Entscheidungsdatum: 15.01.2015
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30. April 2013 - 7 Sa 661/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten über die Berechnung einer Ausgleichszulage.
Die 1974 geborene Klägerin ist seit dem 1. Mai 2002 bei der Beklagten beschäftigt. Nach § 2 des am selben Tag geschlossenen Arbeitsvertrags gelten für das Arbeitsverhältnis die „KVB-Tarifverträge“ in der jeweils geltenden Fassung. Diese Haustarifverträge sahen bis zum 30. Juni 2007 die Bemessung des Entgelts nach Vergütungsgruppen und Vergütungsstufen vor. Bei der Stufenzuordnung wurde nach dem Lebensalter differenziert. Die Beschäftigungsdauer wurde mit einer sog. Dienstalterszulage berücksichtigt. Die Klägerin bezog nach diesen Tarifregelungen zuletzt monatlich insgesamt 2.804,33 Euro brutto.
Zum 1. Juli 2007 wurde das Vergütungssystem mit dem Ziel einer altersunabhängigen und damit diskriminierungsfreien Vergütung geändert. Nach § 15 Abs. 2 des Manteltarifvertrags (Tarifvertrag A) in der Fassung vom 1. Juli 2007 (MTV) besteht die Vergütung nunmehr aus der Grundvergütung, der Familienzulage und weiteren Zulagen und Zuschlägen. Die Dienstalterszulage entfiel. In der Grundvergütungstabelle als Anhang B I zum Vergütungstarifvertrag (Tarifvertrag B) in der Fassung vom 1. Juli 2007 (VTV) wird die Vergütungshöhe nach verschiedenen Vergütungsgruppen und die Laufzeit der Vergütungsstufen geregelt. Die Grundvergütung wurde auf das Niveau eines 26-Jährigen mit vier Jahren Tätigkeit festgelegt. Die Lebensaltersstufen wurden durch Stufenlaufzeiten, die sich nach vollendeten Beschäftigungsjahren bestimmen, ersetzt. Nach § 52 MTV wird der Besitzstand des Mitarbeiters nach Maßgabe des Überleitungstarifvertrags (Tarifvertrag K) gewahrt. § 3 des Überleitungstarifvertrags vom 1. Juli 2007 (ÜTV) lautet auszugsweise wie folgt:
|
„§ 3 Ausgleichszulage |
|
(1) |
Mitarbeiter, die … eine höhere Grundvergütung hatten, erhalten den Differenzbetrag zwischen der am 30.06.2007 bezogenen Grundvergütung zuzüglich der Dienstalterszulage, der Maschinenzulage und der Stellenzulage und der am 01.07.2007 bezogenen Grundvergütung als Ausgleichszulage. ... |
|
(2) |
Bei Höhergruppierungen wird die Ausgleichszulage auf die Erhöhung der Grundvergütung angerechnet. Sie darf bei einer Höhergruppierung jedoch höchstens um die Hälfte der Differenz zu der neuen Vergütungsgruppe vermindert werden. Dies gilt entsprechend für die Gewährung von Zulagen gem. § 14 Abs. 3 und 4 des Manteltarifvertrags (TV-A). |
|
(3) |
Im Rahmen einer Herabgruppierung nach dem 01.07.2007 bleibt die Ausgleichszulage unverändert bestehen. |
|
(4) |
Die Ausgleichszulage nimmt ebenfalls an linearen Tariferhöhungen teil. |
|
…“ |
Die in § 3 Abs. 2 Satz 3 ÜTV in Bezug genommenen Regelungen des § 14 Abs. 3 und 4 MTV sehen bei der Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit zum Zwecke der Erprobung oder als Vertretung die Zahlung einer Zulage in Höhe der Differenz zur nächsthöheren Vergütungsgruppe vor.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2007 informierten die Tarifkommissionen der Tarifvertragsparteien die Mitarbeiter der Beklagten über die Änderungen auszugsweise wie folgt:
|
„Für Mitarbeiter, die nach dem bisherigen Vergütungstarifvertrag eine höhere Grundvergütung erhalten haben, ergibt sich aus dieser Neuregelung jedoch kein Nachteil: Sie erhalten den Differenzbetrag zwischen ihrer bisherigen Grundvergütung inklusive Zulagen und der neu festgelegten Grundvergütung als Ausgleichszulage. Diese individuelle Ausgleichszulage wird auch bei sämtlichen Tariferhöhungen sowie bei der Berechnung der Höhe der Leistungszulagen mit berücksichtigt. Eine Senkung der Ausgleichszulage erfolgt bei Höhergruppierungen oder der Gewährung von Zulagen gem. § 14 Abs. 3 und 4 des Manteltarifvertrags (TV-A), und zwar höchstens um die Hälfte der Vergütungssteigerung durch eine solche Maßnahme.“ |
Die Klägerin wurde zum 1. Juli 2007 in die Vergütungsgruppe 5 Stufe 2 eingruppiert. Nach § 2 VTV in Verbindung mit dem Anhang B I zum VTV belief sich die Grundvergütung auf 2.629,73 Euro brutto. Gemäß § 3 Abs. 1 ÜTV leistete die Beklagte aufgrund der zuvor gewährten Vergütung von 2.804,33 Euro brutto eine Ausgleichszulage in Höhe von 174,60 Euro brutto.
Zum 1. Juli 2008 wurde die Klägerin in die Vergütungsgruppe 6 Stufe 2 höhergruppiert. Die Ausgleichszulage wurde nur noch in Höhe von 154,21 Euro brutto gezahlt. Ab dem 1. September 2008 wurde der Klägerin zum Zwecke der Erprobung eine höher zu bewertende Tätigkeit übertragen. Dementsprechend bezog sie eine Zulage gemäß § 14 Abs. 3 MTV. Zum 1. März 2009 erfolgte ihre Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe 7 Stufe 2. Bis März 2011 erhielt sie eine Ausgleichszulage von zuletzt 41,91 Euro brutto.
Ab April 2011 stellte die Beklagte die Zahlung der Ausgleichszulage ein. Die bisherige Leistung habe irrtümlich nicht der tariflichen Regelung entsprochen. Seit September 2008 habe die Klägerin wegen vollständiger Anrechnung keinen Anspruch mehr auf die Ausgleichszulage gehabt.
Mit ihrer gegen den Wegfall der Ausgleichszulage gerichteten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass bei einer weiteren Höhergruppierung nicht von der zum 30. Juni 2007 nach § 3 Abs. 1 ÜTV errechneten Ausgleichszulage auszugehen sei. Vielmehr sei bei jeder Höhergruppierung die sich fiktiv nach dem alten Vergütungssystem daraus ergebende Vergütung zu ermitteln und hiervon die nunmehrige Vergütung nach dem neuen Vergütungssystem abzuziehen. Auf dieser Basis sei die Ausgleichszulage neu zu berechnen und dürfe dann erst nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ÜTV gekürzt werden. Dies entspreche dem in § 52 MTV formulierten Ziel der Besitzstandswahrung, wie es auch in dem Schreiben der Tarifkommissionen vom 12. Juli 2007 zum Ausdruck komme. Es werde nicht nur die Vergütung zum 30. Juni 2007 geschützt, sondern auch die Erwartung der nach dem alten System erzielbaren Vergütung. Die Beklagte habe bis März 2011 ihre Tarifpraxis zutreffend darauf ausgerichtet. Dementsprechend belaufe sich die monatliche Ausgleichszulage auf die zuletzt gewährten 41,91 Euro brutto. Für den Zeitraum von April 2011 bis einschließlich Juli 2012 ergebe sich eine Summe von 670,56 Euro brutto.
Gehe man von der Maßgeblichkeit der zum 30. Juni 2007 errechneten Ausgleichszulage bei jeder Höhergruppierung aus, sei jedenfalls ein Betrag von 39,41 Euro brutto monatlich geschuldet. Die Differenz zwischen der Vergütungsgruppe 6 Stufe 2 (Grundvergütung 2.730,90 Euro brutto) und der Vergütungsgruppe 7 Stufe 2 (Grundvergütung 3.006,68 Euro brutto) betrage 275,78 Euro brutto. Bei Anrechnung der Hälfte dieses Betrags (137,89 Euro) auf die ursprüngliche Ausgleichszulage von 174,60 Euro brutto verbleibe eine Ausgleichszulage von 36,71 Euro brutto. Bei Berücksichtigung zwischenzeitlicher Tariferhöhungen führe dies zu einem verbleibenden monatlichen Ausgleichsbetrag von 39,41 Euro brutto ab April 2011.
Die Klägerin hat beantragt,
|
die Beklagte zu verurteilen, an sie 670,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen. |
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, dass die Ausgleichszulage zum Stichtag der Überleitung nach § 3 Abs. 1 ÜTV zu berechnen gewesen sei und bei Höhergruppierungen nach § 3 Abs. 2 ÜTV jeweils abschmelze. Die Besitzstandssicherung nach § 52 MTV beziehe sich nur auf diese Ausgestaltung durch den ÜTV. Auch das Schreiben der Tarifkommissionen verweise auf die Absenkung der Ausgleichszulage bei Höhergruppierungen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 des Arbeitsvertrags vom 1. Mai 2002 auf eine Ausgleichszulage nach § 3 ÜTV. Diese ist gemäß § 3 Abs. 2 ÜTV bereits seit 1. September 2008 wegen Anrechnungen vollständig entfallen.
1. Bei mehrfachen Höhergruppierungen bzw. Gewährung von Zulagen nach § 14 Abs. 3 oder 4 MTV schmilzt die Ausgleichszulage nach § 3 Abs. 2 ÜTV ab, indem bei jeder Höhergruppierung oder Zulagengewährung auf die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Ausgleichszulage, die aufgrund einer vorangegangenen Höhergruppierung bereits nach § 3 Abs. 2 ÜTV ermittelt wurde, die erneute Erhöhung der Grundvergütung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ÜTV angerechnet wird. Die Verminderung wird dabei zwar wiederum nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ÜTV begrenzt. Wegen des bereits abgesenkten Niveaus kann die neuerliche Anrechnung der Ausgleichszulage aber zu ihrem Wegfall führen.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (BAG 31. Juli 2014 - 6 AZR 759/12 - Rn. 22; 18. Februar 2014 - 3 AZR 808/11 - Rn. 29).
b) § 3 Abs. 2 ÜTV ist demnach entgegen der Auffassung der Revision nicht dahin gehend zu verstehen, dass bei jeder Höhergruppierung die sich fiktiv nach dem alten Vergütungssystem ergebende Vergütung zu ermitteln und zur Grundlage der Neuberechnung der Ausgleichszulage zu machen ist. Das alte Vergütungssystem ist nur für die erstmalige Ermittlung der Ausgleichszulage nach § 3 Abs. 1 ÜTV maßgeblich.
aa) Nach § 3 Abs. 1 ÜTV bemisst sich die Ausgleichszulage nach der Differenz zwischen der Vergütung nach dem alten und dem neuen Vergütungssystem zum Stichtag der Überleitung am 1. Juli 2007. Die Tarifvertragsparteien vereinbarten damit eine Besitzstandssicherung hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Überleitung erreichten Vergütung. Der betroffene Beschäftigte sollte nach seiner Überleitung mindestens in dieser Höhe vergütet werden. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Entgeltsicherung. Wie andere Besitzstandsregelungen dieser Art soll sie den Lebensstandard der Arbeitnehmer erhalten (vgl. BAG 13. November 2014 - 6 AZR 1102/12 - Rn. 35 mwN). Die stichtagsbezogene Absicherung kommt auch in § 3 Abs. 3 ÜTV zum Ausdruck.
bb) § 3 Abs. 2 ÜTV regelt die Entwicklung der Ausgleichszulage bei Höhergruppierungen bzw. Zulagengewährungen nach § 14 Abs. 3 oder 4 MTV.
(1) Im Falle der erstmaligen Höhergruppierung bezieht sich § 3 Abs. 2 Satz 1 ÜTV auf „die“ nach § 3 Abs. 1 ÜTV gebildete Ausgleichszulage, denn § 3 Abs. 2 ÜTV setzt als Regelung einer Anrechnung eine bereits bestehende Ausgleichszulage voraus. Dies kann in dieser Konstellation nur die nach § 3 Abs. 1 ÜTV ermittelte Ausgleichszulage sein.
(2) § 3 Abs. 2 ÜTV erfasst auch weitere Höhergruppierungen, denn sein Satz 1 verwendet den Plural. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 ÜTV gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei einer zweiten Höhergruppierung oder mehreren folgenden Höhergruppierungen die Neuberechnung der Ausgleichszulage anhand eines Vergleichs der Vergütung nach dem alten Vergütungssystem mit der nach dem neuen System nunmehr erzielten Vergütung erfolgen soll. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 ÜTV enthält § 3 Abs. 2 ÜTV keine auf das bisherige Vergütungssystem bezogene Berechnungsvorschrift. Wäre die Auslegung der Revision zutreffend, wären solche Berechnungsvorgaben zu erwarten gewesen, denn dann wäre das alte Vergütungssystem der Maßstab für die erneute Berechnung der Ausgleichszulage gewesen, obwohl es zum 30. Juni 2007 außer Kraft trat und keine Weiterentwicklung durch Tarifvereinbarungen erfahren hat. Das Ziel der Besitzstandswahrung, wie es die Revision versteht, verlöre bei einer zeitlich unbegrenzten Orientierung an den Einkommensverhältnissen zum 30. Juni 2007 mit zunehmendem Zeitablauf seinen Sinn.
(3) Der tarifliche Gesamtzusammenhang lässt darauf schließen, dass das alte Vergütungssystem nur den Ausgangspunkt für die erstmalige Berechnung der Ausgleichszulage nach § 3 Abs. 1 ÜTV bildet, aber bei der weiteren Entwicklung des Arbeitsverhältnisses im neuen System keine Bedeutung mehr hat.
(a) Hierfür spricht der Charakter der Ausgleichszulage als stichtagsbezogene Besitzstandswahrung, wie er in § 3 Abs. 1 ÜTV zum Ausdruck kommt. Dieser Charakter wird durch § 3 Abs. 2 ÜTV, der an § 3 Abs. 1 ÜTV anknüpft, nicht verändert. Eine gesonderte Stichtagsregelung konnte in § 3 Abs. 2 ÜTV nicht erfolgen, denn die Vorschrift bezieht sich auf die Zeitpunkte der jeweiligen Höhergruppierung und nicht auf einen einzelnen Stichtag wie den der Einführung des neuen Vergütungssystems.
(b) Aus § 3 Abs. 4 ÜTV lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass anlässlich einer Höhergruppierung die Ausgleichszulage anhand des fiktiven Gehalts nach der alten Vergütungsordnung neu zu berechnen ist. § 3 Abs. 4 ÜTV bestimmt lediglich, dass auch die Ausgleichszulage - und nicht nur die Grundvergütung - an linearen Tariferhöhungen teilnimmt. Damit besteht kein Bezug zu Vergütungssteigerungen anlässlich einer Höhergruppierung oder Zulagengewährung. Bei diesen handelt es sich nicht um lineare Tariferhöhungen.
(c) Auch das Schreiben der Tarifkommissionen vom 12. Juli 2007 stützt die Auffassung der Revision nicht. Es stellt nur die Regelung des § 3 ÜTV vor und führt dabei ausdrücklich die Absenkung der Ausgleichszulage bei Höhergruppierungen oder Zulagen nach § 14 Abs. 3 und 4 MTV an. Die Hervorhebung der Individualität der Ausgleichszulage lässt keinen Rückschluss auf deren Neuberechnung unter Zugrundelegung des alten Vergütungssystems bei einer Höhergruppierung zu. Die Berücksichtigung bei „sämtlichen Tariferhöhungen“ bezieht sich auf § 3 Abs. 4 ÜTV und nicht auf die Einkommensentwicklung bei Höhergruppierungen, die eben keine Tariferhöhungen darstellen.
(d) Für das Tarifverständnis der Klägerin spricht auch nicht § 52 MTV, wonach der Besitzstand nach Maßgabe des ÜTV gewahrt wird. § 52 MTV hat keinen Regelungsinhalt, der über den des § 3 ÜTV hinausginge.
(4) Die in der Vergangenheit durch die Beklagte anlässlich der Höhergruppierungen bzw. der Zulagengewährung vorgenommene Neuberechnung der Ausgleichszulage ist für die Auslegung des § 3 Abs. 2 ÜTV ohne Bedeutung. Eine tarifliche Übung ist als Auslegungskriterium nur heranzuziehen, wenn nach Wortlaut und Systematik eine eindeutige Tarifauslegung nicht möglich ist sowie beiden Tarifvertragsparteien die tarifliche Handhabung bekannt war und sie diese gebilligt haben. Nur dann erlaubt die Tarifpraxis einen Rückschluss auf den Willen der Tarifvertragspartner bei Vertragsabschluss (BAG 22. Oktober 2009 - 6 AZR 500/08 - Rn. 27).Da bereits Wortlaut und Systematik des Tarifvertrags ein eindeutiges Auslegungsergebnis ermöglichen, kann für die Auslegung auf die tarifliche Übung nicht mehr zurückgegriffen werden. Es kann daher offenbleiben, ob die tarifschließende Gewerkschaft von der Handhabung des § 3 Abs. 2 ÜTV durch die Beklagte überhaupt Kenntnis gehabt hat.
(5) Die Auffassung der Revision ist schließlich mit der Zielsetzung einer diskriminierungsfreien und damit unionsrechtskonformen Neuregelung nicht zu vereinbaren. Die Neufassung sollte der Beseitigung der mit der Vergütung nach Lebensaltersstufen verbundenen Benachteiligung wegen des Alters dienen. Die hier fraglichen Überleitungsvorschriften regeln die Einführung des neuen Tarifsystems unter Berücksichtigung des legitimen Ziels der Besitzstandswahrung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) dürfen sich bei der Umstellung eines Vergütungssystems die bisherigen altersdiskriminierenden Regelungen auf die Berechnung der Vergütung nach dem neuen System aber nur im Rahmen einer zeitlich befristeten Übergangsregelung auswirken. Der EuGH hat die Überleitungsregelungen in den TVöD als angemessen und erforderlich angesehen, weil es sich dabei um Regelungen mit Übergangscharakter handle und die Fortwirkung der wegen der Vergütung nach Lebensaltersstufen im BAT/BAT-O gegebenen Altersdiskriminierung schrittweise nach Maßgabe der Entwicklung der Vergütung der Angestellten verschwinden werde (vgl. EuGH 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 96, 99, Slg. 2011, I-7965; BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 45; 19. Februar 2013 - 6 AZN 2338/12 - Rn. 3; 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 25, BAGE 140, 83; zum Besoldungsrecht EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 53 f.). Die Argumentation der Klägerin steht hierzu im Widerspruch. Nach ihrer Auffassung wäre das diskriminierende und deshalb abgelöste Tarifrecht bei jeder Höhergruppierung zeitlich unbefristet das gültige Bezugssystem. Es würde damit den Übergangscharakter verlieren. Diese sog. Perpetuierung der Altersdiskriminierung würde gegen die unionsrechtlichen Vorgaben verstoßen.
c) Bei einer zweiten Höhergruppierung oder weiteren folgenden Höhergruppierungen ist die bereits bei der vorangegangenen Höhergruppierung nach § 3 Abs. 2 ÜTV reduzierte Ausgleichszulage und nicht die ursprünglich nach § 3 Abs. 1 ÜTV gebildete Ausgleichszulage die Basis für die weitere Anrechnung nach § 3 Abs. 2 ÜTV.
aa) § 3 Abs. 2 Satz 1 ÜTV sieht die Anrechnung der Ausgleichszulage generell „bei Höhergruppierungen“ und damit bei jeder Höhergruppierung vor. Damit wird das Abschmelzen der Ausgleichszulage bei einer solch positiven Entwicklung des Arbeitsverhältnisses angeordnet. § 3 Abs. 2 Satz 2 ÜTV begrenzt jedoch diese Verminderung und verbessert damit die Besitzstandssicherung. Dies gilt ebenfalls bei jeder Höhergruppierung. Maßgeblich sind dabei die zum Zeitpunkt der jeweiligen Höhergruppierung vorliegenden Umstände, denn § 3 Abs. 2 Satz 1 ÜTV bezieht sich auf die dadurch bewirkte Erhöhung der Grundvergütung und § 3 Abs. 2 Satz 2 ÜTV blickt auf die Differenz zu der „neuen“ Vergütungsgruppe.
bb) Mit dieser Sichtweise wäre es nicht vereinbar, wenn sich entsprechend den Hilfserwägungen der Revision die Anrechnung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ÜTV statisch auf die Höhe der Ausgleichszulage zum Zeitpunkt der Überleitung bezöge. Durch die bereits im neuen System erfolgten Höhergruppierungen wurde der nach § 3 Abs. 1 ÜTV vorgenommenen Berechnung die Aktualität entzogen. Die mit § 3 Abs. 1 ÜTV bezweckte Einkommenssicherung ist in dieser Situation nicht mehr erforderlich, denn ein Absinken unter das zum 30. Juni 2007 erreichte Vergütungsniveau ist nicht mehr möglich. Die nach § 3 Abs. 1 ÜTV errechnete Ausgleichszulage ist daher nur noch der Ursprung, aber nicht der bei einer zweiten oder weiteren Höhergruppierung maßgebliche Referenzwert.
2. Die Ausgleichszulage der Klägerin ist demnach mit Wirkung zum 1. September 2008 vollständig abgeschmolzen.
a) Ab der Überleitung zum 1. Juli 2007 erhielt die Klägerin zunächst nach § 3 Abs. 1 ÜTV eine der Höhe nach unstreitige Ausgleichszulage von 174,60 Euro brutto.
b) Anlässlich ihrer Höhergruppierung zum 1. Juli 2008 von der Vergütungsgruppe 5 Stufe 2 in die Vergütungsgruppe 6 Stufe 2 durfte diese Ausgleichszulage gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 ÜTV um die Hälfte der Differenz verringert werden. Der Differenzbetrag zwischen der Grundvergütung der Vergütungsgruppe 5 Stufe 2 (2.629,73 Euro brutto) und der Grundvergütung der Vergütungsgruppe 6 Stufe 2 (2.730,90 Euro brutto) lag bei 101,17 Euro brutto. Die Ausgleichszulage durfte daher um 50,58 Euro brutto verringert werden und hätte folglich 124,02 Euro brutto betragen.
c) Anlässlich der Gewährung der Zulage nach § 14 Abs. 3 MTV zum 1. September 2008 fand bezogen auf diese Ausgleichszulage von 124,02 Euro brutto gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 ÜTV wiederum eine Anrechnung statt. Diese führte zum vollständigen Abschmelzen der Ausgleichszulage.
aa) Es ist nach § 14 Abs. 3 MTV von einer Zulage in Höhe der Differenz zwischen der Grundvergütung der Vergütungsgruppe 6 Stufe 2 und der Vergütungsgruppe 7 Stufe 2 auszugehen. In der Vergütungsgruppe 7 Stufe 2 bestand damals nach dem Anhang B I des VTV ein Anspruch auf 3.006,68 Euro brutto. Diesen Wert legen beide Parteien ihren Berechnungen zugrunde. Auch das Landesarbeitsgericht scheint von diesem Betrag auszugehen, obwohl es für die Vergütungsgruppe 7 Stufe 2 eine Grundvergütung von 3.181,28 Euro brutto angibt. Hierbei handelt es sich offensichtlich um einen Rechenfehler, denn das Landesarbeitsgericht beziffert die Differenz zwischen der Grundvergütung der Vergütungsgruppe 6 Stufe 2 in Höhe von 2.730,90 Euro brutto und der Vergütungsgruppe 7 Stufe 2 ebenso wie die Parteien auf 275,78 Euro brutto.
bb) Hiervon ausgehend durfte die Ausgleichszulage von 124,02 Euro brutto nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ÜTV ab dem 1. September 2008 um die Hälfte der Differenz von 275,78 Euro, dh. 137,89 Euro brutto, verringert werden. Es ergibt sich ein Minus von 13,87 Euro. Die Ausgleichszulage war vollständig abgeschmolzen.
cc) Auf die zum 1. März 2009 erfolgte Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe 7 Stufe 2 kommt es daher nicht mehr an.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
|
Fischermeier |
|
Spelge |
|
Krumbiegel |
|
||
|
|
Jerchel |
|
Kammann |