Entscheidungsdatum: 31.08.2011
Der Ausschluss der Berufung in Wehrpflichtsachen nach § 34 WPflG (juris: WehrPflG) gilt auch in allen Verfahren, die bei Inkrafttreten des § 2 WPflG noch nicht abgeschlossen waren.
I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Musterung. Nachdem das Kreiswehrersatzamt ihn durch Bescheid vom 2. August 2010 wehrdienstfähig gemustert und wegen seiner schulischen Ausbildung bis zum 30. Juni 2011 vom Wehrdienst zurückgestellt hatte, hat der Kläger nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben und beantragt, die beklagte Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, seine Musterung als nichtig anzuerkennen. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage durch das angefochtene Urteil vom 7. Juni 2011, zugestellt am 15. Juni 2011, abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die am 15. Juli 2011 eingelegte Beschwerde des Klägers.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist statthaft. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist gemäß § 34 Satz 1 WPflG ausgeschlossen. Nach § 135 VwGO ist statthaftes Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts deshalb die Revision und bei deren Nichtzulassung - wie hier - die dagegen gerichtete Beschwerde (§ 34 Satz 2 WPflG, § 135 Satz 2 VwGO).
Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 WPflG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 - WehrRÄndG 2011) vom 28. April 2011 (BGBl I S. 678) ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gelten die §§ 3 bis 53 WPflG, und damit auch § 34 WPflG, im Spannungs- oder Verteidigungsfall (Art. 80a Abs. 1 GG, Art. 115a Abs. 1 GG). Die Vorschrift ist nach Art. 13 Abs. 1 WehrRÄndG am 1. Juli 2011 in Kraft getreten. Aus ihr lässt sich aber nicht herleiten, dass seit dem 1. Juli 2011 die Berufung gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Wehrpflichtsachen nicht mehr ausgeschlossen ist, sondern nunmehr mangels besonderer Vorschriften die Berufung oder der Antrag auf Zulassung der Berufung die statthaften Rechtsmittel gegen solche Urteile sind.
Zwar ist nach der gewohnheitsrechtlichen Regel des intertemporalen Verfahrensrechts neues Verfahrensrecht grundsätzlich auch auf Verfahren anzuwenden, die vor der Rechtsänderung begonnen worden sind. Diese sind danach mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes nach neuem Recht zu beurteilen. Dieser Verfahrensgrundsatz ist jedoch nicht anwendbar, soweit es um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht, in die aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtsmittelsicherheit nicht nachträglich verändernd eingegriffen werden darf (BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 - BVerfGE 87, 48 <64 f.>; BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 - BVerwG 4 CN 12.97 - BVerwGE 106, 237 <238>), oder soweit sich aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts etwas Abweichendes ergibt.
Auch ohne besondere Übergangsregelung ergibt sich hier unmittelbar aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, dass es für Verfahren in Wehrpflichtsachen, die am 1. Juli 2011 noch nicht abgeschlossen waren, bei der bisherigen Regelung des Rechtsmittelrechts bleiben soll. Nach dem Sinn und Zweck des § 2 WPflG soll die Wehrpflicht ausgesetzt werden. Ab dem 1. Juli 2011 sollen keine neuen Verwaltungsverfahren eingeleitet werden, die auf die Vollziehung der Wehrpflicht gerichtet sind. Der Gesetzgeber ist als selbstverständlich davon ausgegangen, dass bereits anhängige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, soweit sie sich nicht erledigen, sondern noch Entscheidungen erfordern, nach dem bisherigen Recht abgewickelt werden. Der Gesetzgeber hat kein neues Recht an die Stelle des bisherigen Rechts gesetzt, sondern das bisherige Recht beibehalten, seine künftige Anwendung aber auf den Spannungs- und Verteidigungsfall beschränkt. Bezogen auf § 34 WPflG hat er kein neues Rechtsmittelrecht geschaffen, das für künftige Fälle gelten soll. Nach seiner Vorstellung bleibt es vielmehr dabei, dass in Wehrpflichtsachen die Berufung ausgeschlossen sein soll. Damit unvereinbar wäre eine Auslegung des § 2 WPflG, dass nur in den wenigen noch entscheidungsbedürftigen Altfällen abweichend von der Regel des § 34 WPflG nunmehr die Berufung zulässig sein soll.
2. Die Revision kann nicht zugelassen werden. Die Rechtssache hat nicht die insoweit allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 34 WPflG, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam, ob die einschlägigen Vorschriften des Wehrpflichtgesetzes über die Musterung und Heranziehung zum Wehrdienst in Art. 12a GG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage finden. Klärungsbedürftig sind nach seiner Auffassung in diesem Zusammenhang die Fragen nach der Geltung des Grundgesetzes als solchem und damit auch des Art. 12a GG sowie nach dem räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes.
Die aufgeworfenen Fragen sind schon deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sie sich in absehbarer Zeit nicht mehr über den Einzelfall hinaus in anderen Verfahren entscheidungserheblich stellen können. Nach § 2 WPflG gelten die Vorschriften des § 3 ff. WPflG über die Heranziehung zum Wehrdienst einschließlich der dazu gehörigen Vorschriften über die Musterung nur noch im Spannungs- und Verteidigungsfall. Sie haben deshalb derzeit keinen Anwendungsbereich.
Davon abgesehen bestehen auch in Würdigung der umfangreichen Beschwerdebegründung keine klärungsbedürftigen Zweifel daran, dass das Grundgesetz einschließlich des Art. 12a GG geltendes Verfassungsrecht ist und welchen räumlichen Anwendungsbereich das Grundgesetz hat.