Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 30.06.2015


BGH 30.06.2015 - 5 StR 71/15

Störung der Totenruhe: Begriff der "Asche"


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
30.06.2015
Aktenzeichen:
5 StR 71/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Hamburg, 18. Juni 2014, Az: 2 Ss 4/15
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Zur „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB gehören sämtliche nach der Einäscherung verbleibende Rückstände, d.h. auch die vormals mit einem Körper fest verbundenen, nicht verbrennbaren Bestandteile.

Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten G.   wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Juni 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO

a) dahingehend abgeändert, dass sie wegen Beihilfe zur Störung der Totenruhe in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwahrungsbruch unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt ist, und

b) aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass wegen eines Geldbetrages in Höhe von 217.591,47 € sowie wegen ca. 1,344 kg Zahngoldbruchs von der Anordnung von Verfall bzw. Wertersatzverfall nur deshalb abgesehen wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Diese Feststellungen entfallen.

2. Auf die Revisionen der Angeklagten L.       , K.   , M.    und Ga.      wird das genannte Urteil hinsichtlich der Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO dahingehend abgeändert (§ 349 Abs. 4 StPO), dass das jeweils nach § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO zu bezeichnende Erlangte bzw. der nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO zu bezeichnende Geldbetrag

a) bei dem Angeklagten L.     137.922,54 €,

b) bei dem Angeklagten K.   45.685 €

c) bei dem Angeklagten M.   370 g Zahngoldbruch und 58.500 € sowie

d) bei dem Angeklagten Ga.     79.834,50 € beträgt.

3. Auf die Revisionen der Angeklagten L.       und K.   werden die Einzelstrafen in den Fällen

a) 129 und 134 jeweils auf vier Monate (Angeklagter L.     ) und

b) 176 und 177 jeweils auf drei Monate (Angeklagter K.  ) festgesetzt.

4. Die weitergehenden Revisionen der genannten Angeklagten und die Revision des Angeklagten S.    werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

5. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagte G.   wegen Beihilfe zur Störung der Totenruhe in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwahrungsbruch in 110 Fällen, zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Die übrigen Angeklagten hat das Landgericht ebenfalls zu Bewährungsstrafen wegen Störung der Totenruhe in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwahrungsbruch verurteilt, und zwar den Angeklagten L.       in 25 Fällen, den Angeklagten K.   in 37 Fällen, die Angeklagten S.       und Ga.       jeweils in 24 Fällen sowie den Angeklagten M.   in 23 Fällen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass die Angeklagten durch die Taten Vermögensvorteile erlangt haben – der Angeklagte L.       178.377,09 €, der Angeklagte K.   47.185 €, der Angeklagte S.     4.000 €, der Angeklagte M.   60.000 € und 370 g Zahngoldbruch und der Angeklagte Ga.       81.334,50 € – und dass lediglich deshalb nicht auf Verfall bzw. Wertersatzverfall erkannt wird, weil insoweit Ansprüche Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten L.      , K.   , S.       , M.     und Ga.       sowie der inzwischen verstorbene Ehemann der Angeklagten G.   als Bediener für Einäscherungsanlagen im Krematorium H.              beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte es, nach einem Verbrennungsvorgang ein Metallfach aus dem Ofen zu nehmen, in welchem sich Verbrennungsrückstände befanden, und diese mit Hilfe einer kleinen Handgartenharke nach größeren Metallteilen, insbesondere künstlichen Gelenken, zu durchsuchen, die sonst in einem späteren Arbeitsschritt die Knochenmühle beschädigt hätten. Diese waren in einen Sammelbehälter einzuwerfen und wurden durch das Krematorium veräußert. Darüber hinaus hatten die genannten Angeklagten Zahngold, Schmuckreste und sonstige Wertmetalle aus den Verbrennungsrückständen zu entnehmen und in einem gesonderten Behältnis abzulegen. Diese werthaltigen Gegenstände stellten wegen ihrer geringen Größe keine Beschädigungsgefahr für die Knochenmühle dar; vielmehr wollten die Hamburger Friedhöfe sich diese aneignen, veräußern und den Erlös der Kinderkrebshilfe spenden. Anschließend wurden die verbliebenen Rückstände in einer Knochenmühle gemahlen und automatisch in die jeweilige Urne gefüllt. Schwere Rückstände verblieben nach dem Mahlvorgang jedoch in einem Sammelfach der Mühle und wurden von den Bedienern nochmals sortiert. Dabei sollten Gegenstände entfernt werden, die, wie etwa metallische Sargbestandteile, erkennbar nicht der verstorbenen Person zuzuordnen waren. Auch insofern galt die Dienstanweisung, dass werthaltige Kleingegenstände im Behälter gesammelt werden sollten. Nach dieser Sortierung wurden die letzten Verbrennungsreste in die Urne gegeben, die danach verschlossen wurde.

3

Die Angeklagten L.    , K.   , S.       , M.     und Ga.       sowie der Ehemann der Angeklagten G.    entnahmen im Rahmen ihrer Tätigkeit an den Einäscherungsanlagen des Krematoriums in diversen Fällen Zahngoldbruch aus den Verbrennungsresten der zuvor eingeäscherten Verstorbenen. Dies geschah entweder bei der Durchsuchung der Rückstände nach großen Gegenständen oder bei der Sortierung der Rückstände, die aus der Knochenmühle entnommen wurden. Die Angeklagte G.    erklärte sich spätestens im Jahr 2003 dazu bereit, die von ihrem Ehemann entwendeten Kremierungsrückstände in regelmäßigen Abständen in Scheideanstalten zu veräußern, was sie auch tat.

II.

4

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Entwenden von Zahngold den Tatbestand der Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) erfüllt. Insbesondere handelt es sich bei Zahngold um „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB. Denn zu dieser gehören nach zutreffender Ansicht sämtliche nach der Einäscherung verbleibenden Rückstände, d.h. auch die vormals mit einem Körper fest verbundenen fremden Bestandteile, die nicht verbrennbar sind (vgl. OLG Bamberg, NJW 2008, 1543; OLG Hamburg, NJW 2012, 1601; Dippel in LK-StGB, 12. Aufl., § 168 Rn. 40; Kuhli in Matt/Renzikowski, StGB, 2013, § 168 Rn. 7; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 168 Rn. 2; Lenckner/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 168 Rn. 3).

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a) Diese Auslegung ist mit dem allgemeinen Sprachgebrauch zu vereinbaren und überschreitet nicht die äußerste Wortlautgrenze (Art. 103 Abs. 2 GG; vgl. BVerfGE 71, 108, 115; 87, 209, 224; 126, 170, 197). Soweit dementgegen vertreten wird, nach einem seit Jahrhunderten bestehenden, unverändert gebliebenen Wortverständnis sei mit dem Begriff Asche allein ein pulveriger staubartiger Verbrennungsrückstand gemeint, der vom Feuer unversehrte Gegenstände nicht erfasse, trifft dies nicht zu (aM OLG Nürnberg, NJW 2010, 2071, 2073 f.; MüKo-StGB/Hörnle, 2. Aufl., § 168 Rn. 11; NK-StGB/Stübinger, 4. Aufl., § 168 Rn. 7). Vielmehr ist der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch nicht eindeutig definiert. Über die Bedeutung eines staubig-pulverigen Rückstands verbrannter Materie (so etwa Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 1, 3. Aufl., S. 300) hinaus wird Asche nämlich auch allgemein als „Verbrennungsrückstand“ beschrieben und etwa als „die bei der Verbrennung pflanzlicher oder tierischer Substanzen zurückbleibenden unverbrennlichen anorganischen Bestandteile“ (Der Große Brockhaus, 15. Aufl. 1929, Zweiter Band, S. 730) oder als „die von einem durch Verbrennung zerstörten organischen Körper übrigbleibenden anorganischen unverbrennlichen Bestandteile“ (Brockhaus‘ Conversations Lexikon, Zweiter Band, 13. Aufl. 1882, S. 43) definiert (vgl. auch Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 2, 1971, S. 682). Nach diesem Begriffsverständnis ist kremiertes Zahngold durch das Tatbestandsmerkmal umfasst (ebenso OLG Bamberg, aaO S. 1544 mwN; OLG Hamburg, aaO S. 1606).

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b) Für diese auf sämtliche Verbrennungsrückstände des menschlichen Körpers abstellende Auslegung des Aschebegriffs spricht zudem der Wille des historischen Gesetzgebers.

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Das Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 schützte in § 168 zunächst nur den „Leichnam“ und in § 367 Abs. 1 Nr. 1 „Teile des Leichnams“ (RGBl. 1871, S. 127). Die Feuerbestattung wurde durch das Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (RGBl. I S. 380) – nachfolgend Feuerbestattungsgesetz 1934 – einheitlich geregelt und ist mittlerweile in die in den verschiedenen Bundesländern erfolgten Neuregelungen des Friedhofs- und Bestattungsrechts einbezogen worden (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Aufl. 2010, S. 232). Der strafrechtliche Schutz der „Asche eines Verstorbenen“ war Gegenstand unterschiedlicher Entwürfe zum Deutschen Strafgesetzbuch (vgl. etwa § 158 Vorentwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs 1909; § 225 des Entwurfs der Strafrechtskommission 1913; § 218 des Entwurfs von 1919; vgl. dazu Denkschrift zu dem Entwurf von 1919, S. 167; § 170 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1925), hat aber erst mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I 1953, S. 735) Eingang in die Vorschrift des § 168 StGB gefunden, dies allerdings unter ausdrücklicher Anlehnung an die früheren Entwürfe (vgl. BT-Drucks. I/3713, S. 37) und damit an die diesen zugrundeliegenden Erwägungen.

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In der Begründung zum Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909 heißt es etwa, dass die sich bei einer Feuerbestattung „ergebenden Aschereste aber den gleichen Schutz gegen einen pietätlosen Zugriff verdienen“ und „nach dem Vorbild ausländischer Gesetzgebungen dem Leichnam die Asche eines Verstorbenen gleichgestellt“ werden sollen (vgl. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909, Begründung, S. 520). Die Begründung verweist auf das in der Literatur herangezogene Vorbild im italienischen Recht (vgl. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909, Begründung, aaO Fn. 2 mit Hinweis auf Kohler, Studien aus dem Strafrecht I, 1890, S. 222 f.; Merkel, Der Leichenraub, 1904, S. 47 f.; Kahl in Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Dritter Band, Religionsvergehen, 1906, S. 103, s. auch S. 63, 66, 71, 79). Die in diesem Zusammenhang verwendete Formulierung „Aschenreste“, die im Bestattungsrecht synonym für das Wort „Asche“ gebraucht wird (vgl. etwa § 6 Preußisches Feuerbestattungsgesetz vom 14. September 1911; § 9 Feuerbestattungsgesetz 1934; § 10 der Verordnung über die Durchführung des Feuerbestattungsgesetzes vom 26. Juni 1934, RGBl. I 519; § 6 Abs. 4 der Verordnung über die Anforderungen für den Betrieb von Feuerbestattungsanlagen im Land Brandenburg vom 4. September 2002; § 20 Abs. 3 Hessisches Friedhofs- und Bestattungsgesetz vom 5. Juli 2007; Hellwig, Feuerbestattung und Rechtspflege 1911, 14 f.; Gaedke, aaO S. 110, 238, 240 f.), macht deutlich, dass historisch mit „Asche“ sämtliche Reste des verbrannten menschlichen Körpers gemeint waren. Dementsprechend war unter der Geltung des ursprünglichen Straftatbestandes bemängelt worden, dass die bei der Feuerbestattung zurückbleibende Asche nicht geschützt sei: „Eine ausdrückliche Bestimmung, kraft deren auch die Reste der Feuersbestatteten geschützt werden, würde zur Aufnahme bei einer Revision unseres Strafgesetzbuches also wohl zu empfehlen sein …“ (vgl. Merkel, aaO S. 48). „Auch diejenigen Orte, an welchem die nach Verbrennung verbliebenen Reste des menschlichen Leichnams bestimmungsgemäß aufbewahrt werden, [sollten] Gräber im rechtlichen Sinne werden“ (Kahl, aaO S. 71). Denn in einem Urnengrab ruhten die „individuell gesonderten leiblichen Überreste des Todten …, und auch in dieser Gestalt haben sie Anspruch auf Frieden“ (Kohler aaO). Damit waren die Verbrennungsreste eines menschlichen Körpers, die nicht ausnahmslos – wie auch der Einsatz der Knochenmühle im Krematorium zeigt – einen pulverigen Zustand aufweisen, historisch in ihrer Gesamtheit als schützenswert anerkannt. Hieran knüpfte der Gesetzgeber mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz ausdrücklich an (vgl. BT-Drucks. I/3713, S. 37).

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c) Es streiten auch systematische und teleologische Erwägungen für eine Einbeziehung kremierten Zahngoldes in den Begriff der Asche im Sinne des § 168 StGB.

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(1) Schutzgüter des § 168 Abs. 1 StGB sind jedenfalls das Pietätsgefühl der Allgemeinheit sowie der postmortale Persönlichkeitsschutz des Toten (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2005 – 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 89; RGSt 39, 155, 156; Dippel, aaO Rn. 2; BT-Drucks. IV/650, S. 346; 13/8587, S. 22 f.). Dieser Schutz gebührt der sterblichen Hülle und den Überresten (vgl. BT-Drucks. IV/650, aaO) eines Menschen in ihrer Gesamtheit, wie die tatbestandliche Erfassung von Teilen des Körpers eines verstorbenen Menschen zeigt. Er bezieht sich auf den zum Objekt gewordenen, einen Rückstand der Persönlichkeit darstellenden Menschenrest (vgl. von Bubnoff, GA 1968, 70, 72; Czerner, ZStW 2003, 91, 97).

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(2) Zum Körper eines Menschen gehören auch künstliche Körperteile, wie das Zahngold, die durch die Einbeziehung in die Körperfunktion ihres Trägers ihre Sachqualität verloren haben und nicht ohne Verletzung der Körperintegrität entfernt werden können; sie genießen damit ebenso das besondere Persönlichkeitsrecht am Körper wie die natürlichen Körperteile (vgl. OLG Bamberg, aaO S. 1544; Dippel, aaO Rn. 37; Hörnle, aaO Rn. 9; Lenckner/Bosch, aaO; Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 90 Rn. 3, MüKo-BGB/Stresemann, 6. Aufl., § 90 Rn. 28; Erman/Schmidt, BGB, 14. Aufl., § 90 Rn. 5; Jickeli/Stieper in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 90 Rn. 35; aA Lackner/Kühl aaO). Indem diese Gegenstände als dem Körper zugehörig empfunden werden, erstreckt sich auch auf sie das Gefühl der Verbundenheit und Pietät (Dippel, aaO Rn. 37; vgl. auch Rn. 38).

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(3) Dem Tatobjekt „Asche“ kommt innerhalb des Tatbestands des § 168 StGB kein geringerer Schutz zu als dem Körper oder Teilen des Körpers des verstorbenen Menschen. Ihm soll vielmehr derselbe Schutz auf würdige und pietätvolle Behandlung gewährt werden wie dem menschlichen Körper. Schon das Reichsgericht hat klargestellt, dass mit der grundsätzlichen Gleichstellung von Feuer- und Erdbestattung durch § 1 Feuerbestattungsgesetz 1934 einer unterschiedlichen Behandlung der Asche und des Leichnams der Boden entzogen worden ist und beide denselben Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe genießen (RGZ 154, 269, 274). Dieser Grundsatz gilt fort (vgl. OVG Berlin, DÖV 1964, 557, 558; OLG Bamberg, aaO S. 1544; Dippel, aaO Rn. 40). Wie der Körper des verstorbenen Menschen sind daher auch seine Verbrennungsreste in ihrer Gesamtheit zu schützen. Diese sind auch nicht deshalb weniger schutzbedürftig, weil vom verstorbenen Menschen abgetrennte Teile, wie etwa Zahngold nach dem Verbrennungsvorgang, ebenso wie abgetrennte Teile des lebenden Körpers mit der Abtrennung Sachqualität erlangen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juni 1958 – 5 StR 179/58, bei Dallinger MDR 1958, 739; vom 9. November 1993 – VI ZR 62/93, BGHZ 124, 52, 54; König, Strafbarer Organhandel, 1999, S. 78; Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 14; MüKo-StGB/Schmitz, 2. Aufl., § 242 Rn. 28, 30; MüKo-BGB/Stresemann, aaO, § 90 Rn. 32; Soergel/Marly, BGB, 13. Aufl., § 90 Rn. 7, 10). Denn der Schutz der Totenruhe ist unabhängig von der Sachqualität einzelner Körperteile zu beurteilen. Daher bleibt auch Asche so lange geschützt, wie das ihr geltende Pietätsempfinden noch nicht erloschen ist (vgl. Dippel, aaO Rn. 40).

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(4) Dem Schutz der Verbrennungsreste in ihrer Gesamtheit entspricht es, dass diese nach der Einäscherung nach den Regelungen des Friedhofsrechts unverzüglich und grundsätzlich vollständig in einer amtlich zu verschließenden und entsprechend zu kennzeichnenden Urne zu sammeln sind (Gaedke, aaO S. 238). Dadurch wird gewährleistet, dass die Aschenreste auch noch nach längerer Zeit einer behördlichen Untersuchung unterzogen werden können, denn es besteht ein erhebliches Interesse an der Feststellung ihrer Identität, Vollständigkeit und Ausschließlichkeit (Gaedke, aaO S. 238 f.; vgl. auch amtliche Begründung zu § 9 Feuerbestattungsgesetz 1934 in Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 117 vom 23. Mai 1934, S. 2 f.).

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2. Allerdings begegnet die Verurteilung der Angeklagten G.   wegen Beihilfe zur Störung der Totenruhe in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwahrungsbruch in 110 Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts ist nur eine Teilnahme in Form der psychischen Beihilfe gegeben, die mehrere rechtlich selbständige Haupttaten gefördert hat (vgl. Heine/Weißer in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 42). Die Verkäufe durch die Angeklagte G.   kamen als Beihilfehandlungen nicht in Betracht, da die Haupttaten zu diesem Zeitpunkt schon beendet waren. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Angeklagte sich insoweit anders und erfolgreicher hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs hat zur Folge, dass die Einzelstrafen entfallen. Jedoch kann die bisherige Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben, weil die Änderung der konkurrenzrechtlichen Beurteilung den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht berührt.

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3. Die getroffenen Feststellungsentscheidungen nach § 111i Abs. 2 StPO halten hinsichtlich der Angeklagten G.   sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht (hierzu b) und hinsichtlich der Angeklagten L.       , K.   , M.     und Ga.     (hierzu c) nicht uneingeschränkt stand.

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a) Das Landgericht war für die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 111i StPO am 1. Januar 2007 beendeten Taten an der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO gehindert, weil für diese Taten das mildere Recht gemäß § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB gilt, nach dem diese bedingte Verfallsanordnung nicht möglich war (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 – 4 StR 502/07, BGHR StPO § 111i Anwendungsbereich 1; Beschlüsse vom 25. April 2012 – 1 StR 566/11, NStZ-RR 2012, 254; vom 10. April 2013 – 1 StR 22/13, NStZ-RR 2013, 254 mwN).

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b) Dies hat zur Folge, dass die hinsichtlich der Angeklagten G.    ergangene Feststellungsentscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO zu entfallen hat, weil ihre Beihilfehandlung spätestens im Jahr 2003 (vgl. UA S. 26) beendet war. Der Begehungszeitpunkt der Beihilfe bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1, 2, § 8 StGB nach dem Zeitpunkt der Teilnahmehandlung als solcher und nicht nach dem Begehungszeitpunkt der hier teilweise nach dem 1. Januar 2007 begangenen Haupttaten; sie ist beendet, wenn sie als solche abgeschlossen ist; auf den Taterfolg kommt es nach § 8 Satz 2 StGB nicht an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 1999 – 3 StR 359/99, BGHR StGB § 8 Teilnehmer 1; vom 11. Januar 2005 – 5 StR 510/04, NStZ-RR 2005, 151; Eser in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 8 Rn. 5; MüKo-StGB/Ambos, 2. Aufl., § 8 Rn. 14; Werle/Jeßberger in LK-StGB, 12. Aufl., § 8 Rn. 15).

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c) Hinsichtlich der Angeklagten L.      , K.   , M.     und Ga.       hat der Senat die Feststellungsentscheidungen nach § 111i Abs. 2 StPO insoweit abgeändert, als von ihnen bereits bis 1. Januar 2007 Erlangtes erfasst wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2013 – 1 StR 22/13, aaO S. 255). Die Entscheidung über die Höhe des nach § 111i Abs. 2 StPO festzustellenden Anspruchs liegt – abgesehen von der nicht zu beanstandenden Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB – nicht im Ermessen des Tatgerichts (vgl. Johann in LR-StPO, 26. Aufl., § 111i Rn. 17; Lohse, JR 2011, 242, 245; Regierungsentwurf zu § 111i StPO, BT-Drucks. 16/700, 16).

19

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte L.        die Taten 116 bis 118 – letztere nicht ausschließbar – vor dem Inkrafttreten des § 111i Abs. 2 StPO beendet. Für die nach dem 1. Januar 2007 beendeten Taten 119 bis 134 hat er lediglich einen Betrag von 137.922,54 € erlangt.

20

Der Angeklagte K.   hat die Tat 141, der Angeklagte M.     die Tat 202 und der Angeklagte Ga.       die Tat 225 nicht ausschließbar vor Inkrafttreten des § 111i Abs. 2 StPO begangen. Der Senat hat nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe (vgl. UA S. 37) zugunsten dieser Angeklagten den insoweit jeweils erlangten Vermögensvorteil nach § 73b StGB auf einen Betrag von 1.500 € geschätzt und von dem nach § 111i Abs. 2 Satz 2 StPO zu bezeichnenden Erlangten bzw. dem nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO zu bezeichnenden Geldbetrag abgezogen. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte M.     die 370g Zahngold vor dem 1. Januar 2007 erlangt hat.

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4. Soweit es das Landgericht unterlassen hat, in den Fällen 129, 134 betreffend den Angeklagten L.     und in den Fällen 176, 177 betreffend den Angeklagten K.   Einzelstrafen festzusetzen, holt dies der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nach und setzt Freiheitsstrafen von vier Monaten (Fälle 129 und 134) und drei Monaten (Fälle 176 und 177) fest (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – 5 StR 525/14). Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Landgericht bei dem Angeklagten L.       in vergleichbaren Fällen auf Einzelstrafen von jeweils vier Monaten (vgl. etwa 118, 121, 126) und hinsichtlich des Angeklagten K.   in vergleichbaren Fällen auf Einzelstrafen von jeweils drei Monaten (vgl. etwa 148, 151 bis 154, 164) erkannt hat. Bestimmende Strafzumessungstatsachen, die eine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht festgestellt. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht nicht entgegen (vgl. BGH aaO). Die Gesamtstrafaussprüche haben Bestand.

Sander                         Dölp                        König

                 Bellay                       Feilcke