Entscheidungsdatum: 20.12.2012
I.
Die Beklagte half mit Bescheid vom 26. Juni 2007 dem Widerspruch des Klägers gegen die Feststellung seiner Tauglichkeit für den Zivildienst ab und traf eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Klägers. Den Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 13. August 2009 hat der Kläger mit seiner am 7. Oktober 2009 erhobenen Klage angegriffen und nach teilweiser Erledigung die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung einer Erledigungsgebühr begehrt (Klageantrag zu 1). Mit Schriftsatz vom 7. April 2010 hat der Kläger weiter sinngemäß beantragt festzustellen, dass keine für die Beurteilung seiner Dienstfähigkeit relevanten Anhaltspunkte in psychischer Hinsicht bestanden, und die Beklagte zu verpflichten, entgegenstehende Feststellungen aus der Behördenakte zu entfernen (Klageantrag zu 2). Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 19. März 2012 abgewiesen. Es hat den Klageantrag zu 2 als unzulässige Klageänderung angesehen. Der Kläger hat seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil auf den Klageantrag zu 2 beschränkt.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung, die der Kläger durch den als Klageantrag zu 2 angebrachten Feststellungs- und Leistungsantrag vorgenommen hat, unter Verstoß gegen § 91 Abs. 1 und 2 VwGO als unzulässig beurteilt. Das angefochtene Urteil beruht auf diesem von dem Kläger ordnungsgemäß dargelegten Verfahrensfehler (§ 75 Satz 1 ZDG, § 135 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Klageänderung ist zulässig. Die Beklagte hat zwar in sie nicht nach § 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ausdrücklich eingewilligt, sie hat sich jedoch auf die geänderte Klage im Sinne des § 91 Abs. 2 VwGO rügelos eingelassen.
Allerdings kann eine solche Einlassung entgegen der Ansicht des Klägers nicht in den Schriftsätzen der Beklagten vom 13. und 24. Februar 2012 (GA Bl. 144 und 150) gefunden werden, in denen die Beklagte in materiell-rechtlicher Hinsicht zu den von dem Kläger beanstandeten Feststellungen in den über ihn geführten Behördenakten Stellung genommen hat. Denn die Beklagte hat mit den in diesen Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen ersichtlich nur auf den auf den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs gerichteten Vorschlag des Verwaltungsgerichts vom 3. Februar 2012 (GA Bl. 135) reagiert. Zwar muss ein gerichtlicher Vorschlag zur gütlichen Streitbeilegung nicht notwendigerweise über den Gegenstand des konkreten Rechtsstreits hinausgreifen, jedoch ist ein solches Vorgehen in der Praxis weithin üblich, weil es geeignet ist, die Vergleichsbereitschaft der Beteiligten zu fördern. Es muss deshalb der Beklagtenseite möglich sein, sich ohne genaue Prüfung des Streitgegenstands nach dem jeweiligen Verfahrensstand zu allen Aspekten der mit dem Vergleichsvorschlag aufgeworfenen Fragen zu äußern, ohne gewärtigen zu müssen, sich auf diese Weise nach § 91 Abs. 2 VwGO auf eine etwa gegebene Klageänderung einzulassen.
Indes ist eine die Zulässigkeit der Klageänderung begründende Einlassung auf die geänderte Klage bereits in dem Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2010 (GA Bl. 114) enthalten. Mit diesem hat die Beklagte zeitlich vor den Bemühungen des Verwaltungsgerichts um eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits zu der von dem Kläger mit Schriftsatz vom 7. April 2010 angebrachten Feststellungs- und Leistungsklage Stellung genommen, hierbei die Zulässigkeit der Feststellungsklage in mehrfacher Hinsicht - kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, fehlendes Feststellungsinteresse, keine isolierte Angreifbarkeit behördlicher Verfahrenshandlungen, Subsidiarität der Feststellungsklage - bestritten und damit auch die notwendige Grundlage für das geltend gemachte Leistungsbegehren in Frage gestellt.
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob es für ein rügeloses Einlassen auf die geänderte Klage im Sinne des § 91 Abs. 2 VwGO stets ausreicht, wenn die Beklagtenseite die Unzulässigkeit der geänderten Klage geltend macht, ohne die Zulässigkeit der Klageänderung in Frage zu stellen (so Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Bd. 2, Stand: August 2012, § 91 Rn. 67, Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 91 Rn. 17) oder ob es dafür einer Erwiderung in der Sache, also im Hinblick auf die Begründetheit der geänderten Klage bedarf (in diesem Sinne: Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rn. 28 unter Berufung auf BVerwG, Urteil vom 28. April 1999 - BVerwG 4 C 4.98 - BVerwGE 109, 74 <79> = Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 5 S. 9). Denn die Stellungnahme zur Zulässigkeit der geänderten Klage erfüllt die Voraussetzungen des § 91 Abs. 2 VwGO jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Frage der Zulässigkeit ersichtlich einen Schwerpunkt des nach der Klageänderung zu führenden Verfahrens darstellen wird und zudem - wie hier hinsichtlich des festzustellenden Rechtsverhältnisses - nicht unabhängig von materiell-rechtlichen Erwägungen beantwortet werden kann.
Im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens macht der Senat von der durch § 133 Abs. 6 VwGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, das mit dem Verfahrensfehler behaftete Urteil des Verwaltungsgerichts in dem noch streitgegenständlichen Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.