Entscheidungsdatum: 25.01.2018
I
Der Kläger absolviert bei der Beklagten den Studiengang Bachelor of Laws. Die Abschlussprüfung im Modul "Internes Rechnungswesen und funktionale Steuerung" am 28. September 2011 und die Wiederholungsprüfung am 28. März 2012 bestand er wie auch schon andere einzelne Prüfungen zuvor nicht. Nachdem der Kläger im Sommer 2012 auch seine Seminararbeit nicht bestand, suchte er eine Lerntherapeutin auf, die ihm den Hinweis gab, sich auf die Krankheit "AD(H)S" untersuchen zu lassen. Ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie diagnostizierte beim Kläger Ende November 2012 eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität (ADS) und stellte ihn medikamentös ein. Der Kläger trat mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 11. und 13. Dezember 2012 von den nicht bestandenen Klausuren und der Seminararbeit zurück; die Beklagte lehnte den Rücktritt mit Bescheid vom 13. Juli 2015 ab. Der letzte Prüfungsversuch des Klägers im Modul "Internes Rechnungswesen und funktionale Steuerung" blieb erfolglos. Die Beklagte teilte dem Kläger dieses Ergebnis sowie das endgültige Nichtbestehen der Abschlussprüfung mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 mit. Die Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Genehmigung des Rücktritts von der ersten und der ersten Wiederholungsprüfung des Moduls zu verpflichten und den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen aufzuheben, hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. In dem Berufungsurteil heißt es, die Rücktrittserklärung sei unzulässig. Der Kläger habe die vom Rücktritt erfassten Prüfungsleistungen nicht eindeutig bezeichnet. Zudem lasse die Anzeige die Krankheitssymptome an den Prüfungstagen nicht erkennen. Schließlich habe der Kläger seinen Rücktritt nicht unverzüglich erklärt, weil er sich schon nach dem ersten erfolglosen Versuch in dem Modul um die Aufklärung seines Gesundheitszustandes hätte bemühen müssen.
Der Kläger hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem berufungsgerichtlichen Urteil eingelegt und sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützt.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im berufungsgerichtlichen Urteil ist mit der Maßgabe begründet, dass dieses Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Stützt die Vorinstanz ihre Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jede der tragenden Begründungen mindestens ein Beschwerdegrund geltend gemacht wird, der die Zulassung rechtfertigt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2017 - 8 B 19.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:260617B8B19.16.0] - ZOV 2017, 149 Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar rechtfertigt die Beschwerdebegründung nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Jedoch liegen hinsichtlich jeder einzelnen tragenden Begründung Verfahrensmängel vor, auf denen die Entscheidung beruhen kann.
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, ob Rücktrittserklärungen, soweit sie sich jedenfalls auf mehrere Prüfungen beziehen, nur dann eindeutig sind, wenn sie unter Angabe der Modulbezeichnung und des Prüfungstermins erfolgen, erweist sich in einem Revisionsverfahren nicht als entscheidungserheblich. Ihre Beantwortung richtet sich nach der berufungsgerichtlichen Auslegung der irrevisiblen Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der Prüfungsordnung für den Studiengang Bachelor of Laws an der Beklagten, an die der Senat nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden ist. In diesen Fällen ist der Senat in einem Revisionsverfahren darauf beschränkt nachzuprüfen, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts mit Bundesverfassungsrecht vereinbar ist (stRspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 4.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:210617U6C4.16.0] - NVwZ 2017, 1793 Rn. 8 m.w.N.). Insoweit zeigt die Beschwerde jedoch einen Verfassungsverstoß nicht auf.
Auch die weiteren für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen, welche Anforderungen an die Bezeichnung/"Anzeige" der Rücktrittsgründe eines unerkannten Leidens wie ADS zu stellen sind, und ob hier die gleichen Anforderungen an die Angabe der Rücktrittsgründe zu stellen sind wie bei Fällen unerkannter Prüfungsunfähigkeit aufgrund einer bekannten Krankheit, rechtfertigen nicht die Revisionszulassung.
Die Anforderungen an die Anzeige eines Rücktrittsgrundes richten sich nach der berufungsgerichtlichen Auslegung der irrevisiblen Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der einschlägigen Prüfungsordnung, an die der Senat nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden ist. Hinsichtlich der Vereinbarkeit dieses Normverständnisses des Oberverwaltungsgerichts mit Bundesverfassungsrecht werfen die Fragen keine neuen Gesichtspunkte auf, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind. Danach soll eine Rücktrittserklärung unter Angabe des Rücktrittsgrundes der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung ermöglichen, ob tatsächlich ein wichtiger Grund gegeben ist, um derart zum Schutz der anderen Prüflinge in ihrer Chancengleichheit einen missbräuchlichen Rücktritt auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1994 - 6 B 12.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 328 S. 4 f.). Hiernach kann es für die Anforderungen an die Angabe des Rücktrittsgrundes nicht darauf ankommen, ob es sich um eine - zum Zeitpunkt der Prüfung - unerkannte Erkrankung handelt, aufgrund derer der Prüfling die Prüfungsunfähigkeit herleiten möchte, oder aber um eine bereits bekannte Erkrankung, die unerkannt zur Prüfungsunfähigkeit geführt haben soll. Entscheidend ist auch am Maßstab des Gebots der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, dass die Rücktrittsanzeige die von der Prüfungsbehörde geforderte Überprüfung ermöglicht. Im Übrigen obliegt es der Würdigung des Einzelfalles, ob eine Rücktrittserklärung den dargestellten landesrechtlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
2. Das berufungsgerichtliche Urteil leidet hinsichtlich seiner selbständig tragenden Begründungen an Verfahrensmängeln, auf denen das Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung zunächst damit begründet, dass der Kläger die Prüfungsleistungen, auf die sich der Rücktritt beziehe, nicht eindeutig bezeichnet habe. Seine Bezugnahme auf alle nicht bestandenen Klausuren und die nicht bestandene Seminararbeit reiche nicht aus. Er hätte die Klausuren mit Modulbezeichnung und Prüfungstermin benennen müssen. Es sei nicht Aufgabe der Prüfer, die geltend gemachten Rücktrittsgründe zuzuordnen und zu überprüfen.
Der Kläger rügt insoweit eine Verletzung des in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierten Überzeugungsgrundsatzes. Das Berufungsgericht habe bei seiner Überzeugungsbildung vernachlässigt, dass er lediglich einen Grund für den Rücktritt von allen nicht bestandenen Prüfungen angegeben habe. Hierauf beruhe auch das Urteil, da bei Beachtung dieses Umstandes eine Zuordnung von Rücktrittsgründen zu den einzelnen Prüfungen entfalle und das Gericht die Eindeutigkeitserklärung hätte bejahen können.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne von den festgestellten erheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt. Ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann darüber hinaus vorliegen, wenn die Beweiswürdigung gesetzliche Beweisregeln außer Acht lässt, objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet bzw. irrtümlich annimmt. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel deshalb grundsätzlich nicht begründen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:070217B6B30.16.0] - juris Rn. 10 und vom 12. Dezember 2017 - 6 B 30.17 [ECLI:DE:BVerwG:2017:121217B6B30.17.0] - juris Rn. 5).
Gemessen hieran hat das Berufungsgericht den Überzeugungsgrundsatz verletzt, weil es dem auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Umstand keine Bedeutung beigemessen hat, dass der Kläger sich für sämtliche nicht bestandenen Prüfungen nur auf einen Rücktrittsgrund beruft. Diesen festgestellten Umstand hat das Gericht ersichtlich ausgeblendet, wenn es die Anforderungen an die Eindeutigkeit der Rücktrittserklärung damit begründet, es sei nicht Aufgabe der Prüfer, die geltend gemachten Rücktrittsgründe zuzuordnen und zu überprüfen.
Auf diesem Fehler kann das Berufungsurteil auch beruhen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Eindeutigkeit der klägerischen Rücktrittserklärung kommt, wenn es seiner Entscheidung zugrunde legt, dass der Rücktritt nur auf einem Rücktrittsgrund beruht und es daher einer genaueren Bezeichnung der vom Rücktritt erfassten nicht bestandenen Prüfungen ausnahmsweise nicht bedarf. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Auslegungsregelung des § 133 BGB, die auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet, bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt. Dabei gibt § 133 BGB eine Auslegung vor, die - im Rahmen des für den Erklärungsempfänger Erkennbaren - den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Diese dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen. Legt der Private erkennbar einen Rechtsbehelf ein, darf die Behörde der Erklärung keinen Inhalt geben, der die Rechtsverfolgung erschwert oder gar ausschließt, wenn nach den erkennbaren Umständen auch eine günstigere Auslegung möglich ist. In Zweifelsfällen sollte beim Erklärenden von der Behörde nachgefragt werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 15 f.). Danach liegt es nahe anzunehmen, dass die Prüfungsbehörde die vom Rücktritt des Klägers erfassten Prüfungen aufgrund der bei ihr vorhandenen Daten zuordnen konnte.
b) Nach Auffassung des Berufungsgerichts lasse zudem die Anzeige des Rücktrittsgrundes auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Atteste nicht erkennen, an welchen seine Leistungsfähigkeit erheblich einschränkenden Krankheitssymptomen der Kläger an welchen Prüfungsterminen gelitten habe. Die Atteste beschränkten sich auf die Diagnose und eine Beschreibung des Krankheitsbildes. Erforderlich sei aber nach der Prüfungsordnung die Benennung von die Prüfungsfähigkeit ausschließenden Symptomen, wenn sie sich nicht unmittelbar aus der Diagnose ergäben. Dies sei hier der Fall. Die mit dieser Erkrankung verbundenen Konzentrationsstörungen träten in unterschiedlichen Situationen in unterschiedlichem Ausmaß auf. Nach dem klägerischen Vortrag unter Berufung auf die Erläuterungen des ADHS Deutschland e.V. könnten auch Betroffene sich ganz hervorragend auf etwas konzentrieren, das sie sehr interessiere. Hier könnten sie Höchstleistungen erbringen.
Der Kläger rügt hinsichtlich dieser Begründung eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die tatsächliche Feststellung des Gerichts, dass die Konzentrationsstörungen bei ADS-Erkrankten in unterschiedlichen Situationen in unterschiedlichem Ausmaß auftreten können, hätte es zum Anlass weiterer Sachverhaltsaufklärung nehmen müssen. Er habe umfassend zu den Auswirkungen der Erkrankung an ADS auf die Konzentration und Leistungsfähigkeit vorgetragen. Mit der Diagnose seien daher stets die Prüfungsfähigkeit ausschließende Symptome verbunden. Dies hätte das Gericht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen lassen können.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> und vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 [ECLI:DE:BVerwG:2015:221015U7C15.13.0] - NVwZ 2016, 308 Rn. 47). Hierzu muss das Gericht alle zur Tatsachenfeststellung geeigneten Erkenntnismittel nutzen. Das Gericht ist dabei zwar grundsätzlich weder an das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten noch an ihre Beweisanträge und -anregungen gebunden (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Allerdings findet die Amtsermittlungspflicht, wie die Regelung in § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO zeigt, ihre Grenze an den Mitwirkungspflichten der Beteiligten, die vor allem gehalten sind, die ihnen geläufigen Tatsachen, mit denen sie ihre Anträge begründen, selbst vorzutragen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, in nicht durch entsprechendes Vorbringen oder andere konkrete Anhaltspunkte veranlasste Nachforschungen darüber einzutreten, ob vielleicht irgend ein bisher nicht entdeckter Umstand auf die Rechtmäßigkeit des zu beurteilenden Verwaltungshandelns von Einfluss sein könnte (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. November 1982 - 9 C 74.81 - BVerwGE 66, 237 <238> m.w.N.).
Dementsprechend verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich dem Gericht auch nicht aufdrängen musste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 10 B 19.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 3 m.w.N.; Geiger, in: Eyermann
Das Berufungsgericht stützt seine Feststellung, dass die Konzentrationsstörungen bei ADS-Erkrankten in verschiedenen Situationen in unterschiedlichem Ausmaß aufträten, allein auf die vom Kläger in das Verfahren eingeführten Ausführungen des ADHS Deutschland e.V., wonach an ADS erkrankte Personen auch Höchstleistungen erbringen könnten. Das Berufungsgericht nimmt insoweit den erstinstanzlichen Klägervortrag in Bezug (Bl. 28 der Gerichtsakte). Der Kläger hat jedoch - wie er zutreffend rügt - in diesem Zusammenhang an gleicher Stelle die Auswirkungen der Erkrankung an ADS dargestellt und ausgeführt, dass nach den Ausführungen des ADHS Deutschland e.V. an ADS erkrankte Personen an einer enormen Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, Sprunghaftigkeit und Zerstreutheit leiden, die bei Kindern zu erheblichen Schulproblemen und bei Erwachsenen zu Arbeitsstörungen führen können. Aufgrund dieser Ausführungen mussten sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen zu den mit der Diagnose der ADS per se verbundenen Symptomen aufdrängen. Es durfte nicht - den weiteren Vortrag des Klägers außer Acht lassend - allein auf die Ausführungen des Klägers abstellen, wie sich an ADS erkrankte Personen in Situationen verhalten, die sie sehr interessieren, wenn es nach seiner maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung für die Anzeige des Rücktrittsgrundes im Falle einer Erkrankung darauf ankommt, welche Symptome mit einer Diagnose verbunden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
c) Nach der letzten, das Urteil tragenden Begründung fehlt es an der Unverzüglichkeit der Rücktrittserklärung. Unverzüglich - so die Vorinstanz - sei eine Rücktrittserklärung nur, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben werde, zu dem sie zumutbarer Weise hätte erwartet werden können. Die Frist beginne mit der Kenntnis von der Prüfungsunfähigkeit, die der Prüfling bereits dann habe, wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand in den wesentlichen Merkmalen bewusst sei und er die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre erfasse. Die krankheitsbedingte Ursache müsse dem Prüfling nicht bekannt sein. Danach könne der Kläger sich für den Fristbeginn nicht erst auf die Kenntnis der Diagnose berufen. Wenn die Erkrankung beim Kläger in ihrem Ausmaß zu einer Prüfungsunfähigkeit an den Prüfungstagen geführt hätte, hätte dies dem Kläger nicht verborgen bleiben dürfen. Seine geminderte Leistungsfähigkeit hätte Anlass zu Zweifeln an seiner Prüfungsfähigkeit geben und er hätte sich unverzüglich Klarheit verschaffen müssen. Hierzu sei ein Prüfling aufgrund seiner Mitwirkungspflicht verpflichtet, sobald ihm die Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens bewusst geworden sei. Danach hätte sich der Kläger bereits unverzüglich nach dem Prüfungsversuch vom 28. September 2011 - mit Blick auf die nach seinem Vorbringen zahlreichen erfolglosen Prüfungsversuche in der Vergangenheit - um Aufklärung seines Gesundheitszustandes bemühen müssen. Hierzu sei er in der Lage gewesen, denn er habe im Sommer 2012 eine Lerntherapeutin aufgesucht, um die Ursache seines Scheiterns zu ergründen.
aa) Insoweit rügt der Kläger erfolglos eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er meint, das Berufungsgericht sei aktenwidrig davon ausgegangen, dass er eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit nur an den Prüfungstagen behauptet habe. Dies sei nicht der Fall gewesen. Er habe vorgetragen und durch fachärztliche Stellungnahmen belegt, dass seine Erkrankung generell Auswirkungen auf seine Konzentrations- und Leistungsfähigkeit habe. Wäre das Gericht hiervon ausgegangen, hätte es erkannt, dass ihm sein gesundheitlicher Zustand nicht bewusst gewesen sei und er auch nicht aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre die Reduzierung seiner Leistungsfähigkeit aufgrund Krankheit hätte erkennen können.
Gemessen an ihren Voraussetzungen (s. dazu oben II. 2. a) ist hinsichtlich dieser Begründung eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes durch das Berufungsgericht nicht festzustellen. Soweit das Gericht in den Entscheidungsgründen auf das Vorliegen einer Prüfungsunfähigkeit an den jeweiligen Prüfungstagen abstellt, beruht das auf dessen materiell-rechtlicher Auffassung, dass die Prüfungsunfähigkeit während der Prüfung am Prüfungstag vorgelegen haben muss, auch wenn es sich um eine dauerhafte Erkrankung handelt. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Würdigung - entsprechend den Darlegungen des Klägers - unterstellt, dass die von ihm geltend gemachten krankheitsbedingten Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit an den Prüfungstagen ein Ausmaß angenommen haben, das zur Prüfungsunfähigkeit führt und ihm dieses nicht hätte verborgen bleiben dürfen. Der Kläger zieht demgegenüber aus der von ihm geltend gemachten krankheitsbedingten ständigen Einschränkung der Leistungsfähigkeit materiell-rechtlich andere Schlüsse, wenn er meint, dass ihm sein Gesundheitszustand nicht bewusst gewesen sei und er auch nicht aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre die krankheitsbedingte Reduzierung seiner Leistungsfähigkeit hätte erkennen können. Dies begründet nach den eingangs gemachten Ausführungen keine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes.
bb) Der Kläger rügt aber mit Erfolg eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO). Er trägt vor, das Berufungsgericht habe nicht ohne Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangen dürfen, dass ihm die Erkenntnis seiner Erkrankung bereits möglich gewesen sei. Die Frage der Möglichkeit einer Parallelwertung in der Laiensphäre, um den Krankheitswert einzelner Beeinträchtigungen zu erkennen, erfordere bei der Erkrankung an ADS medizinisches Fachwissen. Denn es handele sich für den Betroffenen um einen Dauerzustand, der nicht ohne weiteres wahrgenommen werden könne. Die Symptome dieser Erkrankung hätten gerade nicht einen unverkennbaren Krankheitswert. Dieser Umstand hätte das Berufungsgericht auch mit Blick auf die im Verfahren vorgelegte Stellungnahme seiner Therapeutin vom 17. März 2016 zu einer weiteren Sachaufklärung veranlassen müssen. Nach dieser Stellungnahme seien die Gründe für die sich weiter verstärkenden schulischen Arbeitsstörungen von ihm selbst, Pädagogen und Außenstehenden als Lernschwierigkeiten und mangelnde Anstrengungsbereitschaft aufgefasst worden. Angesichts dessen habe er seine Lernschwierigkeiten nicht als Symptome einer erst verhältnismäßig neu anerkannten Erkrankung von Erwachsenen an ADS erkennen können. Jedenfalls hätte sein Vortrag beim Berufungsgericht zu Zweifeln führen müssen, ob er hierzu tatsächlich in der Lage gewesen sei.
Es liegt zwar im Ermessen des Gerichts zu entscheiden, wie weit es sich selbst die erforderliche Sachkunde zur Beantwortung von Sachfragen zutraut. Die Ermessensfreiheit findet jedoch ihre Grenze, wenn die Entscheidung des Gerichts eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde erfordert oder sich dem Gericht aus anderen Gründen eine (weitere) Beweiserhebung aufdrängt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 12. März 2004 - 6 B 2.04 - juris Rn. 15 m.w.N.). Letzteres hat der Kläger vorliegend mit seiner Aufklärungsrüge aufgezeigt.
Die materiell-rechtliche Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach der Prüfling bei etwaigen für eine Leistungsminderung sprechenden Anzeichen, etwa Krankheitssymptomen, die ihm im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen geblieben sind, sich Klarheit darüber zu verschaffen hat, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit erheblich beeinträchtigt ist. Der Prüfling muss seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihn prüfungsunfähig machen, erkennen. Steht danach fest, dass seine Leistungsfähigkeit durch derartige Umstände erheblich beeinträchtigt war, hat der Prüfling daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit, zu dem Zeitpunkt, in dem er sich ihrer bewusst geworden ist. Ob der Prüfling die Art seiner Erkrankung richtig einordnen konnte und ob er die Erkrankungssymptome richtig gedeutet hat, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 1988 - 7 C 8.88 - BVerwGE 80, 282 <285> und vom 15. Dezember 1993 - 6 C 28.92 - NVwZ-RR 1994, 442 <444>; Beschlüsse vom 17. Januar 1984 - 7 B 29.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 190 S. 170 f., vom 2. August 1984 - 7 B 129.84 - BayVBl. 1985, 26, vom 3. Januar 1994 - 6 B 57.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 327 S. 2 f. und vom 22. September 1993 - 6 B 36.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 318). Hierbei hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Prüfling seinen Sorgfaltspflichten nicht genügt, wenn er Symptome, die auf eine Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit hindeuten, nicht mit ärztlicher Hilfe klärt und sich der Prüfung unterzieht (so BVerwG, Beschluss vom 17. September 2002 - 6 B 57.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 401 S. 44).
Aus dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, dass er im Sommer 2012 eine Lerntherapeutin und nicht einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aufsuchte, sowie aus seinen Darlegungen, ihm seien die Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit stets als Lernschwierigkeiten ausgelegt worden, hätten sich dem Berufungsgericht ausgehend von seiner materiell-rechtlichen Auffassung weitere Aufklärungsmaßnahmen aufdrängen müssen. Es hätte der Aufklärung bedurft, ob der Kläger tatsächlich auch mit Blick auf seine früheren Fehlversuche in anderen Klausuren bereits nach dem erfolglosen Prüfungsversuch vom 28. September 2011 oder erst aufgrund des Hinweises der Lerntherapeutin in der Lage gewesen ist, in den Anzeichen seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit eine andere Ursache als Lernschwierigkeiten zu erkennen und sich aufgrund dessen um eine Aufklärung der Ursache im Sinne der vom Berufungsgericht herangezogenen bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu bemühen.
3. Der Senat macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der ihm nach § 133 Abs. 6 VwGO eröffneten Befugnis Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben, und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Von einer weiteren Begründung hinsichtlich der ebenfalls geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Nach den vorstehenden Ausführungen wird das Berufungsgericht im weiteren Verfahren die dargestellten Umstände aufzuklären haben. Sollte das Gericht feststellen, dass der Kläger erst aufgrund des Hinweises der Lerntherapeutin in der Lage gewesen ist, von einer anderen, krankheitsbedingten Ursache auszugehen und dieses zum Anlass für weitere Aufklärungsbemühungen zu nehmen, hat es am Maßstab der dargestellten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu prüfen, ob sich der Kläger in der Folgezeit hinreichend um eine Aufklärung der Ursache für seine Leistungseinschränkung bemüht und er sodann - nach Feststellung der Erkrankung - unverzüglich die daraus ergebenden Konsequenzen gezogen hat. Hierbei wird das Gericht die sich aus den Vorgängen ergebenden Anstrengungen des Klägers um eine schnellstmögliche fachärztliche Abklärung einer Erkrankung an ADS berücksichtigen müssen.
Kommt das Gericht aufgrund der weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis, dass die Rücktrittserklärung den landesgesetzlichen Anforderungen genügt, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob die Erkrankung des Klägers zum Zeitpunkt der Prüfungen ein nicht zur Prüfungsunfähigkeit führendes Dauerleiden darstellt und sein normales Leistungsbild prägt oder sie - mit Blick auf die mögliche Therapie und medikamentöse Behandlung - die Annahme einer krankheitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit rechtfertigt, die im vorliegenden Einzelfall zum Rücktritt berechtigt (vgl. zur Abgrenzung: BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 1985 - 7 B 210.85 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 223 S. 266 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.