Entscheidungsdatum: 20.04.2016
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 14. September 2015 mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über den Verfall aufgehoben, soweit der Angeklagte L. betroffen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das genannte Urteil wird verworfen, soweit der Angeklagte S. betroffen ist. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels sowie die diesem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen siebenfacher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, beim Angeklagten L. jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall bewaffnet, in sechs Fällen zudem in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, beim Angeklagten S. jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig gesprochen. Den Angeklagten L. hat es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten S. zu einer solchen von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es hinsichtlich des Angeklagten L. eine Maßregelentscheidung getroffen und in Bezug auf beide Angeklagte den erweiterten Verfall sichergestellter Geldbeträge angeordnet (beim Angeklagten L. 782,28 €, beim Angeklagten S. 175 €).
Gegen das Urteil richten sich jeweils auf die Verfallsentscheidung beschränkte Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben nur hinsichtlich des Angeklagten L. Erfolg.
1. Das Landgericht hat errechnet, dass der Angeklagte L. aus dem Verkauf des von ihm mit dem Angeklagten S. eingeführten Crystal insgesamt 45.096,30 € erlangt und der Angeklagte S. für seine Tatbeteiligung Lohn in Höhe von 11.050 € erhalten hat. Es hat hinsichtlich beider nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Variante 1 StGB vom Wertersatzverfall über die bei ihnen sichergestellten Geldbeträge hinaus abgesehen.
a) Nach den landgerichtlichen Feststellungen sind die Verkaufserlöse aus dem vom Angeklagten L. betriebenen Drogenhandel nicht mehr in dessen Vermögen vorhanden. Der Angeklagte habe das Geld zur Sicherung seines Lebensunterhalts und zur Befriedigung seiner Drogensucht verwendet. Er verfüge über keine vermögenswerten Gegenstände. Zudem habe das Finanzamt bereits zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bezüglich der Erlöse Umsatzsteueransprüche gegen ihn geltend gemacht.
b) Ausweislich der Feststellungen hat auch der Angeklagte S. die von ihm erlangten Geldbeträge vollständig verbraucht. Er verfüge nur noch über ein Guthaben von 77 €, das die kontoführende Bank für sich beanspruche. Ferner gehöre ihm ein 15 Jahre alter Audi A 6 mit einem Zeitwert von 9.500 €, den er nicht mit Drogengeldern, sondern allenfalls mit von ihm unterschlagenem Bargeld finanziert habe. Zwar habe er anders als sein Mitangeklagter die Drogengelder vornehmlich für den Erwerb nicht lebensnotwendiger Gegenstände eingesetzt. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung werde ihm der bei einer bevorstehenden Notveräußerung des Fahrzeugs zu erzielende, vermutlich unterhalb des Zeitwerts liegende Erlös aber bereits im Blick darauf nicht mehr zur Verfügung stehen, dass er seine notwendigen Auslagen im Strafverfahren zu tragen habe.
c) Hinsichtlich beider Angeklagter hat das Landgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidungen gewichtet, dass den noch recht jungen, bislang nicht bzw. gering und nicht einschlägig bestraften Angeklagten der Start in ein straffreies Berufsleben nach Verbüßung langjährigen Freiheitsentzuges nicht durch beträchtliche Verfallsschulden erschwert werden solle.
2. Die gegen den Angeklagten L. getroffene Verfallsentscheidung kann keinen Bestand haben. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 12. Januar 2016 zutreffend ausgeführt:
„Das Landgericht hat schon den Wert des Erlangten nicht rechtsfehlerfrei bestimmt (UA S. 39). Bei einem Verkaufspreis von 22 Euro ergeben sich aus den verkauften Mengen der Taten 1 bis 6 Einnahmen von 183.300 € (8.500 g minus 168 g [Eigenverbrauch] mal 22 €). Im Hinblick auf die Höhe des erlangten Geldbetrages (183.300 € anstatt 45.096,30 €) innerhalb von sechs Monaten ist die Annahme, der Angeklagte habe von den Einnahmen (maßgeblich) seinen Lebensunterhalt finanziert, nicht tragfähig. Für den Ankauf der Drogen musste nur (einmal) ein Betrag von 19.500 € 'erwirtschaftet' und angespart werden. Die Betäubungsmittelmenge zum Eigenkonsum wurde dagegen von den erworbenen Mengen 'abgezweigt'.
Eine 'Steuerlast' kann nur Berücksichtigung finden, wenn die Steuern tatsächlich gezahlt oder jedenfalls bestandskräftig festgesetzt worden wären (vgl. Senat in BGHSt 47, 260 und NJW 2012, 92; BGH, wistra 2004, 227).“
3. Hingegen begegnet die Verfallsentscheidung gegen den Angeklagten S. im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht hat die Entreicherung des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt. Gleichfalls rechtsfehlerfrei hat es den einzigen – mit den verfahrensgegenständlichen Taten nicht in Zusammenhang stehenden – Vermögenswert des Angeklagten (nur) im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt (st. Rspr., vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 43; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92 mwN) und gegen das Resozialisierungsinteresse nach Verbüßung der Freiheitsstrafe abgewogen (st. Rspr., vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, NJW 2003, 300; insoweit in BGHSt 48, 40 nicht abgedruckt). Wenn es hierbei auch den Umstand einbezogen hat, dass der Erlös aus der Notveräußerung des Autos dem Angeklagten in Anbetracht im Strafverfahren entstandener und von ihm zu tragender notwendiger Auslagen bei seiner Entlassung nicht mehr zur Verfügung stehen werde, so ist hiergegen rechtlich nichts zu erinnern. Namentlich ist dem angefochtenen Urteil nicht die – offensichtlich rechtsfehlerhafte – Auffassung zu entnehmen, dass der Verfall denselben Zwecken diene wie die Kostentragungspflicht im Strafverfahren, mithin die Belastung eines Angeklagten mit den Kosten und Auslagen des Verfahrens den Verfall stets oder auch nur in der Regel entbehrlich machen könne. Vielmehr hat das Landgericht ausschlaggebend auf die Gefährdung der Resozialisierung des dann vermögenslosen Angeklagten abgestellt, die im Fall hoher Verfallsschuld bei seiner Entlassung aus der Strafhaft eintreten würde.
Sander König Berger
Bellay Feilcke