Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 28.02.2018


BVerwG 28.02.2018 - 6 A 3/18

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
28.02.2018
Aktenzeichen:
6 A 3/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:280218B6A3.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss

Gründe

1

Der Beklagten ist die Vorlage der in der Beschlussformel genannten Unterlagen gemäß § 86 Abs. 1 VwGO und § 99 Abs. 1 VwGO aufzugeben. Der Senat muss diese Unterlagen prüfen, um über das Aktennutzungsbegehren entscheiden zu können, das der Kläger auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 i.V.m. § 10 Abs. 1 BArchG verfolgt.

2

1. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die genannten Unterlagen anfragegegenständlich und älter als 30 Jahre sind.

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2. Die Beklagte sieht jedoch den Bundesnachrichtendienst wegen zwingender Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes befugt, die in Rede stehenden Unterlagen der Signaturen 21228, 21229 und 27075 nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG zurückzuhalten und die bezeichneten Dokumente der Signaturen 21229 OT und 200920 nach § 11 Abs. 6 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) nur in teilweise geschwärzter Form zur Nutzung freizugeben. Um überprüfen zu können, ob die in Anspruch genommenen Befugnisse bestehen, muss der Senat Einsicht in die ungeschwärzten Unterlagen nehmen (vgl. zur inzidenten Prüfung auch der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG in einem Nutzungsstreit: BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 6 A 1.15 [ECLI:DE:BVerwG:2017:120917B6A1.15.0] - juris Rn. 3 ff.).

4

Wenn sich der Bundesnachrichtendienst unter Verweis auf den nachrichtendienstlichen Quellen- bzw. Methodenschutz darauf beruft, dass Unterlagen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG einer Nutzung entzogen seien oder eine solche nach § 11 Abs. 6 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 BArchG a.F.) einzuschränken oder zu versagen sei, muss der Senat grundsätzlich in jedem Fall - und damit hier im Hinblick auf alle betroffenen Unterlagen der Signaturen 21228, 21229, 21229 OT, 27075 und 200920 - prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Quelle, deren Schutz geltend gemacht wird, für den Bundesnachrichtendienst tätig geworden ist. Handelt es sich um einen bereits verstorbenen Informanten, der bei lange zurückliegenden, abgeschlossenen Vorgängen eingesetzt worden ist, muss ferner eine Prognose getroffen werden, ob die Offenlegung der Unterlagen zu einer aktuellen Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes führt. Ist es wahrscheinlich, dass ein Informant nicht mehr lebt, konnte das Todesjahr jedoch bisher nicht festgestellt werden, muss zudem vorab die Klärung versucht werden, ob er bereits verstorben ist; auf die Vermutung, dass ein Informant nicht mehr schutzwürdig ist, wenn seit seiner Geburt mehr als 90 Jahre vergangen sind (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 10.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:201216B20F10.15.0] - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 70 Rn. 13), kann erst abgestellt werden, wenn andere Aufklärungsmaßnahmen nicht zum Erfolg führen (zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 6 A 1.15 - juris Rn. 11, 17, 19, 20, 21, 22). Diese Maßgaben gelten für die genannten Unterlagen der Signaturen 21228, 21229 und 27075, soweit der Bundesnachrichtendienst ihrer Nutzung den Schutz von Quellen entgegenhält, die verstorben sind oder deren Todesdatum von ihm nicht ermittelt werden konnte.

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3. Was die in Rede stehende Unterlage der Signatur 100609 OT anbelangt, beruft sich der Bundesnachrichtendienst auf schutzwürdige Interessen Betroffener bzw. Belange Dritter, die im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BArchG (§ 5 Abs. 6 Nr. 2 BArchG a.F.) einer Nutzung entgegenstünden. Der Senat muss die ungeschwärzte Unterlage einsehen, um zu klären, ob die fraglichen Personen noch leben und, falls dies der Fall ist, ihre persönlichen Daten nach Maßgabe des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG noch schutzwürdig sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2017 - 6 A 1.15 - juris Rn. 16).