich seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1965 - 7 C 84.64 - (BVerwGE 20, 300) grundlegend geändert. Nach dem damals geltenden § 1355 BGB in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609) waren die Ehegatten bei der Namensführung nicht gleichberechtigt. Vielmehr war der Namen des Ehemannes zwingend der Ehenamen und damit der Namen der Ehefrau sowie der Geburtsnamen der gemeinsamen Kinder. Auch die Weiterführung der bisherigen Namen unter Verzicht auf einen Ehenamen war nicht vorgesehen. Die Ehefrau hatte lediglich die Möglichkeit, den Ehenamen mit der Beifügung ihres Geburtsnamens zu führen. Im Gegensatz zur heutigen Rechtslage konnten Ehegatten nicht verhindern, dass der Sammelname des Ehemannes Ehenamen wurde. Die Frage nach der Bestimmung von Ehedoppelnamen, die aus beiden bisherigen Namen der Ehegatten zusammengesetzt waren, stellte sich dem Gesetzgeber nicht. Aus diesen Gründen war die Abwägung zur Feststellung des wichtigen Grundes im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG durch das Namensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs erheblich anders vorstrukturiert als die Abwägung auf der Grundlage der namensrechtlichen Gleichberechtigung der Ehegatten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.