Entscheidungsdatum: 02.08.2017
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO oder wegen eines dem Berufungsurteil anhaftenden Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen. Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist der Senat darauf beschränkt, über die Revisionszulassung nur aufgrund derjenigen Gesichtspunkte zu entscheiden, die der Kläger in der Beschwerdebegründung angeführt hat.
Der Kläger ist Professor für das Fach Kunstgeschichte in dem Fachbereich III der beklagten Universität; der Beigeladene ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in diesem Fachbereich. Im Dezember 2014 teilte der Kläger dem Dekan des Fachbereichs mit, er wolle im Wintersemester 2015/16 die Lehrveranstaltung "Propädeutikum II" des Pflichtmoduls "Einführung in die Kunstgeschichte I" abhalten. Demgegenüber sah das Lehrprogramm der Modulbeauftragten des Fachbereichs für das Wintersemester 2015/2016 vor, dass der Beigeladene diese Veranstaltung erneut durchführen sollte. Im Juli 2015 beschloss der Fachbereichsrat, dass sowohl der Kläger als auch der Beigeladene zeitgleich eine eigene Lehrveranstaltung "Propädeutikum II" anbieten sollten. Die Veranstaltung des Klägers wurde auf dessen Pflichtlehrdeputat angerechnet. An dessen Veranstaltung nahmen drei, an derjenigen des Beigeladenen dagegen 22 Studierende teil. Der Kläger macht geltend, die "Doppelvergabe" habe sein Grundrecht der Lehrfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt. Aufgrund seines Professorenstatus habe ihm bei der Vergabe der Vorrang eingeräumt werden müssen. Während er sein Fach in Forschung und Lehre selbständig vertrete, sei der Beigeladene als wissenschaftlicher Mitarbeiter fachlich weisungsgebunden.
Die Klage mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der "Doppelvergabe" festzustellen, hat vor dem Verwaltungsgericht Erfolg gehabt; auf die Berufung der Beklagten hat sie das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. In dem Berufungsurteil heißt es, es fehle an dem nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderlichen berechtigten Interesse des Klägers für die beantragte Feststellung. Ein berechtigtes Interesse an der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung eines abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts könne sich aus der sog. Wiederholungsgefahr, dem Interesse eines Beteiligten an seiner Rehabilitation oder dem Rechtsschutzinteresse an der Nachprüfung schwerwiegender Grundrechtseingriffe ergeben, die aus Zeitgründen nicht durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes abgewehrt werden könnten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt: Insbesondere beeinträchtige die Parallelveranstaltung des Beigeladenen nicht die grundrechtlich geschützte Lehrfreiheit des Klägers. Der Fachbereich habe dessen Grundrechtsposition dadurch Rechnung getragen, dass er es ihm ermöglicht habe, die Lehrveranstaltung abzuhalten. Das Grundrecht der Lehrfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermittle Hochschullehrern weder ein "Exklusivrecht" auf das Abhalten bestimmter Lehrveranstaltungen noch schütze es sie vor "Konkurrenzlesen". Dies gelte unabhängig davon, ob die Konkurrenzveranstaltung von einem anderen Hochschullehrer, einem Lehrbeauftragten oder einem wissenschaftlichen Mitarbeiter abgehalten werde. Der Status des Konkurrenten habe keinen Einfluss auf den Schutzbereich der Lehrfreiheit. Selbst bei Annahme eines Grundrechtseingriffs habe der Kläger kein Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, weil ein solcher Eingriff nicht gravierend bzw. tiefgreifend gewesen sei. Auch sei der Kläger nicht gehindert gewesen, bis zum Ablauf der Vorlesungszeit vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
1. Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Fragen auf, ob das Grundrecht der Lehrfreiheit Hochschullehrern Ansprüche auf Schutz vor Konkurrenzveranstaltungen weisungsgebundener wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie auf die Bereitstellung von Rahmenbedingungen vermittle, die eine relevante Ausübung der Lehrfreiheit ermöglichten, und ob der Fachbereich durch die Zulassung einer Konkurrenzveranstaltung eines Mitarbeiters seine Befugnisse unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG überschreite.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ist das angefochtene Urteil auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte gestützt, von denen jeder den Urteilsausspruch selbständig trägt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn der Beschwerdeführer in Bezug auf jeden entscheidungstragenden Gesichtspunkt einen Zulassungsgrund darlegt. Ansonsten steht fest, dass das angefochtene Urteil jedenfalls mit einem selbständig tragenden Gesichtspunkt Bestand hat (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
An dieser Darlegung fehlt es im vorliegenden Fall: Das Oberverwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage auf mehrere Erwägungen gestützt, die diesen Ausspruch jeweils selbständig tragen. Das Gericht hat ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der "Doppelvergabe" der Lehrveranstaltung "Propädeutikum II" verneint, weil die Parallelveranstaltung des Beigeladenen den Schutzbereich des Grundrechts der Lehrfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht berührt habe.
Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht das Feststellungsinteresse aber auch für den Fall verneint, dass die Zulassung der Parallelveranstaltung des Beigeladenen einen Eingriff in die Lehrfreiheit des Klägers darstellt. Für diesen Fall hat das Oberverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Eingriff kein Feststellungsinteresse begründen könne, weil er nicht schwerwiegend gewesen sei und der Kläger die Möglichkeit nicht wahrgenommen habe, den geltend gemachten Anspruch auf Schutz vor "Konkurrenzlesen" in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verfolgen. Diese zweite selbständige Begründung für das Fehlen des Feststellungsinteresses auch bei Annahme eines Grundrechtseingriffs ergibt sich unmissverständlich aus den Ausführungen am Ende der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils (UA S. 13 f.). Dort heißt es: "Selbst wenn man entgegen dem Vorgesagten mit dem Kläger und der Vorinstanz einen Grundrechtseingriff annähme, wäre dieser jedenfalls ersichtlich nicht 'gravierend' oder 'tiefgreifend' im Sinne der oben genannten Anforderungen, weshalb es auch dann an dem erforderlichen berechtigten Feststellungsinteresse nach § 43 Abs. 1 VwGO fehlen würde." Dadurch hat das Oberverwaltungsgericht Bezug auf seine allgemeinen Rechtsausführungen genommen, wonach ein berechtigtes Interesse an der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung eines abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts nur anzuerkennen sei, wenn etwa Anhaltspunkte für einen gravierenden, tiefgreifenden Grundrechtseingriff vorliegen, dem auch nicht mit dem Instrument des Eilrechtsschutzes habe begegnet werden können (UA S. 10).
Nach alledem hat das Oberverwaltungsgericht das Vorliegen eines berechtigten Interesses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO an drei Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ vorliegen müssen: Zum einen ist ein Eingriff in das Grundrecht der Lehrfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erforderlich. Dieser reicht aber für sich genommen nicht aus; er muss schwerwiegend ("gravierend bzw. tiefgreifend") sein. Schließlich muss es dem Betroffenen unmöglich oder unzumutbar gewesen sein, zur Abwehr oder Beseitigung des schwerwiegenden Eingriffs vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Demgegenüber befasst sich der Kläger in der Beschwerdebegründung ausschließlich mit der ersten Voraussetzung, der Notwendigkeit eines Eingriffs in die Lehrfreiheit. Mit seinen drei Grundsatzrügen will er jeweils den Schutzbereich dieses Grundrechts geklärt wissen. Er legt dar, dass die Lehrfreiheit von Hochschullehrern entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Ansprüche auf Schutz vor Konkurrenzveranstaltungen von "Nichthochschullehrern" und auf die Bereitstellung eines organisatorischen Rahmens umfasse, die Gewähr für eine Mindestzahl von Teilnehmern böten. Wie dargestellt hätte eine Revision des Klägers aber auch dann keinen Erfolg, wenn diese Fragen in seinem Sinne beantwortet würden. Es käme dann darauf an, ob die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, das Feststellungsinteresse hänge im Falle eines Grundrechtseingriffs von dessen Schwere und von der Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes ab, mit Bundesrecht vereinbar ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Auf diese das Berufungsurteil selbständig tragenden Erwägungen ist der Kläger in der Beschwerdebegründung mit keinem Wort eingegangen. Dementsprechend hat er nicht - wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich - dargelegt, ob sich auch insoweit eine rechtsgrundsätzliche Frage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stellt. Daher ist der Senat von vornherein gehindert, die Vereinbarkeit dieser Erwägungen mit Bundesrecht nachzuprüfen.
2. a) Mit der Gehörsrüge macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Statusunterschied zwischen ihm und dem Beigeladenen, die Einzügigkeit der Lehrveranstaltung "Propädeutikum II", die Marginalisierung des Lehrangebots des Klägers und die gleichheitswidrige Ressourcenverteilung nicht berücksichtigt.
Das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO vermittelt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, dass das Gericht ihr Vorbringen vollständig in seine Entscheidungsfindung einbezieht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen abhandeln muss. Vielmehr muss es auch in einem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe angeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Gründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.>).
Nach diesem Maßstab hat der Kläger einen Gehörsverstoß nicht dargelegt: Die Lektüre des Berufungsurteils ergibt, dass sich das Oberverwaltungsgericht mit den vom Kläger benannten Gesichtspunkten befasst hat. Den Statusunterschied zwischen den Beteiligten und den unterschiedlichen "Zulauf" zu den Veranstaltungen hat das Oberverwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils abgehandelt (UA S. 13). Nach seiner Rechtsauffassung sind beide Gesichtspunkte nicht geeignet, um eine Beeinträchtigung der Lehrfreiheit des Klägers durch die "Doppelvergabe" anzunehmen. Auf der Grundlage des Grundrechtsverständnisses des Oberverwaltungsgerichts liegt auf der Hand, dass den Aspekten der Einzügigkeit und der Marginalisierung des Lehrangebots des Klägers keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen kann. Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers zur Bevorzugung des Beigeladenen. Auch belegt dessen Wiedergabe im Tatbestand des Berufungsurteils (UA S. 5), dass ihn das Oberverwaltungsgericht in den Blick genommen hat. Der Kläger legt mit der Gehörsrüge keine Gehörsverletzung dar, sondern wendet sich gegen die ihm nachteilige Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zum Schutzgehalt der Lehrfreiheit von Hochschullehrern nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
Darüber hinaus ist die Gehörsrüge des Klägers auch deshalb nicht geeignet, einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darzulegen, weil das Berufungsurteil auf den behaupteten Verstößen nicht beruhen kann. Denn auch diese Rüge bezieht sich inhaltlich ausschließlich auf die erste selbständig tragende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts.
b) Weiterhin rügt der Kläger, das Oberverwaltungsgericht sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Es habe zu Unrecht angenommen, der Fachbereich habe für beide Lehrveranstaltungen gleiche Ressourcen bereitgestellt. Demgegenüber habe der Fachbereich die Lehrveranstaltung des Beigeladenen bevorzugt, weil er sie im Internetanmeldeportal vor derjenigen des Klägers angeführt und für sie den Raum bereitgestellt habe, in dem die Veranstaltung üblicherweise stattfinde.
Der Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet das Gericht, den im Verfahren festgestellten Sachverhalt seiner Überzeugungsbildung vollständig und richtig zugrunde zu legen. Insbesondere darf es festgestellte Umstände nicht übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339>; Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 27).
Diese Voraussetzungen sind hier offenkundig nicht gegeben. Wie bereits unter 2. a) dargelegt, hat das Oberverwaltungsgericht die Argumente des Klägers nicht übergangen, sondern ihnen auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Dies gilt auch für die vom Kläger beanstandete Ressourcenverteilung. Auch insoweit wendet sich der Kläger in der Sache gegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zum Schutzgehalt der Lehrfreiheit von Hochschullehrern nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.