Entscheidungsdatum: 17.03.2016
1. Auf die Beschwerde des Beklagten wird das zweite Versäumnisurteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2015 - 9 Sa 108/15 - aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.381,25 Euro festgesetzt.
I. Die Parteien streiten - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht hat insoweit durch Teilurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden hat. Im ersten Kammertermin zur Verhandlung über die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung des Beklagten erklärte der Beklagtenvertreter, er werde keinen Sachantrag stellen. Daraufhin wies die Kammer des Landesarbeitsgerichts die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts durch Versäumnisurteil zurück. Auf den fristgerecht eingelegten Einspruch des Beklagten bestimmte das Landesarbeitsgericht Termin zur Verhandlung über den Einspruch. Einen Tag vor diesem Termin beantragte der Beklagtenvertreter Terminsverlegung, weil er wegen Verdachts auf Angina Pectoris stationär behandelt worden und noch bis nach dem Termin arbeitsunfähig sei, was er durch entsprechende Bescheinigungen belegte. Daraufhin verlegte das Landesarbeitsgericht den Termin um zwei Wochen. Der Vorsitzende der zuständigen Kammer veranlasste die Zustellung der beglaubigten Abschrift des Versäumnisurteils, die Ladung zum zweiten Termin sowie die Umladung auf den dritten Termin an den Beklagtenvertreter jeweils gegen Zustellungsurkunde, an die Klägervertreterin dagegen gegen Empfangsbekenntnis.
Nach Akteneinsicht lehnte der Beklagte den Vorsitzenden der zuständigen Kammer des Landesarbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2015 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er stützte dies zum einen darauf, dass er die unterschiedliche Behandlung bei den letzten Zustellungen, die zugleich die Zuverlässigkeit seines Prozessbevollmächtigten in Abrede stelle und diesen offensichtlich bloßstellen solle, als willkürliche Ungleichbehandlung empfinde. Darüber hinaus ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit aus den Formulierungen in dem Beschluss, mit dem sein Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem ersten Versäumnisurteil zurückgewiesen worden sei. Die Kammer verwarf das Befangenheitsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden als unzulässig. Das Ablehnungsgesuch diene offensichtlich lediglich einer weiteren Verschleppung des Berufungsverfahrens und einer Verhinderung der Durchführung des anberaumten dritten Kammertermins. Im Anschluss erfolgten Ausführungen dazu, dass die vorgetragenen Ablehnungsgründe auch nicht vorlägen.
Nachdem dieser Beschluss den Parteivertretern im Kammertermin übergeben und ihnen die wesentlichen Entscheidungsgründe mitgeteilt worden waren, stellte der Beklagte einen zweiten Befangenheitsantrag, der sich gegen die gesamte Kammer des Landesarbeitsgerichts richtete. Die Ablehnung des ersten Befangenheitsantrags wegen Verschleppungsabsicht sei abwegig und erwecke den Anschein der Willkür. Die Kammer verwarf auch das zweite Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Es habe erkennbar lediglich dazu gedient, die Durchführung des Termins doch noch zu verhindern. Zudem hätten Sachgründe für eine unterschiedliche Behandlung des Beklagtenvertreters und der Vertreterin der Klägerin bei Zustellungen des Gerichts ebenso wie eine Verschleppungsabsicht vorgelegen. Im Anschluss an diesen Beschluss verkündete die Kammer ein zweites Versäumnisurteil, mit dem sie den Einspruch des Beklagten zurückwies.
II. Die Beschwerde ist statthaft. Gegen ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts findet im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Revision ohne Zulassung statt, weil §§ 72, 72a ArbGG den Zugang zum Bundesarbeitsgericht eigenständig und abschließend regeln und dabei dem besonderen Beschleunigungsbedarf in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten Rechnung tragen. Das gilt auch dann, wenn der Revisionsführer geltend macht, ein Fall schuldhafter Säumnis habe nicht vorgelegen (BAG 5. Juni 2007 - 5 AZR 276/07 - Rn. 3; 22. April 2004 - 2 AZR 314/03 - zu II 2 der Gründe). Demgegenüber kann ein zweites Versäumnisurteil im zivilgerichtlichen Verfahren gemäß § 565 Satz 1, § 514 Abs. 2 ZPO mit der Revision angegriffen werden, soweit diese darauf gestützt wird, ein Fall der schuldhaften Säumnis habe nicht vorgelegen (vgl. zuletzt BGH 26. November 2015 - VI ZR 488/14 - Rn. 5). Dieser unterschiedliche Revisionszugang führt zu keiner Rechtsschutzlücke im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Die beschwerte Partei kann Gehörsverletzungen, zu denen auch die Rüge gehört, eine Säumnis habe nicht bestanden, und absolute Revisionsgründe, insbesondere den absoluten Revisionsgrund der nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts, nach § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG, § 547 Nr. 1 ZPO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorbringen (vgl. BAG 5. Juni 2007 - 5 AZR 276/07 - Rn. 4; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72 Rn. 4a; zur Notwendigkeit, auch im Zivilprozess die Rüge des absoluten Revisionsgrundes gegen ein zweites Versäumnisurteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, vgl. BGH 26. November 2015 - VI ZR 488/14 - Rn. 15 f.).
III. Die Beschwerde ist zulässig und begründet (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG). Die anzufechtende Entscheidung beruht auf der vom Beklagten substantiiert dargelegten (vgl. zu den Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes BAG 5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 20, BAGE 148, 206) Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter und damit auf dem absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO. Die Kammer des Landesarbeitsgerichts war bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht ordnungsgemäß besetzt, weil die Ablehnungsgesuche des Beklagten zuvor unter Mitwirkung der abgelehnten Richter und damit unter Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter beschieden worden waren. Dieser Verstoß strahlt auf das zweite Versäumnisurteil aus.
1. Dem Endurteil vorausgegangene unanfechtbare Entscheidungen unterliegen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. Deshalb ist eine inzidente Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über ein Ablehnungsgesuch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die unter Mitwirkung der erfolglos abgelehnten Richter getroffene Sachentscheidung grundsätzlich ausgeschlossen. Die Partei, deren Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, ist vielmehr auf die beim Ausgangsgericht zu erhebende Anhörungsrüge gemäß § 78a ArbGG zu verweisen (BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 5, BAGE 128, 13).
2. Allerdings kann der absolute Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts ausnahmsweise mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, wenn das Ablehnungsgesuch nicht nur fehlerhaft behandelt worden ist, sondern das Berufungsgericht bei der Bescheidung des Ablehnungsgesuchs Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Dann stellt die in fehlerhafter Besetzung ergangene, die Instanz abschließende Entscheidung einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar. In einem solchen Fall ist auch die dem Ablehnungsgesuch folgende Sachentscheidung mit dem „Makel des Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter behaftet“ (BVerfG 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - Rn. 40). Der Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters wirkt insoweit fort. Aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters muss das Revisionsgericht in dieser Konstellation die im Ablehnungsverfahren vor dem Berufungsgericht erfolgten Verfassungsverstöße im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beheben und die in fehlerhafter Besetzung ergangene Entscheidung aufheben (vgl. BVerfG 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 - Rn. 60 ff., BVerfGK 7, 325; 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 28, BVerfGK 11, 434; 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - Rn. 11, BVerfGK 13, 72; vgl. für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach dem SGG: BSG in st. Rspr. seit 2. November 2007 - B 1 KR 72/07 B - Rn. 4 ff.; zuletzt 22. Juni 2015 - B 9 SB 72/14 B - Rn. 8; für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach der FGO BFH 10. März 2015 - V B 108/14 - Rn. 6; für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach dem ArbGG bisher offengelassen, vgl. zuletzt BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 23).
3. Die Beschwerde rügt zu Recht, dass dem Landesarbeitsgericht bei der Behandlung der beiden Ablehnungsanträge ein Verstoß unterlaufen ist, der sich auch auf das zweite Versäumnisurteil noch auswirkte. Die Entscheidung in der Sache unter Mitwirkung der abgelehnten Richter stellte deshalb einen eigenständigen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters dar. Das führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Nach ständiger Rechtsprechung hat dieses grundrechtsgleiche Recht über die Abwehr einer sachwidrigen Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die Verfahrensordnungen müssen darum Regelungen vorsehen, die es ermöglichen, einen Richter, bei dem diese Gewähr nicht (mehr) gegeben ist, von der Ausübung seines Amtes abzulösen (BVerfG 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 13 f.).
b) Wird im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Richter als befangen abgelehnt, wird gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 45 Abs. 1 ZPO über das Ablehnungsgesuch ohne seine Mitwirkung entschieden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste. Gleichwohl ist anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden darf. Hierzu zählen ua. die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solches sowie das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuch (vgl. BVerfG 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 15; zu weiteren Fallgruppen vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 45 Rn. 4).
c) Diese differenzierende Zuständigkeitsregelung in Fällen der Richterablehnung steht im Einklang mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieser erlaubt es in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dem abgelehnten Richter, an der Behandlung des Ablehnungsgesuchs mitzuwirken und so ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren zu vermeiden. Diese Abweichung von der gesetzlichen Regel ist jedoch nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Voraussetzung ist, dass die Prüfung des Gesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache darstellt. Erlaubt sind nur echte Formalentscheidungen und Entscheidungen, die einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern sollen. Ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch kann deshalb nur angenommen werden, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn das Ablehnungsgesuch Handlungen des Richters beanstandet, die nach der Zivilprozessordnung oder dem Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschrieben sind oder die sich ohne weiteres aus der Stellung des Richters ergeben. Unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch daher auch im Lichte des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG betrachtet dann, wenn der Ablehnende die bloße Tatsache beanstandet, ein Richter habe an einer Vor- oder Zwischenentscheidung mitgewirkt. Unzulässig ist das Gesuch auch, wenn sich der Richter an den von der Zivilprozessordnung bzw. dem Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschriebenen Verfahrensgang hält, der Ablehnende aber eine Änderung begehrt. Eine Verwerfung des Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ist daher grundsätzlich nur dann mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein - ohne jede weitere Aktenkenntnis - offenkundig die Ablehnung nicht zu begründen vermag. Ist hingegen ein - wenn auch nur geringfügiges - Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet die Ablehnung des Gesuchs als unzulässig unter Mitwirkung des abgelehnten Richters aus. Eine gleichwohl erfolgte Entscheidung durch den abgelehnten Richter selbst ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen. Überschreitet das Gericht bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs die ihm gezogenen Grenzen, kann dies seinerseits die Besorgnis der Befangenheit begründen (BVerfG für den Zivilprozess in st. Rspr. seit 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - Rn. 19 f., BVerfGK 11, 434; vgl. auch 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - Rn. 21, BVerfGK 13, 72; 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - Rn. 16 ff.).
d) Bei Anlegung dieses verfassungsrechtlichen Maßstabs zur Differenzierung zwischen einer mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG noch zu vereinbarenden Selbstentscheidung und einer unter Mitwirkung des abgelehnten Richters erfolgten Entscheidung, die von dieser Verfassungsnorm nicht mehr gedeckt ist, hat das Landesarbeitsgericht mit beiden Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche des Beklagten die ihm von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen überschritten.
aa) Das erste Ablehnungsgesuch hat das Landesarbeitsgericht als rechtsmissbräuchlich angesehen und darum unter Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden entschieden. Es hat angenommen, das Ablehnungsgesuch diene offensichtlich lediglich einer weiteren Verschleppung des Berufungsverfahrens und einer Verhinderung der Durchführung des nunmehr anberaumten dritten Kammertermins. Die Begründung der Verschleppungsabsicht bedurfte jedoch einer Auseinandersetzung mit dem Prozessverlauf und mit dem Akteninhalt (vgl. für das Strafverfahren BVerfG 5. Juli 2005 - 2 BvR 497/03 - zu C III 2 b bb (1) der Gründe). Das hat das Landesarbeitsgericht auch erkannt und ansatzweise mit dem Hinweis auf den anberaumten dritten Kammertermin eine Herleitung der Verschleppungsabsicht versucht. Darüber hinaus erforderte die inhaltliche Bescheidung des ersten Ablehnungsgesuchs, das auf die unterschiedliche Behandlung der Prozessvertreter der Klägerin und des Beklagten bei Zustellungen sowie auf die Formulierung der Zurückweisung des Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem ersten Versäumnisurteil gestützt war, eine Auseinandersetzung mit dem insoweit gerügten Verhalten des abgelehnten Vorsitzenden unter Berücksichtigung des von der Zivilprozessordnung und dem Arbeitsgerichtsgesetz gesteckten Rahmens. Insbesondere bedurfte die Abweichung von der durch § 174 ZPO ermöglichten und bei anwaltlicher Vertretung einer Partei auch im Arbeitsgerichtsverfahren üblichen Zustellung gegen Empfangsbekenntnis einer Rechtfertigung. Eine Entscheidung über den ersten Befangenheitsantrag war dem Vorsitzenden daher verwehrt (vgl. BVerfG 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - Rn. 33). Der Umstand, dass die Kammer gleichwohl angenommen hat, der abgelehnte Vorsitzende könne an der Verwerfung des Befangenheitsantrags mitwirken, belegt, dass sie die Tragweite des Rechts auf den gesetzlichen Richter verkannt hat.
bb) Das zweite Ablehnungsgesuch war zwar entgegen den Ausführungen auf S. 20 der Beschwerdebegründung nicht auf die von der Kammer angenommene Kompetenz zur Entscheidung über das erste Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden, sondern allein darauf gestützt, die Annahme der Verschleppungsabsicht erwecke den Anschein der Willkür. Gleichwohl hat die Kammer auch bei der Entscheidung über das zweite Ablehnungsgesuch Tragweite und Bedeutung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters verkannt. Auch dieses Gesuch erforderte zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit dem bisherigen Verfahrensablauf und dem prozessualen Verhalten des Vorsitzenden, insbesondere mit den Gründen der Entscheidung über das erste Ablehnungsgesuch. Tatsächlich setzt sich der Beschluss, mit dem über das zweite Ablehnungsgesuch befunden worden ist, unter 1 b ausführlich mit der Frage der berechtigten Annahme einer Verschleppungsabsicht im Beschluss über das erste Befangenheitsgesuch auseinander. Unter 1 a erfolgt eine detaillierte Rechtfertigung der Anordnung von Zustellungen per Zustellungsurkunde. Auf die Frage, ob das gegen die gesamte Kammer eingereichte Ablehnungsgesuch unzulässig war (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Ablehnung des gesamten Spruchkörpers vgl. nur BAG 7. Februar 2012 - 8 AZA 20/11 - Rn. 6, BAGE 140, 336; BGH 8. Juli 2015 - XII ZA 34/15 - Rn. 3; zur ausnahmsweisen Zulässigkeit, den gesamten Spruchkörper abzulehnen, wenn sich der angeführte Befangenheitsgrund notwendig gegen alle Richter richtet, etwa wenn die Befangenheit aus konkreten, in einer Kollegialentscheidung enthaltenen Anhaltspunkten hergeleitet wird, vgl. BVerwG 8. März 2006 - 3 B 182.05 - Rn. 4), ist die Kammer nicht eingegangen und hat die Verwerfung darauf nicht gestützt. Deshalb hat die Kammer in eigener Sache entschieden und damit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schwerwiegend verletzt (vgl. BGH 10. April 2008 - 4 StR 443/07 - Rn. 12).
4. Da bereits die gerügte Verletzung des absoluten Revisionsgrundes des § 547 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung der anzufechtenden Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht führt, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren Rügen des Beschwerdeführers, mit denen er die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit dem Erlass des zweiten Versäumnisurteils geltend macht.
5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat in analoger Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG iVm. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände des Falls von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zu verweisen (zur analogen Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO BAG 5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 35 ff., BAGE 148, 206; zur Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer des LAG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).
6. Durch die Zurückverweisung sind die gestellten und bisher nicht ordnungsgemäß beschiedenen Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden der Neunten Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts sowie die Neunte Kammer dieses Gerichts in der Besetzung der Verhandlung vom 22. Oktober 2015 obsolet.
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Fischermeier |
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Spelge |
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Krumbiegel |
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Uwe Zabel |
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Matiaske |