Entscheidungsdatum: 13.11.2014
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Mai 2013 - 10 Sa 1132/12 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Parteien streiten über die Rückzahlung des dem Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlten Nettoentgelts für März 2008 im Wege der Insolvenzanfechtung.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das auf Eigenantrag des Schuldners vom 13. Mai 2008 am 27. Juni 2008 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das am 20. Januar 2011 in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Der Beklagte war Arbeitnehmer des Schuldners, der im Frühjahr 2008 noch ca. 20 weitere Arbeitnehmer beschäftigte.
Am 20. Februar 2008 trat der Schuldner zahlreiche Forderungen erfüllungshalber an seine Ehefrau ab, die der Kläger erfolgreich angefochten hat. Am 3. März 2008 leitete der frühere Geschäftspartner des Schuldners die Zwangsvollstreckung aus einem am 8. Februar 2008 geschlossenen Schuldanerkenntnis über 820.000,00 Euro, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, ein. Zuvor hatte er mit Schreiben vom 28. Februar 2008 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegenüber einem Drittschuldner erwirkt.
Am 26. März 2008 wurde vom Geschäftskonto des Schuldners, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit mehr als 150.000,00 Euro im Soll befand, ein Betrag von 100.000,00 Euro mit dem Verwendungszweck „Löhne“ auf ein privates Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Der Schuldner war ausweislich der vom Kläger im Termin vom 24. Juli 2012 vorgelegten und vom Arbeitsgericht zur Akte genommenen Bescheinigung der Kreissparkasse O vom 24. Juli 2012 nie Inhaber dieses Kontos und hatte seit Eröffnung im Jahr 1995 zu keiner Zeit Vollmacht über dieses Konto. Am 28. März 2008 überwies die Ehefrau des Schuldners ua. das Nettoentgelt des Beklagten für März 2008 von 2.799,67 Euro. Als Verwendungszweck war „W ARCHITEKTEN“ angegeben. Dem Beklagten wurde das Nettoentgelt am 31. März 2008 mit der Angabe „W Architekten“ gutgeschrieben.
Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.799,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen. |
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Zahlung habe keine inkongruente Deckung bewirkt. Er hat die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in Abrede gestellt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung die Klage abgewiesen. Es hat kongruente Deckung angenommen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt ist. Dazu bedarf es noch der Feststellung des Landesarbeitsgerichts, ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Der Kläger hat die mittelbar über das Konto der Ehefrau des Schuldners bewirkte Erfüllung des (Netto-)Entgeltanspruchs für März 2008 und damit eine Rechtshandlung des Schuldners angefochten. Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 AZR 869/13 - Rn. 12) ausgeführt.
II. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe das Entgelt für März 2008 auf dem erfolgten Zahlungsweg beanspruchen können, weil nur eine geringfügige, die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigende Abweichung vorliege, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie trägt dem Grundgedanken des § 131 InsO nicht hinreichend Rechnung.
1. Die Befriedigung erfolgte nicht in der geschuldeten Art und war damit inkongruent. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine Ausführungen in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 AZR 869/13 - Rn. 14 bis 29). Aus den vom Beklagten herangezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 16. November 2007 (- IX ZR 194/04 - Rn. 25, BGHZ 174, 228) ergibt sich entgegen der Annahme des Beklagten nicht, dass eine Anfechtung nur möglich ist, wenn durch Einschalten eines Leistungsmittlers eine sonst ohne Weiteres anfechtbare Direktzahlung umgangen werden soll. Diese Ausführungen betreffen nicht das Vorliegen einer Inkongruenz, sondern die Frage, ob eine Rechtshandlung vorliegt, die sich als Leistung des Schuldners darstellt, und damit die Frage, wer Anfechtungsgegner ist. Dies macht der letzte Satz der herangezogenen Passage deutlich. Zudem findet sich diese Passage im Rahmen der Prüfung, ob ein konkurrierender, dem im dortigen Prozessverhältnis maßgeblichen Anfechtungstatbestand des § 134 InsO vorgehender Anfechtungsanspruch des Streithelfers nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO gegen die dortige Beklagte als Anfechtungsgegnerin bestehe. Die Inkongruenz ist bei beiden in Betracht kommenden Anfechtungstatbeständen nicht Tatbestandsvoraussetzung. Dementsprechend wird diese Rechtsprechung im einschlägigen Schrifttum auch allein unter dem Stichwort „Urheber der Rechtshandlung/Rechtshandlungen Dritter“ angeführt (MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 129 Rn. 34 und 35). Auch die vom Beklagten zitierte Fundstelle aus dem Schrifttum (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 129 Rn. 28) bezieht sich auf die Frage, wer Handelnder im Sinne einer Rechtshandlung bei einer mittelbaren Zuwendung ist.
2. Der Beklagte konnte erkennen, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte (vgl. zu dieser Voraussetzung BAG 21. November 2013 - 6 AZR 159/12 - Rn. 13, BAGE 146, 323). Er macht ausdrücklich geltend, er sei davon ausgegangen, das Entgelt für März 2008 vom Schuldner als seinem Arbeitgeber erhalten zu haben.
1. Der Beklagte erlangte die inkongruente Deckung Ende März 2008 und damit im zweiten Monat vor dem am 13. Mai 2008 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag. Auch die erforderliche Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 InsO liegt vor. Das ergibt sich aus den Ausführungen des Senats in seiner Entscheidung vom 13. November 2014 (- 6 AZR 869/13 - Rn. 32 bis 39). Soweit der Beklagte auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2007 (- IX ZR 235/03 - Rn. 17) und 9. Juni 2005 (- IX ZR 152/03 - zu II 3 b der Gründe) hinweist und daraus den Schluss zieht, dass bei der Beurteilung, ob eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliege, nicht alle hypothetischen Kausalverläufe ausgeschlossen sein sollten, sondern zwischen naheliegenden und fernliegenden Abweichungen vom normalen Verlauf differenziert werden müsse, missversteht er diese Ausführungen. Sie betreffen zum einen nur die Inkongruenz verfrühter Leistungen, um die es vorliegend nicht geht. Zum anderen sind sie auf den Einwand des Beklagten, der Schuldner habe dasselbe wirtschaftliche Ergebnis auch durch eine nicht anfechtbare Rechtshandlung erzielen können, nicht zu übertragen. Ein solches mögliches tatsächliches Geschehen ist, wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 12. Juli 2007 (- IX ZR 235/03 - Rn. 17) ausdrücklich klargestellt hat, rechtlich unerheblich.
2. Der Rückforderungsanspruch ist nicht verwirkt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom 13. November 2014 (- 6 AZR 869/13 - Rn. 52 f.) verwiesen.
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu der für § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erforderlichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners iSv. § 17 Abs. 2 InsO im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung getroffen. Dies wird es unter Beachtung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 23 ff., BAGE 139, 235; BGH 7. November 2013 - IX ZR 49/13 - Rn. 11; 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12 - Rn. 7 ff.) nachzuholen haben und dabei auch darüber befinden müssen, ob es das vom Kläger eingereichte Schiedsgutachten vom 3. August 2010 verwertet. Sollte es die Zahlungsunfähigkeit bejahen, wird es bei seiner Entscheidung über die Zinsen zu beachten haben, dass der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegensteht. Das bloße Ausschöpfen der Verjährungsfrist begründet keinen Rechtsmissbrauch (vgl. BAG 27. November 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 29, BAGE 128, 317). Es wird weiter berücksichtigen müssen, dass der Rückgewähranspruch ab Insolvenzeröffnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Nach der geltenden Rechtslage entsteht das Anfechtungsrecht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zugleich der Rückgewähranspruch fällig, weil die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (vgl. BGH 1. Februar 2007 - IX ZR 96/04 - Rn. 20, BGHZ 171, 38). Der Zinslauf des Zinsanspruchs (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) beginnt darum am Tag nach der Insolvenzeröffnung (st. Rspr. seit BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 367/13 - Rn. 39 f.).
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